Sonntag, 24. April 2016

Kulturgeschichten 0200

Glaubensgemetzel

Gemetzel um des Glaubens willen ziehen sich durch die Geschichte der Menschheit und als im 20. Jahrhundert die Ideologien den Glauben ersetzten metzelten sie, technisch fortgeschritten, effektiver als je in der Geschichte.

Karl V., der berühmte Kaiser in dessen Reich die Sonne nie unterging, hatte in jungen Jahren seine ersten Erfahrungen damit gesammelt. Am 24. April 1521 wurde Juan de Padilla gemeinsam mit den anderen Anführern des Comuneros Aufstandes hingerichtet. Dies geschah genau einen Tag nach deren Niederlage in der Schlacht von Villalar.

Dem Gemetzel ging ein Aufstand der Bürger voraus, die sich gegen die 1516 begonnene Herrschaft Karls wehrten, der in Spanien Karl I. war, vor allem aber gegen dessen Steuererhöhungen, da er Geld für Truppen brauchte, nach seiner Krönung auch noch zum Habsburger Kaiser schlug ihm viel Gegenwind vor allem aus Frankreich entgegen, gegen den er sich militärisch wehrte. Karls chronische Geldsorgen und seine Säumigkeit beim Bezahlen seiner Truppen führten später sogar zum Sturm auf Rom und dort zum berüchtigten Sacco di Roma, aber das ist eine andere Geschichte, in der es aber auch um die Macht im Reich und in Italien ging.

Karl war nicht in Spanien, als es zum Aufstand kam sondern in Flandern. Die Spanier misstrauten dem jungen Flandern, der in Brügge geboren, sich lieber noch dort im Norden aufhielt. Er war der Enkel von Ferdinand und Isabella, die Spanien erst durch die Vereinigung der Häuser von Kastilien und Aragon gründeten. Sein Vater der schöne Philipp, Sohn von Kaiser Maximilian hatte die Verbindung von Habsburg und Spanien durch seine Hochzeit mit Johanna der Tochter von Ferdinand und Isabella und später Thronerbin begründet. Tragischerweise starb Philipp früh und so wurde Karl, als auch sein Großvater Kaiser Maximilian I. starb, zeitnah König von Spanien, von Deutschland und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches oder was davon westlich übrig war. Seine Mutter Johanna galt als wahnsinnig, die Spanier beschuldigten Karl jedoch, sie nur eingesperrt zu haben und befreiten sie nach dem Aufstand gegen Karls Vertreter in Spanien Adrian von Utrecht, den späteren Papst Hadrian VI., aus der vermeintlichen Gefangenschaft - danach stellte sich leider heraus, dass sie doch nicht umsonst vom Sohn aus der Öffentlichkeit gezogen wurde, da sie seit dem Tod ihres Mannes an einer schweren Depression litt und zur Regierungsarbeit kaum fähig war. Karl liebte seine fromme Mutter scheinbar dennoch sehr und verbrachte, wenn er in Spanien weilte, nach erst später bekannt gewordenen Berichten viel Zeit mit ihr. Die Ansicht vom bösen Sohn, der seine Mutter eingesperrt hat, wie sie die  Comuneros zu verbreiten versuchten, hat sich dennoch sehr wacker bis heute gehalten. Frage mich, ob das daran liegt, dass unsichtbare, psychische Krankheiten vielen Menschen Angst machen und sie sich lieber den bösen Sohn als die kranke Mutter vorstellen. Dennoch hielt sich für sie der Beiname Johanna die Wahnsinnige.

Gegen die versammelte Militärmacht des Reiches im Bündnis mit dem Adel Spaniens hatten die  Comuneros keine Chance und nur Toledo hielt sich noch einige Tage unter der Witwe eines der Aufständischen. Zweifel an seiner Herrschaft und der Aufstand wurden in aller möglichen Härte vom absolutistisch regierenden Karl bestraft. Dies war konsequent und logisch in seiner Art zu regieren, entsprachen dem Stil der Zeit und das setzte er auch mit Inkas und anderen im spanischen Weltreich fort. So gesehen, ist der Kaiser in dessen Reich die Sonne nie unterging ein Massenmörder von besonderer Qualität, der es noch dazu als Ritter des Goldenen Vlies im Namen des Herrn und für Rom tat. Dabei soll der sehr fromme und fleißige Karl V. nie mit einem Hitler oder Stalin verglichen werden - der Enkel des letzten Ritters folgte den Grundsätzen und dem Geist seiner Zeit, verwaltete nur, was ihm zufiel nach der Maßgabe seiner Berater, hatte keine andere Ideologie als die pflichtbewusste Habsburger katholische Überzeugung im ihm zufällig zugefallenen Weltreich, das ihn überforderte, warum er auch zwei Jahre vor seinem Tod abdankte und das Reich unter seinem Sohn Philipp II. und seinem Bruder Ferdinand aufteilte.

Beim Gemetzel von Villalar war Karl 21, fünf Jahre König von Spanien und zwei von Deutschland, Halbweise seit er drei war und wann seine Mutter tatsächlich dem Wahnsinn verfiel und inwieweit ist nicht ganz klar. Auch die Geschichte, dass sie über Jahre mit dem Sarg des schönen Philipp durch Spanien wanderte, kann wohl in den Bereich der Sage verwiesen werden, die allerdings womöglich auf einen wahren Kern verweist und mehr Hinweise auf die Krankheit der Mutter und deren Krankheitsverlauf geben.

Bereits 47 war Karl er dagegen am 24. April 1547 als er gemeinsam mit dem Herzog von Alba die Schlacht bei Mühlberg gewann. Damit hatten sie den Schmalkadischen Krieg für sich entschieden. Der protestantische Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen war gemeinsam mit dem anderen protestantischen Anführer, dem Herzog von Hessen, gefangen genommen worden. Die fast vierfach überlegenen kaiserlichen Truppen - 27.000 kaiserliche gegen 7000 schmalkaldische - hatten die Protestanten unvorbereitet in ihrem Lager überfallen und niedergemetzelt. Die Zahl der Toten auf protestantischer Seite wird mit etwa 7000 angegeben, während bei den kaiserlichen keine Verluste bekannt sind. Der Herzog von Toldeo war für seine brutalen Gemetzel an Protestanten schon aus dem achtzigjährigen Krieg gegen die Niederlande berühmt geworden. Mit  der folgenden Wittenberger Kapitulation endete dann der Schmalkaldische Bund und die Protestanten mussten sich auf dem geharnischten Reichstag zu Augsburg die harten Bedingungen des Augsburger Interims diktieren lassen.  Sachsen wurde den Ernestinern weggenommen und dafür bekam die Albertiner Linie unter Karls Verbündeten Moritz von Sachsen die sächsischen Kernlande, während die Ernestiner nur thüringische Gebiete erhielten wie etwa Sachsen-Weimar.

Später wurde aus dem Augsburger Interim nach erneutem Widerstand der Protestanten der Augsburger Religionsfrieden von 1555, der noch in Karls Namen erging, den aber sein Bruder als König im Reich bereits aushandelte. Dies besiegelte die Glaubensspaltung und Karl war aller Gewalt zum Trotz mit seinem Vorhaben gescheitert das Reich religiös zusammenzuhalten, eine Alternative hatte er noch nicht, mit der schlugen sich die Nachfolger noch lange herum. Besonders in den Gemetzeln von 1618-1648. Gegen das Interim wendeten sich auch katholische Reichsfürsten, denen der Kaiser zu mächtig geworden war und die wieder ihre teutsche Liberalität haben wollten.

Ein weiteres grausames Gemetzel begann mit der Kriegserklärung Russlands an das osmanische Reich am 24. April 1877. In diesem Krieg um die Vorherrschaft auf dem Balkan, die Befreiung Rumäniens und die Verdrängung der Osmanen fallen in den folgenden Schlachten vom Balkan bis zum Kaukasus rund 30.000 Soldaten auf jeder Seite. Zu diesen in Summa 60.000 Toten kommen noch etwa 90.000 osmanische Soldaten, die im Krieg infolge von Krankheit sterben. Die Einnahme Konstantinopels und die Zerschlagung des Osmanischen Reiches durch die Russen im Bündnis mit Rumänien, Bulgarien und Sebien-Montenegro, die leicht an dieser Stelle möglich gewesen wäre, wurde durch Großbritannien verhindert, die eine russische Herrschaft über den Bosporus fürchteten, wie zunnächst auch über die Krim und darum als Schutzmacht der unterlegenen Osmanen erfolgreich gegen das orthodoxe Europa antraten.

Die vermeintlich bewährte englische Politik der Checks and Balances verhinderte die Zerschlagung des osmanischen Reiches und könnte damit Beihilfe zur späteren Ausrottungspolitik der Osmanen kurz vor ihrem Untergang geleistet haben. Ob die Politik der Abschreckung nicht mittlerweile mehr Opfer forderte und Schäden verursachte, als sie nutzte, sollte zumindest der Frage wert sein. Die bewährte englische Politik betrieb auch unter Chamberlain noch ein Appeasement gegenüber Hitler, das diesen noch einmal stärkte, als die Reichswehr den Diktator stürzen wollte, der dann aber der Rückhalt fehlte, die Ergebnisse sind bekannt, der Völkermord an den Juden in Osteuropa, deren systematische Vernichtung in ganz Europa und die Vernichtung und Unterdrückung anderer Minderheiten, die mit deutscher Präzision so effektiv durchgeführt wurde, wie noch nie zuvor in der Geschichte der Gemetzel.

Gelernt aber wie ein effektiver Völkermord funktioniert, hatten viele der entscheidend Verantwortlichen noch in der osmanischen Türkei. Am 24. April 1915 begann mit der Verhaftung von 200 bis 400 Mitgliedern der armenischen Oberschicht in Konstantinopel auf Anordnung von Innenminister Talat Pascha der Völkermord an den Armeniern, die Verfolgung der Pontosgriechen und der Völkermord an den Aramäern. Diesen fallen weit über 2 Millionen Menschen zum Opfer. Die Regierung der Jungtürken in deren Tradition sich viele wieder sehen, verschleierte damals auch den erzwungenen Übertritt hunderttausender aramäischer Christen zum Islam. Sehen wir die Traditionslinien der aktuellen türkischen Regierung zum osmanischen Reich und der jungtürkischen Tradition werden wohl viele Briten bereuen 1877 die Russen am Bosporus aufgehalten zu haben, womit das osmanische Reich zerschlagen worden wäre und der Mittelmeerraum östlich von der Geisel des Islam befreit  worden wäre, dahingestellt, ob das orthodoxe Christentum besser wäre. So fällt den orthodoxen Russen auch bis heute schwer Stalin als Völkermörder in eine Traditionslinie mit Hitler und den Osmanen zu stellen, auch wenn er rein numerisch dort Platz eins einnähme.

Die Türken in ganz großer Mehrheit bereuen bis heute nichts, sind der Propaganda ihrer Regierung erlegen, Aufklärung wurde verboten und wird wieder härter denn je bestraft, warum sich immer mehr fragt, welchem kulturellen Gleichgewicht dient noch die Stärkung und Erhaltung der Türkei?

Der Machtzuwachs des Autokraten am Bosporus in der Flüchtlingspolitik, die ihm Milliarden aus Europa in die Kassen spült, die Merkel als humanistische Uterhändlerin vermittelt, gefällt dabei gar nicht. Besser und angemessener wohl wäre es, diesen aufgeblasenen Türkensultan in klare Schranken zu weisen, dass dieser Stil in Europa nichts verloren hat, es keine Völkermord leugnenden Paschas in der Gemeinschaft braucht und bevor Erdogan noch eine Moschee in Deutschland eröffnen dürfte, mindestens die selbe Zahl an Kirchen in der Türkei gebaut werden müssten.

Doch sind die Zeiten gerade nicht danach, den Autokraten in die Schranken zu weisen, der bereitwillig wieder Menschen über das Mittelmeer schicken würde, in dessen Land mutmaßlich kein Syrer freiwillig bleibt, weil es keine Perspektive bietet und der am Rande des totalen Krieges mit den Kurden steht, was eine völlige Zerstörung der meist auch stark kurdisch geprägten Eliten in der Türkei bedeuten würde, was ungebildetere Antatolen noch bejubeln.

Die Rechten in Europa haben Kanzlerin Merkel durch ihre Politik der Angst gezwungen, auf  den Autokraten Erdogan zuzugehen, den sie gegen früher Grüne Wünsche fern von Europa halten wollte, weil alles andere dazu geführt hätte, dass der Sultan noch mehr Syrer im Mittelmeer ersaufen lässt, bis Europa an der Schmerzgrenze angelangt freiwillig zahlt. Wenn Erdogan plötzlich den Strom aufhalten kann, fragt sich nur wer naiv ist, warum er es vorher nicht konnte, als es nicht mit Milliarden bezahlt wurde.

Regierten nicht auch in Ungarn und Polen der europäischen Tradition der Menschenrechte und der Demokratie eher fremde Personen, wäre eine Einigung ohne weiteren Völkermord und ohne die Bestechung des widerlichen Erpressers Erdogan möglich gewesen. Merkel hatte schlicht auf die europäische Tradition gehofft und vermutet, es würde schon keiner bis zum äußersten gehen und dabei die Dummheit ihrer Gegner unterschätzt, die damit Erdogan erst stark machten, dem die Kanzlerin nun den Hof machen musste und es fragt sich nur, wie sie es aushielt, sich dabei nicht ständig zu übergeben, bei diesem kleinen, chauvinistischen, islamistischen, türkischen Widerling.

Erstaunlich ist nur, wie viele Menschen den rechten Narren nun ihre Anklage gegen Merkel glauben, wie sie von den Putin-Propaganda-Sendern hier im Land verbreitet wird. Dächten sie logisch, hätten sie gemerkt, der überflüssige Deal mit Erdogan verdankt sich eher Pediga und der durch sie gestreuten Stimmung zugunsten des rechstradikalen AfD als der Interessenlage Deutschlands und Europas. Unser Kontinent könnte leicht alle Menschen aus Syrien aufnehmen uns integrieren, wenn wir es gerecht verteilten und einem vernünftigen Konzept dazu folgten, was die Rechten durch ihre Lügen verhinderten.

Damit stärken sie den türkischen vielleicht Völkermörder in Kurdistan Erdogan, bringen Europa in eine unfaire Schieflage und werden dennoch von ihren Anhängern als Retter gepriesen, warum sich eher nach deren Zurechnungsfähigkeit fragt. Merkel hat die Türkei immmer auf Abstand von Europa gehalten. Die erzwungene Kursänderung könnte sich mit Blick auf die Geschichte nur als kleiner Ausrutscher zur innenpolitischen Stabilisierung erweisen. Bis zur Wahl in den USA wird der Krieg in Syrien vermutlich nicht beendet, danach können wir hoffen, dass dann zwei starke Frauen nach vernünftigen weltpolitischen Lösungen suchen jenseits des triebhaften Chauvitums eines Erdogan oder Putin. Peinlich für Europa ist nur, dass es nicht einig und mutig genug war, bis dahin gangbare, friedliche Kompromisse zu suchen.

Wieviele Syrer noch im Mittelmeer sterben liegt an der europäischen Einigkeit. Wie stark der Sultan, der nach Europa drängt, in dem er nichts verloren hat, mit seiner Politik, dabei wird, hat Europa in der Hand und es ist die Rechte, die ihm die Milliarden zuscheffelte, die Merkel ihm nun versprechen konnte.

Was würde ich ändern, wenn ich in der politischen Verantwortung wäre, frage ich mich in dieser Situation. Es braucht mehr politische Bildung und Demokratieverständnis im ländlichen Raum. Das Bündnis der AfD-Jugend mit der Putin-Jugend offenbart einfach und deutlich, woher der Wind weht, wohin und warum die Gelder aus Moskau nach Europa fließen.

Den Rechten den Geldstrom und die Propaganda aus Moskau abschneiden und wenn es etwas gibt, wofür eine Demokratie Geheimdienste bräuchte, dann hier, zur Verteidigung ihrer Werte gegen ihre Feinde. Die bisherigen Institute, die den AfD für unproblematisch halten, sind offensichtlich ungeeignet und gehören aus dem Amt gejagt wegen Kumpanei, die sie  schon bei der NSU zu gut bewiesen.

Die Gefahr durch Islamisten uns deren religiösen Terror ist lächerlich gering gegen die Gefahr durch den aus Moskau gesteuerten Terror einer gut vernetzten Rechten, die sich national und antieuropäisch geben Aber eigentlich kein Konzept, keine Lösung und keine Antwort haben, nur Stimmung machen und Angst schüren.

Angst führt schnell zu Massakern und neuem Gemetzel, es ist Zeit, sich dies bewusst zu machen und in Europa entschieden Freiheit und Demokratie zu benennen. Ein griechisches Konstantinopel würde sicher die Prinzipien der europäischen Toleranz gegenüber der türkischen Minderheit und ihrem Aberglauben wahren, manche Dinge brauchen eben mehr als 500 Jahre.
jens tuengerthal  24.4.2016

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