Donnerstag, 28. April 2016

Kulturgeschichten 0204

Schlachtenglück

Werden Schlachten von denen gewonnen, die stärker sind, kommt es mehr auf die richtige Taktik an oder entscheidet am Ende immer das Glück?

Was bringt ein Sieg wirklich ein?

Am 27. April 1622 besiegten in der Schlacht bei Mingolsheim die vereinigten Heere von Peter Ernst II. von Mansfeld und Georg Friedrich von Baden-Durlach im Dreißigjährigen Krieg die Kaiserlichen unter Johann t’Serclaes von Tilly am Ohrenberg. Der Ort Mingolsheim wurde während der Schlacht von Mansfelds Leuten in Brand gesteckt und brannte größtenteils nieder.

Mansfeld führte das führt das Heer des Pfalzgrafen Friedrich V., des sogenannten Winterkönigs, dessen Krönung zum König von Böhmen den Dreißigjährigen Krieg entscheidend mit auslöste. Mingolsheim, das im Rücken der Kaiserlichen lag wurde bei Beginn des Treffens von den Pfälzern angesteckt, um Tillys Truppen den Rückweg abzuschneiden.

Tilly der bayerisch-ligistische Generalleutnant war mit seinem Heer in die Kurpfalz, die Stammlande des Pfalzgrafen bei Rhein eingedrungen und versuchte Heidelberg von Süden her zu umfassen. Er hatte dafür bis einen Tag vor der Schlacht sein Heer von 12.000 Mann bei Wiesloch versammelt und musste dafür die Belagerung der Feste Dilsberg aufgeben, die ein Stück neckaraufwärts von Heidelberg gelegen ist.

Mansfeld als General-Feldmarschall der böhmischen Krone war mit seinem Heer von 16.000 Mann Fußvolk und 6000 Reitern bei Germersheim über den Rhein und nach Bruchsal gezogen, um sich mit den 20.000 Mann des Weißen Heeres des Markgrafen von Baden-Durlach zu vereinigen. Zunächst versuchte er erfolglos Tilly aus dessen starker Position bei Wiesloch herauszulocken. Dann griff Tilly die mansfeldchen Truppen bei Mingolsheim an. Daraufhin ließ Mansfeld das Dorf anstecken, um die Annäherung zu verhindern. So trafen die Kaiserlichen am Ohrenberg auf ein zum Angriff aufgestelltes Heer, das sie in Richtung des brennenden Dorfes zurückwarf. Dabei erlitten die Kaiserlichen hohe Verluste, es wird von bis zu 2000 Mann berichtet, während Mansfeld nur etwa 300 verlor. Da die Pfälzer, warum auch immer, von einer Verfolgung des gechlagenen katholischen Heeres absehen mussten, konnte sich der in der Schlacht verletzte Tilly unbehelligt nach Wimpfen zurückziehen, wo er sich mit dem Heer des spanischen Generals Córdoba vereinigen und so wieder verstärkt wurde. Mansfeld zog nach der Schlacht gen Bruchsal, um sich mit dem Heer der Baden-Durlacher für vier Tage zu vereinen. Dann zog jeder seiner Wege. Dafür schlug Tilly am 6. Mai 1622 die wieder von Mansfeld getrennten Durlacher in Wimpfen.

Es war eine der vielen Schlachten im Dreißigjährigen Krieg, deren Gewinn dem Sieger auf Dauer nichts einbrachte. Der Winterkönig konnte sich weder in Böhmen halten noch seine Stammlande auf Dauer verteidigen. Auch die katholischen kaiserlichen erreichten bis 1648 ihre Ziele nicht, sondern verwüsteten nur weite Teile des Landes, bis sich die erschöpften Gegner endlich zu Münster und Osnabrück auf einen Frieden einigten, der bestätigte, wie überflüssig der das Reich zerstörende Krieg um Land und den rechten Glauben war. Dafür waren dann die Schweden im Land, die erfolgreich für die protestantische Sache gefochten hatten und das Reich blieb in weiten Teilen entvölkert und verwüstet zurück, ohne dass es einen Sieger gegeben hätte. Die Kurpfalz war zu einem der vielen Schlachtfelder geworden, in dem Dörfer und Städte aus strategischen Gründen abgefackelt wurden. In Mingolsheim erinnern heute noch nach den beiden Feldherren benannte Straßen an den Kriegseinsatz des Dorfes, als es für den Winterkönig brannte und so im Feuer einen Sieg ihres Landesherren und der Protestanten unter grausamen Opfern sicherten.

Auch am 27. April nur 1848 scheiterte die Badische Revoloution im Rahmen der Märzrevolution im Gefecht bei Dossenbach. Dort unterliegt die Deutsche Demokratische Legion unter Führung des revolutionären Dichters Georg Herwegh den konterrevolutionären Truppen aus Württemberg.

Bei dem Gefecht zwischen Dossenbach und Niederdossenbach, nahe der Schweizer Grenze waren die 600 Mann unter Herwegh schon auf dem Rückzug als die Württemberger Infanteristen sie mit 137 Mann erwischten. Herwegh hatte sich nach dem Heckeraufstand zunächst mit den Truppen von Friedrich Hecker vereinigen wollen und hatte dazu seine Gattin als Botin vorausgeschickt. Hecker lehnte jedoch die Vereinigung ab, weil die Deutsche Demokratische Legion in Deutschland als plündernde Horde dargestellt worden war und er um den Ruf seiner Truppe und deren Moral fürchtete, außerdem wollte er die Revolution aus dem inneren Deutschlands zum Erfolg führen und nicht mit den Pariser Exilanten. Die Legion ging unter Herweghs Führung dennoch über den Rhein gen Kandern, um Hecker zu unterstützen. Dort erfahren sie, dass Hecker vor wenigen Tagen in der Schlacht auf dem Scheideck vernichtend geschlagen wude und geflohen sei. Nun wollten sie sich mit dem Revolutionszug von Franz Sigels vereinigen, der gerade im oberen Wiesental bei Todtnau stand und marschierten von Kandern gen Nordosten. Unterwegs erfuhren sie jedoch, dass sich dessen Truppe auch bereits wieder auf dem Rückzug befand. Sie wollten die Aufständischen im von ihnen besetzten Freiburg unterstützen, das von Regierungstruppen belagert wurde, waren jedoch im Gefecht bei Günterstal geschlagen worden und befanden sich nach einer erneuten Niederlage vor dem belagerten Freiburg bereits in Auflösung. Nach der Nachricht von Sigels Niederlagen machte sich die Legion über den knietief mit Schnee bedeckten Belchen auf den Rückzug gen Süden. Über den auch über 1000, hohen Zeller Blauen erreichten sie schließlich am 26. April völlig erschöpft Zell im Wiesental. Eigentlich wollten sie sich dort erholen, als sie von den nahenden Regierungstruppen härten, machten sie sich wieder auf den Weg gen Dossenbach. Dort wurden sie von gut versteckten Infanteristen aufgelauert und nach einem kleinen Gefecht mit einer Nachhut, bei dem ein Hauptmann der Legion getötet wurde, quasi aus dem Hinterhalt abgeschossen, da die Württemberger zuvor von einem Bauern vor der nahenden Legion gewarnt worden waren, der ja ihr plündernder Ruf vorauseilte.

Nach der Niederlage gegen die sechsfach an Zahl unterlegenen Württemberger Truppen löste sich die Legion auf und versuchte in Teilen oder kleinen Truppen noch nach Dossenbach und über die Schweizer Grenze zu gelangen. Emma und Georg Herwegh gelang dies als Bauern verkleidet. Es waren 30 Mann der Deutschen Legion getötet und 60 verletzt worden, während die Württembergischen nur 2 Verwundete meldeten, einer davon ein Offizier im Nahkampf, der andere mit Schmauchspuren nach falscher Beladung seines Gewehrs.

Gerog Herwegh war neben Heinrich Heine und Ferdinand Freiligrath der populärste deutschsprachige Dichter des 19. Jahrhunderts. Er schrieb auch für die von Karl Marx redigierte Rheinische Zeitung und war mit Ludwig Feuerbach befreundet. Heinrich Heine verewigte ihm in den Gedicht An Georg Herwegh als die eiserne Lerche. Später war er auch noch mit Bakunin befreundet, der ihn immer wieder beeinflusste. In Paris hatte er  neben Karl Marx und Bakunin auch Jenny Marx, George Sand, Victor Hugo und Béranger kennengelernt. Er schrieb dort den zweiten Teil seiner Gedichte eines Lebendigen, die eine ironische Antwort auf die Briefe eines Verstorbenen von Hermann von Pückler-Muskau waren.

Nach der Pariser Februarrevolution von 1848 war er zum Präsidenten des Republikanischen Komitees und zum Vorsitzenden der Deutschen Demokratischen Legion gewählt worden. Gegen den Einspruch und die Ratschläge von Marx und Engels war er mit seinen Truppen nach Baden geeilt, als dort der Aufstand ausbrach. Seine Beteiligung am Aufstand führte zum Bruch der Freundschaft mit den Begründern des wissenschaftlichen Sozialismus. Dafür freundete er sich wieder in Paris zunächst mit Alexander Herzen und Turgenew an. Sein Haus in Zürich wurde bald zum Treffpunkt für geflohene Revolutionäre und es trafen sich dort Richard Wagner, Gottfried Semper und Franz Liszt. Dabei kam es wieder zum Bruch mit Herzen, dessen Frau Natalie sich leidenschaftlich in den dichtenden Revolutionär verliebt hatte. Nebenbei dichtete er anonym für die Satirezeitung Kladderadatsch. Später wurde er noch zum Bevollmächtigten des Allgemeinen Deutschen Arbeiter Verein (ADAV) in der Schweiz, der zu einem Vorläufer der späteren SPD wurde. Bald freundete er sich auch mit dem ADAV Gründer Ferdinand Lasalle an und schrieb das Bundelied als Hymne auf das Proletariat. 1869 schloss er sich der von August Bebel und Wilhelm Liebknecht gegründeten marxistisch-revolutionären Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) an. Als Mitarbeiter des Parteiblatts Der Volksstaat schrieb er seine schärfsten Gedichte in denen er den preußischen Militarismus, den deutsch-französischen Krieg und das Kaiserreich scharf verurteilte.

Trotz seiner klaren politischen Positionierung für die Arbeiterklasse ist seine Wirkung bis heute umstritten. So meint Ulrich Enzensberger, der Bruder von Hans Magnus, in seinem Band Herwegh ein Heldenleben aus der wunderbaren Anderen Bibliothek, die Gedichte des früheren Burschenschaftlers in ihrer pathetisch, nationalistischen Tönung wären auch Wegbereiter des späteren aggressiven Nationalismus des Wilheminismus gewesen, er wurde weniger als sozialistischer Revolutionär geschätzt und gelesen sondern als nationaler Dichter, dahingestellt, ob ihm das zum Vorwurf gemacht werden kann oder ein Dichter nichts für die Abwege seiner einmal freigelassenen Gedichte kann.

Die mit großem Pathos gestartete Deutsche Legion war so überflüssig wie das Eingreifen des Dichters in die badische Revolution, eines der ganz wenige male, in denen ich Marx und Engels zustimmen würde. Es wurden unnötig Menschenleben gefährdet und Leben ruiniert, ob in Haft oder auf dem Schlachtfeld eines verlorenen Gefechts. Ob Herwegh des heute eher gering geschätzten Pathos seiner Verse wegen vergessen wurde und der Ton nicht mehr in die Zeit passt, könnten sich politische Dichter heute fragen. Wohingegen Heine, der zwar in Deutschland ein Wintermärchen auch klar politisch schrieb aber doch weniger im aktuellen Geschehen verhaftet war, mit dem Blick für das Große, immer noch geliebt und geschätzt wird auch in den Kreisen, die ihn früher verfolgten.

Wie entbehrlich letztlich beide Schlachten waren, wenn auch mit unterschiedlich vielen Toten zeigte doch wieder wie in den allermeisten Fällen überflüssig militärische Aktionen sind, die mehr Elend herbeiführen, als sie an Gewinn je bringen können und auf lange Sicht betrachtet, hat sogar die Eroberung Schlesiens durch Friedrich den Großen, die Preußens Aufstieg zur Weltmacht im 19. Jahrhundert mit sicherte durch die reichen Minen dort, mehr Schaden angerichtet als Nutzen gebracht und nun ist Schlesien polnisch.

Es fragt sich beim Blick auf das aktuelle politische und militärische Geschehen, das schnell den Blick verengt und den Horizont parteilich beschränkt, welcher Kurs sich wohl auf Dauer durchsetzen wird.

Was ist die von Katharina der Großen eroberte Krim, die sie den inzwischen untergegangenen Osmanen wegnahm, deren cholerischer Wiedergänger gerade durch Europa tobt, sich ständig beleidigt fühlt und nach Satisfaktion verlangt?

Ist sie russisch, ukrainisch, osmanisch, tatarisch?

Lohnte sich eine Schlacht um eine Halbinsel oder sitzt die Welt dies lieber mit Sanktionen aus, um sich irgendwann friedlich zu einigen?

Wer hätte in Syrien was zu gewinnen und wem nutzt das wieder stärkere Eingreifen der Bundeswehr in den Luftkampf dort?

Wie wäre es, wir beschränkten uns künftig schlicht auf unser erfolgreichstes Feld den weltweiten Handel mit Qualitätsprodukten wie sauberen Dieselmotoren?

Können wir den Frieden ohne Waffen und eine Armee verteidigen?

Oder ist es nur deutsche Wirtschaftpolitik die Funktionalität deutscher Präzisiongewehre auch im internationalen Einsatz bei jeder Temperatur zu präsentieren?

Aber bevor ich mich wieder in tagespolitischen Nichtigkeiten in den Untiefen der Ironie verliere, die auf lange Sicht unwichtig bleiben, denke ich lieber an Heine und Herwegh und lese immer noch lieber den guten Heinrich …

“Es war im traurigen Monat November …”
jens tuengerthal 27.3.2016

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