Sonntag, 17. April 2016

Kulturgeschichten 0191

Bauernkrieger

Wenn das Volk gegen den Willen der Herrschenden auf die Straße geht, wird gern die  Legende von den Bauernkriegen bemüht, jenem Aufstand in der Zeit der Reformation gegen den sich am Ende die beiden Reformatoren Luther und Melanchton ganz ausdrücklich wandten. Ob er eher religiös oder sozial war, wird heute gestritten, nachdem die DDR alles Soziale überbetont hatte in ihrer schematischen Betrachtung der Geschichte und dafür die andere Seite lange die mörderische Rotte verpönte oder zumindest beschwieg, was ihr weder noch gerecht wohl wurde. Beides dürfte eine Rolle gespielt haben, auch Luthers Texte haben das ihre dafür getan, das Bewusstsein der Freiheit bei jedem einzelnen zu stärken und seine Worte von er Freiheit des Christenmenschen sind sicher auch ein Grundpfeiler der 12 Memminger Artikel als erster Erklärung der Menschenrechte in Europa. Ob Luther nun Brandstifter der Bauernkriege, eher der feige Verräter war, der zum Mord an den Bauern aufrief oder nichts davon absolut, zu verstehen, könnte helfen auch heutiger Eskalation der Gewalt auf die Spur zu kommen. Sei es im Lande selbst von Rechten, in der Ukraine oder in Syrien.

Sind die Pegiden die neuen Bauernkrieger?

Ist der AfD so eine Partei des einfachen Volkes?

Was machte den Bauernkrieg aus und worin unterscheiden sie sich?

Die reaktionäre und ängstliche Bewegung Pegida ist sicher keine bäuerliche Revolution, auch wenn Bad Frankenhausen, der Ort der Gedenkstätte an die Bauernschlacht und die Vernichtung Thomas Müntzers, der sicher soziale, geradezu revolutionäre Veränderungen wollte, was ihn den Kopf kostete, mitten in Thüringen liegt, dort wo Pegida und AfD stark sind und wo vor bald 500 Jahren der Bauernkrieg auch spielte. Es ist vermutlich eher eine kleinbürgerliche Protestbewegung hinter beschränktem oder besser jahrelang umzäunten Horizont, der sich auch 25 Jahre später nur unwesentlich geöffnet hat. Wohl gibt es in deren Reihen auch klügere Köpfe, die ihre nationalistischen Ziele nebenbei unter das bewegte Volk bringen wollen. Schon namentlich ist diese Bewegung von der Angst getragen, die eine Islamisierung des Abendlandes als Horrorvision beschwört und damit im Wortlaut das gleiche tut, was die NSDAP mit den Juden tat. Ein Feindbild aufbauen, hinter dem eine Menge zunächst dort gesammelt wird, wo am wenigsten Kontakt mit Muslimen real besteht, sie ist ein Abwehrreflex ohne Gestaltungsabsicht.

Die von einem christlich fundamental gesinnten Volkswirt mit stark nationaler Prägung, der sich in den Reihen der CDU heimatlos fühlte und die CSU gab es ja in Hamburg nicht, gegründete AfD ist eine liberal illiberale Partei, die versuchte mit der Angst zu spielen, um unter der Hand eine ordoliberale Wirtschaftspolitik und eine reaktionäre Familienpolitik im Geist der 50er unter das von ihnen verängstigte Volk zu jubeln. Sie vertritt Ansichten, die auch ungebildeten Schichten leicht zu vermitteln sind, warum der falsche Eindruck entstehen könnte, sie vertrete die Interessen der Massen, denen sie sich nur dort politisch anbiederte, wo sonst kritisches Denken gefordert wurde, was schon immer schwer einer Masse zu vermitteln war ohne einfache Antworten. Dies änderte sich mit dem Scheitern des Gründers Lucke an den klar ausländerfeindlichen ostdeutschen Landesverbänden, in denen sich der übliche Teil der Rassisten sammelte, die es in jedem Staat gibt und der nach dem Grad der sozialen Integration und Bildung zum Problem für die Demokratie wird oder nicht. Der AfD ist sicher von vielen Menschen aus eher bildungsfernen Schichten gewählt worden, die es denen da oben mal zeigen wollten. Anspruch, Programm und Wählerschaft passen hier nicht wirklich zusammen. Der Wandel von einer liberalen Partei der Euro-Gegner hin zu einer populistischen, der alle ängstlichen Bürger weiter aufregt, ohne Rettung zu bieten, ging erstaunlich schnell. Wohin das zielt, außer auf Stimmenfang am rechten Rand, ist noch relativ unklar.  Von seinen Ursprüngen her, ist der AfD keine Partei für das einfache Volk, bloß mal wieder eine, die deren Unzufriedenheit zur Durchsetzung ihrer Ziele nutzt und befeuert, ohne Alternativen oder eine Anwort zu bieten, die sich am schnellsten erledigen, wenn sie sich an der Macht als unfähig beweisen dürfen und im übrigen selbst mehr für ihr Ende tun werden, als alle Gegner je können. Es braucht dagegen nur Vertrauen in die Kontinuität und eine gewisse Wachsamkeit am rechten Rand.

Lesen wir die Äußerungen der Anhänger oder Funktionäre des AfD wie der Pegiden, scheint es schnell, als handelte es sich wirklich nur um einen Haufen ungebildeter Bauerntölpel fern des politischen Konsens wie der Kultur der BRD, den braucht, wer auf Dauer überleben will und insofern beruhigt die Betrachtung mehr, als sie aufregen muss. Fraglich nur, ob diese Betrachtung gerechtfertigt oder nicht doch nur die Verbreitung alter Vorurteile ist.

Die sogenannten Bauerntölpel, die jene Aufstände entfachten, die Bauernkriege heißen, haben mit den 12 Artikeln von Memmingen als erste überhaupt Grundrechte und Freiheitsrechte aufgestellt und formuliert, wie sie von unten gewünscht wurden, über die zuvor lange diskutiert worden war. Es sollte dann von 1525 bis 1848 dauern, dass sie erstmals Gesetz im Land wurden und dann noch mal bis 1918, bis sie wirksam wurden, die Menschenrechte, die Franzosen und Amerikaner schon Ende des 18. Jahrhunderts erklärten und zur Verfassung machten und bis 1949 als zumindest im Westteil unveräußerliches Rechtsgut wurden, auf das der Ostteil noch bis 1990 warten musste, also 465 Jahre nachdem die Bauern auch unter Thomes Müntzer sie zum ersten mal forderten.

Damit weiß ich nun, dass der Begriff Bauerntölpel unsinnig und voller Vorurteile ist - ob Pegida und AfD mit ihrer reaktionären Bewegung der Bauernkriegsbewegung ähneln, die auch der Versuch einer sozialen Revolution war, weiß ich noch nicht, so wenig wie, ob es diesen um Freiheit ging und was den Ruf der Bauern ruinierte, die außer im Osten gemäß der sozialistisch ideologischen Auslegung, eher auch kritisch betrachtet wurden.

Am 16. April 1525 wurde Graf Ludwig von Helfenstein mit anderen Adeligen gegen den Willen des gemäßigten Bauernführers Wendel Hipler durch aufständische Bauern unter Jäcklein Rohrbach und der schwarzen Hofmännin durch den Spießrutenlauf getötet. Für Martin Luther wurde diese Tat zum Anlaß seiner Schrift wider die mörderischen Rotten der Bauern, in denen er diesen klare Grenze aufzeigt und sie an ihre Pflicht zum Gehorsam gegenüber der Obrigkeit erinnert. Das Geschehen bei Weinsberg am Neckar ging als Weinsberger Bluttat in die Geschichte ein.

Manche nannten den tödlichen Spießrutenlauf auch das Weinsberger Blut-Ostern, was zur dramatischen Verklärung im noch dazu christlichen Konsens beitrug, da sie am damals eben Ostersonntag stattfand. Weinsberg war jene Burg, die auch Weibertreu genannt wurde, um an jene Geschichte der Belagerung durch König Konrad III. zu erinnern, bei der die Frauen ihre Männer nach der Kapitulation retteten, indem sie diese den Berg hinunter trugen, da sie nur retten durften, was sie tragen konnten. Damals ging es um den Machtkampf zwischen Staufern und Welfen im Reich. Graf Helfenstein war während der Karwoche in Weinsberg als österreichischer Amtsmann. Der Schwiegersohn des jüngst verstorbenen Kaiser Maximilian I, war Obervogt aller württembergischen Bauern und darum schon bei diesen verhasst. Der kaiserliche Beamte, der mit 60 Landsknechten und berittenen Begleitern spärlich gerüstet war, hatte die Bauern aufgefordert heimzukehren, da er sie sonst verbrennen würde, was trotz Unterlegenheit bei einigen Aufständischen Wirkung zeigte. Auch darum mussten die Anführer schnell handeln, bevor der großmäulige Graf noch Unterstützung aus Stuttgart erhielt.

So machten sich die Bauern schon am Morgen an die Erstürmung der Burg, was relativ leicht fiel, da eine Seite nur mit Binsengeflecht gesichert war. Nach Eroberung der Burg wurden dort erste Gewalttaten verübt, so  wurde der Burgkaplan von einem Bauern erstochen und die Gräfin mit ihrem dreijährigen Sohn gefangen genommen, bevor es in die Stadt ging. Um 10h soll die Burg und was von ihr noch übrig war, bereits lichterloh gebrannt haben und keiner der Verteidiger sei unverletzt gewesen.

Die Stadt Weinsberg hatte etwa 1500 Einwohner und war von einer massiven Mauer umgeben, die von zwei Seiten an den beiden Toren nun berannt wurde. Nachdem bekannt und sichtbar wurde, dass die Burg gefallen war und brannte, kam es in der Stadt zu Tumulten. Währenddessen ließen die Bauern verkünden, sie wollten die Bürger verschonen und nur die Reisigen und die Adeligen in der Stadt sollten sterben. Darauf drängten die Weinsberger Frauen ihre Männer doch die Reisigen zu töten, um sich selbst zu retten. Ob das die zweite Sage der wütenden Weiber von Weinsberg wird?

Graf Helfenstein und seine Verbündeten prüften einen Ausbruch aus der Stadt, sahen jedoch keine Möglichkeit. Gegen 9.30h wurde das obere Stadtor von den Bauern gestürmt und die Stadt eingenommen. Die Bürger flüchteten sich in ihre Häuser, während der Graf und die Reisigen in den Wolfsturm und die Johanneskirche flohen. Als auch diese brannte, rannten sie den Kirchturm hinauf. Schon auf dem Weg hinauf wurde einer der Adeligen von einer Kugel im Hals getroffen und verblutete fast auf der Treppe. Oben angekommen war die Lage logisch aussichtslos und die Geflüchteten ergaben sich bald. Der angeschossene Adelige wurde den Turm hinuntergeworfen, die übrigen Reisigen hinter der Kirche getötet, während Kirche und Stadt geplündert wurden. Der Graf und ein rundes Dutzend weitere Adelige wurden gefangen genommen und von den Bauern unter Führung von Jäcklein Rohrbach zum Tode verurteilt. Dies geschah unter Protest der gemäßigten Bauernführer, die jedoch die wütende Rotte nicht mehr erreichten. Zwischen 10h und 11h wurde das Urteil vollstreckt, indem die Bauern die Adeligen durch die Spieße laufen ließen. Diese Strafe, die sonst nur gegen Landsknechte angewandt wurde, galt als eine besondere Herabwürdigung des Adels. Dazu spielte ihnen der vorher in Diensten des Adels tätige Pfeiffer Melchior Nonnenmacher einen letzten Tanz. Die Frau des Grafen und Tochter des verstorbenen Kaisers, Tante des amtierenden Kaisers Karl V. und ihr Sohn wurden nicht getötet, sondern auf einem Mistwagen nach Heilbronn geschickt, Gerüchteweise soll sie vorher noch auf Knien die Bauern um Gnade für ihren Mann angefleht haben.

Die Hinrichtung Helfensteins löste beim Adel eine Panik aus, da sie zurecht ihre Stellung und damit ihre Unantastbarkeit bedroht sahen. Martin Luther, der anfänglich noch mit den Bauern symphathisiert hatte, veranlasste die Tat zu seiner Schrift Wider die mörderischen Rotten der Bauern, in der er den Adel zu unnachsichtiger Härte gegen die Bauern aufforderte. Der Adel verfolgte die Taten der Bauern und die Stadt Weinsberg, auch wenn sie nichts für die Taten einiger radikaler Bauern konnte, mit unnachgiebiger Härte. Jäcklein Rohrbach wurde gefangen und Mitte Mai in Heilbronn lebendig verbrannt, wie auch der Pfeiffer Nonnenmacher einige Tage zuvor. Weinsberg wurde vom Heer des Schwäbischen Bundes völlig zerstört und ging seiner Stadtrechte bis 1533 verlustig.

Die Tat fand ein literarisches Echo in Goethes Götz von Berlichingen, indem er Anfang des 5. Aktes, Georg Melzer, einen der Bauernführer, von der Tat berichten lässt. Paul Hindemith setzte ihr in der Oper Mathis der Maler im vierten Bild auch ein musikalisches Denkmal.

War nun die Tat der Bauern schlimmer oder die Rache des Adels, der sich in seinem Stand bedroht sah?

Aus Sicht der Zeit, was auch Luthers radikale Wende zeigt, war es ein ungeheures Verbrechen, weil der Adel aus seinem Stand verdrängt wurde und wie einfache Soldaten bestraft wurde. Die Brutalität der Bauern, die ohnehin gesiegt hatten, stellt ihre eigenen sehr menschlichen Grundsätze in Frage und führt das kritisierte Standesdenken in der negativen Umkehrung fort. Mit dieser Brutalität gegen Gefangene vorzugehen ist trotz deren voriger Drohung mit dem Feuertod für die Aufständischen durch nichts gerechtfertigt. Das Verhalten des Adels, der seine Position, die nur durch hohe Geburt gerechtfertigt war, verteidigen wollte, war jedoch nicht besser, auch wenn sie der Wiederherstellung der gewohnten Ordnung nur dienen sollte. Es zeigte sich, dass die Spirale von Gewalt und Rache sich um so schneller drehte, desto mehr davon eine Seite anwandte.

Vielleicht lässt sich aus diesem Exzess mit Blick auf die Gegenwart und die immer weiter eskalierende Gewalt gegen Flüchtlinge, die teilweise noch von Anwohnern beklatscht wurde, auch mit Blick auf die verbale Gewalt im Netz, die auf Eskalation zielt lernen, dass sich Gewalt nie lohnt sondern nur zu weiterer Eskalation führt, die meist auf die Verursacher zurückfällt.

Ein anderer Fall, der sich auch am 16. April 1525 nicht weit von Weinsberg abspielte, zeigt welche Wirkung Deeskalation dagegen haben kann. Zu Ostern 1525 waren 200 Bürger von Bottwar auf den nahegelegenen Wunnestein gezogen und hatten Matern Feuerbacher aus ihren Reihen zum Anführer gewählt. Sein Haufen vergrößerte sich rasch und bald zog er mit 8000 Bauern durch Württemberg. Jedoch bemühte sich Feuerbacher stets um Mäßigung bei den Bauern, hielt sie von größeren Gewalttaten ab und wollte lieber Verhandlungen mit der Obrigkeit. Er wurde bei Rottweil zwei Jahre nach der verheerenden Niederlage seines Heeres bei Böblingen festgenommen und vor Gericht gestellt, wurde dort jedoch, da stets um Mäßigung bei den Bauern bemüht, freigesprohen und konnte in die Schweiz fliehen, wo er in Zürich das Bürgerrecht erhielt aber zehn Jahre später zurückkehrte und sogar Küchenmeister am markgräflichen Hof zu Pforzheim wurde. Ob sein Freispruch auch daran lag, dass sein Bruder Anwalt in Stuttgart war und dort als kaiserlicher Notar arbeitete, ist unbekannt, geschadet haben dürfte es nicht. Die Stadt Bottwar, heute Großbottwar, musste für ihre Beteiligung am Bauernkrieg eine hohe Strafe zahlen, entging jedoch der Zerstörung oder sonstiger Racheakte des Adels.

Versöhnung und Mäßigung haben sich sogar im Bauernkrieg gelohnt, in dem Gefühle hochkochten und beide Seiten auf Rache aus waren. Die Brandstifter, die zu Gewalt aufriefen und die Eskalation förderten, wurden genauso unnachgiebig verfolgt, wie sie vorher handelten. Luthers Rolle in diesem Prozess wäre eine eigene Diskussion wert, vor allem sein Aufruf an die Fürsten mit rücksichtsloser Gewalt gegen die Bauern vorzugehen. Natürlich schrieb Luther diesen Text noch unter dem Schock der Ereignisse von Weinsberg, die damals einen großen Schock darstellten. Dennoch ist seine Formulierung eine sprachliche Entgleisung des Mannes, der die deutsche Sprache mit seiner Bibelübersetzung mit vielen Wendungen prägte, die bis heute in unserem Sprachgebrauch sind, ohne dass sich mancher bewusst wäre, hier Luther zu zitieren. Wie Luthers widerliche antisemitische Schriften bezeugen sie, er war nur ein Kind seiner Zeit und ist kein Heiliger sondern auch als großer Reformator sehr kritisch auch zu sehen. Wörtlich schrieb Luther wider die Bauern:  „man soll sie zerschmeißen, würgen, stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund erschlagen muss“ - dies geschah so und ähnlich vielfach und zeugt von einem Klassendenken und einem Menschenbild, das so wenig in unsere Zeit passt, wie der Islamhass der Pegiden, zahlreiche Formulierungen von Anhängern des AfD und wie er sich auch in manchen Worten eines Seehofer oder Kohl teilweise widerspiegelt.

Es ist Zeit wachsam auch auf die Sprache zu achten und sich gegen Hass und Gewalt zu stellen von welcher Seite sie auch kommt. Die Gewalt der Antifa ist dabei genauso zu verurteilen wie der Hass aus den Reihen von Pegida und ihrem rechtsradikalen Umfeld. Dies beginnt bei den Wutreden gegen Politiker durch Menschen, die nicht davor zurückscheuen, diese aufhängen zu wollen und endet nicht bei der Gewalt gegen Polizisten oder Bahngleise.

Dringender als eine Lösung der Flüchtlingsfrage, die es so einfach nicht gibt, weil komplexe Probleme eben Zeit zur Lösung brauchen und manchmal auch Kompromisse, die uns auf den ersten Blick nicht gefallen, ist daher eine auch sprachliche Deeskalation im Land, die durch die Justiz mitgetragen wird. Wer im Netz oder auf der Straße zur Gewalt gegen Menschen aufruft und Teile der Bevölkerung diskriminiert, muss dafür rechtlich konsequent zur Verantwortung gezogen und hart  bestraft werden. Wer sich dafür einsetzt, die Kanzlerin aufzuhängen, verlässt den politischen Diskurs und sollte dafür zur Verantwortung gezogen werden.

Es ist gut, wenn der Fall Böhmermann nun juristisch geklärt wird und mit einem Freispruch wohl enden wird, weil schon die Absicht zur Beleidigung fehlt, auch wenn eine Rüge der sprachlichen Entgleisung, die eine rassistische Diskriminierung darstellte, nicht schadete, um aufzuzeigen, was Böhmermann eigentlich sagen wollte, genau das geht eben nicht. Gewalt beginnt im Diskurs und ein gewaltfreier Diskurs ohne Formulierungen, die eskalieren und andere diskriminieren scheint dringend geboten.

Es gibt Gründe Merkel für ihre Politik an vielen Punkten anzugreifen. Dies soll aber genau an diesen geschehen und in der Art und Weise, wie ein Diskurs geführt wird. Der darf auch mal überspitzt sein und radikale Beispiele nutzen, nie jedoch sollte es toleriert werden, wenn zur Gewalt aufgerufen wird und dagegen mit Härte vorzugehen, die der rechtliche Rahmen gestattet, scheint derzeit dringender als Verständnis für Pegiden und ihre Radikalisierung aus dem frustrierten Spießertum, das sich die Schwächsten als Opfer aussucht, wie es die Nazis ab 1923 konsequent taten.

Der Blick auf die Bauernkriege hat mir gezeigt, es lohnt sich zu verhandeln und Rache lohnt nie, für keine Seite, Gewalt schlägt mit gleicher Macht zurück, warum auch Merkels bisherigen Versuche der Verhandlungen in der Ukraine, um auf diesem Wege zu einem Frieden zu finden, besser sind und vorbildlicher als Putins chauvinistisches großrussisches Protzen, das auf Dauer allen Beteiligten mehr schadet. Auch wenn fraglich bleibt, ob es klug war, die Oligarchen der Ukraine sich als Partner zu suchen gegen Russland, Europa nicht besser verführe, zu erkennen, dass keiner von beiden alleine und ohne vorherige Rechtsstaatlichkeit etwas in der EU verloren hat. Sicher scheint mir dagegen, weiter allen zu misstrauen, die sich für eine Eskalation einsetzen und die Anwendung von Gewalt befürworten, ohne dass diese ein klares Ziel hätte oder Grenzen.

So lässt sich aus dem Bauernkrieg auch für den Umgang mit Syrien lernen, zumal wir inzwischen gelernt haben könnten, dass Gewalt nur zu mehr Gewalt führt und die Beseitigung einer Ordnung nicht von selbst eine neue schafft sondern ohne Rahmen. Hier zeigt sich das Versagen Obamas, der seine Truppen zu früh aus dem Irak abzog, um seine Versprechen zu erfüllen, auch wenn es noch keine sichere Ordnung gab. In Deutschland standen sie über vierzig Jahre, bis sich das Land in Europa stabilisiert und sicher entwickelt hat. Was also friedlich klang, kann auch verantwortungslos sein und das Gegenteil bewirken, zumal sie um die expansive Existenz dortiger Terrortruppen wussten. Syrien und der Irak werden mindestens zwanzig Jahre militärische Bewachung der Ordnung brauchen, wenn dort Konflikt künftig wieder friedlich gelöst werden sollen, statt mit dem Recht des Stärkeren.

Weniger Gewalt ist immer mehr Zukunft, ermöglicht diese überhaupt erst, nur ist es nie die einfachere Lösung
jens tuengerthal 16.4.2016

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