Dienstag, 19. April 2016

Kulturgeschichten 0193

Hohenzollernaufstieg

Preußen ist mit dem II. Weltkrieg untergegangen, aber was war es bis dahin und was können wir aus der Geschichte dieses Landes für die Zukunft Deutschlands lernen?

Merkel wird auch die Preußin genannt, trifft es das oder ist sie mehr Berlinerin als Märkerin oder gar Hanseatin?

Könige kommen und gehen nur womit fängt eine Linie an, die später Geschichte schrieb, vom Burggrafen es zu immerhin drei Kaisern brachten?

Zählt Familie mehr als die Person oder kam es immer auf die einzelnen dabei an?

Am 18. April 1417 erhielt Friedrich VI. bis dato Burggraf von Nürnberg vom Kaiser als Dank für treue Dienste das Kurfürstentum Brandenburg als Lehen und wird als Friedrich I. von Brandenburg Begründer der brandenburgischen Linie des ursprünglich schwäbischen Geschlechts der Hohenzollern.

Zum ersten mal trat Friedrich in den Dienst von König Sigismund von Ungarn anlässlich des Kreuzzugs gegen die Türken, zu dem Papst Bonifatius IX. aufgerufen hatte. Der Kreuzzug ging völlig schief und er wie sein Bruder Johannes retteten sich gerade noch an das andere Ufer der Donau. Johann rettete bei dieser Gelegenheit seinen königlichen Schwager aus dem Geschlecht der Luxemburger vor der Gefangennahme. Wieder zurück teilte er mit seinem Bruder den Besitz des mittlerweile gestorbenen Vaters, Johann erhielt Kulmbach, Friedrich Ansbach. Wenig später versuchte er im Streit zwischen Kurfürst Ruprecht von der Pfalz und Wenzel König von Böhmen zu vermitteln, schlug sich jedoch auf Ruprechts Seite, der immerhin mit seiner Schwester verheiratet war.

Eine Fehde mit der Belagerung von Rothenburg ob der Tauber, die erfolglos verlief, da er mit seinen 8000 Rittern, die gut gesicherte Stadt weder stürmen, noch die auch gut versorgte Stadt aushungern konnte, führte Friedrich an den Rand des Konkurses. Zumal als der mittlerweile König Ruprecht die Reichsacht gegen Rothenburg wieder aufhob und alle Parteien ihre Kosten selber tragen sollten. Er hatte sich für den gescheiterten Feldzug übernommen und war zahlungsunfähig, überlegte schon seinen Besitz zu verkaufen und zum Bruder nach Bayreuth zu ziehen, heute würde er wohl persönlichen Konkurs und Hartz IV beantragen, da kam ein Bote von König Sigismund, der Friedrich als Kriegsmann in seine Dienste nahm und dafür sehr ordentlich zahlte.

Als König Rupprecht starb, gab es im Reich drei Luxemburger die als Nachfolger kandidierten, Wenzel von Böhmen, Jost von Mähren und Sigismund von Ungarn. Bei der ersten Wahl, zu der zahlreiche Wahlberechtigte Kurfürsten aus Protest nicht erschienen waren, setzte sich Sigismund, vertreten durch Friedrich in umstrittener Wahl im September 1410 mit drei Stimmmen als König durch, bei der Nachwahl im Oktober kam Jost auf vier Stimmen und wurde damit König, der jedoch bereits im Januar unter unklaren Umständen wieder verstarb. Bei der nächsten Wahl konnte Sigismund die Mark und seine Kurstimme zurückverlangen und setzte sich damit durch. Zum Dank für seine treuen Dienste mache er Friedrich zum Hauptverwalter der Marken. Durch geschickte Bündnisse mit den Herzögen von Braunschweig und Lüneburg, sowie dem Bischof von Magdeburg und Truppen aus seinen fränkischen Stammlanden gelang es Friedrich bis 1414 unter Verwendung moderner Belagerungswaffen alle wichtigen Burgen des rebellischen märkischen Adels zu erobern. Mit den Quitzows führte er jedoch noch jahrelang weiter einen Raub- und Plünderungskampf in den Marken.

Am 30. April 1415 schließlich verlieh ihm Sigismund auf dem Konzil von Konstanz die erbliche Würde eines Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg. Ein halbes Jahr späteter schon huldigten ihm dann die Stände als neuem Markgrafen und Kurfürsten auf dem Landtag in Berlin. Dann dauerte noch bis zum 18. April 1517 bis ihm Sigismund immer noch auf dem Konzil zu Konstanz förmlich mit der Kurmark belieh und ihm die Reichswürde eines Erzkämmerers antrug. Als der König nach dem Konzil eine Auslandsreise nach Spanien und England antrat, ernannte er Friedrich entgegen der Regelungen der Goldenen Bulle, in der festgeschrieben war, wer für was im Reich zuständig war, zum Reichsverweser. Dass die anderen Kurfürsten dies hinnahmen, zeugte für das besondere Vertrauensverhältnis des Königs zu Friedrich, der auch als Kandidat für die Nachfolge hoch gehandelt wurde. Auch Sigsmund überlegte Friedrich zum König zu machen, nachdem ihn der Papst zum Kaiser gesalbt hatte.

Dann jedoch kam es zum Zerwürfnis mit Sigismund. Es begann damit, das Sigismund seinen Sohn in Krakau, der damaligen polnischen Königsresidenz mit der Alleinerbin und Tochter des polnischen Königs verlobte. Friedrich wollte Polen als Verbündeten gewinnen, um vom Deutschen Orden die Neumark zurückzuerhalten, die dieser besetzt hielt. Sigismund war davon zunächst sehr angetan, weil er hoffte die Polen als Verbündete im Kampf gegen die Hussiten zu gewinnen, deren Chef ja gerade in Konstanz verbrannt worden war. Während Friedrich früher Sigismunds engster Berater war, kam mit der Hochzeit von der Tochter des Königs mit Albrecht von Österreich ein neuer Mann an den Hof. So wurde Friedrich unterstellt, den Feldzug, der wieder nichts geworden war, nur halbherzig geführt zu haben, den Polen wurde sogar unterstellt gemeinsam mit den Litauern sich mit den Hussiten verbündet zu haben. Im Binger Kurverein, einem Zusammenschluss der Kurfürsten von 1421 war Friedrich dann die treibende Kraft. Dies untergrub nach Sigismunds Ansicht seine königliche Autorität, warum der impulsive Monarch sich gegen Friedrich wandte, auch wenn der weiter treu seine Dienste im Reich leistete, wusste wessen Gnade er seinen Titel verdankte.

Ständige Fehden mit Mecklenburg, Pommern, in Bayern untereinander an denen er auf Seiten Landshuts beteiligt war, wie die ewigen Kämpfe gegen die Hussiten führten ihn wieder an den Rand seiner finanziellen und psychischen Leistungskraft. Während seiner dadurch bedingten Abwesenheit vertrat ihn seine Frau Elisabeth, was für die Zeit besonders war und für das vertrauensvolle Verhältnis der beiden sprach. Die Mark wurde schon früh von einer Frau regiert. Das letzte mal war er 1425 in der Mark und überließ danach seinem Sohn Johann dem Alchemisten die Amtsgeschäfte. Er residierte also nur wenige Jahre in der Mark selbst, konnte jedoch in dieser Zeit den Landfrieden wieder herstellen. Aber erst sein Urenkel Joachim I. (Nestor) konnte dem Raubfehdewesen wirksam Einhalt gebieten.

Friedrich organisierte ab 1427 nochmals einen Reichskrieg gegen die Hussiten aber vermittelte auch danach 1433 für den Kompromiss mit den Hussiten den Prager Kompaktaten. Bereits 1427 hatte er mit Zustimmung Sigismunds seine Reichsburg in Nürnberg an die Reichsstadt verkauft, um einen erneuten finanziellen Engpass zu überwinden. Die 120.000 Gulden für die teilweise Ruine schienen viel, beinhalteten jedoch auch Steuerreinnahmen und Wälder. Mit dem Geld scheinen es die in Berlin regierenden schon damals nicht so sehr gehabt zu haben und manchmal verkaufen sie ihr Erbe, um irgendwie zu überleben.

Sein diplomatischer Erfolg beim Konzil von Basel, der zum Kompromiss mit den Hussiten führte, die offenbar militärisch nicht zu besiegen waren, hatte zur wieder Versöhnung mit dem dann Kaiser Sigismund beigetragen, wenn es auch nie wieder ein Vertrauensverhältnis wurde wie zuvor, warum die Österreicher dem Luxemburger-Ungarn als Erben folgten und mit kleinen Unterbrechungen bis zum Ende blieben.

Friedrich und seine Elisabeth hatten 10 Kinder von denen immerhin 9 das Erwachsenenalter erreichten, was damals ungewöhnlich viel war. Der von ihm zunächst als Erbe in den Marken und für das Amt des Kurfürsten eingesetzte Johann der Alchemist, erwies sich in der Praxis als ungeeignet, warum der Vater noch kurz vor seinem Tod das eigentlich geltende Erstgeburtecht außer Kraft setzte und den jüngeren Sohn Friedrich dort einsetzte, während sich Johann mit seinem Bruder den fränkischen Besitz teilen sollte, was auch familienintern friedlicher geregelt wurde als heutige Hohenzollern teilweise ihre Erbstreitigkeiten ohne jede noch Regierungsmacht gerichtlich ausfochten. Der Sohn bekam den Spitznamen Eisenzahn, während Friedrich einfach Friedrich I. von Brandenburg blieb.

Bis zu Wilhelm II. regierte das Haus Hohenzollen, zuletzt unter dem Namen Preußen, was ja erst viel später nach Auflösung des Deutschen Ordens an die Kurfürsten fiel, erst die fränkische Linie und als die ohne Erben war, von den Brandenburgern übernommen wurde von denen sich dann der Friedrich wiederum I. zum König in Preußen wählen ließ, nachdem sein Vorfahre durch den Einfluss der Österreicher am Hofe von Sigismund doch nicht Deutscher König geworden war. Dafür wurden sie, dann allerdings ohne Österreich ab 1871 zu Kaisern des zweiten Deutschen Reiches damals unter Preußens Führung, das durch den genialen Friedrich II. und seinen Krieg gegen Maria-Theresia, der Preußen Schlesien brachte, zur stärksten Macht in Deutschland und bald zur Großmacht in Europa wurde, zeitweise sogar sich als koloniale Weltmacht mit allerdings eher bescheidenen Erfolgen versuchte. Ob die Kaiserkrönung in Versailles, die Bismarck inszeniert und Moltke erkämpft hatte, Preußens Untergang war, das dann im Reich aufging, wäre der Frage wert - Wilhelm I. schien es so und noch kurz vor der Krönung hätte er sich am liebsten nach Preußen zurückgezogen, um das er mehr fürchtete als er sich auf das geeinte Reich freute, dem er noch bis 1888 vorstand.

Könige von Preußen waren die Hohenzollern erst nach der ersten polnischen Teilung unter Friedrich II. geworden, da es dann erst die Landverbindung zum früheren Deutschordensland Ostpreußen gab, in dem sich der erste Friedrich nach langer Bestechung nur zum König krönen durfte und darum hießen sie lange nur Könige in Preußen, da es im Reich nur einen König gab der Friedrich I. damals nicht wurde, weil die darauf die Fusion von Luxemburg und Österreich ewig hielt bis zum Untergang unter Napoleon. Aus dem dann Preußen in den Befreiungskriegen unerwartet stark aufstieg und sich mit dem Ruhgebiet viel späteren Reichtum und Erfolg einhandelte.

Heute ist Preußen nur noch kulturelle Erinnerung, außer in der Bundeliga, wo es bei Dortmund und Mönchengladbach mit dem lateinischen Namen für Preußen, die Borussia, gleich doppelt meist relativ weit oben präsent ist und die ewige Konkurrenz der Preußen mit den Bayern, die schon Friedrich mit ausfechten musste, blieb so bis heute präsent, auch wenn Friedrich mit dem später Preußen noch nichts zu tun hatte außer den ständigen Streit mit den Deutschordensrittern um Land.

Gerade wird Preußen wieder mitten in Berlin aus dem Dornröschenschlaf geweckt, wenn auf der Museumsinsel, die Preußens reiches kulturelles Erbe beherbergt, mit dem Humboldt-Forum das alte Hohenzollern Schloss zu neuer besserer Nutzung in nur alter Form wieder ersteht, einen Blick auf die Kulturen der Welt werfen lässt und dabei vom ehemaligen Direktor des großartigen British Museum Neil Mac Gregor als Gründungsdirektor einen international renomierten Star der Museumswelt und Autor geführt werden wird.

Die Renaissance dessen, was an Preußen wertvoll und bewahrenswert ist, wozu nicht der Militarismus zählt, kam aus Großbritannien. Durch das Buch Preußen des in Cambridge lehrenden Australiers Sir Christopher Clark wurde ein neuer Blick auf die Geschichte des in Verruf geratenen Königreichs geworfen, der so detailreich wie liebevoll den Horizont für das bewahrenswerte der Geschichte öffnet und warum es auch einer Demokratie gut tun kann, sich auf ihre preußischen Wurzeln zu besinnen.

Vielleicht steht die in Hamburg geborene aber in der Mark aufgewachsene Kanzlerin Merkel in vielem für das, was Preußen im guten Sinne ausmacht und während heute das halbe Land über eine vermutlich weise Entscheidung lästert und die andere Hälfte sie aus latentem Fremdenhass zumindest im Osten schon lange verflucht, hat sich selten eine Herrscherpersönlichkeit in Europa als so unbestechlich und auch persönlich bescheiden gezeigt wie sie, im besten Sinne dessen, was lange auch als preußisch galt und so sollten manche vielleicht vor einer schnellen Verurteilung der Kanzlerin, die nach der Kurfürstin Elisabeth in Vertretung ihres Mannes Friedrich I. eine der ersten Frauen ist, die in Berlin überhaupt verantwortlich regieren, sich Zeit nehmen das Wirken jener zu beurteilen, die sich die große Askanierin auf dem Thron Russlands zum Vorbild nahm. Eine echte Aufklärerin als Vorbild, die nachhaltig reformierte, lässt mehr erhoffen als ihre Vorgänger selbstbezüglich meist leisteten und deren “Wir schaffen das” ein Bild eines besseren Deutschland in die Welt sandte, als es vielen ihrer Vorgänger je gelang.

Habe Merkel viel kritisiert und bin mit manchen der Ziele ihrer Politik nicht einverstanden, halte die zunehmende Liberalisierung in manchem für zweifelhaft, doch ihren Mut mit ihrer Person sich gegen allen Widerstand vor Menschen in Not zu stellen, auch nachdem es schwierig wurde, zeugt von einer hohen persönlichen Integrität und wie sie selber sagt, macht es für sie ihr Land auch aus, in Notsituationen ein freundliches Gesicht zu zeigen und so wie sie an dem Plan Neil Mac Gregor nach Berlin zu holen, aktiv beteiligt war, steht sie auch mit ihrer Sparsamkeit in Europa, die sogr den Soldatenkönig wie einen Verschwender aussehen lässt, für ein neues Bild des alten Preußen, das menschlicher und weniger imperial ist, als es lange galt und weist damit auf preußische Tugenden hin, die sich auch im Widerstand gegen Hitler im Kreisauer Kreis zeigten auf dem Gut der Nachfahren des Feldmarschall Moltke, der als großer Schweiger in Berlin bekannt war, und die wir höher schätzen sollten als den lauten Rassismus der neuen nationalen Bewegung.

Preußen gibt es nicht mehr, das Kurfürstentum Brandenburg auch nicht, das gleichnamige Bundesland spielt nicht die erste Geige im Orchester der Länder aber eine Kanzlerin, die den guten Teil preußischer Tugenden erinnert und das kulturelle Erbe Preußens stärkt und unterstützt, tut dem Land besser als manche Sektierer oder Profilneurotiker, auch wenn ich sie als Bundeskanzlerin bei erster Gelegenheit wieder kritisieren werde.
jens tuengerthal 18.4.2016

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