Samstag, 2. April 2016

Kulturgeschichten 0177

Osmanisierung

Am 2. April 1453 erreichten die ersten Truppen des osmanischen Heeres von Mehmed II. Konstantinopel und beginnen die Belagerung, die bis zum 29. Mai dauern wird. Das osmanische Reich eroberte damit Europa an seinen Wurzeln und bedrohte es im Kern und diese Bedrohung sollte sich noch 300 Jahre fortsetzen, sie kamen bis vor Wien und es dauerte bis ins 20. Jahrhundert, sie wieder vom europäischen Kontinent zu vertreiben, den sie bis heute mit geprägt haben.

Wo steht die Türkei heute, gehört sie zu Asien oder Europa?

Die Türkei ist unter Sultan Erdogan, der eigentlich nur ein gewählter Präsident ist, dabei sich von einem aufgeklärt laizistischen Staat, wie iihn Atatütk gründete, zurück in ein islamisch geprägtes Land in osmanischer Tradition zu verwandeln, als das es einst Europa bedrohte und das nun täglich zeigt, wie fern ihm europäische Werte sind. Der Prozess begann schleichend mit der Zulassung des Kopftuchs und der Umbesetzung der Führungsstellen im Militär und zeigt sich immer mehr im Kampf gegen die Kurden wie die Pressefreiheit. Auch die vermutete Nähe zu den Islamisten des IS, die offiziell geleugnet wird, zeugt für diese Entwicklung und sollte dem Westen, der über die NATO mit der Türkei auch militärisch verbunden ist, mehr Aufmerksamkeit wert sein, als der inszenierte Konflikt mit dem russischen Oligarchen Putin, der auch kein lupenreiner Demokrat ist aber doch lange die Annäherung suchte.

Erdogan provoziert und sucht Abgrenzung. Es ist schwer vorstellbar, dass die Berater des Präsidenten so naiv sind, dass sie die Provokation einer Einbestellung des deutschen Botschafters für geboten und angemessen halten. Sie wissen genau, dass die Pressefreiheit in westlichen Medien auch kritische Berichterstattung schützt, die Regierung nicht eingreifen wird oder kann, nur weil sich ein türkischer Pascha sich provoziert fühlt.

Warum also diese alberne Provokation, die Erdogan nur lächerlich macht?

Ist es Zeichen der Erschütterung seiner Macht, weil seine Mitarbeiter ihn öffentlich lächerlich machen, das entsprechende Video erst in der Türkei bekannt machte, oder ist der Sultan schon so weit entfernt von der Realität, dass er seine persönlichen Wutanfälle für angemessen und normal hält?

Der Umgang mit Pressevertretern durch die Leibwächter des Sultans auf seiner jüngsten Amerikareise zeigt die gleiche Tendenz. Entweder der türkische Präsident ist größenwahnsinnig geworden und denkt, er könne sich alles erlauben oder der in seinem Aufstieg intelligente und agile Taktiker provoziert, um sich in der Türkei als starker Mann zu präsentieren, der sich nichts bieten lässt, was im orientalischen Denken eine positive Wirkung haben soll. Es gibt viele Türkinnen, die zu mir sagten, die Türkei sei eben so, die Strukturen und die Macht der Familie könne nicht verändert werden.

Ist das der Hinweis auf den Traum von der Wiederherstellung des osmanischen Reichs, als die Türkei noch eine Weltmacht war, die von Konstantinopel aus die Welt mit bestimmte?

Vergleichbar dem Agieren des russischen Präsidenten in sowjetischer Tradition, könnte Erdogan meinen, die osmanische Tradition gebe ihm Größe und eine Perspektive für die Zukunft. Auch wenn alle Logik zeigt, wer sich nach hinten wendet, kommt selten weiter nach vorne, sichert es dem autokratischen Präsidenten, der sich nicht nur über Regelungen des Naturschutzes und die türkische Verfassung hinwegsetzt, dennoch die Zustimmung in einem Land, das ländlich noch immer traditionell autoritär geprägt ist im Sinne eines chauvinistischen Islam, wie ihn auch der Erdogan vertritt, die Zustimmung der Bevölkerung, die sich im neuen patriotischen Wahn wieder von den Kurden verfolgt und bedroht sieht.

Der Krieg gegen die PKK, auf den wesentlich mehr Kraft verwendet wird als auf den Kampf gegen den IS, lenkt die Bevölkerung ab und schart auch sonst vernünftig und kritisch denkende Türken wieder hinter den Präsidenten, weil sich alle in Erinnerung der langen Auseinandersetzung bedroht fühlen, ohne kritisch zu fragen, woher diese Bedrohung stammt. Auch wenn die PKK kein Knabenchor ist, der stets den Frieden sucht, ist doch deutlich, von wem die Provokation ausging und wie Erdogan eine Bedrohung inszeniert hat, die seine Macht bedrohte, etwa durch den immer stärker werdenden Vertreter der moderaten kurdischen Partei. Der Umgang mit diesem, wie mit seinen sonstigen politischen Gegnern zeigt woher der Wind weht.

Die kurdischen Truppen waren die erfolgreichsten Kämpfer gegen den IS, bis Ankara anfing kurdische Dörfer zu bombadieren, um vorgeblich gegen IS Terroristen vorzugehen. Dies sind weitere Provokationen, die austesten, wie weit der Sultan gehen kann, ohne dass ihn die westlichen Partner stoppen. Die Abhängigkeit von der Türkei beim großen Handel mit Flüchtlingen, die Ankara bisher ohne Hindernis weiter ziehen ließ, macht eine vernünftige Position dabei nicht leichter. Wie können wir in einen totalitären Staat Flüchtlinge zurückschicken, nur weil es europäische Innenpolitik leichter macht, den Populisten den Wind aus den Segeln nimmt?

Wie groß ist die Bedrohung Europas durch eine osmanische Türkei oder sollte Ankara als Partner eingebunden werden, um es zu disziplinieren?

Stellt sich Erdogan hier klar in die osmanische Tradition oder pokert er nur wie alle Europäer es vorher untereinander taten um Kosten wie auf dem Basar?

Ein Blick auf die Eroberung Konstantinopels durch das osmanische Heer könnte hier weiterhelfen. Mit der Eroberung Konstantinopels durch Sultan Mehmed II. 1453 ging das byzantinische Reich unter. Mehmed stand mit einem Heer von 80.000 Mann vor der Stadt, die er belagerte, während Kaiser Konstantin XI. etwa 7000 Mann zur Verteidigung zur Verfügung hatte.

Zum Zeitpunkt der Eroberung bestand Byzanz nur noch aus der Hauptstadt Konstaninopel, deren näheren Umland sowie einigen kleineren griechischen Inseln. Die Stadt selbst war von einer Größe von bis zu 500.000 Einwohnern bis ins 13. Jahrhundert bereits auf nur noch 40.000 Einwohner geschrumpft. Die Republik Venedig besaß größere Flächen im ehemals byzantinischen römischen Reich als dieses selbst noch sein eigen nannte. Die Kornkammer der Byzantiner, Anatolien, war längst an die Osmanen verloren wie auch große Teile Griechenlands, der Wurzel europäischer Kultur.

Das osmanische Reich war erst 1299 gegründet worden und hatte seit dem ungeheuer expandiert. Nach auch Niederlagen und dem osmanischen Interregnum setzte sich Mehmed I. durch, der die Expansion weitertrieb und dessen Sohn Murrad II. erstmals Konstantinopel belagerte aber noch dabei scheiterte. Erst sein Sohn Mehmed II. nahm dies Vorhaben wieder in Angriff, nachdem sein Vater die letzten Jahre sehr friedlich mit den Byzantinern gelebt hatte. Doch Konstantinopel war in vieler Hinsicht zu wichtig für die Osmanen, dass sie auf Dauer auf die Eroberung verzichten konnten. Zum einen war es als Endpunkt der Seidenstraße und als Tor zum Schwarzen Meer ein wichtiger Handels- und Umschlagpunkt, zum anderen war die christliche Dominanz auf dem Meer sehr lästig für die Osmanen, die immer wieder Probleme hatten Truppen vom europäischen in den asiatischen Teil zu transportieren und umgekehrt, selten erfolgreich gegen europäische Seemächte war.

Kurz nach seiner Thronbesteigung unternahm Mehmed II. den ersten Schritt zur Belagerung, indem er an der engsten Stelle des Bosporus eine Festung bauen ließ. Die  Rumeli Hisari oder europäische Festung genannte Burg war strategisch gut positioniert, um den gesamten Schiffsverkehr am Eingang zum Schwarzen Meer zu kontrollieren. Schon gegen den Bau gab es Aufstände der Bevölkerung von Konstantinopel und Kaiser Konstantin versuchte noch Sultan Mehmed zu bestechen, um ihn zur Einstellung der Bauarbeiten zu überreden. Als dann aber zwei Gesandte des Kaisers vom Sultan geköpft wurden, konnte es keine Zweifel mehr an den Absichten des jungen Herrschers geben.

Nach Fertigstellung der Festung legte Mehmed fest, dass alle Schiffen die passieren wollten, eine Gebühr zu entrichten hätten oder versenkt würden. Als sich drei venezianische Schiffe weigerten zu zahlen, wurden sie beschossen und eines von ihnen vesenkt, während die anderen beiden entkamen. Die aufgegriffene Mannschaft wurde vom Sultan geköpft, der Kapitän dagegen gepfählt.

Konstantin, dem mit Fertigstellung der Festung und spätestens seit Hinrichtung seiner Gesandten klar war, was ihm bevorstand, schrieb alle christlichen Herrscher um Hilfe an. Kaiser Friedrich III. hatte jedoch keine finanziellen Mittel, um zu helfen, England und Frankreich hatten gerade erst den hundertjährigen Krieg beenden, konnten nicht mehr, König Alfons von Aragon hätte wohl gekonnt, kümmerte sich aber lieber um seine italienischen Besitzungen, Ungarn hatte innenpolitische Schwierigkeiten, Serbien war osmanischer Vasall und wollte daran auch nichts ändern, Georgien und Trapezunt hatten an den eigenen Grenzen genug Druck, konnten auch nicht helfen. Es war aussichtslos. Noch hoffte Konstantin auf Genua, Venedig und den Papst. Venedig einigte sich nach langem Streit mit dem Papst über die Schulden seines Vorgängers mit diesem, der zum Preis der Kirchenunion helfen wollte, die Konstantin notgedrungen zusagte, über die Entsendung einer Flottille, die aber erst drei Wochen nach dem endgültigen Fall Konnstantinopels überhaupt in See stach. Genua bot nur Hilfsgüter, wollte sich aber nicht am Kampf beteiligen sondern lieber bei einer diplomatischen Lösung helfen, so dass der genervte Papst Nikolaus schließlich eine eigene Galeere anmietete.

Genua hatte jedoch seinen Bürgern erlaubt auf eigene Kosten Konstantinopel bei der Verteidigung zu helfen, woraufhin etwa 700 bewaffnete Helfer aus Genua, Rhodos und Chios in die Stadt zogen. Gleichzeitig verließen 700 Italiener auf 7 Galeeren die bedrohte Stadt. Einzelne vornehme venezianische und genueser Familien schickten noch Söhne mit teils selbst ausgestatteten Truppen zur Verteidigung. Es blieben sehr wenige - so standen nach einer ersten Zählung 4900  Griechen und 2000 Ausländer zur Verteidigung der Stadt bereit, worauf alle Matrosen, die in der Stadt weilten, zwangsverpflichtet wurden und alles verfügbare Gold eingeschmolzen wurde, um weitere Truppen zu verpflichten, was die Zahlen auf 6000 zu 3000 steigen ließ, in Summa 9000. Was nicht mal ⅛ der osmanischen Truppen war, zu denen noch ein vielfaches an Hilfstruppen hinzu zu zählen ist, die Gräben bauten und sonstige Versorgung sicherten.

Als Mehmed nach seinen Truppen und kleinen Scharmützeln im Vorfeld zur gut  vorbereiteten Belagerung am 2. April 1453 vor Konstantinopel eintraf, waren nahezu alle 80.000 Mann eingetroffen. Konstantinopel war mit 21km Stadtmauern wahrscheinlich die am besten gesicherte Stadt der damaligen Welt. Jedoch reichten die maximal 10.000 Verteidiger nicht mal aus, um das Mauerwerk ausreichend zu bemannen. Gegen die Kanonen wurden mit Stroh gefüllte Stoffsäcke über die Mauern gehängt, die Gräben zwischen den Mauern wurden geflutet und die Kanonen in Stellung gebracht, was jedoch zu wenig führte, da es nicht ausreichend Salpeter gab, sie zu nutzen und die Kanonen beim Abschuss das Mauerwerk so sehr erschütterten, dass die Gefährdung größer war als der Verteidigunszweck.

Angesichts der zahlenmäßigen Unterlegenheit lag die einzige Hoffnung der Byzantiner nun darin, dass sich irgendeine Macht zur Hilfe aufmachen würde, wenn sie nur lange und tapfer genug verteidigten. Aufgrund der geschrumpften Bevölkerungszahl gab es in der Stadt genug Freiflächen für Ackerbau und ähnliches, die Vorratskammern waren gut gefüllt worden, sie konnten es wohl eine zeitlang aushalten, dachten sie. Je nach Quelle umfasste die osmanische Armee zwischen 50.000 und 400.000 Mann, den türksichen Quellen zufolge waren es 80.000, was am wahrscheinlichsten noch klingt. Mehmed wollte den Hauptangriff entlang der Theodisianischen Landmauer führen, um eine langfristige, verlustreiche Belagerung zu vermeiden, sollten die Kanonen die Mauer zerstören. Der Beschuss führte bald zum Einsturz erster Mauerteile, die von den Verteidigern über Nacht notürftig repariert wurden. Doch die Osmanen ließen sich mit dem ersten Angriff noch Zeit.

Am 18. April kam es nach tagelangem Beschuss zum ersten kleinen Sturmangriff, gegen den sich die Stadt aber noch verteidigen konnte, da er sich auf einen schmalen Streifen nur konzentrierte. Die Verluste der Osmanen lagen bei etwa 300 Mann, die Verteidiger hatten nur Verletzte. Die folgende Seeschlacht endete ähnlich hoffnungsvoll für die belagerten Christen, dabei starben über 100 Osmanen und etwa 23 christliche Seeleute, aber das Schiff erreichte die Stadt mit Waffen und Nahrung. Mehmed II. reagierte wie Sultan Erdogan mit einem cholerischen Wutanfall, wollte seinen Komandanten sofort enthaupten lassen und ließ sich nur langsam beruhigen, sich mit dessen Absetzung, Enteignung und Verbannung zu begnügen. Beim nächsten Versuch gelang dann unter wieder großen Verlusten die Eroberung des Goldenen Horns über das Mehmed eine Pontonbrücke anlegen ließ. Nach einigem Hokuspokus und Geschichten um Vorhersagen und herunterfallenden Ikonen bei Prozessionen stieg die Panik in der Bevölkerung immer mehr. Aber auch im osmanischen Lager sank die Stimmung, auch wenn Vorhersagen gutes bekundeten, wuchsen die Zweifel, da, desto länger die Belagerung dauerte, die Wahrscheinlichkeit wuchs, dass christliche Heere den Belagerten zu Hilfe kämen.

Mehmed entschloss sich daher am 29. Mai eine Entscheidung mit einem Großangriff zu erzwingen. Dieser begann auf der vollständigen Länge der Landmauer in der Nacht um 1.30h und eine Gruppe Soldaten löste die andere ab, den Druck aufrecht zu halten. Gleichzeitig griff die Flotte die Mauern vom Goldenen Horn aus an. Bei Sonnenuntergang brach die Verteidigung endgültig zusammen und den Janitscharen gelang der Durchbruch. Aus Kreisen der Byzantiner hieß es dann, die Stadt sei verloren, weil  die Angreifer durch die Kerkoporta kamen, wie es die Volkssage für den Untergang der Stadt verkündete. Diese These aus dem sagenhaften Bereich des Aberglaubens kann jedoch historisch nicht verifiziert werden. Es ist vieles unklar geblieben. Bereits am 30.5. morgens um 8.30h sollen die osmanischen Truppen bereits die ganze Stadt eingenommen haben. Darauf lösten sich die Truppen der Verteidiger schnell auf und die Stadt wurde von den osmanischen Truppen geplündert, wobei es zu vielen blutigen Übergriffen gegen Einwohner kam. Mehmed soll seinem Historiker zufolge angesichts der Gewalt der Plünderung beim Anblick der Schönheit der Stadt zu Tränen gerührt gewesen sein.

Konstantin soll beim Kampf an der Theodosischen Mauer gefallen sein, genaueres dazu ist nicht bekannt. Am Tag nach dem Sieg verkündete Mehmed allen byzantinischen Adeligen, dass diejenigen, die sich bei ihm melden würden, in ihren Besitz wieder eingesetzt würden. Alle, die so naiv waren dem muselmanischen Heerführer zu glauben, wurden sodann mit ihrer ganzen Familie geköpft. Den übrigen wurde angeboten, sie könnten zum Islam konvertieren oder seien des Todes. Keiner, soweit bekannt, nahm das Angebot an.

Mit der Eroberung  Konstantinopels konnte das osmanische Reich seine Herrschaft and der Schnittstelle Europas noch weiter ausbauen und für die folgenden Expansionen eine sichere Basis schaffen. Mehmed verlegte seine Hauptstadt in das wunderschöne Konstantinopel und nannte es Istanbul. Die Hagia Sophia, in die sich viele Christen geflüchtet hatten, die dort niedergemetzelt wurden, war künftig eine Moschee und ist heute ein Museum. Für die italienischen Händler, die vorher den Bosporus kontrollierten, war die Eroberung ein schmerzhafter und teurer Einschnitt, der den Handel am Schwarzen Meer und mit der Levante stark beeinträchtigte.

Viele griechische Gelehrte flohen mit ihren Schriften nach Italien wodurch mit dem parallel entdeckten Buchdruck ein schwunghafter Handel mit antiken Schriften begann, die sehr nachgefragt wurden, von dort den Geist der Renaissance in Europa beflügelten und den Humanismus erstarken ließen. Unter dem Eindruck der Schilderung der blutigen Einnahme Kosnstantinopels, bei der die Grausamkeiten in Europa noch stark ausgeschmückt wurden, schrieb Nikolaus von Kues sein Werk De pace fidei - Über den Glaubensfrieden -  indem er sich für eine Verständigung der Religionen einsetzt. Zugleich mehrten sich unter den weniger gebildeten die Stimmen, die den Fall Konstantinopels als eine Strafe Gottes ansahen, den die Griechen durch ihren Abfall von der katholischen Kirche und ihre Beibehaltung des orthodoxen Glaubens über sich gebracht hätten. Gegen diese Strafe Gottes solle nun mit einem rechtgläubigen Leben vorgegangen werden. Papst Nikolaus und sein Berater Piccolomini wollten die Christenheit zu Kreuzzügen gegen die Türken gewinnen und riefen zu drei Türkenreichstagen in Regensburg, Frankfurt und Wien. Auch Philipp der Gute schwor als König von Fraankreich beim Fasanenfest seine Ritter zum Zug gegen die Türken ein. Doch blieben all diese Aufforderungen und Bekenntnisse letztlich erfolglos bis auf eine siegreiche Belagerung Belgrads. Die Figur des Türken fand als Topos nun Eingang in die abendländische Kultur und blieb ihr über Jahrhunderte und verschiedenen Varianten erhalten.

Ostrom oder Konstantinopel fiel an die Türken, weil sich Europa nicht einig war. Zu sehr  mit sich beschäftigt, kümmerte es sich lieber um eigene Probleme, statt den Untergang der griechischen Kultur zu verhindern, die sie nur indirekt über die  Flüchtlinge in ihrer Kultur wieder adaptierte, die dadurch einen großen Entwicklungsschritt vom Mittelalter zur Neuzeit machte. Die Veränderung und der Untergang eines Teils der eigenen Kultur beeinflusste die Kunst stärker als die Politik und im Ergebnis änderte Europa seine Politik nicht, wehrte zwar  mehrfach mühsam die Türken vor Wien ab, fand aber erst im 19. Jahrhundert eine Antwort für Griechenland als Königreich. Eine eigene Kultur ging verloren und hat nur in einigen griechischen Klöstern wie den orthodox geprägten Staaten Europas überlebt. Die Solidarität in Europa ist  immer noch schwächer ausgeprägt als der lokale Egoismus und so sind die kleinen nationalen Helden Mittäter beim Selbstmord Europas.

Kann aus dieser Eroberung etwas für den künftigen Umgang mit Sultan Erdogan und den neuen Osmanen gelernt werden oder ist Geschichte nicht übertragbar?

Europa hat sich durch Populisten lange erpressen lassen und damit Erdogan zuviel Macht gegeben, die er nutzte Europa zu erpressen. Sein augenblickliches Benehmen erinnert sehr stark an das mancher Paschas, doch fragt sich dabei eher, ob er die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat oder tatsächlich für die Auferstehung des osmanischen Reiches kämpft und damit an den Patriotismus seiner Landsleute apelliert, austestet, wie weit er gehen kann, bevor ihm Grenzen gezogen werden. Hätte Europa zu Konstantinopel gehalten und den Fall der Stadt verhindert, einig die Türken zurück geschlagen, wäre ihm wohl  mancher der folgenden Türkenkriege und die jahrhundertelange Besetzung von Teilen Europas erspart geblieben.

Auch wenn “hätte” und “wenn” in historischen Betrachtungen müßig sind, kann doch aus der Geschichte gelernt werden, dass Europa, wo es sich nicht einig ist, um so schneller angreifbar wird und gegen die Dynamik junger Reiche keine angemessene Reaktion finden kann. Schon das Inseldasein von Byzanz war eine Folge von dessen Schwächung auch durch die Kreuzzüge gegen Ostrom im 13. Jahrhundert. Religiöse Zwistigkeiten über den Vorrang der einen oder anderen christlichen Sekte haben einen Kulturraum untergehen lassen, weil der lokale Egoismus größer als der Zusammenhalt angesichts einer Bedrohung war.

Erdogan überschreitet sämtliche Grenzen, die einen Dialog mit Europa möglich machen. Die Türkei dieses Osmanen hat in Europa nichts verloren, auch wenn sie sich nun Sonderkonditionen für die nicht mehr Weitersendung von Flüchtlingen erpresst hat. Darf Europa ihn gewähren lassen oder müssen wir ihm dringend Grenzen ziehen, damit der lächerliche Popanz dieses Paschas Grenzen findet?

Die Angst ist selten ein guter Ratgeber. Ein Kompromiss mit der Türkei, der die Flüchtlingssituation auch in Griechenland entspannt, das wahrlich noch andere Sorgen derzeit hat, ist nötig gewesen, um zu entspannen. Doch wird es in der nun Phase der Entspannung, in der sich auch der Zulauf zu den rechtsextremen Parteien, die keine Perspektive haben, wieder reduzieren wird, nötig sein, langfristige gemeinsame und gerechte Lösungen zu finden. Die fast rassistische Verweigerung der Verantwortung einiger europäischer Länder ist dabei genauso wenig tragbar wie die weitere Erpressung durch Erdogan und sein Sultanat. Es wird in Europa keine Lösung geben, wenn wir uns nicht einigen und gemeinsame Wege suchen. Dabei kann weder Deutschland alleine die Verantwortung tragen, noch seinen Weg allen anderen aufdrängen, sondern muss kritisch und rational nach einer Perspektive suchen.

Wo Europa einig ist, stellt der wildgewordene Sultan auch in seinen Wutanfällen keine Bedrohung mehr da. Es können ihm Grenzen gewiesen werden, soweit uns sein Verhalten etwas angeht, im übrigen ist es in der Hand der Türken, wen sie sich zum Staatsoberhaupt küren und wohin sie sich wenden. Europa könnte seinen alten Kulturraum wieder aufnehmen und gut integrieren, sofern ein demokratisch verfasster Staat ohne Anklänge einer mittelalterlich religiösen Sekte, die europäische Grundrechte missachtet, als Partner kommt. Europa ist notwendig laizistisch als Staatengemeinschaft, um zu funktionieren. Das sie eine Erfolgsgemeinschaft sind, ist ein gutes Zeichen. Es ist die Türkei als alter Teil Europas, in dem Troja stand und die Hauptstadt des früher Ostrom lag immer willkommen, sofern sie sich an Europa anpasst und seine Spielregeln beachtet. Sofern sie, wie gerade von Sultan Erdogan, osmanisch regiert wird, hat sie dort nichts verloren. Europa muss sich nur einig sein, dann kann es mit seinen 720 Millionen Einwohnern und seinem enormen Reichtum leicht einige Millionen Syrer für eine gewisse Zeit mit Gewinn integrieren und eine Türkei an ihren Kurs anpassen, unter ihre rechtlichen Regeln zwingen. Dieser Export des guten Lebens und der europäischen Werte in den islamisch asiatischen Kulturraum ist sehr gut und unbedingt zu befürworten. Wir können sie alle integrieren und mit ihnen nach unseren Idealen von Freiheit und Toleranz leben. Wir müssen sie nur konsequent vertreten und uns einig sein, dann erledigen sich Erogan und seine schlechte Manieren von alleine. Das osmanische Reich war siegreich, weil Europa sich nicht einigen konnte, noch füreinander einstand, etwas wichtigeres kann Geschichte nicht lehren
jens tuengerthal 2.4.2016

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