Donnerstag, 31. August 2017

HiHa 034

Kulturverdrängung

Wer Kultur verdrängt
Hat meistens eher keine
Hochkultur passt an

So das Christentum
Das wie Islamisten heut
Alle verdrängte

Glaube an Wahrheit
Noch dazu höher beschränkt
Logisch stets die Sicht

Manchmal dauert es
Bis die Vernunft wieder siegt
Wir kämpfen hier noch

Europa wurde
Im Mittelalter so blind
Wie blöd lange Zeit

jens tuengerthal 31.8.2017

Tee Haiku 0013

Unvergleichlich

Wohlig dampft der Tee
Heute grüner Darjeeling
Freue mich daran

Betroffen lesen
Von den Flutopfern westlich
Mehr aber östlich

In Texas keine
Fünfzig bisher dafür in
Indien tausende

Ersteres ist die
Schlagzeile letzteres
Kaum eine Meldung

Lebenswert ist wohl auch
Relativ zum Einkommen
Zumindest medial

jens tuengerthal 31.5.2017

Sehnsuchtswissen

Sich einsam sehnen ist traurig
Es gemeinsam tun wunderschön
Dann ist zwar noch jeder allein
Weiß aber um die Sehnsucht
Des Liebsten was wiederum
Sogar einsam glücklich macht
Dann fehlt der andere immer noch
Aber das Gefühl wächst stärker
Aus dem umeinander wissen und
So stärkt die Sehnsucht die Liebe
Was sonst könnten wir wollen
Und so genieße ich was ist lieber
Als an dem auch noch zu leiden
Weil die Liebe alles schöner macht
Bin ich ein glücklicher Genießer
Auch wenn du gerade so fehlst
Um das Glück deiner Liebe auch
Gebührend zu würdigen

jens tuengerthal 30./31.8.2017

Mittwoch, 30. August 2017

HiHa 033

Mittelordnung

Nach des Reichs Zerfall
Folgte Völkerwanderung
Chaos und Glaube

Die Kirche verband
Was nichts mehr zusammen hielt
Das erst gab ihr Macht

Ordnungssuche war
Was nötig war für beide
Das hielt sie stark

jens tuengerthal 30.8.2017

Tee Haiku 0012

Heißsauer

An heißen Tagen
Mag ich am liebsten Earl Grey
Tut Bergamote gut

Sind Gegensätze
Oder Ähnlichkeiten hier
Entscheidend für mich

Heiß und sauer wirkt
Besser als Vanille dazu
Die eher noch wärmt

Ist dies nun typisch
Nur für mich oder menschlich
Frag ich lieber nicht

Solang es noch wirkt
Ändert wohl keiner etwas
An Tee und Leben

jens tuengerthal 30.8.2017

Liebeslogik

Ich liebe dich mein Schatz
Schicke dir einen Schmatz

Ach ich liebe dich so sehr
Aber ich dich viel mehr

Das kann gar nicht sein
Das wäre jetzt gemein

Die Liebe ist so groß
Mehr als ein Elefantenkloß?

Liebe dich auch im Falle eines Falles
Und ich dich für immer über alles

Du kannst mich nicht mehr lieben
Habe sogar noch untertrieben

Vermisse dich schon so sehr
Und ich noch tausend mal mehr

Das geht aber doch gar nicht
Wer hält darüber wohl Gericht?

Aber ich sag doch die Wahrheit
Wäre das nicht große Eitelkeit?

Woher weißt du es dann
Weil die Liebe alles kann?

jens tuengerthal 29.8.2017

Dienstag, 29. August 2017

HiHa 032

Dunkeldichtung

Über das Dunkel
Dichten scheint unvernünftig
Sieht doch keiner was

Manchmal bringt mehr Licht
Mehr als Schweigen allein kann
Zum Mittelalter

Es bleibt dunkel dort
Nur sehen wir es klarer
Was allein gut ist

jens tuengerthal 29.8.2017

TeeHa 011

Super-GAU

Vanille tut gut
Voller Wärme in Ruhe
Im Tee genossen

Wahlkampf dagegen
Bringt weitere Unruhe
Wird selten Genuss

Zu Gaulands Worten
Ist Schweigen angemessen
Passt nicht zu Deutschland

In der Ruhe liegt
Mehr Entschiedenheit als
In der Empörung

Den Rest entsorgen
In Deutschland besser Richter
Als laute Henker

jens tuengerthal 29.8.2017

Montag, 28. August 2017

Fernnah

Noch ist die Liebste ganz nah
Liegt mir müde gegenüber
Bald ist sie dann nicht mehr da
Verliebt schau ich zu ihr rüber

Fern oder nah wird ganz egal
Wenn zwei längst wissen
Der andere ist die richtige Wahl
Liebe ist ein gutes Kissen

Umeinander wissen tut gut
Auch wenn Räume trennen
Gibt unsere Liebe mir Mut
Welch Traum dich zu kennen

jens tuengerthal 28.8.2017

Goethlich

Goethe hat heute
Geburtstag obwohl er doch
Schon länger tot ist

Daran zu denken
Hält zumindest mich wacher
Bis zum Ende

Verse dem Dichter
Der so göttlich noch reimte
Bleiben stets schlichter

jens tuengerthal 28.8.2017

HiHa 031

Uranfang

Antike begann
Mit Griechen aber was war
Etwa in Nebra

Wo Himmelsscheiben
Länger Kultur bezeugen
Die längst vergessen

Spurlos verschwand wohl
Manches in der Geschichte
Blieb ohne Worte

jens tuengerthal 28.8.2017

TeHa 0010

Montagmorgen

Der Montag beginnt
Himmelblau oben mit Tee
Unten sehr entspannt

Zeitung lesen wird
Auch online überflüssig
Im lästigen noch Wahlkampf

Scholz und Schulz
Zeigen warum diesmal nicht
Einer noch rot wählt

Merkel gelassen
Lässt den Gegner zappeln als
Aller Kanzlerin

jens tuengerthal 28.8.2017

Sonntag, 27. August 2017

Zauberschön

Bin ich nun völlig verzaubert
Weil ich mir ganz sicher bin
Dass meine die schönste ist
Oder hab ich einfach recht

Wie sollte es anders sein
Wo es doch so sichtbar ist
Für jeden mit offenen Augen
Dass keine ihr gleichen kann

Schauen wir jemals objektiv
Gibt es Geschmack für alle
Oder zählt Gefühl viel mehr
Als was andere meinen

Ganz egal was wer denkt
Sie ist einfach immer schöner
Wer wüsste es besser als ich
Der sie doch viel näher kennt

Sicher bin ich mir dabei auch
Weil ich sie über alles liebe
Was könnte sicherer machen
Als das ganz große Gefühl

Sie ist so zauberschön fast
Fehlen mir die Worte schon
Alles zu beschreiben doch
Seh ich es zum Glück immer

Überhaupt ist das Gefühl doch
Viel wichtiger als alle Schönheit
Die stets vergänglich bleibt wie
Uns die Barocke schon lehrte

Mehr noch als mein Gefühl aber
Verleiht mir das ihre hier Flügel
Wie sie zart ihre Liebe erklärt
Verwirrt wohl mich schön findet

Wieviel schöner noch wird sie mir
Durch ihren seltsamen Geschmack
Der mich ausgerechnet erwählte
Was schon ein seltener Zufall ist

Äußerlichkeiten sind es also
Weniger als echte Gefühle die
Den Blick auf sie klären warum
Klar wird wie schön sie doch ist

So bleibe ich ewig verzaubert
Von der schönsten der Schönen
Weil ausgerechnet mich sie wählte
Dann ist es wohl alles richtig so

jens tuengerthal 27.4.2017

HiHa 030

Unterscheidung

Mittelalter glaubt
Wo Antike noch dachte
Verstand trennt Welten

Renaissance dachte
Wieder wie die Antike
Reformation glaubt

Verstand und Glaube
Streiten stets um Vorherrschaft
Weiter bis heute

Trump mit Putin eins
Gegen Merkels Europa
Verstand scheint schwächer

jens tuengerthal 27.8.2017

HiHa 029

Grenzfluß

Wann Mittelalter
Oder Antike begann
Bleibt immer strittig

Verschiebt sich dabei
Je nach Sicht um tausende
Jahre nebenbei

Grenzen fließen wie
Immer im Leben fragt sich
Wozu überhaupt

jens tuengerthal 27.7.2017

TeeHa 009

Wahlskandal

Wahlen brauchen mehr
Skandale als Vernunft meinen
Medien stets fälschlich

Weniger davon
Wäre im Ergebnis immer
Wahrer als die Schau

Aber traut sich wer
Dies öffentlichrechtlich gegen
Quoten zu sagen

jens tuengerthal 27.8.2017

TeeHa 008

Der Tagesbeginn
Mit einer Tasse Tee bringt
Immer mehr Ruhe

Was nichts für die ist
Die Unruhe mehr suchen
Als Ausgleich finden

Spannend wäre nur
Ob solche etwas haben
Was mir je fehlte

jens tuengerthal 27.8.2017

Samstag, 26. August 2017

Feenkraft

Meine Liebste ist eine Fee
Zart und zierlich schwebt sie
Durch mein Leben das so
Verzaubert neu auch ward

Empfindsam ist sie auch
Voller Gefühl immer dabei
Was anstrengend sein kann
Und doch so wunderbar ist

Wie ein Hauch kam sie angeweht
War schüchtern erst wie höflich
Zurückhaltend wie bescheiden
Nimmt sie sich gern zurück

Bis die Tür hinter uns schloss
Der erste Kuss voll Leidenschaft
Nie enden wollte ich sie gleich
In der Küche schon nahm

Da erwachte dies scheue Reh
Wurde zur leidenschaftlichsten
Frau die ich je erlebte dabei
Entpuppte sich als omnipotent

Immer wieder kann und will sie
Reitet auf mir wie im Rodeo
Voller Kraft ohne eine Pause
Kommt sie jedesmal lauter

Die Kraft der Fee gleicht einem
Wunder das keiner glaubt der
Sie je sonst schweben sah die
So scheu sonst eher wirkt

Wer einst meinte der Mann sei
Dem Weib an Kraft überlegen
Kennt deren Ausdauer nicht
Meine Fee kann öfter als ich

Stolz und glücklich genieße ich
Die Gegensätze meiner Liebsten
Keiner kann sie sehen nur ich
Schreibe selig nun darüber
jens tuengerthal 26.8.2017

HiHa 028

Übergangsuntergang

Braucht Übergang erst
Untergang um vollständig
Dann auch da zu sein

Ging die Antike
Für unser Mittelalter
Oder umgekehrt

Auf der Vernichtung
Vorheriger Kultur erst
Baute dunkle Zeit

jens tuengerthal 26.8.2017

TeeHa 007

Teetrinker wollen
Es in Ruhe genießen
Brauchen also Zeit

Steh lieber früh auf
Als hektisch Tee zu trinken
Nehme mir die Zeit

Zeit haben macht reich
Sie sich nehmen ist Luxus
Darin leb ich gern

jens tuengerthal 26.8.2017

Freitag, 25. August 2017

Vollkommen

Bin vollkommen glücklich
Was immer Glück sein soll
Wohl für jeden was anderes
Habe ich alles je geträumte
In einer zusammen gefunden

Sie ist schöner als alle mir
Bin dabei klar völlig objektiv
Weil wir uns so lieben kann
Nichts näher der Wahrheit sein
Als mein verliebter Blick hier

Sie ist klüger als jede wohl
Was ich kaum beurteilen kann
Weil sie klüger als ich ohnehin
Zumindest mit Zahlen immer ist
Zähle ich für immer auf sie

Sie ist sinnlicher noch als ich
Zu träumen wagte in allem
Wir können uns überall riechen
Wie schmecken und dort auch
Ganz ineinander verschlungen

Sie ist alles was ich träumte
Wenn ich je wagte mir noch mal
Die vollkommene Frau zu träumen
Und das beste dabei ist sie denkt
Genauso von mir und sagt es

Sie hat also wohl einen Fehler
Dass sie mich weit überschätzt
Doch wäre es nun weise diesen
Ihren Irrtum aufklären zu wollen
Fragt sich der Dichter zögernd

Weit von jeder Weisheit jedoch
Nehme ich mir die Kanzlerin nun
Zum Vorbild und tue lieber nichts
Genieße was ist mit meiner so
Völlig vollkommenen Frau ganz

jens tuengerthal 25.8.2017

HiHa 027

Kulturwelten

Überall begann
Entwicklung etwa zugleich
Quasi synchron wohl

Ganz verschieden war
Was Menschen daraus machten
Wenig war je neu

Gleich und ungleich sind
Wir zugleich menschlich wie nicht
Wären gern noch mehr

jens tuengerthal 25.8.2017

HiHa 026

Untergangsprozess

Rom ging lang unter
Cäsar und Christus waren
Untergangsanfang

Mohamed dann in
Orient und Occident
Ende der Vernunft

Dessen Jünger noch
Haben Ostrom erobert
Im Mittelalter

Mittelalterlich
Blieb Sekte Islam immer
Statt Renaissance hier

Islam dafür hielt
Erinnerung an Wissen
Östlich noch wacher

Zwischen den Zeiten
Begann es mehr zu wandern
Verschob sich manches

jens tuengerthal 25.8.2017

HiHa 025

Antikenvolk

Groß wurden jene
Die Republiken waren
Kaiser starben aus

Das Volk machte groß
Fortschritt war da gemeinsam
In Rom umgekehrt

Sekte der Kaiser
Legitimierte Herrschaft
Als dann gottgewollt

jens tuengerthal 25.8.2017

TeeHa 0006

Teewahl

Welchen Tee ich trink
Ist wichtiger als die Wahl
Solang es so bleibt

Damit es so bleibt
Nehme ich es wichtiger
Nur nicht als den Tee

Wer die Wahl hat hat
Mehr als viele noch ohne
Darum wähle ich

jens tuengerthal 25.8.2017

TeeHa 0005

Weniger ist mehr
Sagen uns die Designer
Fraglich was noch bleibt

Politisch stimmt es
Zeigen Merkel und die Queen
Außer bei Kleidung

jens tuengerthal 25.8.2017

TeeHa 0004

Wahlgelassen

Manche regen auf
Wollen Stimmen erobern
Mit vielen Worten

Mutti macht wenig
Wie Schulz sich auch abzappelt
Sie bleibt gelassen

Sie macht was nötig
Erledigt ihre Arbeit
Das mögen wir hier

jens tuengerthal 25.8.2017

TeeHa 0003

Teetempo

Tee entschleunigt uns
Wird langsam immer besser
Braucht um gut zu sein

jens tuengerthal 24.8.2017

TeeHa 0002

Teezeit

Teezeit ist immer
Wo sich Zeit genommen wird
Tee zu genießen

jens tuengerthal 24.8.2017

TeeHa 0001

Teemehr

Teegenuss ist mehr
Als nur heißes Wasser mit
Geschmack zu trinken

jens tuengerthal 24.8.2017

Donnerstag, 24. August 2017

Tee Haikus

Parallel zu den Historischen Haikus entsteht nun eine Reihe Haikus, die sich mit der alten Tradition, des Teetrinkens und den Gedanken bei einer Tasse Tee beschäftigen. Es gibt außer der strengen Form des Haiku von 5-7-5 Silben hier keine inhaltlichen Vorgaben, wie auch die Gedanken bei einer Tasse Tee frei fliegen.

Tee belebt, fördert die Gesundheit und lässt wohl fühlen, wenn sich seine angenehme Wärme im Körper ausbreitet und sein verschiedenartiger Geschmack, je nach Garten oder Aroma im Körper sich entfaltet. Damit ist die beste Basis geschaffen, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen und so durch die Tasse Tee einen Moment der Ruhe und des Innehaltens in unruhigen Zeiten zu  finden, sich bewusst Zeit zu nehmen, um zu genießen, was ist.

Wie und was der Teetrinker dabei genießt, braucht keiner Vorgaben oder Belehrungen - die einen ziehen Grünen Tee vor, die anderen bevorzugen Schwarzen, manche mögen es reich parfümiert oder mit besonderen Aromen, einige am liebsten natürlich oder für das Gewissen ökologisch korrekt. Das möge jeder so halten, wie es gerade gefällt.

Trinke meist und eigentlich den ganzen Tag über Grünen Tee, mal naturbelassen aus Darjeeling oder mit Jasminblüten aus China oder angereichert mit dem Aroma der Bergamotte als Earl Grey oder Green, immer wieder auch mit Vanille Aroma, weil ich Grünen Tee am bekömmlichsten finde. Wechsle zwischen diesen Sorten nach Laune ab, wenn ich nicht einer inneren Ordnung zur Gleichmäßigkeit aller folge. Bevorzuge meist losen Tee, doch gibt es auch erstaunlich guten Grünen Tee sogar in Tee-Beuteln beim Discounter inzwischen.

Jeder möge die Tasse Tee so genießen, wie es dem eigenen Geschmack am ehesten entspricht. Engländer und Ostfriesen, lieben den Tee gesüßt, schwarz, stark und mit Milch beziehungsweise Sahne und werden wohl ewig diskutieren, was zuerst in die Tasse gehört. Chinesen gießen die Teeblätter in der Kanne auf und tun dies mindestens dreimal, alles weniger gilt als snobistisch und ist verpönt. Manche Feinschmecker bevorzugen bestimmte Teegärten etwa in Darjeeling und können dabei herausschmecken woher der Tee kommt.

Eine wichtige Rolle für einen guten Tee spielt die Qualität des Wassers, bei der die Berliner mit ihrem zu sehr mit Kalk angereicherten Wasser eher leiden, es sei denn sie nehmen wie ich einige Jahre snobistisch auch Mineralwasser zur Teezubereitung, Darauf verzichte ich inzwischen aus ökonomischen und ökologischen Gründen aber habe zumindest Filter, in meinem Kocher, die den gröbsten Kalk filtern. Doch so klar wie in Bremen, Hamburg oder Braunschweig, gelingt Tee im Hauptdorf aus der Leitung selten.

Jenseits all dieser kleinen Feinheiten und Eitelkeiten der Feinschmecker ist viel wichtiger, sich Zeit für eine oder besser noch mehrere gute Tassen Tee zu nehmen. Das beginnt bei Grünem Tee schon bei der Zubereitung, wenn ich das Wasser nach dem Aufkochen wieder auf die gewünschte Temperatur abkühlen lasse. Das braucht eben Zeit, auch wenn findige und eilige Menschen längst Teekocher haben, die nur bis 85° passend erhitzen, ziehe ich es vor, es blubbern zu lassen, abzuwarten, um dann im gefühlt richtigen Moment aufzugießen.

Beginne den Tag mit einer heißen Tasse Tee und beende ihn meist auch bei einer Tasse Tee mit einem Buch in der Hand, wenn mich nicht vorher schon vergorener Traubensaft, also Wein zu anderem Genuß verführte. So ist mein Leben von Teetassen umrahmt. Manchmal trinke ich ihn aus Bechern, nutze sogar gelegentlich, gegen jede Teekultur, praktische Thermobecher. Meist bevorzuge ich mehr oder weniger zarte Teetassen, in denen der Tee mit möglichst großer Oberfläche sein Aroma gut entfalten kann.

Tee kann ich mit bestem Gewissen genießen, was mir etwa beim Rauchen nie gelang, so sehr ich diese eigentlich dumme Sucht in manchem wiederum schätzen lernte gerade nach einem Essen oder am Abend vor dem Café, früher auch schreibend mit der Pfeife im Mundwinkel, wovon ich aus Gründen der Vernunft inzwischen Abstand nahm, denn so viel können auch meine Liter Grüner Tee kaum heilen, was die Pfeife anrichtete, auch wenn sie wunderbar schmeckte und als entspannter Genuss zu mir passte.

Das Teetrinken ist, mit dem Kaffeetrinken nicht zu vergleichen. Es gibt dazu eine schöne Geschichte. Der Sultan fragte seinen Großwesir einmal vor langer Zeit, was denn das würdigere und feinere Getränk sei. Der Großwesir, dessen Vorfahren aus China einst kamen, schlug dem Sultan vor, dies solle doch besser die Schokolade als er entscheiden, da sie doch nicht befangen wäre. So schlug der Großwesir dem Sultan vor, je ein Stück Schokolade in eine Dose mit dem feinsten indischen Tee und eines in die Dose mit dem besten türkischen Mokka zu legen, danach würde die Schokolade ihnen schon sagen, welcher der beiden Genüsse der feinere sei. Der Sultan staunte, fragte sich, wie die Schokolade ihnen etwas erzählen sollte, fand die Idee eher verrückt, hielt jedoch seinen Großwesir für einen weisen Mann und dachte sich, probieren geht über studieren.

Wer einmal Schokolade über Nacht in Tee oder Kaffee legte, erkennt den Unterschied sofort. Während die Schokolade, die im Kaffee lag am nächsten Tag nach Kaffee schmeckt, nimmt der Tee über Nacht den Geschmack der Schokolade an. Tee ist zart und nimmt auf. Kaffee ist dagegen aufdringlich und verdrängt. Beides verrät  manches über seine Genießer und ihre Art des Lebens, ohne dabei ein allgemeines Urteil fällen zu wollen, da noch so viele andere Dinge den Charakter und das Wesen eines Menschen beeinflussen, verrät doch, was ein Mensch genießt, wie er es tut, manches über seine Art des Lebens.

So ging es auch dem Sultan, den der Großwesir die beiden Stücke Schokolade am nächsten Tag probieren ließ und der ihm den Tee mit dezenten Schokoladengeschmack dazu servieren ließ - nun wusste der Sultan welches Getränk das feinere und höflichere, einem großen Herrscher würdigere war, wie der Großwesir sagte, der von den chinesischen Kaisern und ihren speziellen Teesorten, die es nur am kaiserlichen Hof gab, erzählte. Der Sultan, der feiner und größer als die chinesischen Kaiser sein wollte, begann nun mit dem Teetrinken und im Reich brach eine Zeit von Frieden und Wohlstand aus und wenn sie nicht gestorben sind, trinken sie noch heute Tee statt Kaffee in diesem märchenhaften Sultanat.

Auch wenn ich als geborener Bremer den dortigen Duft der Kaffeeröstereien liebte, hat mich dies doch nie dazu verführt, ihn zu trinken oder zu mögen. Bin in einem Haushalt von Teetrinkern aufgewachsen und es schien mir diese Form, den Tag zu beginnen immer als die natürlich richtige und ich übernahm sie auch als meine und fühle mich damit bis heute wohl, entdecke gerade, während ich hier darüber schreibe, wie sehr ich ein Teetrinker bin und wie nah meinem Wesen dies zarte, unaufdringliche des Tees liegt.

Las gerade das Magazin der Tee-Kampagne, das mich inspirierte, meine früher Reihe der cup of tea, bei der ich meine Gedanken bei der ersten Tasse Tee aufschrieb, nun leicht verändert, in die strenge Form des Haikus gebunden, wieder aufzunehmen. Es ist thematisch so wenig gebunden wie meine Gedanken bei meinen vielen Tassen Tee am Tag, egal wo ich sie nun genieße und erhält seinen Rahmen durch die strenge Form des Haiku einerseits und andererseits den Hintergrund, dass diese Verse immer in einem Moment des Genusses zwischendurch geschrieben werden, in dem ich mir bewusst Zeit für eine Tasse Tee nehme.

Was daraus wird und wohin es wandert, weiß ich noch nicht und möchte damit die Leser so sehr überraschen wie mich - es wir eine Art Schreiben in den Pausen für die schönsten Momente des Innehaltens. Wer den ganzen Tag und das ganze Leben Tee trinkt, hat logisch viele solcher Momente und der Genuß beginnt jeden Tag neu - so ist das Innehalten für den Moment der Verzögerung, um sich darin bewusst zu werden, was wir tun - ein Kern jeder Teezeremonie - ein Teil meines Wesens geworden und indem ich es beschreibe und bewusster also noch genieße, freue ich mich an den vielen Momenten, die ich mir so nehme, um zu würdigen, was ist.

Mehr als Leben haben wir nicht, auch wenn manche an den Fortbestand der erfundenen Seele und ähnliche Dinge glauben, können wir zumindest sicher sagen, dass wir von diesen Dingen nie etwas wissen können und glauben mag jeder, was gerade gefällt. Sicher können wir uns nur unseres Seins und des empfundenen Genusses sein und diesen zu würdigen, sich für diesen Zeit zu nehmen, scheint mir immer mehr die sinnvollste Beschäftigung des Lebens, weil sie glücklich macht.

Vielleicht täte es vielen Menschen gut, sich mehr Zeit für eine Tasse Tee zu nehmen, um zu würdigen und zu genießen, was sie sind und haben, statt mit dem zu hadern, was nicht ist. So gesehen könnte die Tasse Tee, bemühten sich mehr Menschen darum, nähmen sich die Zeit zu genießen, mehr für den Weltfrieden vermutlich tun, als alle Abschreckungen und Verhandlungen zusammen, da sie uns Zeit zum Genuss schenkt und wer genießt, ist friedlicher im Leben. Was nun nach vereinfachter Küchenphilosophie und der Reduktion des Lebens auf bloßen Genuss anhört, entspricht in seinen Grundsätzen der epikureischen Philosophie, deren Lustprinzip die christlichen Sekten alle so lange erfolgreich verfolgten und verdammten.

Erhebe keinen Anspruch darauf, höhere Weisheiten oder gar eine Wahrheit zu verkünden, deren Behauptung für mich ohnehin immer nur davon zeugt, dass der Betreffende ein Lügner ist, weil kein anderer von sich behaupten könnte, die Wahrheit zu kennen. Was weiß ich schon, möchte ich mit meinem liebsten Küchenphilosophen Montaigne einwerfen, während ich in meiner Küche bei einer Tasse Tee sitze und diese Einleitung zu den neuen Tee Haikus schreibe. Dies zu fragen, scheint mir bescheidener als das behauptete Nichtwissen des Sokrates und entspricht eher meinen sicher geringeren geistigen Kräften als denen der beiden großen Vordenker.

Wenn es gelingt, einen Menschen durch die freien Gedanken in strenger Form bei einer Tasse Tee zum Nachdenken oder Innehalten zu bringen, ist schon alles gewonnen und da sie es zumindest für mich sind, haben sie ihren Zweck schon erfüllt. Wer diesen Gedanken teilt, sich auch an einer Tasse Tee erfreut und sich dadurch angeregt, erregt oder sonst zu mehr Genuss verführt sieht, hat vollkommen verstanden, was ich damit sagen wollte und ich wünsche dabei einen ruhigen, lustvollen Genuss im Sinne Epikurs.

Nun aber genug der Einleitung - es drängt mich mehr zum verdichten der Sprache, als zu weiteren prosaischen Ergüssen und ich freue mich am dampfenden Chung Hao in der zarten Tasse neben mir. Glücklich ist wohl zu nennen, wer diese Leidenschaft mit seinen Liebsten teilt und also bin ich wohl ein vollkommen glücklicher Mensch und freue mich im weiteren daran und wünsche viel Freude bei der weiteren Lektüre der Haikus zum Tee.

jens tuengerthal 24.8.2017

HiHa 024

Wendezeiten

Wendet Geschichte
Zwischen Zeiten überhaupt
Oder läuft sie ab

Mehr Kontinuum
Als Brüche entspricht Natur
Wer braucht da Wenden

jens tuengerthal 24.8.2017

HiHa 023

Untergangsfurcht

Kulturen mit Angst
Vorm irgendwann Untergang
Suchen Propheten anstatt

Jesus Mohamed
Brauchten sechshundert Jahre
Bis Freiheit verlor

Aberglauben herrscht
Noch immer unterm Koran
Nichts entwickelt sich

jens tuengerthal 24.8.2017

HiHa 022

Antikenrausch

Lange dachten wir
Die Antike sei edel schlicht
Weil Farbe verblasst

Eintausendvierhundert Jahr
Währte das Zeitalter von
Griechenland bis Rom

Der Untergang kam
Mit dem Christentum logisch
Verdummung folgte

jens tuengerthal 24.8.2017

Mittwoch, 23. August 2017

HiHa 021

Glaubenswahrheit

Warum glaubt noch wer
Höhere Wahrheiten statt
Kritisch zu denken

Ist Glaube Natur
Oder Aberglaube stets
Mehr Wille zur Macht

Nichts wissen können
Die große Freiheit immer
Liegt wohl nur wenigen

jens tuengerthal 23.8.2017

HiHa 020

Weltsichten

Welche Welt ist wahr
Was ist eigentlich wirklich
Wissen wir es je

Muss der Betrachter
Teil der Beschreibung heute
Eher noch mehr sein

War es je anders
Kannte wer Wahrheit zuvor
Mehr als wahr und falsch

jens tuengerthal 23.8.2017

HiHa 019

Weltwunderlich

Sieben Weltwunder
Beschrieb einst Herodot
Aus seiner Weltsicht

Babylon zuerst
Griechenland und Kleinasien
Natürlich Ägypten

Wo heute Türken
Unter Erdogan hausen
Ballten sich Wunder

jens tuengerthal 23.8.2017

Dienstag, 22. August 2017

HiHa 018

Zahllos

Hat alles Anfang
Oder endet Leben nie
Bleibt unzählbar noch

Natur ist endlich
Wie zugleich ohne Ende
Weil immer was ist

jens tuengerthal 22.8.2017

HiHa 017

Zeitenwende

Wir zählen die Zeit
Vom Jahr Null vor und zurück
Als gäb es Wenden

So bestimmt Glaube
Die Zeitrechnung lang ohne
Wissen und Verstand

jens tuengerthal 22.8.2017

HiHa 016

Zeitalter

Unendliche Zeit
Wird in Epochen geteilt
Unsre Zeitalter

Spiegelt die Zeit uns
Wenn wir sie unterteilen
Oder wir Zeiten

jens tuengerthal 22.8.2017

HiHa 015

Erdzyklen

Leben läuft zyklisch
Zwischen Geburt und Ende
Natur wiederholt

Sind wir einmalig
War es schon jemals einer
Ist es niemals so

jens tuengerthal 22.8.2017

HiHa 014

Weltgeschichte

Klima bestimmt viel
Vegetation wächst danach
Kultur entsprechend

Zählen Personen
Mehr als ihre Umstände
Was erinnern wir

jens tuengerthal 22.8.2017

HiHa 013

Parallelwelten

Lief die Entwicklung
Parallel oder synchron
Wann gab es Fortschritt

Religion bremste
Häufig jede Entwicklung
Sonst lief es synchron

jens tuengerthal 22.8.2017

Montag, 21. August 2017

HiHa 012

Westöstlich

Kultur wanderte
Stets über Handelswege
Hatte ihren Preis

Von West nach Ost wie
Umgekehrt befruchtete
Menschheit sich immer

jens tuengerthal 21.6.2017

HiHa 011

Orientantike

Sage wird real
Bei Griechen und Römern durch
Homer und Troja

Wie unterscheiden
Sich Märchen und Sagen noch
Im Aberglauben

jens tuengerthal 21.8.2017

HiHa 010

Hure Babylon
Kam noch vor den Ägyptern
Heute herrscht Islam

Jüdische Sekten
Prägen die Welten lange
Mit ihren Göttern

jens tuengerthal 21.8.2017

HiHa 009

Bibelmärchen

Die Bibel erzählt
Märchen über unsere
Kultur nach Glauben

Sagenhaft immer wohl
War sie niemals Geschichtsbuch
Aberglaube doch

jens tuengerthal 21.8.2017

HiHa 008

Kulturwurzeln

Sumer und Asyr
Sind die Wuzeln der Kultur
Vermuten wir noch

Vielleicht hielt dort nur
Alles länger als nördlich
Bloß klimabedingt

jens tuengerthal 21.8.2017

HiHa 007

Zivilkultur

Wann wird aus Kultur
Eine Zivilisation
Was unterscheidet

Staaten und Städte
Sind zumeist zivilisiert
Äcker kultiviert

jens tuengerthal 21.8.2017

Sonntag, 20. August 2017

HiHa 006

Todeskult

Angst vor dem Tode
Begründete die Kulte
Der Religionen

Sind diese Kultur
Durch Gewohnheit geworden
Was lebt davon noch

jens tuengerthal 20.8.2017

HiHa 005

Naturkult

Natur wurde Kult
Beobachtung deutete
Mehr in bloßes Sein

jens tuengerthal 20.8.2017

HiHa 004

Glaubenskukltur

Mit Glauben beginnt
Dessen Kultur zu wachsen
Wissen verliert sich

jens tuengerthal 20.8.2017

HiHa 003

Lustglaube

Lust oder Glaube
Sind öfter dialektisch
Als klare Wurzel

Beides bringt Kultur
Jedes zerstört alle auch
Wo  Ungleichgewicht

jens tuengerthal 20.8.2017

HiHa 002

Naturkultur

Natur war zuerst
Nur was ist Kultur danach
Oder eher Teil

Ist Kultur ein mehr
Menschlich gesehen oder
Natur variiert

jens tuengerthal 20.8.2017

Samstag, 19. August 2017

HiHa 001

Adam war Erster
Erzählt Märchenbuch Bibel
Als SIE noch übte

Eva aus seiner
Rippe brachte Erkenntnis
Mit Apfelessen

Vernunft weiß Natur
Ist und war immer alles
Anfang wie Ende

jens tuengerthal 19.8.2017

HiHa Historische Haikus

Einleitung

HiHa sind Haikus zu historischen Themen, die in ihrer strengen 3-Zeilen Form, die Geschichte der Menschheit erzählen. Knappheit zwingt zur Reduktion auf wesentliches. Was macht die Epochen der menschlichen Geschichte aus, gibt es dafür ein objektivierbares Geschichtsbild oder ist die Gewichtung immer subjektiv und lokal.

Die gewählte Form ist traditionell asiatisch, sogar noch eingeschränkter japanisch, der kleinen Insel im Pazifik, dessen Volk sich lange für die Welt hielt, die es noch länger nicht bei sich zuließ, von der abgeschottet diese Sonderlinge ihre Existenz begründen und damit einem anderen Volk in der Mitte Europas ähnelten, das sich auch gerne für etwas besonderes hielt, auch wenn sie auf keiner Insel sondern eher im Wald lebten.

Gerade hielt sich wieder ein anderes Inselvolk teilweise für etwas ganz besonderes, möchte sich darum aus der Mitte Europas verabschieden und beim großen Nachbarn im Westen, wollten sie sich ganz auf sich zuerst konzentrieren und taten dies unter einem möglicherweise bereits dementen, zumindest lange schlecht geführten Präsidenten bisher sehr rüpelhaft und unkultiviert, wie es neureichen Stammtischbewohnern eher entsprach als der Verständigung der Völker, was die Haiku als reduzierte Form noch näher legt - der Kontrapunkt zum Weltgeschehen, der über dieses berichtet - infolge seiner Dichte zum Innehalten zwingt. Von dem cholerischen Türkenonkel, der gerne aus den Überresten des einst osmanischen Reiches eine große Nation schmiedete, sie zuvor aber ins Mittelalter führen möchte, um nur sicher jeden Anschluss zu verlieren, sei lieber geschwiegen - es geht ja um bedeutende Geschichte, nicht Größenwahn und Potenzprobleme.

Wer immer über Geschichte schreibt, genau wie jene, die Geschichte schrieben, tut dies höchst subjektiv als einzelner, ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben zu können, auch wenn gerade jene, die dies versichern, es um so lieber wollen. Was ich danach noch sagen soll, jeden Anspruch zu relativieren, keine Ahnung zu behaupten, die ich nicht habe, weiß ich nicht so genau, darum sage ich lieber dem Haiku entsprechend weniger.

Unübertroffen im bescheidenen Tiefstapeln war schon Ende des 16. Jahrhunderts Michel de Montaigne, mit seinem “Was weiß ich schon?” - dem schließe ich mich einfallslos an und maße mir noch zusätzlich an alle Ereignisse nach Laune zu gewichten, um in dieser historischen Dichtung auch einen möglichst authentischen Spiegel meiner selbst und meiner Vorurteile zu sehen. Da ich nicht von mir weg kann und alles, was ich schreibe, ohnehin gefärbt ist durch meine Überzeugungen, meine Herkunft und anderes, was mich prägte, kann ich statt dagegen zu kämpfen, Objektivität vorzutäuschen, die keiner je erreicht, auch aus Lust und Laune subjektiv über Geschichte schreiben, dann habe zumindest ich Spaß daran, um nichts anderes geht es ja im Leben immer und so lese wem’s gefällt, was ich hier tue, soll mir Spaß machen und unterhalten.

jens tuengerthal zu
Berlin den 19. August 2017

Freitag, 18. August 2017

Kriegsopfer

Schon wieder Tote
Im Krieg gegen den Terror
Wir sind halt im Krieg

Vielleicht merkt nun wer
Krieg hat keine Grenzen mehr
Oder Schlachtfelder

Opfer sind überall
Täter werden auch alle
Krieg ist der Terror

jens tuengerthal 18.8.2017

Vorspannung

Kurz vorm Gewitter
Schleichen die Menschen eher
Voller Erwartung

jens tuengerthal 18.8.2018

Donnerstag, 17. August 2017

Glücksdauer

Wie lang hält das Glück
Wenn zwei es sich versprechen
War es versprochen

Versprecher mit Folgen
Werden Ehe oft genannt
Mit und ohne Glück

Wer das Glück hütet
Verspricht sich weniger leicht
Bleibt länger glücklich

jens tuengerthal 17.8.2017

MISSverständnis

Sie wollte schmusen
Er griff nach ihrem Busen
Das war noch zu schnell

Sie küssten sich doch
Er griff lieber nicht mehr zu
Das fand sie öde

Frauen verstehen
Fällt Männern immer schwerer
Je mehr sie wollen

jens tuengerthal 17.8.2017

Weiberlaunen

Launen der Weiber
Ertragen wir Männer mit
Blick auf die Leiber

jens tuengerthal 17.8.2017

Seinsfrage

Ich kann mich ärgern
Oder mich lieber freuen
Über das gleiche

jens tuengerthal 17.8.2017

Sommersex

Sex im Sommer ist
Heißer meist als im Winter
Zumindest verschwitzt

jens tuengerthal 17.4.2017

Wahlkrampf

Einer kämpft darum
Eine will lieber bleiben
Alles klingt so dumm

jens tuengerthal  17.5.2017

Sommerlöchrig

Wahlkampf im Sommer
Ist eher überflüssig
Es siegt weniger

jens tuengerthal 17.8.2017

Sommertage

Sommertage sind
Stiller in den Ferien
Manchmal weht ein Wind

jens tuengerthal 17.8.2017

Mittwoch, 16. August 2017

LitErotik

Erotische Literatur ist ein sehr weites Feld, mit dem ich mich nur selten beschäftige, weil ich 99,99% dessen unlesbar und peinlich finde. Wenige Ausnahmen bestätigen diese Regel leider nur.

Die Wahrnehmung dieses Bereiches und die dabei Bedürfnisse sind geschlechtsspezifisch unterschiedlich. Während Männer es lieber mögen, wenn es klar zur Sache geht, wie Frauen in der Praxis eigentlich auch, wollen sie literarisch dazu irgendwie verführt werden, glauben dabei, Sex sei nur gut, wenn er auch irgendwie romantisch verklärt wird, treten die meisten erotischen Geschichten für Frauen in einem so peinlichen Gewand auf, dass dem männlichen Leser entweder gleich vor Müdigkeit die Lust entschläft, bis etwas passiert, was der Erregung wert wäre oder eine zufällig vorhandene Erektion wieder erschlafft, bis sie in weiblicher erotischer Literatur eine heiße Stelle findet, was die Umsetzung literarischer Träume nachhaltig jeweils verhindert und diese Druckwerke so, statt Bastelanleitungen für besseren Sex zu werden, immer nur getrennt verwendete Onaniervorlagen bleiben, bei denen seltene Ausnahmen nur das Gegenteil belegen.

Kurz gesagt: Die meiste erotische Literatur fördert nicht die tatsächliche Erotik sondern behindert sie, lässt allein die Autoerotik exponentiell ansteigen, aber vielleicht ist das ja auch so gewollt, bleibt die Onanie schließlich immer sichere Liebe an und für sich, die nur ausnahmsweise mehr vorbereitet, warum seine Kunden sicherer bindet, wer auf diese Form der Sexualität in der Literatur setzt, ohne es zu sagen, weil unbefriedigte Träume die Chancen am Markt noch erhöhen.

Für diese These gibt es natürlich auch Gegenbeispiele und die Grenze zwischen Erotik, Pornografie und Literatur ist eine beständig fließende. Schaue ich mir etwa Henry Millers Opus Pistorum, bei dem er seitenweise bezahlt wurde und das erst in den 90ern überhaupt als Literatur in Deutschland freigegeben und nicht mehr als Pornographie gesperrt war, verschwimmt diese Grenze schon sehr, weil Miller einfach alles beschrieb, was Mann sich dazu nur ausdenken kann und was der Schwanz des Ich-Erzählers Johnny Thursday so im Paris der 20er erlebte. Er tut das in seinem typisch lockeren Ton und plaudert einfach nur halt über Sex.

Besonders erotisch fand ich das nie, auch wenn es Szenen gibt, die in ihrer Deutlichkeit geil beschrieben sind, ist die Stimmung ähnlich erotisch wie es Pornos auch sind: gar nicht. Weil es nur um Sex und seinen Vollzug geht, der ja nicht eigentlich erotisch sondern ein schlicht mechanischer Vorgang ist, der mehr oder weniger eindeutig beschrieben wird. Der lockere Ton des Autors unterhält dabei gut, aber dies Buch länger oder am Stück zu lesen, schafft keine erotische Stimmung, sondern bleibt eine nüchterne, wenn auch journalistisch teilweise gute Beschreibung aus dem Reich der Pornographie, wenn auch zur guten Reportage manches fehlt.

Anders da schon seine Freundin Anais Nin, die bei der Beschreibung des Sex auch kein Blatt vor den Mund nahm, aber es dabei auch schaffte, eine erotische Stimmung zu kreieren, wie etwa in ihrem Delta der Venus, dem Klassiker der erotischen Literatur, der immer noch literatisch heutige Machwerke um Längen übertrifft. Doch las ich es mit meiner damaligen Freundin Ende der Teenie-Zeit und wüsste nicht, wie ich es heute beurteilte. Zumindest hat es uns damals gelegentlich inspiriert.

Vielleicht keine ganz große Literatur aber immer noch, auch wenn bald hundert Jahre alt, um Längen besser als die grauenvollen Shades of Grey, bei denen ich sogar das Rezensionsexemplar nach einem angeödeten Leseversuch im Altpapier entsorgte. Auch wenn ich sonst eher Bücher, die ich entbehren kann, lieber auf die Straße stelle, irgendeinen glücklichen Leser findet es in Berlin immer, habe ich dieses Machwerk lieber dem Papierrecycling übergeben, damit zumindest dies Exemplar keiner mehr lesen würde, ich das meinige zumindest tat, es zu vergessen.

Doch will ich ja nicht über Beispiele schlechter Bücher sondern über erotische Literatur hier schreiben und wie es manche Autoren schaffen, eine solche Atmosphäre zu kreieren, weil die Beschäftigung mit literarischen Restmüll weder erotisch noch sonst erregend ist. Sich darüber aufregen, was für Mist so gedruckt wird, scheint mir auch nicht sonderlich verlockend, am besten würden solche Machwerke keines weiteren Wortes mehr gewürdigt.

Was ist der Schlüssel zur erotischen Spannung als Leser und als Autor und was sind gute Beispiele dafür?

Eine großartige erotische Stimmung kreieren immer wieder Klassiker wie  Marcel Proust, immer eher verzweifelnd als erfüllend, Oscar Wilde oder Tania Blixen. Auch das Hohelied der Bibel hat einige Stellen bei denen die Schönheit der Sprache mit der beschriebenen Sinnlichkeit eine Stimmung schafft, die einen Kitzel weckt, den ich erotische Stimmung nennen würde.

Teilweise auf der Grenze zur Pornographie und in mehr aber auch literarisch wunderbar fein beschrieben ist “Die Frau des Buchhändlers” von Pierre Bourgeade, in dem es viel um Bücher geht, was für den bibliophilen schon eine an sich sinnlich schöne Stimmung ist, die gemischt mit den verschiedenen Erzählsträngen über die ins pornografische reichenden Abenteuern der Protagonistin, eine Stimmung von solcher Schönheit schafft, dass die Erotik zwischen den Seiten in einer Weise spürbar wird, wie ich es selten bei einem Buch erlebt habe.

Die Bücher, die klassischerweise im Genre Erotik verkauft werden, halte ich zum größten Teil für literarisch unbedeutend und auch die Werke eines Maupassant, die teilweise sehr deutlich werden, versetzten mich nie in eine solch erotische Stimmung wie die Frau des Buchhändlers oder einige Stellen in Manns Zauberberg.

Bei Mann denke ich etwa an den Karnevalsabend im Sanatorium Berghof, in der sich der Protagonist Hans Castorp der von ihm verehrten Clawdia Chauchat, der Dame mit den Kirgigisenaugen vom guten Russentisch, die immer die Tür knallen ließ, wenn sie den Speisesaal betrat, nähert, wie vorher und später nie wieder, weil in dieser Nacht alle Regeln aufgehoben scheinen.

Hier zaubert Mann eine erotische Stimmung, auch wenn ich große Teile des in französisch geschriebenen Dialogs beim ersten Lesen noch nicht verstand, war ich höchst erregt von dieser erotischen Spannung. Der große Autor schafft diese eher indirekt, wie vorher noch mehr als die irgendwo weit im Osten wohl verheiratete Dame Hans ein Röntgenbild ihrer Brust verehrt, auf dem natürlich nichts ganz konkret zu erkennen ist, um so mehr sich aber in Schemen andeutet und eine unkeusche Nähe nach der Natur schafft, von der er vorher als anständiger Hamburger Junger aus guter Familie nicht mal zu träumen wagte.

Auch Proust spielt in la Recherche über endlose Seiten mit der erotischen Spannung, die sich immer mehr steigert, ohne irgendwann die endlich Erlösung zu finden. Es ist das noch nicht und das Wachstum der Lust auf das Unerreichte, die eine erotische Stimmung für mich ausmachen.

Lese ich dagegen die wunderbaren Erotischen Geschichten aus der Renaissance, die kürzlich in der Anderen Bibliothek erschienen und die es teilweise an Deutlichkeit nicht fehlen lassen, amüsiere ich mich darüber eher und freue mich literarisch an den so alten Schätzen europäischer Erzählkunst, die zu der Zeit entstanden, als Boccacio seinen Decameron schrieb. Letzteres Werk, entstanden zum großen Teil auch in der ländlichen Isolation, in die sich reiche Patrizier auf der Flucht vor der Pest zurück zogen, schafft seine größten erotischen Momente, wo es weniger direkt ist. Dagegen sind die Geschichten etwa auch vom Wiederentdecker des Lukrez in der Renaissance Poggio Bracciolini zwar von stürmischer Direktheit beim Sex, wie es vom Sekretär des Papstes kaum zu erwarten war, die aber dem Geist der Renaissance und ihrer Sinnlichkeit ganz entsprechen, jedoch selten wirklich erotisch.

Bevor ich mich nun in weiteren Beispielen dessen verliere, was ich in der Literatur erotisch finde und die anderen möglicherweise völlig abstrus vorkommen, will ich versuchen, eine allgemeine Regel daraus abzuleiten, um ein Prinzip zu finden, was diese besondere sinnliche Stimmung ausmacht, die wir erotisch nennen und empfinden. Bin mir nicht sicher, ob es eine solche überhaupt gibt und darin wirklich Übereinstimmung erreicht werden kann oder es wie bei Sex und Liebe immer ist, es auf den einzelnen ankommt und was diesen in genau der Situation gerade reizt, aber die Suche allein scheint mir reizvoll genug, sich in Worten auf den Weg zu machen, den Kern der Erotik zu finden.

Schreibe auch lange genug erotische Geschichten und Gedichte, konnte dabei auf eine kleine, überschaubare eigene Erfahrung jenseits der Literatur zurückblicken, die sicher das Schreiben mitgeprägt haben. Dies Schreiben war, soweit es um den Zweck ging, eine irgendwie erotische Stimmung in den Lesern und vor allem Leserinnen zu wecken, wider Erwarten, erstaunlich erfolgreich und wurde relativ positiv aufgenommen. Es traf den Ton, der die Leserinnen berührte, ohne sie vor den Kopf zu stoßen, was mir heute als der Schlüssel zu lustvollen Schreiben erscheint. Erregte dort, wo es berühren sollte, ohne dabei Grenzen zu verletzen

Weniger ist, wie so oft, mehr und die Andeutung bewegt zunächst mehr als der direkte Griff ans Geschlecht oder in die Porno-Kiste, bei dem ich ohnehin eher zurückhaltend bin, da Porno zwar als Mittel zum Zweck, schlichte Geilheit zu wecken, nicht ganz schlecht ist, aber nichts in meinen Augen mit erotischer Stimmung zu tun hat, die mehr vom noch nicht lebt als vom Vollzug des Aktes, der dann in mehr oder weniger eindringlich beschriebenen mechanischen Bewegungen besteht. Überhaupt reizten die zu keinem Ende oder zu noch keiner Befriedigung führenden Werke, ob als Kurzgeschichte oder als Lyrik, meist mehr als die vollendet beschriebenen Akte, so sehr ich mich auch bemühte, das Glück  in Worten treffend festzuhalten. Am Ende ist ein sich ergießen oder spritzen und ein zuckendes Miteinander zwar der Gipfel der Lust aber literarisch eher mäßig interessant.

Das Vorspiel und der Versuch reizen, gelesen scheinbar mehr als der Höhepunkt selbst. Frage mich, ob das eher daran liegt, dass unbeschreiblich Schönes eben besser erlebt als beschrieben werden kann oder viele diese geteilte Erfahrung vollkommenen Glücks, die ich den schönsten Sex nenne, gar nicht kennen und darum den Versuch allein, die eigene Erfahrung spiegelnd, bereits als das höchstmögliche nur empfinden und damit zufrieden sind.

Ob diese Gleichzeitigkeit des Glücks, wenn zwei erregte Leiber zuckend aufeinander, innig verschlungen, zusammen kommen, wirklich noch mit Worten fassbar ist, das Glück des sich ineinander und aufeinander Ergießens, um in totaler Befriedigung selig einen Moment verharrend, alles zu  haben, je beschrieben werden kann, frage ich mich, um Worte ringend selbst und denke auch dabei wird weniger mehr sein.

Casanovas Erinnerung im Hinterkopf, die manch sexuelles relativ ausdrücklich beschreiben, wie es ihm als alternder Liebhaber am Rheuma leidend, einsam auf Schloss Dux in die Feder floss, fiel mir auf, dass der Moment davor, die Verführung, die Spannung bis zum Moment der Erlösung auch beim Altmeister der Erotik und größten Liebhaber immer viel aufregender zu lesen war, als die Erlösung von dieser Spannung.

Hört beim gemeinsamen Orgasmus die Erotik auf, handelt es sich dabei schon längst um Pornographie, die eben einen sexuellen Akt mehr oder weniger mechanisch beschreibt?

Gibt es auch beim Sex den Wendepunkt, wo die Erotik zum rein sexuellen Akt wird, in dem sich nur noch zwei Körper geil an- und ineinander reiben?

Weiß es nicht so genau und denke dabei gerade an meinen Großvater, der immer sagte, im entscheidenden Moment sitzt das Hirn im Hintern und hilft schieben -  irgendwie habe ich das Gefühl, er traf damit den Punkt. Dann aber, sind alle weiteren Ausführungen an dieser Stelle in Betreff der erotischen Literatur überflüssig.

Es wäre dann mit der Erotik wie mit aller Natur, sie ist das Vorspiel, um genug Reiz für den Akt zu schaffen, bei dessen Vollzug wir nur noch unserem Trieb folgen, nicht mehr denken, keine Erotik mehr brauchen, weil die Geilheit von alleine wirkt. Wenn zwei Partner miteinander guten Sex haben, genießen sie den Akt vollkommen als solchen und denken auch an nichts anderes dabei, weil sie vollkommen glücklich und vor lauter Erregung ohnehin zu keinem klaren Gedanken mehr fähig sind.

Denke ich dagegen an all die früheren Partnerinnen, die von sich sagten, der Sex sei ihnen nicht so wichtig, es zähle vielmehr die Zärtlichkeit und Nähe dabei, weiß ich heute genau, sie haben es nie ganz genießen können und liebten darum auch die Erotik des Vorspiels mehr als den Vollzug, weil sie dabei, wenn überhaupt, nur eine irgendwie sekundäre Befriedigung erreichten und das vollkommene Glück überhaupt nicht kannten. Es gab mit ihnen vielleicht eine Erotik und den ewigen Reiz des Vorspiels, den sie teilweise gut steigern konnten, aber nie Zufriedenheit und entsprechend unzufrieden war ich in diesen Beziehung immer nach kurzer oder längerer Zeit unzufrieden, manchmal nur brauchte ich, in der Illusion der Liebe gefangen, etwas länger, die eigentlich triste Wirklichkeit zu erkennen und die Konsequenz zu ziehen.

Schrieb in dieser eigentlich unzufriedenen und vor allem irgendwie unbefriedigten Zeit, viele meiner erotischsten Gedichte und Geschichten, die alle vor Sehnsucht nur so überquollen, was mich wieder zurück zum Thema bringt, dem Schlüssel der Erotik in der Literatur. Wo der Dichter glücklich und befriedigt ist, hat er weniger unbefriedigte Sehnsucht und damit weniger Antrieb, über das zu schreiben, was die erotische Spannung ausmacht.

Erotik scheint mir mehr die Sehnsucht als ihre Befriedigung zu sein. Wollte ich ein Leben lang erotische Geschichten und Gedichte erfolgreich schreiben, müsste ich mir wohl eine Partnerin suchen, mit der ich keine sexuelle Erfüllung finden kann, damit ich von der Sehnsucht danach getrieben, darüber entsprechend schreiben kann. Wer alles hat, schreibt nur noch aus der Erinnerung über die Sehnsucht der Natur nach Befriedigung, ist nicht innerlich getrieben.

Ob ich die Erotik, solange sie erfüllt ist, noch literarisch voller Sehnsucht beschreiben kann, bin ich nicht sicher - schließlich schreibe ich gerade auch ein bloß theoretisches Essay über die erotische Literatur und keine solche Lyrik oder Geschichten dieser Art, weil ich glücklich bin, alles habe, die Sehnsucht nicht aus mir nach Worten schreit, die den Moment herbeischreiben wollen, den ich lange so sehr vermisste.

Betrachte ich diese Situation, könnte ich nun bedauern, für das reale Glück die literarische Sehnsucht nach Erotik verloren zu haben. Doch genieße ich lieber die wunderbare Wirklichkeit, statt voriger Jahre der Frustration, die mich ständig dazu trieben die unbefriedigte Sehnsucht literarisch zu beschreiben.

Ob uns das nun grundsätzlich viel über das reale Liebesleben erotischer Autoren sagt, weiß ich so allgemein nicht zu sagen - was weiß ich schon, möchte ich mit Montaigne fragend noch einschieben -, zumindest kann ich für mich die Regel aufstellen, dass sich das Bedürfnis nach erotischem, also sehnsüchtigem, Schreiben umgekehrt proportional zur erlebten Befriedigung verhält.

Natürlich kann ich auch erotische Gedichte oder Geschichten schreiben, wenn ich befriedigenden Sex habe, manchmal kommen noch wunderbar inspirierende Gedanken und ich wüsste nichts schöneres zu beschreiben, als das, was ich nun erleben darf - doch scheint die Erotik von der Spannung des Bedürfnisses zu leben und da ich nur schreiben kann, wenn es mich dazu drängt, ich nicht anders kann, die Worte raus wollen, ist erotische Literatur, die von der unerfüllten Spannung lebt, gerade nicht mein Thema.

Vielleicht gelingt mir irgendwann noch der Gegenbeweis der These, dass erotisches Schreiben, damit es gut wird, nicht Ausdruck eines Mangels an realer Erotik sein muss, bisher ist mir das noch nicht gelungen und wenn es auch in Einzelfällen vielleicht aus Erfahrung oder mit genug handwerklicher Technik dennoch glückt, auch glücklich befriedigt und ohne Sehnsucht eine erotische Geschichte zu schreiben, wenn dies erforderlich sein sollte, so ändert es nichts am unwiderstehlichen Antrieb zum erotischen Schreiben aus der Sehnsucht nach endlich Erfüllung und wer die hat, sucht nicht mehr gegen alle Widerstände. Wer dennoch schreibt, tut es einfach aus Spaß, könnte es auch lassen, ließe es vermutlich besser und ehrlich gesagt, betrachte ich die meiste erotische Literatur so, freue ich mich für die Autoren, sie scheinen nicht alle schlechten oder keinen Sex zu haben und schreiben dennoch ohne Zwang und unwiderstehliches Bedürfnis und ich denke, sie ließen es besser, nicht nur weil die Produkte keinen hohen kulturellen Wert in meinen Augen haben, sondern weil sie ohne Zwang schreiben, einfach nur aus Spaß vielleicht und so ist am Ende auch das Ergebnis, entbehrliche Unterhaltung.

Die Beziehungen von Männern und Frauen sind immer wieder auch schwierig, scheitern aus den unsinnigsten Gründen, von denen nur die wenigsten ein Wort wert sind, weil die meisten so peinlich kleinlich in Wirklichkeit bleiben, dass sie nur die Teilnehmer beschämen können, dennoch genügt die daraus wachsende Sehnsucht und Verzweiflung, gelegentlich gute Literatur zu schaffen. Erotische Literatur ohne Sehnsucht und Verzweiflung in den Autoren, die um Worte ringen, bleibt nettes Geplauder zum Thema Sex ohne Mehrwert oder erotische Spannung - so stilistisch perfekt es auch geschrieben sein mag. Ein Selbsterfahrungsbericht über den eigenen Sex zu schreiben, ist so erotisch wie ein Diätkochbuch mit  medizinischer Indikation, vielleicht ein kleiner Skandal aber ohne Verzweiflung und vor allem Sehnsucht leeres Geschwätz, wie es die Regale der Bahnhofsbuchhandlungen mit mehr oder weniger sinnlichen Titelbildern füllt und besser schnell wieder vergessen wird. Auch hoher Reichtum an Details bei der Beschreibung der körperlichen Vorgänge des Vollzugs der Erotik, des Sex also, schafft selten eine erotischere Stimmung als ein medizinisches Sachbuch zum gleichen Thema.

jens tuengerthal 15.7.2017

Dienstag, 15. August 2017

Gewaltspiele

Trump benimmt sich wie ein Idiot, bestenfalls würde ihm noch zugestanden, falls ihm die Zurechnungsfähigkeit aufgrund seines Alters und seiner fortschreitenden Demenz nicht ganz abgesprochen wird, peinlich wie ein schlecht erzogener, neureicher, kleiner Junge zu reagieren und es erstaunt immer noch, wie viele mutmaßlich impotente Männer dies noch bejubeln.

So ist sich die Presse der Welt, zumindest in allen liberalen Medien einig, während seine von diesen wiederum als rechtsradikal bezeichneten Organe, jubeln, weil sich in die präsidialen Wortrülpser jeder ihrer politischen Träume integrieren lässt, auch die Radikalen sich voll eingebunden fühlen.

Das Schema scheint alt, einfach und durchschaubar und es fragt sich mancher, wie viele Amerikaner so blöd sein können, nicht zu merken, wie dieser Typ sie in eine Katastrophe hinein steuert.

Wer keine politischen Ideen hat, spielt gerne mit Gewalt, um von der eigenen Unfähigkeit abzulenken. Lange blieb es bei verbaler Gewalt, die sich am gerade geeigneten Gegner entlud. Die Geschichte zeigte immer wieder, dass alle, deren Macht nur auf Luftblasen aufbaute, Gewalt nutzten, von ihrer Hohlheit abzulenken und Menschen damit an sich zu binden.

Ist der erfolgreiche und in so vielem peinlich neureiche Trump ein solcher Gewaltherrscher, der blind mit dem Feuer spielt oder ist er schon zu verblödet, zu wissen, was er will oder tut und wird einfach wie eine Marionette von verschiedenen Gruppen in unterschiedliche Richtungen gesteuert?

Die Amerikaner finden solche Menschen wie Trump weniger peinlich als viele Europäer. Hier gilt in calvinistischer Tradition noch etwas, wer sich ein Vermögen verdient, wird dies als Gotteslohn gesehen. Der so gesehen Liebling der Götter ist bei all seinen geschmacklichen Entgleisungen, seiner stupiden Borniertheit und der mangelnden Bildung dennoch für viele dort ein Vorbild, weil er es geschafft hat, reich zu werden, im Luxus zu schwelgen. Er lebt den amerikanischen Traum, auch wenn er nicht vom Tellerwäscher zum Millionär wurde, kann er doch von sich sagen, mit offensichtlich sehr bescheidenen intellektuellen Mitteln alles erreicht zu haben.

Frage mich allerdings, ist dieser peinliche Immobilien-Tycoon, der mit Miss-Wahlen bekannt wurde und auch vom Geschmack seiner Einrichtung, soweit sie bekannt ist, eher an Zuhälter erinnert, denn an seriöse Geschäfte, wirklich so primitiv, wie ihn die ihm nicht gerade wohlgesonnenen Medien nicht müde werden zu verkünden?

Ist dieser geschäftlich so erfolgreiche Mann wirklich so dumm und billig oder hat er nur begriffen, welche Stimmung er aufgreifen musste, sich gut zu verkaufen?

Pokert er mit solch sturen Narren wie denen in Nordkorea oder Venezuela auf die richtige Art und hat das besser begriffen als der Rest der Welt?

Wenn Kulturen nebeneinander leben, sprechen wir von Parallelwelten. Diese können meist friedlich koexistieren. Manchmal aber kommt es an den Bruchstellen zu harten Konfrontationen und die schon immer sagten, es drohe der Untergang der Kultur, tauchen aus ihren Löchern auf und prügeln sich mit denen, die von einem normalen, friedlichen Nebeneinander träumen, wie 99% der Menschheit auch.

Auf Ausgrenzung und Abgrenzung setzt nur eine kleine Minderheit, die aber gern so viel Lärm macht, als sei sie ein Mehrheit, die sich dagegen nur angewidert von diesem schmuddeligen Spektakel abwendet.

In den USA meint diese kleine, gern zu laute Minderheit nun, sie stellten den Präsidenten, weil dieser sich von einem ihrer Organe beraten lässt, die jeder vernünftige Mensch Lügenpresse nennen müsste, wäre dies Wort nicht von anderen schon besetzt worden. In dieser Situation fühlen sich die vielen kleinen impotenten Männer, die sonst nichts mehr abbekommen, plötzlich groß und reißen gern das Maul auf.

Ob dies ernster zu nehmen ist, als die Gewaltorgie aus dem Schwarzen Block angesichts des G20 Treffens in Hamburg, wäre der Frage wert und der Vergleich scheint mir nicht mal so abstrus. Dort nutzten einige Krawalltouristen aus ganz Europa eine Situation, um Randale zu machen und mit dem Schanzenviertel traf es dabei genau diejenigen, die sich sonst gerne mit dem Schwarzen Block solidarisch zeigen und auf den Bullenstaat schimpfen. Das ist natürlich Pech und Dumm gelaufen aber ob es darum besser ist, linke Kräfte am Rande der Gesellschaft zu isolieren und damit zu radikalisieren oder sie konstruktiv einzubinden, bedarf der Diskussion.

Ob Trump langfristig klüger handelte, wenn er die Rechtsradikalen, die ihn wählten, dadurch verprellte, dass er radikal verurteilte, was in Charlotteville geschah, ist durch nichts beweisbar und beruht allein auf Annahmen des politischen Konsens.

Sich mit Neonazis und Rassisten wie dem Ku Klux Clan zu verbünden, sie zumindest nicht deutlich zu  verurteilen, auch wenn noch alle Ermittlungen offen sind, verstößt klar gegen den Konsens politischen Sprechens in den Vereinigten Staaten. Wer gegen den Konsens verstößt, riskiert dafür bestraft zu werden und dies alles nur, um sich die wenigen Stimmen einer radikalen Minderheit zu sichern.

Das wäre, als ob deutsche Politiker die Verbrechen der Nazis oder den Holocaust relativieren, was hierzulande noch dazu eine Straftat wäre, nur um Stimmen bei den Radikalen zu fischen. Doch welcher vernünftige Mensch riskiert um einer winzigen radikalen Minderheit wegen seine Mehrheit?

Trump wird auch bei diesem Thema geschickt zurückrudern oder es durch noch radikalere Schritte an anderen Fronten relativieren. Aber auch wenn er sich dann dem Druck der Vernunft beugt, können die Rechstradikalen sich dennoch weiter verstanden fühlen und über den moralischen Druck auf ihren Präsidenten verständnisvoll lächeln, da sie ja wüssten, insgeheim sei er doch auf ihrer Seite.

Es kommt bei solchen Fragen nie auf Fakten an oder tatsächliche Überzeugungen, sondern auf die geschickte Nutzung einer politischen Stimmung, um den großen Karren des Medientrosses, in die eine oder andere Richtung zu bewegen. Das Argument der Fake-News ist ein Witz an sich, da es zumeist von denjenigen genutzt wird, die sich besonders gern an Verschwörungstheorien halten und denen der Überblick fehlt, komplexe politische Prozesse zu verstehen und die auf der Welle der Stimmung also des Gefühls, damit des genauen Gegenteils von Fakten, reiten wollen.

Wer ein wenig Einblick in politische Prozesse und ihre größtenteils Alternativlosigkeit hat, wird immer weniger radikale Meinungen vertreten und Sprüche machen, die nur ihn selbst blamieren.

Politik ist immer die Kunst des Möglichen, wie Bismarck es schon sagte - es geht darum, was umsetzbar ist und pragmatisch realisiert werden kann. Dabei die große Drama-Queen Bismarck zu zitieren, ist nicht ohne einen gewissen Witz. Zwar hat der langjährige Reichskanzler und preußische Kanzler, alles an taktischen Finessen genutzt, was sich nur denken lässt, doch im Gegensatz etwa zu Angela Merkel, die diesen Weg konsequent und ohne Dramen verfolgt, gab es beim großen Otto eigentlich keine Entscheidung ohne Szene und wie hat er den Kaisern nicht immer wieder mit Rücktritt gedroht, um seine Meinung durchzusetzen, den für ihn richtigen Weg zu gehen.

Dagegen sehen wir bei der Pragmatikerin Merkel, die völlig ohne eigenen Ehrgeiz scheint, jedenfalls als absolut unbestechlich gilt und ihrer Natur nach auch ohne jedes männliche Imponiergehabe ist, wie sie in Europa und Deutschland dies seit Jahren auf sanfte Art realisiert. Sie neigt weder zu radikalen Entscheidungen, noch redet sie aufschneiderisch darüber. Zudem sucht sie eher stille Kompromisse als laute Entscheidungen, die sie mehr durch lange Verhandlungen als durch laute Drohungen erreicht.

Otto und Angela, die vom Wesen her völlig gegensätzlich waren, glichen sich also in der Überzeugung, dass Politik die Kunst des Machbaren sei und wie dieses auf die eine oder andere Art pragmatisch durchgesetzt werden kann.

Dagegen stehen die Stammtische und die Populisten, die feste Meinungen aus voller Überzeugung vertreten, meist mit Gefühl, ohne sich um die Realisierung zu scheren. Deren Sprüche sind auf den Pegida Spaziergängen zu hören und die Redner dort übertreffen sich in solchen Plattitüden.

Diese Menschen werden vielfach von der demokratischen Politik nicht mehr erreicht. Sie verfallen totalitären Stimmen, wie den Mediensender des Kreml in Deutschland, die auch das Monopol der Berichterstattung von den Pegida Aufmärschen bekamen und gut bezahlten, was deren Gründer die Auswanderung nach Mallorca ermöglichte, auch wenn er dort nicht erwünscht war.

Solche Menschen schwärmen von Trump, bejubeln seinen Sieg, glauben, er mache Politik in ihrem Interesse, auch wenn er primär seine privaten ökonomischen Interessen durchsetzt und halten ihrem jahrelangen Sponsor Putin für einen echten Kerl, der natürlich alles tut, die Demokratien der EU zu destabilisieren, wie es gute Geheimdiensttechnik lehrt. Widerwillig ließ sich der US-Präsident darum auf die auch von seiner Partei gewünschten Sanktionen gegen Putins Russland ein, bei denen wiederum widerstreitende ökonomische Interessen miteinander in Konkurrenz standen, die einzelne Amerikaner in der Ukraine oder gegen Russland verfolgten, um kurzfristig den eigenen Energiemarkt zu stärken.

In das Klientel der sich ähnlichen, leicht primitiven, autoritären Herrscher gehört auch der Türken-Onkel Erdogan, der wiederum den IS wenn nicht direkt unterstützt, so doch schon lange indirekt fördert.

Ob Trump in einer Liga mit Putin, Erdogan, den polnischen Kartoffelkönigen, dem peinlichen Ungarn, Lukaschenko und anderen von diesem Kaliber steht, die sich gern von hörigen Massen bejubeln lassen, ist noch offen. Großmäuligkeit und Chauvinismus ist noch nicht demokratiefeindlich.

Viele sind sich in ihrem Urteil über den in vieler Hinsicht peinlichen und geschmacklosen Ami einig, weil er alle Vorurteile der Europäer gegenüber den USA bestätigt und sich auch genauso benimmt. Ob die Welt aber nach vier Jahren Trump nicht doch wider Erwarten friedlicher sein wird als nach 8 Jahren Obama und er mit seinem Getöse am Ende mehr erreicht als der Friedensnobelpreisträger und die zu oft gescheiterte Clinton, ist eine andere Frage.

Es wählten den geschmacklosen Neureichen auch viele, die sich vor einer Herrschaft der Frauen mehr fürchteten, als ihnen ein großmäuliger Idiot bedrohlich erschien. Natürlich gab es die Angst um männliche Privilegien, die keinen Grund als Traditionen haben, wird über die Neudefinition der eigenen Rolle gestritten, auch im Silicon-Valley etwa gerade bei Google und auch wenn sich diesmal die herrschende und politisch korrekte Version noch durchsetzte - Trump steht auch für viele Männer, die sich von emanzipierten Frauen unterdrückt und an den Rand gedrängt fühlen, weil er den Damen noch wirklich zeigt, wo es langgeht - ganz dahingestellt, ob er in seinem fortgeschrittenen Alter nun wirklich noch einen hochkriegt, woran gewisse Zweifel aus Erfahrung auch im Land von Viagra nicht unbegründet sind, selbst wenn Melanja noch so gut und teuer operiert wurde.

Aber unabhängig von Trumps tatsächlicher Potenz und der seiner geträumten Welt, die ihn längst nur noch mit den Überraschungen beglückt, die er hören möchte und die ihm gut tun, stellt sich die Frage, ob dieser komische Typ im Ergebnis das Land einen und mehr Konflikte lösen wird, als er noch draufgängerisch provoziert.

Glaube nicht, dass dieser Mann so dumm ist, wie ihn Teile unserer Medien längst darstellen und so primitiv, wie es zu offensichtlich scheint. Vielmehr fürchte ich, dass ihn viele unterschätzen und völlig erschüttert bemerken werden, wie falsch sie lagen und wie leicht es dem Blender darum fallen könnte, erneut zu blenden. Sei es nur mit dem Argument, ihr habt euch alle getäuscht.

Ob er der Welt langfristig mehr schadet, wenn er die Masse der Politikverdrossenen für seine sehr eigenwillige Art der Politik begeistern kann, ist noch offen. Zumindest hat einer ohne Inhalte, der nichts erreicht hat bisher, enorm viel Wind gemacht und alle schreiben über ihn.

Kaum regt sich alle Welt auf, schmiss ihm der Merck Chef seinen Berater Posten vor die Füße, dem er noch, cholerisch wie er eben ist, böse Worte hinterher twitterte, kann sich der Präsident dann plötzlich doch in aller Deutlichkeit distanzieren und gibt genau das vorher von diesem geforderte Statement ab, in dem er sich zur Gleichheit aller Amerikaner als von Gott geschaffene Geschöpfe bekennt.

So lächerlich dieser Aberglaube ist, den ich mir tunlichst verbitten würde - ich bin von keinem Gott geschaffen, sondern Produkt der Zeugung meiner Eltern - so sehr steht er doch auf dem Boden dieses bigotten Landes und seiner Verfassung zumindest.

Es wird dies von den radikalen Rechten natürlich als eine Konzession an die herrschende political correctness gesehen und da er sich erst doppeldeutig äußerte, werden sie sich davon nicht gemeint fühlen, sondern weiter annehmen der Präsident, was er unter dem typisch amerikanischen moralischen Druck nun auch immer sagte, stehe insgeheim doch auf ihrer Seite.

Die nachgereichte Moral ist also wenig wert und es scheint vielmehr, als habe er auch genau das beabsichtigt und zuerst seine Wähler aus der rechtsradikalen Ecke gepflegt, um dann auf den nationalen Konsens einzuschwenken, wie es die Mehrheit vom Präsident erwartet.

Die Frage bleibt am Ende, ob diese Haltung eine Gefahr für die Demokratie darstellt oder nur Nichtwähler besser einbindet und ihnen die Illusion der Identifikation für ihre Ideen gibt, auch wenn es Trump wie immer nur um die Vorteile der Reichen geht, die er fördert und schont.

Moderne Rechtsstaaten sind zu vielschichtig, als dass einer, auch wenn er so außergewöhnlich viel Macht hat wie der US-Präsident hat, das ganze System einfach aushebeln könnte. Es hängen daran zu viele Menschen mit ihren je Einzelinteressen, so dass keiner den Staat ganz auf sich zuschneiden kann. Der Vorteil des parteilichen Pluralismus ist eben auch, dass er die Vielfalt erhält. Der Erfolg der amerikanischen Ökonomie hängt an dieser Vielfalt und es wird sich bis zur nächsten Wahl zeigen, dass Trump und sein Team nahezu nichts von den großen Versprechen umsetzen konnte, wenn er nicht anfängt, vernünftige Kompromisse zu suchen. Dieser neureiche Unternehmer ist zu ehrgeizig, als dass er einen peinlichen Abgang als Versager riskieren würde.

Halte nicht viel von dem, was Trump bisher leistete, finde ihn persönlich nur peinlich und hoffe die Welt hat ihn bald hinter sich - ein unkultivierter Neureicher, der kein Benehmen gegenüber Damen zeigt und auch sonst alles zeigt, was ich an den USA immer unangenehm fand - aber das ist nur meine völlig private Meinung und in jeder Hinsicht irrelevant, was mein politisches Urteil über Trump betrifft, spielt dies keinerlei Rolle, denn ich halte es sehr wohl für möglich, dass er sich nicht so dumm anstellt, wie es gerade scheint und aus seiner Rolle als Antipode des Systems doch erstaunliches bewegt und sieht.

Hunde die bellen, beißen nicht, habe ich früh gelernt, stimmte immer, zumindest solange sie bellen, können sie nicht zubeißen. Menschen die sich gerne aufblasen, lassen meist auch nur viel Luft ab, die keinen beunruhigen muss. Dieser Mann ist zu ehrgeizig, nur peinlich in Erinnerung zu bleiben, darum wird er irgendwann anfangen, an seinem Bild für die Nachwelt zu arbeiten und dem kann die Welt wohl relativ gelassen entgegen sehen.

jens tuengerthal 14.8.2017

Samstag, 12. August 2017

Liebessex

Wie sich Sex und Liebe zueinander verhalten, ist eine der spannendsten Fragen, die uns viel über den Charakter der Beteiligten und ihr Talent zur Lust lehren.

Vorab erstmal zu dem weniger spannenden Thema, ob es auch ohne geht, es also Sex ohne Liebe oder Liebe ohne Sex gibt. Sex ohne Liebe gibt es und ist ein großes Geschäft immer noch. Gäbe es keine sexuelle Befriedigung ohne Liebe, hätte es nie Prostitution gegeben. Diese gab es seit Menschengedenken immer und wird es trotz aller verwirrten Verbote irgendwie immer geben. Wenn die ehrliche Hurerei, wie gerade von Skandinavien ausgehend, überall verboten würde, überlebte die Prostitution dennoch in der Ehe als anerkannter Form des käuflichen Sex, bei dem nur die Modi des Geschäftsabschlusses etwas versteckt werden. Gerade Kulturen, die hohen Wert auf ihre häufig religiöse Moralität legen, betreiben die Ehe in der Form des legitimen Beischlafs als Geschäft zur gegenseitigen Versorgung.

Um so verpönter es ist, die Dinge beim Namen zu nennen, die Ehe also als Hurerei mit Siegel zu bezeichnen, desto mehr ist sie es für gewöhnlich faktisch. Einziger Unterschied zur gewöhnlichen Hurerei ist in vielen Fällen nur, dass es zwischen Ehepartnern kein ehrliches Geschäft ist und dass Liebe dabei vorzutäuschen, ein wichtiger Bestandteil bleibt, womit die ehrliche gute Sache, der Vertrag über gemeinsamen Sex zur wechselseitigen Befriedigung, in den Hintergrund gerät und als wertlos betrachtet, dies infolge meist auch wird, was beide Seiten unbefriedigt hinterlässt.

Dies muss aber nichts an der Liebe ändern, auch wenn diese sich für viele nur noch in der Missgunst ausdrückt, mit der sie auf ihre ehelichen Rechte in der Form der Ausschließlichkeit bestehen, ohne diese wahrzunehmen oder dem anderen schenken zu wollen. Die Frage, ob dies auf Dauer glücklich macht oder befriedigt scheint begründet.

Ein Teil der mehrheitlich Frauen hat sich damit abgefunden, dass von der großen Liebe nur geträumt wird und dafür gelebt wird, was halt geht. Vielfach sind es diese, die dann betonen, es käme ihnen mehr auf Zärtlichkeit und Nähe als auf Befriedigung beim Sex an. So unbefriedigend ist und bleibt der Sex mit ihnen auch. Manche stört das nicht, wie es auch viele Männer gibt, die gerne ins Bordell gehen, um sich gegen Geld in den Frauen dort zu befriedigen, ohne emotionalen Stress oder ähnliches. Die dort Huren geben beim Sex vor, Spaß zu haben, was aber eigentlich gegen die Hurenehre geht, da es ja nur ums Geschäft geht dabei.

Dieser Sex ohne Liebe kann besser sein als der Sex ohne Beteiligung aber mit Liebe, zumindest körperlich für eine Seite weniger frustrierend und die andere wird dafür bezahlt, dass der zahlende Gast ein gutes Gefühl behält. Ein ehrliches Geschäft, was nur moralisch anrüchig ist und dennoch millionenfach praktiziert wird, so gibt es mittlerweile Bordelle mit einer Flatrate für langjährig frustrierte Männer, auch wenn ich bezweifle, dass diese darum mehrfach können und sich eine solche Flat wirklich auszahlt, die Gegenstand großer Aufregung von feministischer Seite ist. Es kostet einfach mehr und führt Mann sogleich die Beschränktheit seiner Fähigkeiten vor aber gerüchteweise soll es für manche ein ähnlich großartiges Gefühl vermitteln, wie ein All-you-can-eat-Buffet, an dem sie auch nicht mehr verzehren können als sonst oder sich nur bis zur Übelkeit überfressen.

Beim bezahlten Sex geht es nur um die Befriedigung des Kunden, um die sich die dafür bezahlten Damen oder Herren entsprechend bemühen. Hier fällt die emotionale Komponente völlig weg, was viele, gerade Herren erleichternd finden, auch wenn es einige auch verheiratete Männer gibt, die bei Huren mehr Zärtlichkeit und emotionales Verständnis bezahlen als wilden Sex und die solche Termine nur zum Reden oder Kuscheln verabreden. So verschwimmen manche Grenzen und es wird die Hurerei in alle Ewigkeit geben, ob sie nun Ehe oder Bordell genannt wird.

Neben dem bezahlten Sex ohne Liebe, der klassischen Hurerei, gibt es auch die freie Verabredung zweier Bedürftiger zu ausschließlich sexuellen Zwecken, wozu es speziell sexuelle Plattformen oder entsprechende Clubs gibt und für weniger freie Menschen gibt es dann noch die Dating Plattformen wie Finya oder Tinder, die ähnlichen Zwecken dienen, es nur anders nennen, zumindest weniger offensichtlich sind.

Neben der virtuellen Verabredung zum Sex gibt es auch noch die Möglichkeit in Bars oder Clubs Menschen mit diesem ausschließlichen Interesse zu treffen, allerdings ist dabei, wie immer im realen Leben, die Gefahr, dass sich einer der Beteiligten doch verliebt, ob er das nun wollte oder nicht, deutlich größer. Auszuschließen ist das auch nicht bei der virtuellen Verabredung aber zumindest kann dem vorab verbal vorgebeugt werden, was manchmal helfen soll.

Rede da eher theoretisch, da ich mich immer lieber verliebte, wenn ich Sex hatte oder zumindest mit dieser Absicht an die Sache heran ging, da ich finde, alles andere ist eher eine Form von rhythmischer Gymnastik am Ende, die zwar befriedigen kann aber nur sportlich bleibt, weil ihr das romantische Element fehlt. Dafür muss, wer um der Liebe willen Sex hat, viele Kompromisse eingehen und bemerkt oft erst hinterher, wie wenig lohnend das ganze eigentlich war, weil ja verliebt nicht über Vorlieben, Stellungen und ähnliches gleich geredet wird. Dafür ist die gegenseitige verliebte Hingabe so viel schöner, dass alle anderen Versuche sexueller Befriedigung damit verglichen überflüssig erscheinen.

Die Verliebtheit führt dabei sogar zu einer teilweisen Erblindung, die manches nicht erkennen lässt, was zu einer gedeihlichen Sexualität erforderlich wäre. So habe ich mich dreimal verlobt, ohne eine schöne gemeinsam befriedigende Sexualität zu haben, war dabei eigentlich, weil ich es ja anders kannte, ständig frustriert und habe den Betreffenden dennoch lebenslängliche Paarung versprochen, weil die Liebe oder das Bedürfnis nach Bindung größer war als das natürliche Bedürfnis nach gutem Sex.

Zum Glück ist der Mensch ja lernfähig, könnte ich nun sagen, da sich inzwischen alles zusammenfand, was ich mir nur an Glück in dieser Hinsicht wünschen könnte - doch könnte ich dieses Glück genauso dem Zufall zuschreiben, da ich mich genauso gebunden hätte, wenn der Sex nicht so perfekt gewesen wäre, weil die Größe der Liebe doch alles überragen soll und wichtiger sein muss als ein kleinliches Timing beim Sex. Weiß ja inzwischen eher wie viele Menschen dieses Glück nie im Leben haben und den Sex eher als einen nunmal dazu gehörenden und artistisch zu erledigenden körperlichen Akt ohne echte Leidenschaft betrachten und habe an diesen Fällen ja schon oft genug gelitten, solchen Frauen dreimal die Ehe versprochen, auch wenn ich es hätte besser wissen sollen.

Die Liebe kann also unabhängig vom Sex sein und stärker als dieser, auch in eigentlich sexuellen Beziehungen und das wird meist für moralisch gut und richtig gehalten. Im Gegenteil wäre es auch aus meiner Sicht höchst verwerflich gewesen, eine Beziehung zu beenden, nur weil ich mit den Frauen nicht zusammen kommen konnte oder der Sex nicht so toll war, denn natürlich kommt es für die lebenslängliche Partnerschaft von Mann und Frau wie für die große Liebe ohnehin auf ganz andere Sachen als nur Sex an.

Doch schon dies Wörtchen “nur” ist höchst verdächtig, denn guter Sex, der beide zufrieden stellt und glücklich macht, ist nicht nur das beste Mittel, auch Konflikte zu klären, sondern hilft uns auch, einander wirklich nahe zu kommen und wo es in dieser Hinsicht eben nicht harmoniert, wird auch der Rest immer nur ein irgendwie Kompromiss sein, auf den sich nur einlassen sollte, wer ansonsten alternativlos den Rest seines Lebens alleine wäre.

Eine Ehe kann auch ohne funktionierenden gemeinsamen Sex, der beide möglichst zeitgleich befriedigt, glücklich sein. Kinder, Familie und manches mehr kann Brücken über Mängel schlagen, die uns eigentlich unzufrieden machen. Dies alles kann gehen und muss in vielen Fällen gehen, weil die Dinge eben sind, wie sie sind. Doch kulturgeschichtlich betrachtet, ist die unbefriedigte Sexualität vermutlich wichtiger für das gedeihliche Zusammenleben der Menschen als alle Religionen und sonstigen vorgeschobenen Ersatzgründe.

Wer guten Sex hat und gemeinsam Befriedigung findet, hat die Chance dauerhaft schon allein dadurch, der Natur folgend glücklich zu sein. Wer nicht, wird dies durch anderes kompensieren wollen oder, falls eine Seite dies Glück schon kennt, immer irgendwie unbefriedigt sein, was keinen auf Dauer glücklich macht. Alle, die dies nicht kennen, sollten sich nun bloß keine Sorgen machen und einfach weiterleben wie bisher, wenn es ihren Partnern genauso geht, können sie auch so halb befriedigt vollkommen glücklich vermutlich durchs Leben wandeln. Falls es nicht so ist, wird die Natur sich eigene Wege irgendwann suchen.

Kann es in einer solchen, für eine Seite unbefriedigenden Beziehung je Treue geben, außer erzwungen und was tun sich die Partner damit an?

Während Liebende, die glücklichen Sex mit gemeinsamer Befriedigung leidenschaftlich teilen, nicht über das Wort Treue nachdenken müssen, weil sie ja miteinander alles haben, wird es bei den Liebenden ohne glücklichen Sex schwieriger.

Habe das unterschiedlich und je nach Gelegenheit verschieden gehandhabt. Der langweiligsten meiner drei Verlobten, bevor sich Sex und Liebe so glücklich bei mir fanden, war ich am treuesten, was auch daran lag, dass wir in dieser Zeit nahezu jede Nacht miteinander verbrachten und ich hervorragend neben ihr schlief, was zumindest ein irgendwie auch zufrieden machender Ausgleich für den Mangel an echter Befriedigung war. Bei den anderen war es unterschiedlich aber es gibt Dinge über die sogar der schreibende Gentleman besser schweigt, sogar wenn eine Dekade vergangen sein sollte inzwischen.

Sex und Liebe verbunden ist das Beste, was es geben kann. Es ist, wenn du es einmal glücklich erfahren durftest, alternativlos und macht die vielen Versuche der Menschen um dich eher lächerlich und entbehrlich. Wenn alles passt, ist alles gut und es stellen sich keine Fragen mehr. Dann wird Sex ohne Liebe zum nur noch langweiligen Sport, der noch dazu mit einem stets schlechten Gewissen vor sich selbst verbunden wäre, weil ich meinem Gefühl untreu wäre. Warum sollte ich mir so etwas, logisch bedacht, noch antun?

Mir fällt kein Grund ein. So bin ich meiner Liebsten und vierten Verlobten vollkommen treu, nicht weil ich Treue aus Prinzip richtig fände, bin da eher liberal und sehe solche Fragen locker, sondern, weil ich nichts besseres mehr erwarte, nichts an das Vorhandene heranreichte und wenn doch, ich dadurch den mir wertvolleren Charakter der Liebe beeinträchtigte, was nichts wiederum wert wäre. So kann ich sagen, ich habe alles gesehen, alles erreicht und lehne mich glücklich, mit dem was ist, nun zurück und es ist gut so.

Natürlich ist noch Sex ohne Liebe für mich vorstellbar, kann ich reizvolle Frauen schön finden, aber in Summa und gemessen an dem, was für mich zählt, kann ich sagen, nichts wäre es wert, den Status quo, der, wie ich inzwischen weiß, keinesfalls selbstverständlich ist, aufzugeben und genieße lieber, was ist, statt mich noch jemals zu fragen, was sein könnte oder anders aufregender oder besser wäre.

So wie ich nicht das Bedürfnis habe, noch die Welt zu sehen oder irgendwo unbedingt hinzufahren, muss ich auch nicht mehr andere Schöße schmecken oder fühlen, Brüste begreifen. sondern lehne mich zufrieden zurück und denke, besser wird es nie, was natürlich ein bloß vom Gefühl getragenes Urteil ist, aber auf was sonst sollte ich mich in der Liebe noch verlassen.

Bleibe also auch am Ende dabei - Sex ohne Liebe geht, ist aber eher sportlich, liegt mir also ohnehin weniger und wenn du alles hast, wirst du im Leben immer glücklicher sein, wenn du dich damit zufrieden gibst, statt dich nach anderem zu sehen und was außer glücklich sollte ich im Leben sein wollen?

jens tuengerthal 12.8.2017

Freitag, 11. August 2017

Quotenquark

Wenn die Sozialdemokratie ein Problem lösen will, plädiert sie für eine Quote, um damit einen formalen Rahmen zu schaffen, der das Nachdenken ersetzen kann. Bin mir nicht sicher, ob dies am proletarischen Ursprung der ehemaligen Arbeiterpartei liegt und dem daraus resultierenden Mangel an kritischen Geistern.

Weiß aus Erfahrung, wie schwer es ist in der SPD eine Entscheidung zu fällen, wer alles berücksichtigt werden muss, welche Kompromisse zwischen den internen Flügeln vorab nötig sind und das jeder für seine Stimme zusätzlich bedacht werden möchte in seiner speziellen Klientelgruppe.

Die Frauenquote in den Führungsetagen der deutschen Wirtschaft schien nötig, um gegen die Vetternwirtschaft der Knaben dort anzukommen, wie von ihrer inzwischen Verteidigungsministerin geführt, sogar die Kanzlerin irgendwann ein wenig widerwillig anerkannte. Ob sie darum gut war und den Betreffenden half, ist eine andere Frage, auch wenn es die Sozen gern aller Welt so verkünden, als hätten sie und nicht Frau von der Leyen solche Instrumente diskutabel gemacht.

Egal wie gut eine Frau ihren Job auch macht, wird sie immer an der Quote gemessen werden, die ihr den Zugang zu diesem Job erleichterte. Dies wird weder der Frau noch der Sache gerecht, schafft nur für lange Zeit gute Ausreden für alle im Bewerbungsverfahren unterlegenen Männer, die in Arien des Selbstmitleids verfallen können und sät damit immer indirekt Zweifel an der tatsächlichen Qualifikation einer Frau.

So hat die sich gern feministisch gebende SPD der Sache der Frauen mal wieder einen Bärendienst erwiesen und eher laut gebrüllt, um als Tiger zu starten und als Bettvorleger zu landen, der keinem nutzt. Wie diese Partei zwar eine starke Frauengruppe hat, die sich gerne am Frauentag bei der Verteilung von Rosen hervortut, ansonsten aber eher den je Vorsitzenden Eierwärmer strickt.

Gemessen an ihren Forderungen an die Wirtschaft schneidet diese Partei altproletarischer Chauvis und Aufsteiger meist schlechter ab als jede andere. Es gibt in der SPD keine starken Frauen außer in Alibi-Funktion und daran wird sich so schnell nichts ändern. Mehr für Frauen bewegte und veränderte längst die konservative CDU, auch durch ihre Vorsitzende Merkel, die eben als Frau erfolgreich ist, ohne dies betonen zu müssen, wie es ihrer Sozialisation in der DDR typischerweise entspricht.

Sie brauchte keine Quote, nahm sie aber hin und setzte sie durch, als sie notwendig und alternativlos wurde, während die SPD es auch in ihrer Zeit an der Macht in Koalition mit den Grünen nie schaffte. Alternativlos ist auch so ein Merkel-Wort über das nun seitenlang geschrieben werden könnte bezüglich der Notwendigkeit der Dinge im Lichte ihrer relativen Gültigkeit. Gab es je etwas alternativloses, was verrät die Annahme davon über den Horizont dessen, der solches annimmt?

Quote ist etwas typisch sozialdemokratisches - alle Ortsvereine oder Abteilungen, wie diese kleinsten Gliederungen in Berlin heißen, verfügen über solche in allen ihren Gremien und Männer sind stets zur Zurückhaltung aufgefordert, weil Frauen erst die Quote erreichen müssen, die formal gefordert ist, unabhängig von Qualifikation, Bereitschaft oder Mehrheitsmeinung. Dieses formale Erfordernis hat so in die scheinbar demokratische Partei ein neues Kriterium eingebracht, an dem alle leiden, die aktiv gestalten wollen, weil Formalien sie ausbremsen, die eher einem wohl geordneten Beamtenhirn entsprungen zu  sein scheinen, als den Erfordernissen der Praxis zu entsprechen.

Wie die SPD vor Ort überhaupt noch zum regieren kommt, angesichts des hohen Aufwandes der inneren Organisation, ist mir bis heute rätselhaft und fordert eine hohe Leidensfähigkeit, derjenigen in Amt und Würden und viel Phantasie, um trotz der starren Formen und Quoten überhaupt noch etwas gestalten zu können. Habe in der Zeit in meiner SPD Abteilung hier in Prenzlauer Berg wenig real gestaltet und mich irgendwann genervt abgewandt, weil es nahezu nur um die Einhaltung von Formalien und Quoten ging, die jedes Engagement von vornherein ausbremste, abgesehen davon, dass ich in dieser Arbeiterpartei als zutiefst bürgerlicher Mensch ohnehin nie ein wirkliches Zuhause fand, der Sozialismus immer eine Horrorvorstellung und kein Ideal war.

Es geht aufgrund der gesetzlichen Formalien bei nahezu allen Parteien so zu und sie beschäftigen sich zeitlich gemessen zu 95% mit Formalien und von den noch für Inhalte verbleibenden 5% wird die Hälfte der Zeit darüber gestritten, welche Meinung wie zu gewichten ist und nebenbei ist jeder Flügel der Partei, deren es in der Berliner SPD allein einige gibt, stets dabei, die anderen auszuspielen.

Dies als kleine Vorgeschichte zu dem neuen höchst innovativen Plan der aufstrebenden Partei um den sexy Buchhändler Schulz eine Quote für Elektroautos einzuführen. So sieht die SPD Innovation. Verschlafenen deutschen Autobauern soll eine Quote vorgelegt werden, als lebten wir in einer Planwirtschaft, welches Soll an Elektroautos sie bis zu welchem Tag erfüllen sollen.

Während der trocken gelegte Kandidat diesen für seine Verhältnisse ungeheuer innovativen Vorschlag in Umlauf bringen lässt, steigt der Kurs von Tesla, die Elektromobilität faktisch am Markt realisieren, auch wenn sie bisher hauptsächlich Schulden machen, übersteigt ihr Marktwert längst die Aussichten der einst deutschen Autogiganten, die nun durch eine Quote vom höchst innovativen Kandidaten in die Spur gebracht werden sollen. Tesla hat es nicht nötig, zur IAA zu kommen, diesem Jahrmarkt der Autoindustrie, den ich als in Frankfurt lebender Knabe noch zu Grundschulzeiten liebte, weil ich die Karren aus unseren Quartett Spielen endlich live sehen konnte - sie haben die Zeichen der Zeit erkannt und machen die Menschen durch innovative Technik neugierig, statt durch lächerliche lebensverlängernde Quoten für tote Dieselmotoren.

Quoten sind Ideen aus der Planwirtschaft und real untauglich, auf einen schnellen Markt zu reagieren, der sich nach den Bedürfnissen seiner Verbraucher richtet, die er noch ein wenig durch geschicktes Marketing mitsteuern hilft. Sie sind Totgeburten von Anfang an und verursachen mehr Probleme, als sie lösen können - manchmal müssen sie hingenommen und höflich belächelt werden, wie im Fall der Frauenquote, um Innovation und Veränderung anzuschieben, auch wenn sie zunächst mehr schadet als nutzt, auch und gerade denen, deren Weg sie unterstützen soll. Doch zur Platzierung eines neuen Produktes am Markt sind sie untauglich und zeugen nur von völliger ökonomischer Inkompetenz.

Wer die Führungsstärke der deutschen Industrie in Europa erhalten will, muss den Umbau auf elektrische Technologien und Internet beschleunigen, statt den falschen Weg durch Subvention unentschlossen zu erhalten - sonst werden deutsche PKW bald das Schicksal der deutschen Steinkohle teilen.

Wo ist in diesen Zeiten ein Schröder, der das Land im Rahmen der ersten Krise durch eine innovative Abwrackprämie vor größeren Verlusten rettete?

Stattdessen kommt ein aus Brüssel abgeschobener politischer Beamter auf die rasend innovative Idee doch den Markt durch eine Quote anzuregen, wie sie in anderen Bereichen schon so erfolgreich war - die Quote ist und bleibt Quark - sie kann eine Notlösung in bestimmten Fällen sein aber die Idee, sie taugte dazu die Position der deutschen Automobilindustrie, die gerade den Anschluß an die Zukunft verliert, auf dem Markt zu verbessern, ist so sozialdemokratisch, dass mir einfach nichts mehr dazu einfällt, als ein stummes Kopfschütteln - beruhigen können mich nur die geringen Aussichten dieser Partei der Versager und Schwätzer, die ich zum Glück wieder verließ, auch wenn es vor Ort sehr sympathische Menschen immer wieder gab.

Welcher irgendwie kritisch denkende und an der Zukunft interessierte Mensch so etwas noch unterstützen kann, ist mir ein Rätsel aber vermutlich ist dies auch häufig durch ähnlich absurde Traditionen begründet wie jene, die Nepalesen dazu brachte, ihre Frauen in der Regel zu verbannen -  die Quote scheint eine sozialdemokratische Religion geworden zu sein, die jenseits ihres ständigen faktischen Schadens beibehalten wird, weil sie Tradition wurde und nur so lässt sich auch dieser neue Vorschlag aus dem Lager von Mr. 100% verstehen - eine Quote geht immer …

jens tuengerthal 11.8.2017

Regelrecht

Es ist manchmal sehr spannend, von entlegenen Orten der Welt zu lesen oder zu hören und zu erfahren, was dort als üblich gilt. Im Vergleich mit unserem Alltag kommt uns vieles zunächst völlig absurd vor und gleichzeitig können wir unsere Gewohnheiten am anderen hinterfragen.

Wie normal ist unsere Normalität und wie fremd ist das Fremde, wer befindet sich näher an der menschlichen Natur, was bleibt für uns unmenschlich und warum?

 Noch spannender wird das Thema, wenn es um den Bereich Sexualität und den Umgang mit dem Geschlecht geht. Auch wenn wir Menschen uns alle auf die gleiche Art fortpflanzen, haben wir dabei überall andere Gewohnheiten und was am einen Ort als alltäglich und normal gilt, wird an einem anderen sogar mit dem Tod bestraft - manchmal begegnen uns solch völlig unterschiedliche Vorstellungen von dem was richtig  und erlaubt ist sogar in einem Staat. So war in einzelnen Bundesstaaten der USA der Analverkehr oder oraler Sex unter Strafe gestellt, während andere schon die Hochzeit von Homosexuellen erlaubten.

Nun hat Nepal ein Gesetz erlassen, dass es unter Strafe stellt Frauen während der Menstruation aus der Dorfgemeinschaft zu verbannen oder sie während dieser Zeit zu zwingen, tagelang in Kuhställen oder primitiven Hütten zu hausen. Diese Praxis wird Chaupadi genannt und gehört zu den vielen Regeln, die es auf der Welt gibt, die Frauen diskriminieren. Danach gelten die Frauen während ihrer Regel als unrein und sie dürfen weder Essen zubereiten, noch zur Schule gehen oder sonst am sozialen Leben teilnehmen.

Die Frauen, die dann gezwungen sind, etwa in primitiven Laubhütten zu leben, sind dadurch verschiedensten Gefahren ausgesetzt von der Unterkühlung und sonstigen witterungsbedingten Gefahren bis hin zu Schlangenbissen und es kam schon häufiger zu Todesfällen, über die dann in empörten westlichen Medien teils ausführlich berichtet wurde.

Eigentlich kein Freund solcher Empörung über eben kulturelle Riten und der Einmischung in traditionelles Leben, kann ich es diesmal nur begrüßen, dass die nepalesische Regierung sich entschlossen hat, den aus dem hinduistischen Aberglauben, der dort verbreiteten Religion, stammenden Brauch unter Strafe zu stellen. Gleichzeitig hat sie auch andere Frauen diskriminierende Praktiken wie Säureangriffe und Sklaverei unter Strafe gestellt.

Damit wendet sich die Regierung gegen uralte Traditionen, die so unmenschlich sind wie das Kastenwesen des Hinduismus und andere Teile dieses Aberglaubens es immer waren. Sie wurde dazu auch durch die Aufmerksamkeit der westlichen Medien insbesondere nach dem schweren Erdbeben und der mit ihm in Verbindung angelaufenen Hilfsaktionen gebracht.

Es wäre zu hoffen, dass sich solche Aufmerksamkeit auch auf einen so unmenschlichen Brauch wie die Klitorektomie richtete, die zwar medial groß immer wieder hier angeklagt wurde aber in den Regionen immer noch üblich ist und mit der großen Zahl von Flüchtlingen, die hier Schutz suchten, teilweise, trotz geltender Verbote, hier wieder praktiziert wird.

Beide Praktiken sind unmenschlich und zeugen von einem Frauenbild, was wir nicht tolerieren können und wollen. Doch stecken hinter diesen Riten selten nur Männer und mehr traditionell denkende Mütter, die sich ihrem Aberglauben verbunden fühlen und ihre Kinder so erziehen wollen, wie auch sie aufwuchsen. Sie haben nicht das Empfinden, etwas grausames zu tun, sondern halten ihr Verhalten für völlig legitim und normal, meinen im Gegenteil, ihre Töchter vor Unreinheit und Schande zu bewahren, auch wenn sie diese mit dem Festhalten am Aberglauben erst dieser aussetzen.

Steht es mir als Mann und als in einer westlich emanzipierten Kultur aufgewachsenes Wesen überhaupt zu über solche Bräuche zu urteilen, die mir nach dem Gefühl unmenschlich, grausam und primitiv erscheinen, die ich gern weltweit geächtet sähe?

Wenn ich annehme, dass alle Menschen gleich geboren werden und jedem unveräußerliche Rechte wie körperliche Unversehrtheit, Würde und Freiheit zustehen, muss ich mich darüber aufregen und gegen solch unmenschliche Riten kämpfen.

Zum Glück kommt dies Gesetz nun von einer nepalesischen Regierung und ich muss mir keine Gedanken darüber machen, ob hier westliche Einmischung traditionelle Lebensformen stören, die eben soziokulturell bedingt entstanden sind. Sie haben es selbst bemerkt und geändert und ich freue mich, wenn damit nun zumindest in Nepal weniger Frauen und Mädchen diskriminiert werden sollten, nur weil sie einem alten Aberglauben folgen, der sich Religion nennen darf.

Doch wo ziehe ich da klare Grenzen, was darf ich erlauben und wo ist bereits ein Eingriff vorhanden, der dringend verboten und verfolgt werden muss. Bei der Klitorektomie sind sich die westlichen Kulturen da zum Glück inzwischen sehr einig, verurteilen und bestrafen es in ihrem Gebiet, wenn sie der Täter und Täterinnen habhaft werden.

Müsste ein gleiches auch etwa für die Beschneidung von Jungen gelten, wie sie in islamischer und jüdischer Tradition nach dem uralten Aberglauben üblich ist?

Dabei setzten sich Menschenrechtler, die sonst für eine volle Emanzipation von Homosexuellen oder sonstigen Minderheiten streiten, plötzlich für die Religionsfreiheit ein, auch wenn die Begründung dabei nicht vernünftiger ist, als sie es bei der Verbannung der Frauen in Unreinheit ist.

Fände es auch politisch schwierig, wenn gerade in Deutschland nun Juden nicht mehr ihrer Tradition gemäß leben dürften, weil ein solcher irreversibler Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Knaben verboten werden müsste wie die Klitorektomie, zumal dieser Eingriff meist keine gravierenden körperlichen Folgen hat. Doch rechtlich betrachtet dürfte ich den einen Eingriff in Freiheit und körperliche Unversehrtheit an Minderjährigen nicht anders beurteilen als die Verbannung der menstruierenden Frauen nach hinduistischem Aberglauben.

Beide beruhen auf Vorschriften des jeweiligen Aberglauben, die mit den Freiheitsrechten einer modernen Demokratie unvereinbar sind. Würde ich also gefragt und müsste in diesem Fall entscheiden, was erlaubt und was verboten werden muss, wäre ich auch aufgrund unserer Geschichte in einem moralischen Dilemma.

Würde nach meiner Überzeugung sogar noch weitergehen und etwa die Taufe von Kindern, die sie, ohne dass sie mündig wären, darüber zu entscheiden, in eine Religionsgemeinschaft aufnimmt und ihnen damit die Freiheit nimmt, darüber selbst nach freiem Gewissen zu entscheiden. Sie wachsen dann bereits in der christlichen Tradition auch in den Schulen auf, in denen wir immer noch die jeweiligen Sekten ihren sektiererischen Unterricht nach den Vorschriften des jeweiligen Aberglauben geben lassen.

Dieser Unterricht schadet meist nicht, die wirkliche Aufnahme in die Gemeinschaft erfolgt erst mit Konfirmation oder Firmung, die Kinder erfahren in diesen Stunden oft auch manches über andere Kulturen und Glaubensformen und sie sind eben eine lange Tradition unserer Gemeinschaft, die niemandem derzeit wirklich schadet.

Betrachte ich etwa meine Schwester, die eine sehr tolerante und aufgeklärte Lehrerin für evangelische Religion ist, wäre ich völlig unbesorgt, meine Kinder bei ihr in den Unterricht zu geben, wenn ich sie je taufen ließe, was mir aber schon falsch erschiene, da Menschen sich nach meiner Überzeugung frei und mündig für einen Glauben entscheiden sollten und also erwachsen, nicht als pubertierende Teenies, die sich vor allem auf die Geschenke zum entsprechenden Fest freuen. Dennoch denke ich, dass es meiner Tochter nicht schadete, von ihr manches über die Religionen zu lernen, wäre dabei völlig unbesorgt, weil ich bei ihr nie einen missionarischen Eifer beobachtete, sondern eher einen kritisch aufgeklärten Geist wie er bei vielen gerade evangelischen Theologen oder Religionslehrern sehr verbreitet ist nach meiner geringen Erfahrung.

Der Religionsunterricht ist Tradition in unserem Land wie die Initiationsfeste von Taufe, Erstkommunion, Konfirmation und Firmung. Sie bilden einen wichtigen Teil unserer gewachsenen Kultur und ich frage mich, wenn ich über sie urteile, schon ob das von der Vernunft gebotene Plädoyer gegen Taufe und religiöse Riten im Alltag und mit Minderjährigen nicht auch einen wichtigen Teil unserer Kultur verloren gehen ließe und wie wir diesen dann ersetzen könnten.

Auch den Nepalesen geht ein Teil ihrer Kultur verloren, wenn sich die Frauen während der Regel nicht mehr zurückziehen. Abgesehen von der unmenschlichen Diskriminierung und ihrer absurden Begründung könnte der einmal monatliche Rückzug aus der Gemeinschaft auch etwas positives haben, wenn er nicht als schmutzige Unreinheit erzwungen sondern als ein erhebender Rückzug betrachtet würde.

Sollten wir uns nicht alle einmal im Monat zurückziehen, um zu uns zu kommen, Zeit  für uns allein und zum Nachdenken zu haben?

Aus meiner philosophischen Überzeugung, die von der radikalen Aufklärung geprägt ist und irgendwo zwischen Kant und Stirner sich zuhause fühlt, bin ich strikt gegen die Kindstaufe und die religiöse Erziehung von Minderjährigen, damit der vernünftig erzogene und aufgewachsene Mensch, der sich selbst von der Sklaverei der Vorurteile befreite, indem er Aufklärung im Sinne Kants betrieb, die Befreiung aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit vernünftig betrieb und also aus eigener Kraft ohne den Aberglauben an höhere Mächte zu urteilen lernte.

Auch wenn Kant manches schrieb, was religiöse Menschen zu ihren Gunsten auslegen können, weil er eben auch ein preußischer Hochschullehrer im Zeitalter des Absolutismus war, ist seine Antwort auf die Frage, was Aufklärung sei, dies SAPERE AUDE,  habe Mut, der Kern seines Denkens, an das sich auch der kategorische Imperativ nahtlos anschließt, der uns lehrt jedes Gesetz an unserem Gewissen zu messen, über dem es nichts gibt.

Handeln wir den Ideen des großen Königsbergers entsprechend, sind wir frei und was sonst kann die Demokratie, die sich Freiheit und Menschenrechte auf ihre Fahnen schrieb, wünschen?

Nichts sonst, scheint mir und es lässt sich mit diesem Maßstab jede ethische Frage, die der Normierung vorausgehen sollte, vernünftig beantworten.

Die nepalesische Gesetzgebung gegen die eigene kulturelle Tradition scheint mir danach vernünftig und gut. Die vorherige Diskriminierung von Frauen aus Gründen des Aberglauben fand ich absurd und keinesfalls tolerabel, freue mich, dass es den Frauen dort nun zumindest dem Gesetz nach besser geht. Wobei erst die Zeit zeigen wird, inwieweit sich dies Gesetz auch durchsetzt und von den lokalen Behörden durchgesetzt wird, wie lange es dauert, bis der Aberglaube der aufgeklärten Vernunft weicht.

Das nepalesische Gesetz stellt die Befolgung der alten Riten unter Strafe. Schon 2005 hatte  das nepalesische Verfassungsgericht den Chaupadi verboten, der aber im kaum entwickelten Westen des Landes weiter praktiziert wurde. Ob dort nun das neue Gesetz große Wirkung entfaltet, wird sich zeigen, vor allem frage ich mir wer danach bestraft werden soll. Die Frauen, die sich den Erwartungen fügen und sich wie Aussätzige einmal im Monat behandeln lassen oder Priester, die diesen Aberglauben weiter predigen und lehren?

Was kann ich überhaupt gegen gewachsene Gewohnheiten tun und bringt es etwas, solches Gewohnheitsrecht zu pönalisieren?

Neige dazu, dies zu bejahen, weil Fortschritt immer Veränderung bedeutet und wenn sich die Zivilisation ausbreitet, ist damit auch die Verbreitung ihrer Gewohnheiten und Regeln verbunden, die eben andere verdrängt. Die Frauen in islamischen Ländern werden auch irgendwann die Geltung des göttlichen Rechts, das ihre Freiheit beschränkt, immer mehr infrage stellen. Damit werden sich die Kulturen verändern und insofern dies im Zeitalter von Internet und globaler Kommunikation auch bedeutet, dass Menschen und Ziele sich weltweit immer ähnlicher werden, folgt daraus auch eine Verdrängung der Gewohnheiten, die dazu nicht mehr passen.

Damit gehen einerseits Teile dieser Kulturen unter und verlieren ein einendes Glied, was der je Aberglaube an vielen Orten der Welt immer noch ist - sofern wir uns weltweit auf den Maßstab des kategorischen Imperativs einigen können, heißt dies die größtmögliche Gewissensfreiheit für jeden einzelnen. Für diesen Zugewinn an Freiheit und Humanität, diese tolerante Basis eines gedeihlichen Miteinanders im Geiste der Toleranz, scheint der drohende Verlust kultureller Eigenheiten mir relativ gering.

Aber ich betrachte es als Europäer, der mit diesen Grundsätzen aufwuchs, zu dessen Kultur der Geist der Aufklärung gehört, in dessen Tradition ich lebe und denke und strebe damit danach dieses Denken in der Welt zu verbreiten und zum herrschenden zu machen. Finde das die bestmögliche Form des Zusammenlebens und wüsste keine, die ein besseres Miteinander gewähren könnte.

Dementsprechend, finde ich es absurd eine Frau in ihrem natürlichen Zyklus, der ihre Fruchtbarkeit auszeichnet und damit unseren Fortbestand garantiert als unrein zu betrachten, wie ich überhaupt ein religiöses Denken in Kasten absurd finde, weil alle Menschen die gleichen Rechte und Chancen haben sollten, auch wenn ich nicht zu denen gehöre, die behaupten alle Menschen sein gleich, denn wie verschieden begabt sie allein schon sind, kann jeder leicht im Alltag bemerken.

Der Satz der amerikanischen Verfassung, dass alle Menschen gleich geschaffen worden sein, scheint mir absurd, weil es für mich keinen Schöpfer gibt, sondern Menschen natürlich entstandene Geschöpfe sind und das auch wenn unsere Natur uns dazu befähigen sollte Menschen künstlich zu schaffen, wir dies in Teilen längst können und tun. Außerdem zeichnet es uns Menschen eben aus, dass wir alle irgendwie unterschiedlich beschaffen sind in ganz vielem und uns darum nie ganz gleich sind.

Das Prinzip der Gleichheit, das beim Ritus des Chaupadi in der Frage der Egalität von Mann und Frau ihrer Natur nach verletzt wird, wäre absurd, wenn es die faktischen Unterschiede verleugnen wollte. Menschen sind verschieden begabt, haben unterschiedliche Neigungen und Interessen, sollten nie gleichgemacht werden, sondern nur alle die gleiche Chance bekommen, ihrer Neigung und Begabung entsprechend leben zu können. Unsere Gemeinschaft schreibt zumindest theoretisch seit der französischen Revolution auch die materielle Gleichheit groß und leitet daraus je nach politischer Herkunft eine mehr oder weniger große Umverteilung ab, will Gleichheit politisch durchsetzen, was immer davon zu halten ist.

Der Zwang zur Gleichheit wird beim Thema Gender besonders laut, die auch nach versteckten Diskriminierungen etwa in der Sprache suchen. An sich eine ehrenvolle Sache, denn welcher Mann will schon Frau diskriminieren - gibt es vielleicht auch, aber so ganz grundsätzlich hat daran kein Mann ein Interesse, weil die Folgen für das Zusammenleben meist verheerend sind, wenn Mann nicht gerade auf Vergewaltigung steht, was zum Glück nur wenige tun meines Wissens nach und über Idioten zu reden, wie sie etwa gerade die USA regieren, ist meist nur idiotisch und lohnt nicht weiter, auch wenn sie zufällig Präsident wurden. So ist es auch mit der erzwungenen Gleichheit, die sich noch mit Lächerlichkeiten an der Sprache austobt aber zum Glück gerade nicht mein Thema ist.

Für das Thema Gender gilt wie für das Thema Trump, es ist besser dazu zu schweigen und die sich davon betroffen fühlenden, es unter sich klären zu lassen - auch wenn ich nun den Hass aller Feministinnen ernten würde, sage ich es doch, Männer und Frauen sind nicht gleich - sie sind in entscheidenden Dingen verschieden und das ist auch gut so, darum passen sie trotz aller natürlichen Gegensätze manchmal so gut zusammen, zumindest in der Mitte, was vermutlich eine chauvinistische Diskriminierung darstellt, die für Sprachkämpfer*innen und andere Fanatiker*innen und außen schlimmer noch ist als nepalesische Riten, die nun gesetzlich verboten wurden und so hat jeder seine Probleme.

Während in Nepal nun die Frauen nicht mehr in den Stall geschickt werden dürfen, bekommen im Zuge der Gleichberechtigung in Berlin nun auch die Frauen Pissoirs. Ob es dadurch weniger Schlangen vor Frauenklos geben wird oder das Unisex Klo die Frauen diskriminierenden Stehpinkel Einrichtungen vollständig abschafft ist so unklar wie die Frage, ob sich am Umgang mit den Frauen in Nepal etwas ändert, wenn sie nicht mehr öffentlich diskriminiert werden dürfen und der Aberglaube dafür in die Hinterzimmer zieht, in denen es weiter so zugeht, wie vorher vorne nur eben erzwungen versteckt.

Das jüdische Krankenhaus Berlin, das einen großen Teil der Beschneidungen an jüdischen und muslimischen Knaben vornimmt, hat in der Debatte über ein Verbot argumentiert, ihr Haus böte zumindest höchsten hygienischen Standard und verhinderte Infektionen und sonstige Probleme, wie sie die sonst im Hinterzimmer vorgenommenen Beschneidungen mit sich brächten. Dies Argument erinnert an die Krankenhäuser, die für eine Erlaubnis zur Abtreibung mit der Gefahr der sonst Engelmacherinnen argumentierten, was wiederum stark an jemanden erinnert, der sich für die Abgabe von Präzisionswaffen an Killer ausspricht, damit sie ihren Job möglichst sauber und schmerzfrei erledigen können.

Für die katholische Kirche, die Abtreibung unter ihrer polnischen Flugente Mord zu nennen begann und mittelalterlich in Afrika gegen Verhütung predigte und damit AIDS bei der Ausbreitung gut half scheint obiger Vergleich nicht absurd. Für mich schon, weil ich der Frau das Recht und die Herrschaft über ihren Körper zugestehe und diese Freiheit ist durch den für die Zeit der Fruchtbarkeit währenden Zyklus und die natürliche Notwendigkeit der Schwangerschaft bereits genug eingeschränkt ist, die Freiheit eines lebenden Menschen mir wichtiger scheint als die vielleicht Existenz eines Fötus. Aber das ist eine Entscheidungsfrage, in der ich den ethischen Gewohnheiten meiner Kultur entsprechend werte.

Rein logisch wäre ein strenger Positivismus genauso vertretbar und vermutlich sogar konsequenter als diese Entscheidung. Danach müsste entweder jedes Leben gleich geschützt werden und dann wäre Abtreibung Mord oder ich begrenzte das Leben auf die autonome Existenz, was aber zur Folge hätte, dass ich etwa Bewusstlose straflos töten könnte oder, weil  ihnen ja die für das Menschsein nötige autonome Existenz fehlt -  damit  brächen herrliche Zeiten für die Organspende an - sollte ein Fehler dabei gemacht werden, ginge es nicht mehr um Mord und Totschlag sondern nur noch um eine schlichte Sachbeschädigung.

Auch wenn der australische Philosoph Singer solches konsequent positivistisch vertritt, schiene es mir eher unmenschlich und eiere ich lieber weiter mit irgendwie schlechten Kompromissen herum, was Leben ist, wann es beginnt und zweifle, ob es dazu eine verbindliche Aussage geben kann, außer der Nulllinie im EEG, zumindest solange wir Hirntote noch nicht wieder erwecken können. Dies tue ich sicher auch aus gut verstandenem Eigennutz, war ich doch nach einem Fahrradunfall in den 80ern wochenlang bewusstlos und hätte sonst einfach gut ausgeschlachtet werden können, wäre nicht mehr da, was ja lesbar noch der Fall ist.

Verliere mich wieder im weiten philosophischen Umfeld der Frage nach dem Leben, dabei ging es doch ursprünglich darum, ob Frauen in der Regel unrein sein dürfen, eine Ausgrenzung nur nach dem Aberglauben legitim sein darf.

So betrachtet war und fiel mir die Antwort leicht. Natürlich sind Frauen in der Regel nicht unrein oder aussätzig - der dazu passende uralte Witz, der fragt, warum Germanen in der Regel rote Bärte tragen, zeugt, so blöd er ist, von einem anderen Bild der Frau als es dieses Bergvolk mit seinen abstrusen Riten bewies.

Die bloße Abstoßung der Gebärmutterschleimhaut hat nichts unreines an sich, sondern ist die conditio sine qua non der weiblichen Fruchtbarkeit und damit der irgendwann Fortpflanzung, die der natürlichen Erhaltung unserer Art dient. Nichts daran kann natürlicherweise schlecht oder unrein sein. Ein Ritus, der solches lehrt, ist unmenschlich und gehört gebannt, wie es die Nepalesen nun glücklicherweise taten.

Doch die Betrachtung des Lebens und der Zeugung lässt die Gedanken eben weit schweifen, die geneigten Leser mögen es mir verzeihen. Gerne befreite ich die Menschen von allem Aberglauben, gäbe zumindest jedem die Chance, ein Leben ohne kennenzulernen, warum ich Kindstaufe wie Beschneidung konsequent verböte - aber, ich bin nur einer, froh die Freiheit zu haben, dies heute straflos äußern zu können - warum sollte ich meinem lieben Freund, der seine Tochter taufen ließ, weil es in seiner uralten, adeligen Familie eben so üblich ist, dies verbieten wollen, wenn er sich in dieser Tradition geborgen und aufgehoben fühlt und ich habe keine Sorge, dass seine Tochter davon irgendeinen Schaden nahm, sie bei ihren Eltern mit freiem Geist und viel Intellekt aufwachsen wird, mehr als viele Atheisten ihren Kindern je vermitteln.

Natürlich finde ich es gut, wenn die Nepalesen nun absurde Riten verbieten, die Frauen diskriminieren und sogar am Leben gefährden. Am besten würden alle Religionen verboten für Kinder und was Erwachsene sich antun, sollte ihre Sache sein, solange sie wirklich frei sind, womit die ganze Geschichte wieder von vorne beginnen könnte, weil um die Definition dessen was wirklich frei ist, mindestens genauso lange gestritten werden könnte. Wie unfrei sind erwachsene, gläubige Frauen in Nepal nun, die auch künftig ihre Unreinheit im Kuhstall oder in Laubhütten zelebrieren wollen durch dies Gesetz geworden und wer wäre ich, ihnen erzählen zu wollen, was für sie gut und richtig ist?

Was weiß ich schon, frage ich mich und schließe also staunend und unwissend dieses Essay, in dem ich eigentlich begeistert von einer bloßen Gesetzesänderung am anderen Ende der Welt berichten wollte und denke, sich in Bescheidenheit und Toleranz üben, könnte immer helfen, vielleicht weiß ich dann am Ende etwas mehr.

jens tuengerthal 11.8.2017