Dienstag, 31. Oktober 2017

Tiergartenflaneur

Über den Tiergarten wurde jüngst viel geschimpft in den Medien und Rathäusern der Stadt, weil er zum Strich für Flüchtlinge, zur Notunterkunft und zum Dealerrückzugsort werde, vom jüngsten Mord nahe dem Zoo, der den Boulevard wochenlang beschäftigte, ganz zu schweigen. Ein Ort des Grauens in der Großstadt also, den ich nun in Ruhe nach Einbruch der Dunkelheit erkunden wollte.

Wie alle Leserinnen sofort bemerken werden, ich habe es überlebt und, wie ich hinterher schiebe, habe mich sehr wohl gefühlt, von Gefahr merkte ich nichts und genoss Ruhe und Rauschen in der grünen Lunge mitten in Berlin. Es gibt auch andere Ecken, mag alles sein aber dafür ist ja Berlin auch eine Großstadt - früher gab es noch die Huren am 17. Juni, die fehlen heute auch, was der zu breiten Straße viel nimmt von ihrem sinnlichen Flair.

Los ging es wie immer am Helmholtzplatz, den ich die Lychener Straße hinunter verließ, um über die Danziger, durch die Kulturbrauerei und die Oderberger zur Kastanienallee gen Mitte zu kommen, wo es dann den Weinbergsweg hinunter zum Rosenthaler Platz ging, der tosenden Kreuzung an der früher das Rosenthaler Tor lag, durch das Vieh und Juden in die Stadt nur durften und an dem auch Moses Mendelssohn einst Berlin betrat.

Hatte nach dem Lärm dort ein dringendes Bedürfnis nach Ruhe und bog, die Rosenthaler Straße überquerend in die Linie ein, der ich, den schönen roten Himmel immer wieder bestaunend, folgte, bis sie in die Oranienburger mündet, die ich, immer wieder der Liebsten im Ohr vom heutigen Himmel hier vorschwärmend, so schnell überquerte wie die Friedrichstraße, aus der ich schnell in die Reinhardtstraße nach Westen abbiegend wieder floh. Ist doch der glitzernde Friedrichstadtpalast einfach zu hässlich, ihn länger als nötig anzusehen - Volkes Varieté eben mit weniger Stil als Farbe.

Nach der FDP Zentrale, die ja scheinbar bald wieder eine größere Rolle spielen wird, wie dem Bunker mit der Sammlung Boros, bog ich in die Albrechtsstraße ein, von der ich wieder gen Westen, wollte ja zum Tiergarten, in die Marienstraße flanierte. Gehe einfach zu gern an der Böse Buben Bar dort vorbei - jenem schönen Lokal mit den wunderbar gefüllten Bücherwänden, die noch jeden Ort schöner machen, die ich dringend mal wieder besuchen muss - das letzte mal muss schon bald acht Jahre her sein, wenn ich mich richtig erinnere.

Mit Blick auf das Künstlerheim Luise, bog ich dann in die natürlich Luisenstraße ein, die zur Marschallbrücke führt, ab der sie Wilhelmstraße heißt. Diese noch vom Soldatenkönig 1730 angelegte Straße, erhielt dessen zweiten Namen nach dem Tod des Vaters von Friedrich dem Großen. Der Sohn Friedrichs I. hatte sie noch ursprünglich Husarenstraße genannt. Bis 1945 war die Wilhelmstraße der Sitz der Reichsregierung und so etwas wie die Downing Street No.10 von Berlin. Wie überaus passend, dass heute die SPD ihr Hauptquartier an ihrem Ende hat und damit treffend auf die Situation der Sozialdemokratie im Land hinweist, die eben am Ende scheint, was sie aber auch schon gut kennt.

Doch soweit wollte ich nicht gehen, auch nicht am Finanzministerium oder der Britischen Botschaft vorbei, sondern bog noch vor dem Adlon, wieder nach Westen gen Pariser Platz auf das letzte Stück von Unter den Linden ein. Bestaunte das Brandenburger Tor vorm wunderschönsten preußischblau des Himmels, durchschritt das Tor durch die früher dem Kaiser vorbehaltene mittlere Spur und überquerte mit Blick auf die im Abendhimmel glänzende Goldelse tief im Westen den Platz des 18. März, der an die bürgerliche Revolution von 1848 erinnert, die Preußen für ein verrücktes halbes Jahr wesentlich demokratischer machte.

Noch staatstragender dann überquerte ich noch die Ebertstraße, die an den ersten demokratischen deutschen Reichspräsidenten Friedrich Ebert erinnert, dem in der Weimarer Republik nur noch Hindenburg und Hitler folgten, um endlich mit einbrechender Dunkelheit oder letzter Dämmerung in den Tiergarten zu kommen und dort schleunigst ungesehen Erleichterung hinter einem Baum zu suchen, was wirklich dringend inzwischen war. Das mag natürlich das allerletzte für eine saubere Großstadt sein, blieb aber angesichts des eklatanten Mangels an Alternativen hier eben alternativlos und so folgte ich im weiteren zunächst dem Weg unter den Bäumen parallel zum 17. Juni.

Diesen Bremer Weg, schätze ich als geborener Bremer schon von Natur aus sehr und bog dennoch am Goldfischteich gen Süden ab. Warf noch einen Blick auf das im letzten Licht dort weiß leuchtende Beethoven-Haydn-Mozart-Denkmal, was ja ganz wunderbar zu Berlin passt, wo wir das alte Bonn, aus dem Beethoven stammte, einfach schluckten, bis es überflüssig wurde und auch die Ständige Vertretung, noch Am Schiffbauerdamm in Betrieb, wohl beabsichtigt zu schließen.

Das sogenannte Komponistendenkmal wurde 1904, dem Geburtsjahr meines Großvaters übrigens, von Rudolf und Wolfgang Siemering zu Ehren der genannten Komponisten an zentraler Stelle geschaffen. Einst war viel an dem Denkmal, dem Zeitgeschmack entsprechend vergoldet - heute glänzt es immer noch in der Sonne und leuchtet der griechische und Tiroler Marmor in der Abenddämmerung. Von der Form her erinnert es an die zu der Zeit noch üblichen Kachelöfen der guten Stuben, warum sich bei den Berlinern der Name Musiker-Ofen oder Drei-Männer-Ofen einbürgerte. Nachdem die Dichter Goethe, Schiller und Lessing ihre Denkmäler bekommen hatten, sollten auch die Musiker eins für alle kriegen, klingt ja alles gleich aus Wien, dachten die Berliner vermutlich. Das Ding gilt als eines der wenigen Beispiele symbolistischer Kunst im öffentlichen Raum, womit auch der Senat die 960.000 Euro teure Sanierung im Rahmen des Baus des Tiergartentunnels ab 1996 nach 2001 rechtfertigte. Vollendeter und schöner als der Flughafen ist es und billiger war es, dass die Berliner die großen Wiener an den Goldfischteich stellen, passt ja irgendwie auch. Nach Beschuss im Krieg mussten einige Instrumente und etwa Mozarts Nasenspitze neu ergänzt werden, was die liebste Mozartkennerin und Nasenfreundin in Dublin freuen wird.

Der Tiergarten erstreckt sich als Grünfläche heute inmitten Berlins, früher vor seinen Toren auf einer Fläche von 210 Hektar. Dieses schöne Stück Natur wird durch einige große Straßen, die sich am Großen Stern treffen,  also unter der Goldelse, durchschnitten und wird auch darum in mehrere Teile geteilt. Das bereits 1527 als Jagdrevier erstmals angelegte Gelände wurde mit Wildtieren zum abschießen für den Kurfürsten und seine Gäste gefüllt und darum mit einem Zaun umgeben.

Unter König Friedrich I. erhielt er Ende des 17. Anfang des 18. Jahrhunderts seine heutige Form. So wurde eine breite Schneise als Verlängerung der Straße Unter den Linden gen Westen geschlagen, um das bis 1699 erbaute Schloss Charlottenburg besser erreichen zu können, was er ja ursprünglich seiner Frau im Tausch gegen ein Potsdamer Grundstück geschenkt hatte. Dabei wurden der Große Stern mit acht und der Kurfürstenplatz mit sieben Alleen angelegt, So verlor das Gelände allmählich seinen Charakter als Jagdrevier und wurde zum Erholungsgebiet und Landschaftsgarten.

Friedrich der Große, der im Gegensatz zu seinem Vater die Jagd nicht schätze, ließ die Zäune einreißen, schenkte den Tieren die Freiheit und den Berlinern einen Lustpark, was ihm näher lag, den sein Architekt Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff anlegte. Dabei entstand, dem Geschmack der Zeit entsprechend ein typischer Barockgarten mit Irrgärten, Beeten und allem übrigen beschnittenen Zubehör. Entlang der Alleen gab es sogenannte Salons, kleine mit Hecken und Bäumen eingefasste Plätze, die mit Brunnen, Bänken und Vasen möbliert waren, der Erholung dienen sollten. Es entstand im Westen auch eine Fasanerie, die zur Keimzelle des späteren Zoos wurde, dem großen von vielen Berlinern seltsamerweise geliebten Tierknast. In der Nähe auf Wiesen durften Hugenotten oder deren Nachkommen Zelte aufstellen und die Spaziergänger dort bewirten, woran später der Straßenname In den Zelten wurde, aus der nun die Scheidemannstraße und die John-Forster-Dulles-Allee wurde - eine verständliche Ehrung nach der Berlin Blockade aber doch eine falsche Umbenennung, weil In den Zelten eine so große Bedeutung in der Revolution von 1848 hatte, als in einer dortigen Versammlung erstmals die Abschaffung der Zensur öffentlich gefordert wurde, dort unter anderem auch Bettina von Arnim lebte.

Seit Ende des 18. Jahrhunderts wurden Knobelsdorffs steife barocke Formen almählich durch einen Landschaftsgarten abgelöst. Zuerst im Garten von Schloss Bellevue und sodann mit der Rousseau Insel, die sich ungefähr 400m westlich der Luiseninsel befindet, die 1880 zu Ehren von Königin Luise mit dem Denkmal der Königin vollendet wurde, der Mutter des damals amtierenden Kaisers Wilhelms I. Habe beide betrachtet und gewürdigt, Luise etwas freundlicher begrüßt als den überschätzten Philosophen, stattdessen ich eine Diderot Insel mir wünschte, um an die radikalen Aufklärer und ihre Enzyklopädie zu erinnern. Allerdings ist die Widmung für Rousseau im Jahre 1797 und damit seinem Geist der Rückkehr zur Natur, also acht Jahre nach der französischen Revolution schon eine Besonderheit in einem da noch königlichen Park.. Das ursprüngliche Denkmal für Rousseau ging übrigens verloren, wobei unklar ist, ob es daran lag, dass die Gegend im Winter zu einem der beliebtesten Berliner Eislauf Reviere wurde.

Der große Peter Joseph Lenné veränderte ab 1835 die Gegend um die Insel weiter, während er den Tiergarten grundsätzlich im Stil eines Englischen Gartens umgestaltete. Noch vor dem Fall der Mauer wurde 1987 die verschwundene Rousseau Figur durch eine neue ersetzt, die bis heute dort von vielen Rhododendren umgeben noch steht. Den Auftrag zur Gartenumgestaltung hatte Lenné schon 1818 erhalten. Er war damals noch Gärtnerlehrling in Sanssouci. Damals plante er einen landschaftsähnlichen Volkspark, der nach den Befreiungskriegen der Erbauung der Bevölkerung dienen sollte, als eine Art preußischer Nationalpark. Seinen Idealplan lehnte König Friedrich Wilhelm III., der Witwer der Luise, jedoch ab und dennoch schaffte es Lennné eine leicht veränderte Form bei den Behörden durchzusetzen.

Die Idee eines Denkmals für Luise war den Bürgern Berlins 1808 gekommen und nach ihrer Rückkehr  wurde eine Stele eingeweiht, die erst eine Marmorschale von Schadow trug, die aber 1880, wie oben erwähnt, durch eine Luisen Statue ersetzt wurde, die in die Richtung des Denkmals ihres Mannes blickt. Seit 1809 trägt die Insel den Namen Luiseninsel.

In der Form die Lenné ihm gab, bestand der Park bis etwa zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Bis 1881 befand sich übrigens der ganze Park in königlichem Besitz und wurde dann zu Berlin eingemeindet.

Neben den patriotischen Denkmälern um die Siegessäule und andere Orte schmücken den Park Tierfiguren und Jagdsezen entsprechend der historischen Nutzung.  Dazu kommen noch Fontane, Wagner und Lortzing. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde auch der Tiergarten in die Pläne für die Neugestaltung Berlins mit einbezogen, was zur Folge hatte, dass die Charlottenburger Chaussee, heute Straße des 17. Juni, von 27m auf 53m verbreitert wurde. Damals wurde auch die Siegessäule, die an die drei Siege Preußens über Dänemark, Österreich und Frankreich erinnerte, warum auch Moltke vom Rand grüßt, vom Platz der Republik vor dem Reichstag auf den Großen Stern verlagert und die Goldelse bekam ihren neuen zentralen Platz.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Tiergarten schwer beschädigt und diente nach Kriegsende zeitweise auch als Landebahn zur Truppenversorgung. In der Nachkriegszeit wurden die Bäume aufgrund Kohlemangels verheizt und auf den freien Flächen wurden Kartoffeln und Gemüse angebaut. Eine Art großer Schrebergarten. Diese Zwischennutzung hatten die britischen Alliierten aus der Not genehmigt - am Ende standen von den ursprünglich 200.000 Bäumen noch 700 - der Rest ging durch Berliner Öfen. Im Juli 1945 fasste Berliner Magistrat dann den Beschluss zur Wiederherstellung des Tiergartens. Mit Notstandsprogrammen, wie so manches in Berlin, wurde der Tiergarten von 1949 bis 1959 wieder aufgeforstet. Die erste Linde pflanzte symbolisch am 17. März 1949 der damalige Bürgermeister Ernst Reuter. In ganz Deutschland übernahmen Städte Partnerschaften für Berliner Bäume und schickte 250.000 Jungbäume nach Berlin. Mit solchen Patenschaften bekämen wir auch das Flughafengelände wieder schön grün. Mit der Erneuerung wurden jedoch die als nicht mehr zeitgemäß angesehenen barocken Gartenelemente aufgegeben und durch eine naturnahe Parklandschaft ersetzt. So sieht es bis heute aus.

Seit 1991 ist der Große Tiergarten als Gartendenkmal vor Veränderungen geschützt - hatte sich mit dem Fall der Mauer doch gerade genug in Berlin verändert. Fanmeile und Loveparade quälten den Park ab Mitte der 90er Jahre - zumindest die Technoparade zog mit gravierend dramatischeren Folgen gen Westen.

Es gibt noch den Englischen Garten im Nordwesten des Tiergartens hinter dem Park von Schloss Bellevue, der auf Vorschlag des damaligen englischen Stadtkommandanten General Bourne angelegt wurde. Bei der Eröffnung dieses Teils des Gartens 1952 war übrigens Anthony Eden, der damalige britische Außenminister anwesend, was dem Garten unter Berlinern lange den Spitznamen Garten Eden eintrug. Was heute ja fast besser zum benachbarten kleinen Tiergarten passte, in dem sich Knaben aus dem Nahen Osten und Afghanistan heute für wenig Geld prostituieren und bis vor kurzem auch dort kampierten. In der Mitte des Englischen Gartens steht das Teehaus auf den Fundamenten des ehemaligen Wohnhauses von Gustaf Gründgens. Teehaus klingt verlockend und das Gebäude ist wirklich wunderschön als Reetdachhaus im zauberhaften Garten aber wird so schlecht bewirtet, dass ich heute keinem zu einem Besuch noch raten kann, nachdem ich das letztemal vor einigen Jahren dort noch ein Date im Sommer hatte. Beides hat sich nicht gelohnt, auch wenn der Platz so verlockend klingt und in den Ohren des Kulturmenschen und Teeliebhabers so sinnlich schön klingt, erinnerte die spießige Bewirtung eher an die Lidl Ausgabe von Rolf Eden und hat den Geruch des verstaubten West-Berlins ohne Charme als die Umgebung.

Vom Musiker-Ofen, den ich mir diesmal nicht aus der Nähe ansah, die neue Mozartnase gehe ich lieber irgendwann mit der Liebsten gemeinsam betrachten, um festzustellen, dass auch neu bei Nasen alt bleibt, bog ich an großen Wiesen vorbei gen Südwesten zum großen Tiergartengewässer ab, ging über die Luiseninsel, die zur Hälfte wegen frischen Baumfalls noch oder wieder gesperrt war und folgte dann den Wegen am Ufer und umkreiste dies einmal ohne diesmal noch die Straße zum Neuen See zu überqueren.  Lief nach der Umrundung weiter gen Norden, überquerte den 17. Juni auf der Höhe der Schwangeren Auster, zu der ich noch ein Stück der anderen Seite des Tiergartens Richtung Spree durchquerte. Am Haus der Kulturen der Welt, wie Ortsfremde die Schwangere Auster nennen, die so heißt, weil sie eben so aussieht, ging ich zur Spree hinunter und folgte dieser.

Das Haus der Kulturen der Welt, was in seinem sich öffnenden Dach, das schon einmal einstürzte - zum Glück nicht als mein Vater dort einmal beim Deutschen Röntgenkongress weilte, wie ich dunkel in Erinnerung habe -, eben aussieht, wie eine sich überquellend öffnende Muschel, ist heute ein Ausstellungsort mitten in Berlin und ein Forum für aktuelle Entwicklungen und Diskurse. Es präsentiert künstlerische Produktionen aus aller Welt unter besonderer Berücksichtigung außereuropäischer Kulturen. Seit seiner Gründung im März 1989 hat das Haus der Kulturen seinen Sitz in der ehemaligen Kongresshalle am Ufer der Spree dem heutigen Zentrum des Regierungssitzes.

Als Ikone der architektonischen Moderne wurde der Bau zu einem prominenten Symbol für die deutsch-amerikanische Allianz. Das Gebäude entstand als amerikanischer Beitrag zur internationalen Bauausstellung Interbau 1957 und sollte die Freiheit des Gendankenaustausches verkörpern. Neben kulturellen Veranstaltungen gab es auch Nutzungen zu politischen und gesellschaftlichen Zwecken etwa durch Gewerkschaften. John F. Kennedy und Jimmy Carter hielten dort Reden und auch der Bundestag tagte bis 1965 mehrmals dort. Dies wiederum ärgerte die Russen und die Regierung der DDR, die Westberlin nicht als Teil des Staatsgebietes der BRD ansahen, warum sie erstmals Militärmaschinen über dem Gebäude kreisen ließen, woraufhin die West-Aliierten weitere Sitzungen des Bundestages in Berlin verboten.

Am 21. Mai 1980 stürzte das Außendach der da längst Schwangeren Auster genannten Halle aufgrund von Materialermüdung und Planungsfehlern ein. Ob uns das zeigt, dass nicht alles, was aus den USA kommt, gut ist, mag dahingestellt sein, auch wenn sich diese Frage gerade im Moment wieder enorm aufdrängt. Im Berlin üblichen Tempo dauerten Umbau und Sanierung der Kongresshalle von 1984 bis 1987 womit sie zumindest zur 750 Jahrfeier Berlins rechtzeitig fertig wurde und wir wieder bemerken, wie jung unser großes Dorf an der Spree doch im Vergleich ist.

Das Gebäude war laut seinem Architekten Hugh Stubbins von Anfang an als Propagandabau geplant und sollte für Redefreiheit und westliche Modernität werben. Als modern galt damals nur die abstrakte, nicht gegenständliche Kunst, wie die atonale Musik und die neue Architektur, von der uns vieles heute eher zweifelhaft erscheint, ohne über die Schwangere Auster hier nörgeln zu wollen, die zumindest mutiger war als der Wiederaufbau des Schlosses.

Ab 1989 sollte es zu einem Forum für alle außereuropäischen Kulturen werden, eine Art Goethe-Institut mit umgekehrten Vorzeichen. Hier arbeitete es lange die koloniale Vergangenheit auf und gab den Regionen einen Ort und eine Stimme in Berlin, was nicht alle begeisterte und auch ein wenig bemüht immer wirkte. Nach dem Motto: wir meinen es gut mit den Kolonien, die wir nicht mehr haben. Mit dem Wechsel der Intendanz zu Bernd Scherer, wurde es zu einem Thinktank der Zeitgenossenschaft umgebaut und damit zu einer der ambitioniertesten Kulturinstitutionen Deutschlands. Damit bewegen sie sich auf höchstem akademischen Niveau, ohne sich den akademischen Konventionen beugen zu müssen, die alles Denken verlangsamt. Es wird Kunst gezeigt, hat aber mit einem Museum nichts zu tun und kombiniert das eine mit dem anderen. So bleibt es ein wunderbarer Ort der Moderne am Rande des Tiergartens.

Wunderbare Blicke auf das Waschmaschine genannte Kanzleramt und die Abgeordnetenhäuser entschädigen für den Blick auf den durch den geschmacklich sehr zweifelhaften Mehdorn verunstalteten Berliner Hauptbahnhof. Diesen eigentlich so filigran schönen Bau auf den dieser kulturell wohl eher schlicht denkende Macher und Schröder-Freund, was ihn ja mit Putin verbindet, primitiv plumpe Bürobauten setzte, die einen zentralen Bau Berlins bis heute verunstalten. Air Berlin und den Flughafen hat dieser großartige Manager ja auch schon weit vorangebracht und auch bei Heidelberger Druckmaschinen wurde bis heute mehr mit Naserümpfen über ihn gesprochen.

Das Kanzleramt heißt eigentlich Bundeskanzleramt und also auch momentan nicht Bundeskanzlerinnenamt und ist eine große Bundesbehörde in Berlin zwischen Spree, Reichstag und benachbart zur Schwangeren Auster. Es wurde von den Architekten Axel Schultes und Charlotte Frank entworfen , die den Auftrag noch von Helmut Kohl bekamen, der aber nie in das sehr groß dimensionierte Gebäude einzog, über das anfangs viel gelästert wurde, was aber, wer es vom Wasser je sah, schätzen lernt in seiner Eleganz. Dies obwohl es derzeit das größte Regierungshauptquartier der Welt ist, das Weiße Haus an Größe achtmal übertrifft mit seiner Nutzfläche von über 25.000m². Neben dem Hauptgebäude gibt es in den Seitenflügeln noch 300 Büros á 16m² und 16 Wintergärten. Der Sichtbeton erwies sich als empfindlich und so musste das 2001 an den damaligen Kanzler Schröder übergebene Gebäude bereits saniert werden. Über die Spree führt noch eine Brücke für Fußgänger und Fahrzeuge zum Kanzlerpark und dem dortigen Hubschrauberlandeplatz.

Das Gebäude im Blick und in der Erinnerung flanierte ich weiter weiter an der Spree entlang. Am Reichstag vorbei bis wieder zur Marschallbrücke, ging es nach der Luisenstraße wieder an der Böse Buben Bar vorbei, die nun schon voller besetzt war und zurück nun statt der Linie durch die Auguststraße, bis diese auf die Kleine Auguststraße trifft und ich gen Norden zum Koppenplatz abbog, um wie immer über Ackerstraße und Hussitenstraße am Gesundbrunnen vorbei zurück gen Prenzlauer Berg auf einer Runde von etwa 27 km.

jens tuengerthal 30.10.2017

Lustträume

So träumen wir uns nun
Noch schmerzvoll fern
Voneinander und doch
Näher gefühlt als je real
Was wir alles tun wollen

Miteinander auf dem Weg
Zum endlich ineinander
Wie und wo wir es tun
Wollen noch vielmehr
Voneinander als schon da

Orte und Stellungen sind
Uns Vorspiel in Gedanken
Erregend schon im Traum
Leben wir ihn dann einfach
Wenn wir uns verschlingen

An jedem Ort auf jede Art
Haben wir ein Leben Zeit
Den kleinen Tod einander
Immer neu zu schenken uns
Im schöpfen zu erschöpfen

Feucht schon beim Gedanken
Werden wir uns überschwemmen
Mit dem Überfluss größter Lust
Um innig eins zu sein dabei
Soll dein Leben mir Atem sein

Sich erfüllen und erschöpfen
Ist als Traum schon groß genug
Ein Leben voller Glück zu tragen
Doch viel mehr noch schenkt uns
Das Gefühl dies alles sei für immer

jens tuengerthal 31.10.2017

Montag, 30. Oktober 2017

Gliedleid

Was ist mit dem männlichen Glied los und wohin weist es?

Der Stolz des Mannes ist zugleich immer wieder der Grund seiner größten Scham - wir verbergen heute meist dezent, was uns zu Männern macht und wollen lieber unseres Geistes als unserer Penis wegen begehrt werden. Zumindest sollte Frau sich tunlichst hüten, den ihres aktuellen Bettpartners nicht für den schönsten und größten zu halten, zumindest jedenfalls, ihm das mitzuteilen, weil es auch die real vielleicht spärlicheren Bestände auf ein Minimum zusammenschrumpfen ließe.

Hatte zwei Liebhaberinnen, die mir von den größeren Schwänzen meiner Vorgänger erzählten, was ich zwar nicht glauben konnte, weiß ich doch um das reale Ausmaß meines James im Verhältnis zum europäischen Durchschnitt, dachte ich zumindest immer, mir aber den Sex mit diesen Damen so sehr vergällte, dass sie im Ergebnis wieder recht gehabt haben können. Überhaupt ist mein Schwanz nicht immer gleich groß und unterscheidet sich seine Standfestigkeit je nach Leidenschaft, die mit dem Gegenüber geteilt wird.

Es gab auch schon die peinlichen Fälle, bei denen er ohne übermäßigen Konsum legaler Drogen nicht stehen wollte - das Alkohol und Nikotin impotent machen, ist ja weithin bekannt. Beschämt bemühte ich mich dann noch, ihn irgendwie von Hand aufzurichten, statt dem Instinkt zu vertrauen. Wenn er nicht will, dann will er nicht und alles rubbeln ist verlorene Liebesmüh im wahrsten Sinne des Wortes. Manchmal klappte es dann am nächsten Morgen, wie ich überhaupt schon immer morgens eine höhere Standfestigkeit hatte als in der späten Nacht, wobei Ausnahmen die Regel nicht aufheben sondern bestätigen.

Die reale Größe des Schwanzes hängt von vielen Faktoren ab. Alkohol, Nikotin und Kälte lassen eher schrumpfen. Die innere Lust im Zusammenspiel mit der inneren Uhr tut ein übriges, ihn stehen oder sinken zu lassen. Es liegt nicht an der Schönheit des Gegenübers, sondern an der inneren Bindung und der Geilheit aufeinander und miteinander.

Viele Männer benutzen Frauen als befeuchtete Onaniermaschinen, in die sie abspritzen, ohne sich weiter um die Befriedigung der Partnerin zu kümmern. Finde diese Form des Sex entbehrlich und mache es mir dann lieber selbst, weil es ohnehin auf das gleiche hinausläuft - nachdem ich die ersten 40 Jahre meines Lebens dachte, es sei der Normalfall, zusammen zu kommen und das Gegenteil die seltene Ausnahme, weiß ich heute, es verhält sich genau umgekehrt.

Dieser Einschub gehört insofern zum Thema, weil mich die Erfahrung gelehrt hat, dass mich Frauen, bei denen ich nicht spüre, wie sie kommen, die also eigentlich nichts dabei empfinden, impotent machen und meinen Schwanz schrumpfen lassen, während er im umgekehrten Fall immer wieder gern über sich hinaus wächst. Das ist nicht die Schuld der Frauen oder meine Schuld, es ist bloß meiner Natur geschuldet, die Sex nur gemeinsam wirklich gut findet und das übrige Gerubbel für entbehrlich hält.

Fraglich bleibt, was den Schwanz wachsen lässt und ob dazu der schlichte Reiz beim Blick auf primäre Geschlechtsmerkmale genügt oder diese notwendig immer in einem geistigen Kontext stehen müssen.

Würde mich nicht der bloße Anblick meiner zugegeben wunderschönen Frau schon scharf machen, hielte ich das für eher ungesund. Andererseits würde sie vermutlich eher säuerlich reagieren, wenn ich sie auf diese reizvollen primären Merkmale reduzierte. Sie möchte als ganze Frau und ganzes Wesen geliebt werden, sagt von sich, sie sei ohnehin eher sapiosexuell -  was für ein Glück für mich, dass sie dabei noch so einen perfekten Körper hat und meine Unzulänglichkeiten im Schatten der geistigen Liebe völlig übersieht.

Doch genügt mir ein Foto nur ihrer Brüste oder ihres Schoßes, mich auch in der Ferne schon heiß zu machen - brauche dazu weder in ihre Augen zu schauen, noch ihre Stimme zu hören. Sie sagt gleiches beim Anblick meines James, was vermutlich auch noch ziemlich normal ist.

So wirken also die primären Merkmale auch ganz singulär betrachtet - fraglich nur, ob sie das dürfen oder da nicht genau das Problem zumindest des männlichen Gliedes liegt.

Montaigne schrieb großartig schon vor über 400 Jahren zu dieser Frage in seinem Essay über das männliche Glied, das sich mit genau dieser Frage beschäftigt. Warum steht es so oft, wenn es nicht soll, fühlt sich also auch mal unziehmlich erregt, versagt aber den Dienst, wenn wir am meisten auf ihn bauen am ehesten und bereitet der mit Stolz geschwellter Brust der Verehrten gegenüber noch gepriesenen Männlichkeit manch peinliche Niederlage oder führt zu ewigen überflüssigen Diskussionen, weil Frau dies bloß zeitweise organische Versagen, auf sich bezieht.

Warum steht es, wenn es nicht soll und quält uns gern, wo es gerade überhaupt nicht passt, macht dann schlapp, wenn wir seiner am dringendsten bedürfen?

Ist das wie mit dem Sex in vielen langen Beziehungen, der eintönig wird, weil die Abwechslung so sehr wie die Phantasie fehlen?

Weiß es nicht so genau und denke das männliche Glied, meines zumindest, reagiert auf so viele unterschiedliche Dinge und wird von diesen beeinflusst, dass es einfacher wäre, das menschliche Genom zu entschlüsseln als alles, was auf diesen enormen Schwellkörper wirkt.

Enorm ist wirklich, wie sich Größe und Form zwischen erschlafften und erigierten Glied verändern. Sicher schwillt auch bei der Frau die Klitoris im erregten Zustand ein wenig - genau wie die Schamlippen und bei manchen stellen sich auch die Brüste noch wunderbar auf, was die Lust ebenfalls stehend sichtbar macht, doch verglichen mit dem männlichen Glied sind die Unterschiede der Erregung minimal und nur dem Kenner sichtbar, warum vermutlich auch so viele Kerle nie  mitbekommen, ob ihre Frau nun kam oder nicht. Hier kann nichts vorgespielt werden und das macht diese enorme Naturleistung so großartig.

Früher hieß es immer, ein erregtes Glied raube dem Hirn Sauerstoff oder Blut und mache die Männer darum leicht blöde und zielgerichtet. Glaube nicht, dass sich diese Behauptung noch wissenschaftlich bestätigen ließe, es ist mir aber auch egal - viel wichtiger finde ich die Frage, ob wir Männer mit geschwollenem Glied tatsächlich noch klar denken können oder nie.

Frau erwartet von uns einerseits, dass wir ganz im Moment der Lust sind und unsere körperliche Höchstleistung für sie erbringen, dabei am besten noch auf ihre Lust achten und andererseits immer ein feinfühliges denkendes Wesen bleiben, dass nur wie ein Tier reagiert, wenn und solange dies gewünscht ist, ansonsten aber jede Stimmungsschwankung registriert und feinfühlig registriert. Eine Gratwanderung, die mir in meinem Leben manches mal schwer fiel, ohne weiter darauf eingehen zu wollen, woran es dabei mehr mangelte

Triebhaft sein und also der Natur folgen, um ihr die Herrschaft über das Glied zu geben, auf dass dieses aufrecht stehe und zugleich feinfühlig und sensibel, um Frau und ihre Bedürfnisse zu erspüren, den richtigen Moment zu erfühlen, ist nicht nur theoretisch eine solche Gratwanderung, dass ich froh bin, mich nicht mehr mit diesem Thema beschäftigen zu müssen, weil meine Frau eigentlich immer Lust hat, andere mich schon darum nicht mehr interessieren, weil ich ohnehin nie etwas vergleichbares oder besseres noch erwarten könnte.. Zum Glück haben wir die Sprache um die Missverständnisse dabei zumindest theoretisch klären zu können. Praktisch funktioniert das mit der Verständigung von Mann und Frau zwar selten so reibungslos aber auch das ist ein zu weites Feld, es hier zu betreten, wo es doch nur um das männliche Glied geht.

Dieses steht also im täglichen Kampf vor dem schwierigen Spagat, einerseits wild und triebhaft zu sein, zuverlässig  zu stehen wie eine eins und andererseits so feinfühlig wie möglich zu bleiben und nicht unser ganzes Denken zu dominieren, weil wir sonst ohnehin gleich von jeder als Sexisten abgestempelt werden, außer sie ist zufällig auch gerade scharf auf uns und es passt, was ja, wie ich heute weiß, doch eher die seltene Ausnahme ist und ich freue mich, wie ich fast vierzig Jahre lang mit einer Illusion von den Frauen leben konnte, bei der ich dachte, es lohne sich, viele zu haben, jede sei anders und jede Frau könne kommen. Kann sie zwar, aber meist eher nur alleine als beim Sex und die sollen es sich ruhig selbst machen, genau wie die Typen, die nur eine Öffnung zum abspritzen suchen. Beides überflüssig.

Wüsste meine Frau, dass es in der Natur des Mannes und seines Gliedes liegt auf jeden weiblichen Busen und jeden Schoss mit Aufrichtung zu reagieren und es nur durch geistige Disziplin, eisernen Willen und viel Gefühl von seiner Natur ferngehalten wird, müsste ich es vermutlich ewig mit ihr diskutieren und würde sogleich von ihr als Triebtäter abgestempelt, der ich ja nicht zu sein, jeden Tag versuche, der ich aber im richtigen Moment für sie dann wieder ganz sein muss und wehe wenn nicht, weil das sogleich Zweifel an der Aufrichtigkeit meiner Liebe begründete, auch wenn die unendliche Komplexität deutlich eine andere Sprache spricht.

So soll sich das männliche Glied gefälligst aufrichten, wenn es den zumindest in meinem Fall bildschönen Körper seiner Herrin sieht, aber doch bitte nicht nur auf die primären Merkmale sie reduzieren, die diese Aufrichtung wiederum alleine auslösen. Glaube, es gibt keine Lösung für diese Frage als die Konfrontation mit der Realität:

Wenn Frau das männliche Glied stehend genießen will und sich an der Erektion beim Anblick ihrer Nacktheit freuen will, seine Steife länger als nur einen Moment genießen will, kurz gesagt, richtig guten Sex möchte, sollte sie sich an der Natur freuen und keine geistigen Erwartungen dieser gegenüber hegen.

Wenn Mann treu ist, sei es aus Überzeugung oder wie in meinem Fall aus Erfahrung und Vergleich, die lehrten, es gibt nichts besseres, als ich habe, dann ist er das nicht seiner Natur nach, sondern aus einem eher ethisch philosophischen Beschluss heraus. Wäre es anders, hätte Frau nicht mehr viel Freude an der männlichen Standkraft, da diese einfach auf schlichte Reize reagieren muss, um zu funktionieren, wie sie funktioniert.

Wie es mit der Natur der Frau ist, werde ich als Mann nie zu beurteilen wagen, wie käme ich dazu diese Komplexität auch nur annähernd verstehen zu meinen?

Manche benutzen Dildos und wissen die Lust von Innen zu schätzen, was aber die wenigsten wohl sind. Mehr benutzen es als Statussymbol oder außerhalb. Aber zum Glück ist diese für meinen schlichten männlichen Geist viel zu komplexe Frage kein Thema bei der Erörterung zum männlichen Glied.

Was weiß ich schon über das Glied und seine Zustände?

Wenig wohl, es hängt eben immer am Träger und wenn es das nicht mehr tut, reagiert es selten noch in gewünschter Weise, weil die Versorgung durch Herz und Hirn fehlt, ohne zu wissen, was dabei mehr  Bedeutung hat und nach den Hormonen gar nicht gefragt.

jens tuengerthal 30.10.2017

Sonntag, 29. Oktober 2017

Sturmwanderer

Eigentlich wollte ich nur zum Gleisdreieck laufen, um mir den neuen Park anzuschauen. Es wurde länger und aufregender als ich dachte und ohne das ich wusste, wie mir geschah.

Die Wanderung begann wie immer am Helmholtzplatz, führte mich über das Göhrener Ei, Senefelder und Kollwitzstraße zur Schönhauser Allee, die ich Richtung Schwedter überquerte, um nach einem kleinen Einkauf bei Lidl dann doch mit den Waren auf dem Rücken die Choriner gen Mitte hinunter zu marschieren noch etwas unentschieden ob mit oder ohne Schirm. Es wehte ein büschen Wind, wie die Norddeutschen sagen, wenn sich ein Sturm ankündigt - aber der sollte ja nur die Ostsee betreffen und wenn erst morgen kommen, dachte ich und so hatte ich es noch vor einigen Tagen gelesen.

Sich bei Unwetter oder Sturm auf Tage alte Vorhersagen zu verlassen, ist, zugegeben, etwas leichtsinnig, wie mir jeder Seemann bestätigen würde - aber ich wollte ja weder zur See fahren, noch schien mir das Sinken der Temperaturen in der Nacht bedenklich.  Merkte unter dem Schirm, den ich doch irgendwann aufspannte, weil mich der ständige feuchte Film auf der Brille nervte. Irgendwann beim Marsch durch Mitte verabschiedete sich die Liebste dann von mir, weil sie von dem ständigen Wind auf das Mikro meines Headsets Kopfschmerzen bekäme, wie sie meinte und was ich ja verstand, aber leider auch nicht zu ändern wusste, da ich ja nun zum Park am Gleisdreieck meine Nachtwanderung machen wollte und mich von einem büschen Wind davon nicht abhalten lassen konnte.

Über die Auguststraße und ein Stückchen Oranienburger kam ich wieder auf die Friedrichstraße, die ich ganz entlang zu laufen beschlossen hatte, was angesichts der Fallwinde dort nicht immer vergnüglich wurde. Große Straßen mit hohen Häusern an den Seiten sind eben noch windempfindlicher als kleine Gassen mit niedrigeren Häusern. Kam bis zum Ende, staunte unterwegs noch in manches Schaufenster für einen kurzen Blick. - doch mit Schirm bei böigem Wind in der Stadt ist nicht unbedingt immer ein Vergnügen, eher im Gegenteil, auch für die anderen an allen engen Stellen dort.

So freute ich mich, als ich am Ende der Friedrichstraße bald  den Landwehrkanal erreichte und diesem unter der U-Bahn nur noch bis zum Gleisdreieck folgen wollte. Das war nicht ganz so einfach, wie ich es mir vorgestellt hatte. Der Weg unter den Gleisen endet zwischendurch an einer Straße oder führt dich direkt auf die andere eigentlich flasche Seite und so entschloss ich mich nach der dritten Brücke unter der hier oberhalb fahrenden U-Bahn doch lieber an das andere Ufer des Landwehrkanals zu wechseln und am Tempelhofer Ufer bis zum Technik Museum dem Kanal zu folgen.

Ein kleines Stück weiter westlich übrigens heißt diese Straße dann Schöneberger Ufer und dort sollte ich nach meinem länger als geplanten Marsch durch den neuen Park am Gleisdreieck wieder herauskommen. Etwa an der Stelle, wo ungefähr eine Stunde später eine Böe ein Baugerüst von einem Haus riss und einen dort Läufer unter sich begrub, der dann schwerverletzt ins Krankenhaus musste. Glück gehabt also, dachte ich, auch mit den Bäumen dort, die alle während meines Marsches an ihnen vorbei stehen blieben, auch wenn manche bedenklich schwankten.

Das Deutsche Technikmuseum bestaunte ich und lief, statt gehörig auf die Google Karte zu schauen, an ihm vorbei bis zum Schiffahrtsmuseum, wo ich dann irgendwo merkte, in eine Sackgasse gelangt zu sein und wieder zurück lief, inzwischen den Blick zwischendurch auf die Karte im Telefon und doch die schönen Boote dort im Technikmuseum registrierend.

Auf der anderen Seite fand sich schließlich ein Weg, den ich auch besser über die Fußgängerbrücke von der anderen Seite am Halleschen Ufer genommen hätte, aber hinterher ist der Flaneur meist klüger und lässt sich die Situation mit viel mehr Weisheit beurteilen als in Wind und Regen unterm Schirm, wenn du das Telefon nur zur Not für einen Moment zücktest. Kam an Windmühlen und anderen musealen Dingen dort vorbei, bis irgendwann das Museumsgelände endete und der Park anfing. Insofern die hohe wilde Vegetation hier wie dort gleich war, überall vereinzelt Schienen liefen, war die Abgrenzung nicht so ganz deutlich. War ich schon im Park oder noch auf dem Museumsgelände?

Der Park am Gleisdreieck ist eine aus drei Teilen bestehende öffentliche Grünanlage auf dem Gebiet der Bahnbrachen des ehemaligen Potsdamer und Anhalter Bahnhofs mit einer Größe von 31,5 Hektar. Der Park setzt sich zusammen aus der Gleiswildnis, die über den alten Anlagen von selbst und alleine gewachsen ist und großen Grünflächen mit Liegewiesen. Teilweise wird der Park von den sich dort kreuzenden U-Bahnen durchquert, was gerade in der Nacht wunderbare bis skurrile Lichterscheinungen gibt, die ich mit weniger Wind und Regen bestimmt gerne fotografiert hätte.

Sich auf Google Maps zu verlassen ist manchmal eine gute Idee, führt manchmal aber auch nicht weiter und so landete ich beim ersten Versuch die westliche Hälfte des Parks zu erreichen in der Gleiswildnis, die ihren Namen wirklich verdient, voller Fußfallen ist und die ich darum gerade im Dunkeln mit immer noch einem büschen Wind um mich, schnell wieder verlassen wollte.

Nahm dann den Weg gen Süden bis fast zum Flaschenhalspark in Kreuzberg auf dessen Erkundung ich aber angesichts der Dunkelheit und der Witterung doch lieber verzichtete. Dafür ging ich nach dem wie angegeben verlaufenden Weg nach Westen wieder gen Norden an der Legacy Graffity Hall of Fame vorbei, was sich toll denglisch anhört und ähnlich bescheuert war, denn es handelte sich im Ergebnis nur um einige legal besprühte Wände am Bahndamm mit wessen Zeichen darauf auch immer.

Ob die Sprühschmiererei Kunst ist, manchmal gibt es ja auch wirklich erstaunlich schöne Bilder und nicht nur diese idiotisch pubertären Tacs, mit denen Gangs ihr Dasein bekannt geben, möchte ich nicht streiten - es ist eine Form des Ausdrucks, den sich die Großstadt sucht und eine Kunst, die von der Straße kommt und damit näher am Puls der Zeit ist als vieles in den schicken Galerien in Mitte. Natürlich ist es Kunst, verdient Schutz, auch wenn es nervt und aus dem illegalen Untergrund kommt, von Jungens verbreitet wurde, die ihre überschüssigen Hormone so in den Griff bekommen wollten. Der Kick des Illegalen macht die Spüherei zu einer Form des sozialen Aufstandes, über den du dich in der Großstadt aufregen kannst oder nicht, der aber einfach dazu gehört und wenn es der nicht wäre, würde es ein anderer werden.

Schon von daher war diese legale Hall of Fame - schon bei dem ekligen Wort sträuben sich mir die Nackenhaare - eigentlich eine contra dicito dessen, was sie darstellen wollte aber immerhin doch eine nette Idee. Künstlerisch fand das dort Gebotene nicht besonders einfallsreich oder genial, bis auf eine kleine Ausnahme ganz am Rand. Da fanden sich viel schönere Graffitis auf dem Weg durch die Stadt -  es war so ein wenig Kreuzberg halt - wir haben uns alle lieb, auch die Schmuddelkinder gehören dazu und bekommen hier einen Spielplatz und wir loben ihre Kunst, damit sie sich anerkannt und integriert fühlen - alles nett und schön und mit großem sozialpädagogischen Impetus vermutlich - aber der Name ist ein Witz und besser diese kleine Wand hieße Kreuzberger sozialpädagogisches Integrationsprojekt für Sprayer ohne künstlerischen Anspruch.

Ging lächelnd weiter und dachte, sie haben sich zumindest bemüht, etwas nettes daraus zu machen, was ja eigentlich nicht schlecht oder böse ist, sondern richtig nett, auch wenn manche sagen, nett sagte keiner mehr, weil es die kleine Schwester von Scheiße sei, hier passt es irgendwie und so hat der Park am Gleisdreieck auch seine nette Ecke. Ging durch die Gleise getrennt an der Schöneberger Wiese vorbei, unterquerte die auf hohen Eisenkonstruktionen hier verlaufenden Gleise auf Höhe der Station Gleisdreieck und ging durch den Park wieder gen Landwehrkanal. Um die Hochtrassen der U-Bahnlinien, die sich hier kreuzen wurden inzwischen Parkhäuser gebaut, die noch völlig offen bisher die Bahnen zwischen den Etagen sichtbar entlang fahren lassen. Dann kreuzen sich die Bahnen oben und unten wie kreuz und quer und du bist obwohl im Park noch stehend, den zufällig wilden Elementen dort mit Wind und Sturm ausgesetzt, zugleich mitten im Gewirr der Großstadt. Ein vielfältig faszinierender Ort.

Den Landwehrkanal überquerte ich am Ende des Parks auf der Köthener Straße Richtung Norden, ging unter der U-Bahn Station Mendelsohn-Bartholdy Park durch, ignorierte den kleinen dazugehörigen Park davor aber völlig sondern lief durch den eher langweiligen Tilla Durieux Park, eine Grünanlage auf dem Weg zum Potsdamer Platz, in der mehr der Blick auf die Neubauten nebenan als das öde Grün selbst auffällt. Beim nächtlichen Besuch in Parks ist es übrigens häufig so, dass eher die leuchtende Umgebung als das nahe Grün, was Nachts ja wie alle Katzen grau eher wirkt, auffällt.

Am Potsdamer Platz ging ich über den benachbarten Leipziger Platz um von dort aus durch die, wie ich ja schon wusste, nächtlich geöffnete Mall of Berlin zu laufen. Was tat es gut mal einige Meter ohne beständigen Wind, der am Schirm zerrte und den dauernden Nieselregen zu sein. Fotografierte schöne Wäsche für die Prinzessin, ansonsten finde ich Berlins größten Konsumtempel, der gänzlich ohne einen Buchladen auskommt, nicht mal von den sonst so grauenvollen Ketten, eher entbehrlich und langweilig. Doch gab es ein bequemes Ledersofa, auf dem ich Platz nahm, der Liebsten einige Bilder zu schicken und mich zu erholen für den nächsten und letzten Teil der Wanderung.

Über den Ziethenplatz; Mauerstraße, Taubenstraße ging es zur Jägerstraße und von dieser über den Gendarmenmarkt. Wie üblich von dort in nordöstlicher Richtung am Hotel de Rome vorbei, zwischen Staatsoper und Kommödchen über das Forum Fridericianum, das sich heute Bebelplatz nennt, an der Humboldt die Straße überquert, gen Nordosten an Schinkels Neuer Wache vorbei und anschließend gegenüber der Museumsinsel bei der Kanzlerin vorbei, bei der vor der Tür diesmal auch die Polizisten im Auto saßen, so bescheiden war die Witterung und einen Film auf dem Bildschirm ihres GPs des kleinen Polizei Opels schauten - sah es und dachte mir, wie gut, dass sich die Zeiten ein wenig geändert haben, erstaunlich, was heute schon normal ist.

Am Bode Museum, in dem gerade die neue großartige Ausstellung über afrikanische Kunst im Vergleich mit im Sturm flatternden Plakaten die Besucher lockt, über die Brücke, die zum Monbijou Park führt, der an das im Krieg verlorene Schloss erinnert, das dort stand und in dem unter anderem auch die Mutter Friedrichs des Großen noch lange lebte. Der Straße folgte ich bis zur Oranienburger, wo sie auch endet, kurz vor der prächtig in die Nacht glänzenden Kuppel der Neuen Synagoge und die ich aber nur überquerte ohne der Synagoge, in der noch das Centrum Judaicum untergebracht ist, mehr als einen Blick unter dem Schirm hervor zu schenken, da es noch vor Mitternacht war und ich noch möglichst viele Kilometer laufen wollte.

Von der an den Bürgermeister der 1848er Jahre erinnernden Krausnickstraße, bog ich nach links, was ungefähr nördlich sein dürfte, in die Kleine Auguststraße ein, folgte ihr bis zum Koppenplatz und war von da aus wieder auf meiner üblichen Runde die Ackerstraße gen Wedding hinunter. Vorher ging es noch an diversen Clubs vorbei und als ich schließlich die Invalidenstraße überquerte, versicherte mir die Liebste, die inzwischen, kurz nach der Mall of Berlin, dem Kaufhaus mit dem peinlichen Namen, erreichten wir uns, wieder in meinem Ohr saß, es sei nun Mitternacht. Dann kam es nicht mehr auf die Zeit an und ich konnte in Ruhe flanieren und dabei rauchen, so es mir dem Wind zum Trotz gelang überhaupt eine anzustecken oder an meiner E-Pfeife zu ziehen, die ich aber lieber heute schonen wollte unterwegs.

Überquerte den Streifen im Gehweg der Ackerstraße, der den Verlauf der Mauer markiertem wandte mich dann ein wenig gen Norden die Bernauer hinauf bis zur Hussitenstraße, an der ich nun am Humboldthain vorbei laufen wollte. Es wurde ein Kampf mit dem Schirm und den Fallwinden zwischen den dort Hochhäusern, wie ich ihn so schlimm nicht erwartet hätte und er kostete nach inzwischen 20 gelaufenen Kilometern letzte Kraft. Weiß nicht genau, wie ich es schaffte, irgendwann bog ich nach der S-Bahn und nach dem Humboldthain, aus dem mir zum Glück kein Baum ohne Ankündigung auf den Kopf fiel, gen Norden in die Hochstraße ein, lief bis zum Gesundbrunnencenter, an dem ich die Badstraße, wie die vorher Brunnenstraße hier heißt, überquerte und der dann Behmstaße an wenig prächtiger Umgebung des Gesundbrunnen vorbei gen Prenzlauer Berg folgte, bis ich wieder zwischen meinen schönen heimischen Altbauten ankam reichlich gebeutelt und ziemlich geschafft von dem büschen Wind. Las nun erst in den Nachrichten, die Unwetterwarnung des DWD und sah, was hinter mir alles noch durch die Gegend flog.

jens tuengerthal 29.10.2017

Liebessturm II

Kaum hast du den Hurrikan
Heil überstanden erwischt der
Nächste Orkan mich in Berlin
Als harmlosen Nachtwanderer

Ihr wurde zum Glück gewarnt
Alle sollten bitte im Haus bleiben
Damit keiner von Ästen noch
Erschlagen würde im Sturm

Erfuhr von der Sturmwarnung erst
Als ich heil wieder Zuhause war
Zweifelte schon an meiner Kraft
Weil das Gehen mich so anstrengte

Dann las ich die Orkanwarnung
Wie auch die des Senats an alle
Berliner möglichst drin zu bleiben
Weil was käme gefährlich wäre

Die vom letzten Sturm bereits
Erschütterten Bäume wären nun
Eine große Gefahr wie der Wind
Selbst in Böen ein Risiko sei

Schon in der Nacht sollten wir
Möglichst nicht durch Parks laufen
Zur Sicherheit nicht raus gehen
Die Feuerwehr ist schon alarmiert

Kein Wunder also wie anstrengend
Das Flanieren zum Gleisdreieck wie
Am Humboldthain vorbei mir wurde
War halt ein bisschen windig heute

Wie schön aber war es dann wieder
Den Schatz immer im Ohr zu haben
Die mir voll zärtlicher Liebe beistand
Obwohl ich gar nicht wusste was war

So rütteln die Stürme von außen im
Herbst fern voneinander an beiden
Wie gut ist es da sich sicher zu sein
In der Liebe wie im Glück beieinander

Ein halbes Jahr nun schon glücklich
Manche Stürme wohl überstanden
Doch nie im Kern davon erschüttert
Ist auch das Wetter manchmal launig

jens tuengerthal 28.10.2017

Samstag, 28. Oktober 2017

Belästigunsgstraum

Was ist die richtige Antwort auf die Skandalisierung der sexuellen Belästigung?

Belästigung ist gerade der Hit, wehe du bist nie belästigt worden, dann sinkt deine Bedeutung auf der Promi-Skala gleich um einen unerträglichen Faktor, scheint es angesichts der Inflation der Anklagen und Bekenntnisse. Vermutlich gibt es bald die passende Show dazu - Deutschland sucht das Super-Opfer.

Die öffentliche Geißelung und Selbstgeißelung nimmt in einem Maß zu, wie ich es nie von vernünftigen Menschen erwartet hätte. Es bekennen sich Menschen, die wie Bush Senior eher mühsam nur noch über Sexualität nachdenken, geschweige denn sie aktiv praktizieren, zu Taten, weil es gerade zum guten Ton gehört.

Alle empören sich ein wenig, Männer sind ja so böse und schlecht, meinen vielleicht noch dem präsidialen Frauenverachter Trump so eins auszuwischen und erreichen tatsächlich immer nur das Gegenteil. Sie stärken eine bigotte Moral, die Lust verurteilt, Männer als Täter darstellt, Sexualität kriminalisiert und am Ende haben wir nichts erreicht als mehr Hysterie  und Impotenz von Männern, die sich vor Anklagen mehr fürchten, als sie noch Lust haben und reihenweise frustrierte Frauen, die sich nichts mehr wünschen, als dass ein Kerl endlich mal wieder nicht nur vorsichtig ist, sondern sie begehrt und sie es spüren.

Werden sie das mit diesem Skandal erreichen oder eher nicht?

Begehren ist etwas schönes. Dies gegenseitig zu tun, macht es zum lustvollen Akt, der im Streben nach Befriedigung gipfelt. Weniger schön ist es, wenn nur eine Seite begehrt und die andere es eher lästig findet.

Die Reduktion auf Äußerlichkeiten und Sexualität erfolgt bei der Partnersuche anfänglich immer. Wo das nicht so ist, läuft in der Natur der Beteiligten etwas schief. Das dies nicht alles ist und es auf viel mehr ankommt, versteht sich von alleine - wer will schon den ganzen Tag nur ficken oder über das Ficken reden. Wird relativ schnell ziemlich langweilig.

Will nun nicht fragen, inwieweit sich viele Frauen nur belästigt fühlen, weil sie dazugehören wollen, es en Vogue ist, darüber zu reden, betroffen zu sein. Diejenigen, die so etwas erleiden mussten und dadurch traumatisiert wurden, den Spaß am Flirten oder noch schlimmer am Sex selbst verloren haben, tun mir wirklich leid und die Kerle, die so etwas verursachen gehören dringend bestraft. Mit aller Härte, weil sie eine Schande für das männliche Geschlecht sind, keine Frage - wer vergewaltigt oder brutal belästigt ist für mich ein Verbrecher, der die schönste Sache der Welt kaputt macht.

Weil sich die SPD dabei wieder in der ersten Reihe der empörten Frauenversteher lautstark zeigt - fragte mich schon manches mal, ob der SPD Frauenverband noch eine andere Aufgabe hat, sehen wir davon ab, dass sie stets Eierwärmer für den jeweiligen Träger von Eberts Taschenuhr stricken - fällt mir ein, was meine Mutter noch vom sexistischen Benehmen des Halbgottes Willy Brandt im Bremer Parkhotel erzählte, wofür er heute vermutlich zum Weinstein würde. Aber die Guten sind ja gut und die Bösen sind böse und die Welt ist eben schwarz-weiß.

Was für ein Idiot muss derjenige sein, der das eigentliche Ziel - die Befriedigung seiner Lust - für sich mit solcher Gewalt versperrt und noch dazu sich und anderen den Weg dahin dauerhaft verbaut?

Das Streben danach, die eigene Lust zu befriedigen und dies in der schönsten Form möglichst gemeinsam zu tun, finde ich erstmal gut und ehrenwert. Das zu betonen scheint mir in der ganzen Hysterie doch sehr wichtig.

Sex ist schön, Sex ist gesund und nach Sex zu streben, ist normal und gut so. Menschen nur auf Sex zu reduzieren, griffe aber ähnlich zu kurz, wie Menschen nur im Lichte ihres zufälligen Aberglaubens zu betrachten und diesen am besten noch rassisch zu definieren, wie es die Pegiden und ihr Umfeld seit längerem tun, Hitler es vorher mit den Juden tat und Alice Schwarzer es umgekehrt schon länger mit den Männern versucht, die Täter sein, nur an Sex dächten und sich der Frauen als Ware bedienten.

Betrachte ich Frauen und lausche in den Cafés oder Bars ihren Gesprächen, geht es viel häufiger um Sex und das Streben danach. Manchmal habe ich das Gefühl das Leben der geschlechtsreifen weiblichen Großstadtbewohner, drehe sich eigentlich nur noch um dieses Thema. Männer reden auch davon, aber eher selten und mit weniger tropfender Bedürftigkeit und wägen Frauen auch seltener so ab, wie Frauen es mit Männern tun.

Vom Objekt ihrer Wahl, wünschen sich die Frauen dann Initiative und klagen eher darüber, dass die Kerle den Arsch nicht mehr und auch sonst eher keinen hochkriegen, langweilig wären, sie sich mal wieder einen richtigen Kerl wünschten. Aber wehe, ein solcher macht sie dann an, wenn er gerade nicht das Objekt ihrer Begierde ist. Dann wird sich aufgeregt und gelästert, der Typ ein Chauvi genannt, das ganze große Theater veranstaltet.

Habe trotz langjähriger Beobachtung und früher auch Teilnahme an diesem ewigen Spiel von Männern und Frauen nicht beobachtet, dass die gewünschten ganzen Kerle sonderlich erfolgreich bei den Damen waren, im Gegenteil - sie wurden dann erstmal auf Handtaschenformat geschrumpft, damit sie nicht stören und weggestellt werden können, wenn die Damen ihrer gerade nicht bedürfen.

Wer als Mann auch nur etwas Erfahrung mit Frauen gesammelt hat, weiß genau, ergreife immer erst die Initiative, wenn Frau dich ausgewählt hat und will. Alle anderen vergiss und mach dir keine Gedanken dazu. Wenn du deine Ruhe haben willst, beobachte die Frauen mit gierigem Blick, dann bist du für sie völlig uninteressant. Dagegen setzen sie sich fast auf deinen Schoß oder tun das tatsächlich, wenn du ihnen gegenüber Desinteresse zeigst. Es ist das alte Spiel von Angebot und Nachfrage und es wird sich nie ändern.

Wolle nichts und die Dinge geschehen von alleine - warum jede sexuelle Anzüglichkeit, Belästigung oder was auch immer, eigentlich logisch das genaue Gegenteil von Interesse bekundet - wer garantiert nicht erfolgreich bei Frauen sein will, starrt sie an, belästigt sie oder bekundet sein großes Interesse durch primitive Gesten.

Sicher sind Männer von Natur aus dumm und durchschauen die ewig gleiche Taktik der Frauen niemals, darum haben wir gerade eine Invasion der sexuellen Belästigung von Typen, denen der Geifer aus dem Mund tropft und die unbedingt mit den so belästigten Frauen ficken wollen.

Wer das glaubt, denkt vermutlich auch Frauen sind immer gut und Männer von Natur aus böse und strebten nur nach der Befriedigung ihrer Triebe.

Die Erfahrung allerdings lehrt das genaue Gegenteil. Es sind meist die Frauen, die wollen, die ihre Männer betrügen, weil sie in der langweiligen Beziehung sexuell frustriert sind, die ihr Ego darüber definieren von einem oder vielen Männern sexuell begehrt zu werden und alles dafür tun, dieses Ziel jedem sichtbar zu machen.

Es mag schlimme Fälle sexueller Belästigung in einem Machtgefälle geben. Diese Fälle waren schon früher strafrechtlich relevant und werden es bleiben. Da kann Anklage erhoben werden und wird ein Verfahren eingeleitet und gut ist. Die gibt es übrigens in Richtung beider Geschlechter, nur dass Männer seltener darüber reden oder ihre Erfahrungen unter #MeTooo unbedingt publizieren müssen. Eher im Gegenteil, aber das ist eine andere Geschichte. Darüber müssen wir keinesfalls debattieren.

Die Erfahrung lehrt Mann jedoch, dass sich der Sex in 99,9% der Fälle nicht lohnt, es wenn überhaupt nur ein gemeinsames Onanieren wird, das bequemer allein zu erledigen ist und darum ist der Satz dieser meisten Frauen, ihnen sei Zärtlichkeit viel wichtiger, so wahr - natürlich ist es das, weil sie noch nie in ihrem Leben richtigen Sex hatten und vermutlich auch nie erfahren werden, wie gut beiden Seiten tut, was sie nur als Opfer der Evolution eher unwillig erdulden.

Warum sollte ein nicht völlig hirnamputiertert Mann für so einen Mist, der sich zu selten lohnt, irgendwelchen Aufwand noch betreiben mit dem Risiko dafür von Frau hinterher der Belästigung geziehen zu werden.

Männer, seid endlich vernünftig, spielt das blöde Spiel nicht mehr mit. Ihr habt es nicht nötig. Es gibt genug Frauen, die unbedingt wollen aber nur, wenn ihr gerade nicht wollt. Es ist das ewige Spiel, jeder kennt die Regeln und was passiert, wenn ihr mit Gewalt oder Macht etwas erreichen wollt, weiß auch jeder inzwischen - lohnt sich das?

Wer, wie ich, das Glück hat, gemeinsam die völlige Erfüllung zu finden, wird sich nie wieder um andere bemühen - wozu auch, habe ja alles mit einer, alles mehr wäre nur Stress und lohnte nicht, weil es den Wert des einen minderte.

Lasst die ganzen anderen Frauen in Ruhe, es lohnt sich viel zu selten und dann auch nur, wenn sie will - alles andere ist nur viel Lärm um nichts. Sie werden schon kommen, wenn sich keiner mehr um sie kümmert oder sexuell für sie interessiert. Seid da gelassen und lasst diese neue Skandalisierung unseres Geschlechts mit einem Lächeln vorübersegeln - seid nicht bedürftig und wenn macht es euch eben selbst und lasst sie antanzen, wenn sie was wollen, was mir die einzig angemessene Reaktion nun scheint.

Dies wird zwar vermutlich wieder die Geburtenrate senken, wenn Männern plötzlich klar wird, wie uninteressant der meiste Sex ist, wie selten es sich lohnt aber führt dafür zu einer besseren und friedlicheren Welt - wir sind ohnehin genug, wenn nicht zuviele, ein wenig Zurückhaltung schadet da nicht, es sei denn ihr gehört wie ich zu dem 1%, die das große Los zogen, dann genießt es ausgiebig und würdigt es als solches. Davon haben alle Seiten am meisten, nur die immer Empörten werden bald enttäuscht sein, weil sich keiner mehr um sie kümmert.

Was schön ist, kann nie mit Gewalt erreicht werden - es lohnt nicht einmal, darüber nachzudenken, weil Desinteresse die Chancen der Erfüllung erhöhen und auch da lohnt es sich in den seltensten Fällen überhaupt und wenn du Glück hast und alles gut ist, genießt du es ohnehin still und redest besser nicht viel darüber, um nicht Neid und Missgunst der anderen zu wecken. Alles andere ist mal wieder viel Lärm um nichts  und Wichtigtuerei einiger Medienmenschen. Vergessen wir es, widmen wir uns lieber wichtigen Dingen und würdigen diejenigen mehr, mit denen wir genießen können, alles andere ist vertane Zeit.

jens tuengerthal 28.10.2017

Küchensex

Sitze nun in inzwischen unserer
Küche und sehne mich nach dir
Denke daran wie alles anfing
Vor einem halben Jahr im April

Das erste mal haben wir es
Noch in der Küche gemacht
Am Bahnhof holte ich dich ab
Bis zu mir noch kaum ein Kuss

Du warst plötzlich schüchtern
Durfte keinen Arm um dich legen
Oder von meiner Lust reden
Wolltest ganz züchtig sein

Dabei hatten wir doch längst
Virtuell alles schon erlebt
Waren miteinander gekommen
Hatten uns ins Ohr gestöhnt

Dachte nur na gut sie ist halt jung
Lass ihr Zeit das wird schon werden
Hoffte ich wenn auch etwas bange
Ob vielleicht gar nichts passierte

Als sich aber die Tür hinter uns
Schloss fielst du mir um den Hals
Du wolltest bestimmen wie es sei
Und ließt die Spannung steigen

Dann wolltest du erstmal in Ruhe
Was trinken und auch ankommen
Wir gingen in die Küche dazu
Die nun unsere gemeinsame ist

Ließ dich dabei völlig in Ruhe
Bis wir uns vor dem Herd noch
Voller Leidenschaft küssten
Du nicht mehr schüchtern warst

Hatte es gar nicht mehr erwartet
Diesen Ausbruch an Leidenschaft
Als wärst du plötzlich zwei Wesen
Die drinnen und die draußen

Meine Hände wanderten bald
Auch über deinen zarten Körper
Alles durfte ich endlich berühren
Du öffnetest meine Hose schnell

Bald knietest du dich vor mich
Sah meinen Schwanz riesig wohl
Ganz in deinem Mund verschwinden
Du küsstest ihn erfahren gekommt

Setzte dich auf den Herd danach
Deine wunderbar nasse Mitte mit
Küssen und mehr zu verwöhnen
Laut stöhnend hast du genossen

Saßt noch auf dem Herd als ich
Endlich und erstmals in dich drang
Es passte perfekt und schon kamst du
Das erste von den vielen malen

Später trug ich dich dann zum Bett
Halb angezogen nur noch beide
Von der Küchenlust so erhitzt
Wussten wir es war alles gut so

Was in der Küche anfängt ist gut
Dachte ich und doch war es nur
Der Anfang der Himmelreiche
Die ich mit dir erobern sollte

jens tuengerthal 28.10.2017

Freitag, 27. Oktober 2017

Freiheitspreis

Was ist der Preis der Freiheit und wer muss ihn bezahlen?

Die Katalanen haben sich für unabhängig von Spanien erklärt und der Preis dieser Abstimmung, der ein großer Teil der demokratischen Kräfte fern blieb, ist, dass die Republik Spanien nun die dortige Autonomie beschneiden wird und, wollen wir nicht bald wieder einen Bürgerkrieg  in Europa haben, sollte eine Seite ganz schnell einlenken, um den ohnehin nötigen Miteinander eine Chance zu geben.

Separatisten waren mir schon immer suspekt, weil sie ein besseres, größeres Ganzes für eine kleinzellige Autonomie zerstören wollten, für etwas stritten, was keine Zukunft haben sollte, langfristig gedacht.

Spanien gehörte lange zu Habsburg weil der schöne Philipp die später wahnsinnige Johanna heiratete, deren Eltern erst das damalige Reich aus Kastilien und Aragon zusammen heirateten und dann erbte der Sohn Karl, der im Reich der V. und in Spanien der I. wurde, teilte es aber wieder zwischen Sohn und Bruder später, um alles in der Familie zu halten. Dann gab es noch, auch teilweise zu Zeiten Karls V. den später französischen König Henry IV., der vorher einer von Navarra schon war, es nach Frankreich brachte, was er von der Mutter geerbt. So ging der Besitz und das Land hin und her, wie etwa auch Burgund, welches der Großvater von jenem fünften Karl noch erheiratet hatte und dessen nördliche Teile unter Karl zu Österreich gehörten und ab dessen Sohn die spanischen Niederlande wurden, von denen sich die Protestanten wiederum abspalteten, für die sich der vorher genannte Henry in Frankreich viel schlug. Spanien blieb katholisch, setzte den Glauben mit Gewalt durch, bekehrte die Mauren oder vertrieb sie. Franco gab es auch noch viel später als Faschismus, der Populismus für schlichte Gemüter, den die AfD auch wieder bietet nur mit weniger dramatischer Insezenierung, in Europa Mode war. Und der Putsch nach dessen Tod 1981, steht  in der Tradition der spanischen Nation nach 1979 - es gibt viele Gründe auch historisch betrachtet, sich zu hassen - mehr nur es vernünftigerweise zu lassen, um glücklich zu sein, weil Separatismus nie glücklich macht und nur Gewalt sät.

Andererseits hat ein Fidel Castro mit dem Sieg seiner Revolution ein gutes Leben geführt und sich bis zu seinem Tod als großer Führer, nur eben auf spanisch und sozialistisch anbeten lassen. Dass er damit sein Land in eine ökonomische Katastrophe führte, die es nur so lange überlebte, weil die UDSSR im Kalten Krieg gerne für den karibischen Vorposten zahlte, war egal, haben auch andere geschafft, die ökonomisch alles richtig machten, wenn die Bedingungen einfach so waren. Kuba hat Fidel Castro überlebt und er hatte also sein Leben lang etwas von der von ihm angeführten Revolution. Was danach kommt, muss ihn nichts mehr angehen, er ist ja nicht mehr, wie unser aller Sein auf eine sehr kurze Spanne beschränkt ist, in der wir es uns, wären wir klug, immer so schön wie möglich machten und das hat er mit viel Drama um sich und seine Person zwar auch geschafft.

Möchte nun der katalanische Ministerpräsident der irgendwie autonomen Region, die Staat werden will, auch ein solches Drama und einen solchen Kult um sich veraranstalten lassen oder will er zum Che der Katalanen werden, der in spanischen Gefängnissen schmort, weil er zuviel Freiheit wagte, im Untergrund weiter unsinnige Kämpfe führt?

Was wollen diese Katalanen überhaupt?

Keine Spiele von Barca gegen Real Madrid mehr?

Ausschluss aus der EU?

Milliarden für Aufrüstung ausgeben?

Ich weiß es nicht, es ist mir auch relativ egal, weil ich den Preis im Verhältnis zum erreichbaren Ziel auf jeden Fall für zu hoch halte. Unternehmen werden abwandern, Grenzen werden geschlossen und der Weg in die EU wird für die autonome Region sehr schwer, weil keiner der noch existenten Nationalstaaten mit den auf dem Reißbrett gezogenen Grenzen, denen die Natur nur manchmal half, Interesse daran hat solche Bestrebungen zu unterstützen.

Andererseits, wenn sich nun die Nordiren und Schotten von den verrückten alten und armen Engländern mit ihren Komplexen lossagen und in der EU bleiben wollten, würden wir ihnen auch die Tür vor der Nase zuschlagen und können wir eine Region anders als die andere behandeln?

Die Freiheit hat ihren Preis. Die gewachsene Nähe und Verbindung Europas verspielt, wer auf den Nationalstaat setzt, statt sich in das Gebilde wie gewohnt zu integrieren. Wenn die Katalanen nun meinen, sie wollen als Staat wieder Mitglied der EU werden und diese könnte ihnen doch nicht verweigern, was sie den Balten und Slowenen oder den Tschechen und Slowaken auch erlaubte.

Was aber ist genau der Preis, für wen lohnt es sich und offenbart dieser kritische Blick vielleicht eher die Beweggründe der Autonomiebewegungen?

Die Katalanen halten sich für den Zahlmeister Spaniens, wie es Großbritannien und Deutschland von sich für Europa denken, Bayern meint in Deutschland zu sein. Darum fühlen sie sich benachteiligt, fordern mehr Rechte und also mehr von ihrem Geld, mit dem sie nicht länger den faulen Süden finanzieren wollen. Es geht um Geld und Macht, sonst nichts.

Wer so etwas in Deutschland sagte, wäre beim AfD willkommen, ein eher engstirniger nationalistischer Mensch, der Europa nicht verstanden hat. In Katalonien sind das junge Menschen und Studenten, die meinen damit für ihre Freiheit dabei zu kämpfen, so idiotisch es auch klingt, denn de facto bedeutete nationale Autonomie für alle Bürger Kataloniens erstmal ein Ende der europäischen Freiheiten und Spanien wird mit anderen Staaten, die um autonome Regionen fürchten wie Italien oder Großbritannien, solange sie noch dabei sind, alles tun, den Beitritt Kataloniens so lange zu verhindern, bis sie pleite sind und als Büttel Spaniens wieder angekrochen kommen.

Das geht in Brüsseler Mühlen auch ganz ohne erklärten bösen Willen durch schlichte Verzögerung und der rasante Abzug von Unternehmen bereits jetzt deutete den etwas irren Katalanen schon an, was ihnen droht.

Ist das eine nationale Autonomie wert?

Vor allem, was ist überhaupt der Gewinn und für wen?

Das jubelnde Volk wird dafür bitter bezahlen und wenn sie dann jammern sollten, an den nationalen Taumel mit Sprüchen wie Blut und Tränen erinnert werden, sich zusammenreißen und diesen Unsinn weiter mitmachen, den keiner will und braucht, weil es im Ergebnis allen schlechter gehen wird.

Die Spanier werden erst versuchen, ihre Verfassung mit Gewalt durchzusetzen - nach den ersten hundert Toten spätestens, vielleicht genügen auch schon fünf, wird das ein Ende haben, sie lassen die Katalanen und werden sie im Bündnis mit Brüssel am ausgestreckten Arm in ihrem Nationalstaat vor geschlossenen Grenzen verhungern lassen. Dauerhafte Gewalt gegen das eigene Volk ist in der EU nicht durchsetzbar.

Die Führer werden sich Paläste und Reichtümer sichern und sich Denkmäler bauen lassen, von denen auch keiner etwas hat, außer sein anscheinend bescheidenes Ego streicheln zu lassen, was bei mir immer mehr Mitleid als Bewunderung noch auslöst.

Es ist ein lächerlicher Coup, der nur darauf zielt, im Verhandlungswege Zugeständnisse zu bekommen, der nur leider mit der falschen Karte gepokert hat. Von dieser vermeintlichen Freiheit hat keiner was, der Preis ist für alle zu hoch - fraglich ist nur, ob beide Seiten zu den Waffen greifen oder nicht.

Vergessen wir also mal Spanien und Katalonien und diese lächerlichen Autonomiebestrebungen, die hoffentlich nicht zu viele Menschenleben kosten werden, weil es doch nur um eine peinliche Eitelkeit der Anführer geht.

Hat Freiheit immer ihren Preis und was lohnt sich dann überhaupt?

Schaue ich in den Kern meines Lebens, die Liebe und also den Menschen, den ich am nächsten zu mir lasse, könnte ich mich fragen, ob die Aufgabe der Freiheit des Junggesellen mit jeder Frau, sofern sie es auch will, nach Laune ins Bett zu gehen oder zu flirten, der Preis der Liebe ist und ob es das Glück wert ist.

Zunächst, wäre es mir das wert. Da sich mehr als 99% der Fälle weder als sexuelles noch als emotionales Erlebnis lohnen, verpasse ich nichts, wenn ich für den bisher lohnendsten Fall alle anderen aufgeben müsste. Die Wahrscheinlichkeit, auch nur etwas annähernd vergleichbares zu finden, geht gegen null - hatte so etwas noch nie im Leben, rechnete nicht mehr damit und denke, es ist einmalig, von daher vermisse ich nichts, erwarte nichts und fände den Preis absolut fair. Die Masse hat eben noch lange keine Klasse.

Fraglich könnte hier noch sein, ob ich es genießen würde, mit der schon so perfekten Frau in einer offenen Beziehung zu leben, ich also keine Freiheit aufgäbe und zumindest in ihrer Abwesenheit weiter lebte wie zuvor und sich nichts ändern würde.

Meine Liebste hat mir diesen absurden Vorschlag schon mehrfach unterbreitet, falls ich dieses Bedürfnis verspüren würde und ich könnte es für sie genauso sagen, wenn sie noch Erfahrungen sammeln möchte, soll sie es tun, solange sie sich meiner sicher bleibt. Sie weist dieses Ansinnen aber, wie ich auch, als völlig absurd zurück, weil wir uns beide nicht vorstellen können, mit jemand anderem Sex zu haben, weil das, was wir haben, schon das bestmögliche ist und der Gedanke mir absurd vorkäme, mit einer anderen zu teilen, was ich mit ihr habe und es scheint ihr irgendwie ähnlich zu gehen.

Doch ist diese freiwillige Beschränkung auf einen Partner nun eine wirkliche Einschränkung oder nicht?

Nach meinem Gefühl, ist es eine Befreiung, nicht mehr über die ständige Minne nachzudenken, das Thema erledigt zu haben, sich sicher zu sein, die Beste von allen gefunden zu haben für mich und nicht mehr wie viele Freunde ständig auf der Balz mit ihren ewig frustrierenden Riten zu sein, sondern zu genießen, was ist und bleiben zu wollen. Es kann nun für immer alles bleiben, wie es ist, weil es gut so ist und über etwas anderes, will ich nicht nachdenken und so gesehen, empfinde ich die Beschränkung als eigentliche Befreiung.

Eine Befreiung zum Glück ist aber das Gegenteil einer Einschränkung, warum sollte ich mir über dieses Thema noch weitere Gedanken machen wollen, wenn alles gut ist?

Die Liebste meint in zweifelnden Momenten dann gelegentlich, weil alle Männer so seien, was ich zwar nicht ganz ernst nehmen kann aber doch ziemlich ärgerlich finde. Werde ungern in eine Kiste voller Vorurteile gepackt, noch dazu, wenn sie so falsch sind und ich kenne de facto, viel mehr Frauen, die ihre Männer betrogen haben als umgekehrt und auch das Bedürfnis dazu schien mir bei Frauen, aus welchen Gründen auch immer, viel größer als bei Männern. Was jetzt kein Vorurteil ist sondern ein bloß statistisches Mittel. Während ich deutlich mehr Männer kenne, die sagen, wenn alles stimmt, Geist und Sex schön sind, dann will ich darüber nicht mehr nachdenken und es soll gut so sein.

Sind die Zweifel der Frauen, die auch manche dazu antreibt angeblich, eher der Grund für fremden Sex als die Natur des Mannes?

Ich weiß es nicht, muss allerdings zugeben, dass ich viel Verständnis für ganz viele Männer hätte, die sich nach dem frustrierenden Sex mit über 99% der Frauen, die wenig oder nichts empfinden dabei, noch eine Liebhaberin suchen, bei der allerdings selten mehr zu erwarten ist, die nur gerne so tun, weil es ja zu ihrem Spiel gehört. Doch tut der größere Teil nicht mal das bewusst, sondern gibt eher viel Geld im Bordell für nur gut gespielten Sex aus und seit ich mal mit einer Schauspielerin zusammen war, kann ich sagen, der lohnt auch nicht und wird auch nicht besser, wenn sie professionell gut spielt, als wäre es echt - es bleibt ein Spiel ohne echte Erlösung.

Habe es ungespielt gut, teile geistige Welten, liebe vollkommen und bin glücklich - es fehlt mir nichts, ich kann mich zurücklehnen und sagen, ich habe mein Glück gefunden - warum sollte ich dieses riskieren oder daran zweifeln?

Nun könnte die Liebste noch einwenden, du riskierst nichts, wenn du es brauchst, tu es. Wäre dieses nachgeben nach jedem visuellen Reiz, den eine schöne Frau für einen Mann fraglos darstellen kann, insbesondere, wenn sie noch dazu klug ist, ein Lustgewinn?

Nein, ganz entschieden nein, die Lust gewinnt auch gerade dadurch und erhöht sich ins unermessliche, dass sie ein einmaliges Ereignis ist, was ich nicht mit jeder X-Beliebigen wiederholen kann oder will. Mein Schatz ist mir so kostbar, weil es mein Schatz ist und wir uns füreinander aufsparen - die Inflation der Sexualität wie sie in Berlin normaler Alltag in vielen Klubs ist, langweilt mich nur noch, sollen alle machen, ich finde es öde.

Was ich will, will ich für mich und exklusiv und was mein ist, gehört ihr, womit ich den sexuellen Reiz miteinander gerade während einer Phase der räumlichen Trennung noch enorm steigere. Ersetzte ich sie einfach im Bett für die Dauer ihrer Abwesenheit, um hormonellen Ausgleich zu finden, relativierte ich den Wert dessen, was wir haben, höbe das Einmalige und Besondere auf und zerstörte mir damit meinen kostbarsten Schatz - wie bescheuert müsste ich sein, so etwas zu tun?

Sicherlich handeln Menschen nicht immer vernünftig, sondern lassen sich auch häufiger schlicht von ihren Trieben treiben und genießen den Ausbruch dabei - so erzählten es mir zumindest meine zahlreichen verheirateten Liebhaberinnen - bei denen ich mir nach jeder schwor, nie wieder, woran ich mich nun zum Glück konsequent halte.

Aber was ist der Gewinn und ist dieser den Verlust je wert?

Nüchtern betrachtet, verlöre ich den Zauber mit der schönsten Elfe, verspielte vielleicht mein größtes Glück für etwas, von dem ich schon vorher weiß, es lohnt meist nicht, nach meiner Erfahrung in über 99% der Fälle überflüssig, Dann weiß ich jetzt schon, da bisher nichts an sie heranreichte, solche Glückstreffer, wenn nicht doch einmalig, was ich ja glaube, zumindest die ganz große Ausnahme sind und warum sollte ich da nochmal 180 halbgare oder schlechte Versuche für mäßigen Sex unternehmen, der kein gutes Gefühl in mir hinterließe?

So scheint mir der Lustgewinn durch die Exklusivität so groß, dass ich mir gar nichts anderes vorstellen will und brauche. Wozu auch?

Wenn aber die Exklusivität nicht der Preis der Freiheit ist, sondern für mich ein sogar Zugewinn, sollte ich mich fragen, was der Preis der Freiheit war, dass ich mich für sie allein entschied.

Gelegentlich weibliche Launen zu ertragen, ist geschenkt, Musst du auch sonst, so oder so, dem kann kein Mann ausweichen, die im übrigen zu gleichen Launen neigen, wenn sie ihre Tag haben oder sonst gestresst sind. Lohnt keinen weiteren Gedanken, gehört dazu und nehme ich eben billigend oder manchmal nörgelnd in Kauf, da ich weiß, wie wenig perfekt ich selbst bin und froh dennoch geliebt zu werden, was ja ohnehin der Hauptgewinn in der Lotterie des Lebens ist.

Weiß noch nicht, was der Preis der Freiheit ist, dass ich mich für Treue entschied, weil es geiler so ist - wenn ich es mal weiß, schreibe ich darüber, ist versprochen, momentan genieße ich was ist und das genügt mir auch.

jens tuengerthal 27.3.2017

Tiefblick

Schaue voller Lust unter dich
Und sehne mich in dich hinein
Zwischen deine vollen Lippen
Die ich vorher küssen möchte

Sehe jedes Haar deiner Mitte
Wie es sich um deine Lippen
Vorwitzig lockt die geschlossen
Wie im Idealbild vor mir liegen

Qh wie sehn ich mich danach
Tief zungig zwischen deine
Inneren Schamlippen zu tauchen
Sie so erst ganz zu öffnen

Deinen Vorlust zu schmecken
Jeden Tropfen aufzuschlecken
Um dann die inneren Lippen
Wieder hinauf zu wandern

Sehe deine feine Perle vor mir
Die erregt noch weiter wächst
Vorwitzig der Lust Raum sucht
Wo die inneren Lippen enden

Möchte sie endlich wieder küssen
Deine Lust unter meiner Zunge so
Erregt schwellen spüren während
Der Perlentaucher sich an ihr freut

Deine Lippen sollen mich endlich
Wieder ganz feucht warm immer
Umschließen um ganz eins zu sein
Innehalten in so größter Innigkeit

Bis wir gebannt von unsrer Lust
Nicht mehr still halten können
Mit jeder Bewegung es mehr wird
Die Spannung unerträglich steigt

Bis deine Mitte und meine Mitte
Sich ineinander wie aufeinander
Ergießt und gleichzeitig geteilte
Seligkeit uns Erlösung schenkt

jens tuengerthal 27.10.2017

Donnerstag, 26. Oktober 2017

Idealvernunft

Wäre die Welt ideal, wenn alle vernünftig wären?

Frage es mich und möchte als überzeugter Aufklärer sofort JA! rufen, doch irgendwas rät mir innezuhalten und nochmal darüber nachzudenken, es also kritisch und vernünftig zu prüfen, ob die Vernunft wirklich immer so passend wäre.

Hätte sich meine Liebste vernünftigerweise in einen so viel älteren Mann verliebt, hätte ich vernünftigerweise und eigentlich mit genug Erfahrung versehen, etwas mit so einem jungen Ding angefangen, wäre ich immer vernünftig?

Jetzt, wo ich sie kenne und liebe, stellt sich mir die Frage nicht mehr und ich kann mir nichts vernünftigeres mehr vorstellen, als mit dieser Traumfrau für immer zusammen und glücklich zu sein und darf nur hoffen, dass es ihr mit dem immer älter werdenden Mann irgendwie noch lange genauso geht.

Die Vernunft aber hätte mich mit den gängigen Vorurteilen, mit denen ich groß wurde und die es einem doch erleichtern sollen, die nötigen Entscheidungen zu treffen, daran gehindert, mein Glück mit einer so viel  jüngeren Frau zu suchen. Wie gut, dass ich so unvernünftig war und nun so glücklich bin, wie noch nie in meinem Leben, die ideale Frau finden konnte, mit der ich alles teile, was mir wichtig und schön erscheint und das nur, weil ich ganz unvernünftig am Anfang einem Bauchgefühl gegen alle Vernunft gefolgt bin und es auch zuließ, mich völlig in sie zu verlieben.

Wir meinen beide, wir hätten jeweils das große Los miteinander gezogen und es erscheint uns heute nichts vernünftiger, als das Leben zu teilen und für immer miteinander verbringen zu wollen, weil wir gegen alle ach so vernünftigen Vorurteile ideal zusammenpassen, Alter keine Rolle zwischen uns spielt, die Liebe, wenn sie groß genug ist, ohnehin alles überwinden kann.

So habe ich mein Glück gefunden, weil ich unvernünftig war, mich auf etwas eingelassen habe mit ganzem Herzen, was jeder Vernunft erstmal widerspricht und meinem Ideal von einer vernünftigen Beziehung auch bisher eher widersprach.

Nun könnte ich noch mutmaßen, ob es einfach typisch nur für das Glück ist als zufällige Konstellation und noch dazu in Verbindung mit der Liebe, so unvernünftig in Erscheinung zu treten. Aber um so länger ich darüber nachdenke, um so vernünftiger erscheint mir die Entscheidung, die mein Bauch richtig traf, weil wir in jeder Beziehung ideal zusammen passen und uns wunderbar ergänzen und glücklich machen, was allerdings wieder das Paradoxon in einem Satz vereint, ohne es aufzulösen.

Kann Glück vernünftig sein oder ist es dies seinem Wesen nach nie?

Was andererseits wäre vernünftiger als nach Glück zu streben im Leben?

So lassen wir uns manchmal von Idealen lenken, die nicht immer vernünftig begründbar sind, dann treibt uns wieder die Vernunft. Manche nehmen die Vernunft nur als notwendiges Übel, gerade in Beziehungen zu anderen Menschen, mit denen sie doch voller Gefühl umgehen wollen, was noch häufiger verunglückt, weil beide dabei irgendwie unvernünftig waren und entsprechend empfindlich aufeinander reagieren - in jede Richtung.

In der Politik sehen wir gerade die Jamaika Koalitionsverhandlungen, die sich um einen besseren Ton miteinander bemühen, damit nicht jeder ungehemmt vor sich hin und über den anderen plappert, bevor  irgendwas vereinbart ist, sondern alle besser miteinander als übereinander reden und jeder mehr von sich spricht, als Mutmaßungen über das unbekannte Gegenüber anzustellen.

Wenn ich mir das ganze bildlich vorstelle, sehe ich Mutti Merkel in aller Ruhe am Tisch sitzen und sich um Sachfragen bemühen, über die schnell eine Einigkeit erzielt werden kann, während ihre etwas ungezogenen Kinder, der Horst, der Cem und der Patrick gerne den starken Jungen spielen und sich beim Muskel zeigen überbieten wollen. Dann verdrehen Angela und Kathrin die Augen, denken beide für sich, Männer halt. Mutt spricht dann von doch alternativlosen Verhandlungen und der Notwendigkeit einer Einigung, mahnt an die Vernunft und lieber miteinander als übereinander zu reden, bitte Stillschweigen nach außen und wer immer ein Problem nach Innen hat, könne sich an sie wenden, dann würde alles in Ruhe geklärt, es ginge doch nur um den vernünftigsten und besten Weg zum Glück aller. Die Pfarrerstochter und die Pfarrersgattin sind sich meist eigentlich einig, nur die Herren spielen noch ein wenig mit den Knallkörpern aus dem Wahlkampf, bevor es an die Sachfragen geht.

Wäre es nun dem Ideal der Vernunft entsprechend, wenn die Herren sich ohne alle Balzrituale zusammen ins Koalitionsbett legten, nicht jeder noch mit einem Scheitern drohte, um ein wenig mehr für sich heraus zu schlagen?

Vernünftigerweise können die Anhänger einer Partei doch erwarten, dass ihre Verhandlungsführer versuchen das Maximum ihrer Vorstellungen durchzusetzen und dabei auch an die Grenzen gehen. Wäre alles ganz einfach und nur Friede, Freude, Eierkuchen, brauchten wir auch nur noch die Merkelpartei dann ohne C hoffentlich und keine liberale Vielfalt mehr, die ohnehin erstaunlich vielen Mensch eher ein Graus ist als ein Ideal. So wollen insbesondere die Anhänger der Populisten am linken und rechten Rand gerne einfache Antworten.

Nebenbei kommentieren auch noch die Medien, wie es ihre Aufgabe ist, das Handeln der Politik und eifern dabei auch um Zuschauer, Leser und Einschaltquoten miteinander bei der möglichst besten Geschichte, auch wenn es so eine vernünftigerweise nie geben kann, weniger Skandal und eine ruhige Hand das Ideal der gelassen beamtisch verwalteten Demokratie wäre, keiner sich nach dem lächerlichen Trump noch irgendwo amerikanische Verhältnisse wünschen kann, deren Quittung die Welt und die Vereinigten Staaten gerade mit dem Kasper im Weißen Haus bekommen.

Auch hier scheint mir die Vernunft wieder ein wenig mit dem Ideal und der Leidenschaft lavieren zu müssen, um am Ende ein befriedigendes Ergebnis zu präsentieren, mit dem alle leben können und das der Aufgabe gerecht wird.

Dem Ideal der Vernunft nach, versucht jeder seine Aufgabe so gut wie möglich zu erfülllen, will niemanden dabei betrügen, auch und gerade seinen Chef nicht, mit dem jeden Mitarbeiter idealerweise sogar ein Treueverhältnis verbinden sollte. So leben es die meisten Menschen und so scheint es uns auch völlig normal.

Nur bei Politikern meinen viele Menschen völlig irrational, diese verrieten alle Ideale, wollten niemandem gut als sich selbst, dächten nur an ihren Vorteil und wollten der Bevölkerung schaden, sein das allerletzte. Die Summe der Vorurteile dabei ist unendlich.

Nun hatte ich das Glück, in meiner Berliner Zeit und der politisch aktiven Phase den einen oder anderen Bundespolitiker auch persönlich näher kennenzulernen, im Dialog zu erleben. Habe keinen erlebt, der nicht glaubwürdig auch guten Idealen folgte. War nicht mit allen einer Meinung, gerade die Populisten auf der ganz linken Seite waren mir immer eher zuwider, die CSU war früher für mich ein rotes Tuch, selbst wenn schwarz oder hellblau in dem Fall besser passte. Doch die Erfahrung in der Begegnung zeigte mir immer, es sind alles relativ vernünftige Menschen, die sich für die Gesellschaft und ihr Funktionieren einsetzen, ihren Job im Parlament ernst nehmen und dabei mehr Einsatz und Engagement zeigen als viele Führungskräfte in der Wirtschaft.

Weniger Vorurteile könnten also viele mit dem was ist zufriedener und damit glücklicher machen. All die Schreihälse, die nun AfD wählten oder mit eher komischen Plakaten bei Pegida spazierten,, um ihren gehemmten Rassismus offen ausleben zu können, sind selten in der Lage zu erklären, was sie an Merkel wirklich sachlich stört, wie sie in welcher Situation anders entschieden hätten unter den gegebenen Bedingungen. Was sie von sich geben sind Floskeln und Luftblasen, die ihnen der große Bruder in Moskau über seine Propagandasender eingibt, die gleichzeitig behaupten, alle anderen Medien würden lügen, damit die Menschen besonders in Sachsen und Neufünfland aber auch in Bayern, ihre Propaganda für wahr halten.

So wurde in der Politik die Vernunft immer mehr mein Ideal und ich muss zugeben, dass Angela Merkel, die als Vorbild Katharina die Große auf ihrem Tisch stehen hat, jene große russische Fürstin der Aufklärung, die das Entstehen der Enzyklopädie entscheidend mit ermöglichte und so den Geist förderte, der später zu den Menschenrechten und zur französischen Revolution führte, sich auch in der amerikanischen Revolution noch zeigte, als sie weniger vom christlichen Aberglauben verseucht als von freiheitlichen Idealen nach Lukrez geprägt war, diesem Ideal immer mehr entspricht, so fern mir als Atheisten die Partei mit dem C immer war.

Ihre Politik ist von Vernunft getragen, huldigt auch sichtbar am Berliner Humboldtforum dem Ideal der Aufklärung, macht ihren Weg und ihre Sache leise und eher bescheiden. Wie der Feldmarschall Moltke es noch so schön ausdrückte, viel leisten und wenig in Erscheinung treten. Keiner kann ihr ernsthaft irgendwelche persönlichen Interessen vorwerfen, die sie verfolge. Sie lebt ihr Leben relativ bescheiden, hat es nicht nötig groß zu tun, sondern stapelt lieber tief, was sie auch längst nicht mehr nötig hätte. So gesehen macht sie das beste und vernünftigste, was diesem Land jenseits der Wirren der Parteipolitik und ihrer von Klientel geprägten Interessen passieren kann. Das scheint mir gut und vernünftig, damit -  Achtung Dialektik - fühle ich mich wohl, auch wenn ich sie immer noch nicht gewählt habe, weil sie einfach in der falschen Partei ist.

Das Ideal der Vernunft und insbesondere mehr davon täte und tut der Politik gut. Bin gespannt wie Andrea Nahles, die ich auch persönlich kennenlernen durfte und die ich wirklich sehr schätze und für eine unglaublich zuverlässige und gute Arbeiterin der Politik halte, wie ihr inzwischen auch CSU-Mitglieder attestierten, nun die Opposition führen wird. Es gefällt mir nicht, dass sie die Annäherung zur SED-Nachfolgeorganisation sucht, die sich die Linke nennt, andererseits täte es Deutschland gut, wenn eine Front der politischen Polarisierung sich auflöste und im Brei der Sozialdemokratie aufginge, die alte Abspaltung der USPD und die ewigen Lügen um Spartakus und KPD ein Ende fänden nach über hundert Jahren. Doch gehe ich davon weniger aus, da auch die SPD den linken Kitsch ihrem Wesen nach schätzt und es viele Genossen gibt, die noch die Seeheimer verfluchen, den Kreis realistischer Sozialdemokraten.

Aber für das Ideal der Vernunft spielt die alte Tante Sozialdemokratie vermutlich sobald keine tragende Rolle mehr, es sei denn der Altherrenverein ließe endlich mal eine Frau wirklich groß werden, statt peinlicher Ersatzkandidaten und da ist momentan außer Andrea Nahles und Manuela Schwesig nichts in Sicht und ob die stark genug sind, die Macht so an sich zu reißen, wie Merkel es nach dem Zusammenbruch Kohls in der Spendenaffäre tat, ist noch offen.

In der Politik liebe ich das Ideal der Vernunft und sähe gern mehr davon. In der Liebe handelte ich gegen alle Vernunft und Erfahrung und bin der glücklichste Mann geworden, der die auch vernünftig betrachtet bestmögliche Beziehung führt, an der ich nichts mehr ändern möchte in meinem Leben. Irgendwo dazwischen leben wir wohl idealerweise irgendwie immer und lavieren zwischen der Vernunft im Alltag und dem Gefühl als Ausnahme. Wünsche mir für die Zukunft, dass es mehr Vernunft in der Politik gibt und weniger Gefühle. Möchte so wenig Staat wie möglich und diese eher überflüssig lästige Last nicht noch mit unnötigen Emotionen aufladen, sondern nüchtern verwaltet wissen. Am besten von einer klaren Analytikerin wie der Physikerin Merkel auf deren Tun Verlass ist und die meist relativ berechenbar handelt.

Ob ein Mann oder eine Frau diesen Job ausfüllt, ist mir relativ egal, solange es so  unbestechlich und zuverlässig ist, wie Merkel es tut, alles Balzgehabe entbehrlich wäre, ist es gut so, warum auf dem von überflüssigen männlichen Ritualen geprägten Parkett der Politik derzeit eine Frau besser wäre als ein Typ - wie wir an den drei lächerlichsten Verkörperungen männlicher Triebhaftigkeit und Macht - Trump, Putin und Erdogan - sehen können.

Vernunft als Ideal macht Gelassen und lässt dich Abstand nehmen, bevor du dich weiter aufregst, was immer nur zu viel Gefühl hochkochen lässt, dass der vernünftigen Politik nur schadet. Dem Gefühl andererseits zu folgen, wenn es um dieses geht, scheint mir, so widersinnig es dabei klingt, sehr vernünftig und führt auch zu größtmöglicher Zufriedenheit. Wo wir dem Gefühl glücklich folgten, Vernunft walten zu lassen, um auf Dauer miteinander glücklich zu sein, finde ich richtig und fühlt sich gut an.

So haben wir in vielen Punkten immer von beidem etwas und müssen sehen, wie  wir es in ein vernünftiges Gleichgewicht bringen, um uns wohl zu fühlen. Nur Gefühl führt genauso ins Chaos wie der bloße Verstand uns fröstelnd erstarren ließe, mich nie so nah zu meinem Ideal gebracht hätte, von dem ich vorher noch nichts wusste, weil ich es mir vernünftigerweise gar nicht so denken konnte.

Das Ideal der Vernunft in der Politik hochhalten und also weniger Gefühl bei der bloßen Verwaltung zu fordern, entspricht meinem Gefühl von guter Politik, die nicht ständig polarisiert sondern Ausgleich und Kompromisse zum Wohl der größten Menge sucht. Am tragbarsten war schon immer eine vernünftige Politik der Mitte statt überhöhten Idealen, die versucht, das Mögliche einigermaßen vernünftig zu verwalten, statt unnötige Emotionen aufzuheizen, die keiner was die Verwaltung angeht eigentlich bräuchte.

Die Kanzlerin ist die oberste Schalterbeamtin der Republik. Sie soll ihr Amt gut und ordentlich verwalten und mich sonst möglichst in Frieden lassen. Keinen Irrsinn versprechen, niemanden aufhetzen und den Dingen ihren Lauf lassen, nur Eingreifen, wo es unbedingt nötig ist.

So bin ich auch in meiner Beziehung am glücklichsten, ohne große Dramen, auf einer guten vernünftigen Basis, sich gut zu tun und einander für das geistige und leibliche Wohl zu sorgen. Wo das passt. Möchte ich nichts mehr ändern und kann für immer dabei bleiben, wir nennen das dann Ehe oder so, ist auch egal, wie es heißt, hauptsache, es fühlt sich vernünftig an und tut gut.

Zumindest darin ähneln sich dann Politik und Liebe, was am Ende rauskommt, wird immer besser, wenn wir vorher genug Vernunft rein tun.

jens tuengerthal 26.10.2017

Telefonanieren

Die schönste Frau im Ohr
Durch das nächtliche Berlin
Wandernd ihre Lust zu hören
Verzaubert Ferne lustvolll

Telefonsex zuhause kannte ich
Ist halt gemeinsames onanieren
Bei dem wir zusammen kommen
Auch wenn wir uns nicht fühlen

Mit dir die du verfroren in Dublin
In deinem Bett schon lagst schon
Während ich von Gesundbrunnen
Nach Mitte lief Lust leben ist mehr

So nah sind wir uns längst dabei
Dass wenige Worte genügen uns
An den richtigen Stellen zu erregen
Egal wo und wie wir gerade sind

Begann nach dem Humboldthain
Dir zu erzählen wie ich dich nun
Deinen schönen Körper hinunter
Bis zu den Fußsohlen überall küsse

Näherte mich der Bernauer schon
Als du mir ins Ohr zu stöhnen begannst
Während ich erzählte wie du längst
Über meinem Gesicht lustvoll sitzt

Überschritt die früher Mauer dann
In der Ackerstraße als ich imaginierte
Wie ich dich am Becken endlich nahm
Auf mich setzte und tief in dich drang

Wir vögelten einander im Ohr voll Lust
Dein Atem ging immer schneller als ich
Die Veteranenstraße überschritt bis du
Kurz nach dem Rewe in mein Ohr kamst

Selig befriedigt schicktest du mir dann
Ein Bild deines befriedigten Schoßes
Besah es voll Glück am Koppenplatz
Bog kuschelnd in die Linienstraße ein

So plauderten wir noch lustvoll weiter
Bis ich auf dem Berg wieder ankam
Du deine Hand als meine geträumt
In deinem Schoß endlich einschliefst

Spürte bei jedem Schritt wie feucht
Gedanken an deine Lust mich machten
Konnte mich mitten in Mitte natürlich
Nicht unsittlich dort berühren diesmal

Doch deine Seligkeit im geteilten Glück
Das Ende voller Liebe in unserem Zuhause
Trägt den Zauber unserer Lust weiter
Längst in deine bald auch in meine Träume

Wie wirklich die Wirklichkeit wohl ist
Von der ein Dichter hier nur schrieb
Wissen nur jene die es auch erlebten
Doch was ist wirklicher als die Liebe

So reicht die Phantasie der Worte
Das vollkommene Glück miteinander
Ganz nah noch zu spüren längst selbst
Zwischen Traum und Wirklichkeit

Friedlich einschlafen mit Gedanken
Ganz nah bei und in dir immer noch
Macht glücklich für schönste Träume
Jenseits von Raum und Zeit

jens tuengerthal 25.10.2017

Mittwoch, 25. Oktober 2017

Teeosophie

Es gibt Teetrinker und es gibt Kaffetrinker.

Hier geht es nicht um Theosophie, die auf welche Art auch immer sie ihren Aberglauben begründen, das Denken in und mit Gott begründen, auch wenn sie dies für eine Philosophie noch halten. Ob diese nun bloß Träume eines Geistersehers wie bei Swedenborg waren,  Phantasien einer Mystikerin wie Anne Besson, die fragwürdigen Visionen eines Theophrastus Paracelsus oder der Hokuspokus der Kabbala, ist mir völlig gleich. Nichts davon interessiert hier. Es geht allein um die Philosophie des Tee trinkens und welche Ethik daraus resultiert, wenn Menschen Tee trinken statt Kaffee.

Vom letzteren kann ich wenig sagen, weil ich da keine eigene Erfahrung habe - nach einem Schluck vor inzwischen Jahrzehnten und einem Biss in eine angeblich sehr feine Mokka Schokolade, habe ich beschlossen, der Türkentrunk, wie es in der Kaffeekantate noch heißt, ist nichts für mich und habe es noch nie bereut. Damit endet die Dialektik zum Kaffee, wer sich mehr dafür interessiert, kann an dieser Stelle schon aufhören zu lesen - als echter Genießer, kann ich damit nichts anfangen und wovon wir nichts wissen, dazu schweigen wir besser, wie Wittgenstein so treffend feststellte.

Mit Tee trinken kenne ich mich seit nun über vierzig Jahren ein wenig aus, zumindest was meinen Geschmack betrifft, und liebe es immer mehr, fühle mich, ob an warmen oder kalten Tagen, immer wohl bei einer Tasse Tee und brauche nichts anderes zum Glück und zur Zufriedenheit. Tee trinken ist eine Form der Meditation für mich, warum ich kein Yoga brauche noch sonst spirituelle Erfahrungen aus dem weiten Reich des Wahns, beim Tee entspanne ich vollkommen glücklich.

Natürlich stiegen irgendwann die Ansprüche an den Tee, das Wasser, seine Zubereitung und den Genuss - trinke zu gern aus gläsernen oder sehr zarten Tassen, bei denen ich durch meinen Tee, der golden schimmert, hindurchschauen und mich an seiner Klarheit freuen kann.

Wie das Wasser ist, was für den Tee, im Gegensatz  zum Kaffee, wirklich eine Rolle spielt unterscheidet sich in den verschiedenen Regionen Deutschlands und manchmal sogar in einer Stadt wie Berlin deutlich. Ohne Kalkfilter, kannst du das Wasser im Osten Berlins nicht für feinen Tee verwenden - in Teilen des Westens, etwa in Zehlendorf, am Wannsee oder in Schmargendorf habe ich eine andere Qualität bemerkt, ohne mir darum, ein Urteil zu erlauben, wie es nun wo in Berlin wirklich ist und ob der Westen wirklich goldener war, was die Teequalität angeht, als der Osten, in dem ich manches mal den Kopf über die Brühe schüttele, die aus den Leitungen hier kommt.

Jahrelang, um hier beim Hausfrauengespräch zu bleiben, nutzte ich darum teuer gekauftes Mineralwasser zumindest für die ersten eineinhalb Liter Tee am Tag. Mein Tee war mir etwas wert, wollte ich damit sagen und nur weil nach der Erneuerung der Leitungen hier im wilden Osten die Wasserqualität ein wenig stieg und ich die guten Wasserfilter entdeckte, stieg ich wieder auf das um, was aus dem Hahn kommt.

Doch sollten diese Gedanken weniger über Teerezepte, gute Zubereitung oder meine sonstigen Vorlieben gehen - die kennt meine Frau wie ich ihre und das genügt - sondern um die Philosophie des Tee-Genusses kreisen.

Bevor ich dazu mehr schreibe, erzähle ich gerne eine kleine Geschichte, die mir beispielgebend für das Wesen des Tees im Gegensatz zum Kaffee scheint, den ich nun doch noch mal erwähne, um den Charakter des Gegenstandes meiner Meditation bestmöglich zu beschreiben.

Wer den Unterschied zwischen den beiden kennenlernen will, lege einmal ein Stück Schokolade über Nacht in eine Teedose und in eine Kaffeedose. Der Kaffee wird am nächsten Tag unverändert schmecken, Die Schokolade dafür intensiv nach Kaffee, weil dieser schlicht dominant ist. Mache ich das gleiche mit Tee, schmeckt der Tee nach Schokolade, was ich keinem meiner feinen Tees antun wollte, aber das nur nebenbei. Tee ist vom Wesen her dezent und unaufdringlich.

Dies sind, betrachteten wir es als Charakter des Tees, eher vornehme Eigenschaften, während dem Kaffee in seiner bodenständig aufdringlichen Art jeder Adel fehlt, von dem der Tee dafür so viel mehr hat, dass er in einer Welt voller Kaffee schlicht unterginge. Adel ist in der demokratischen Republik kein Prädikat mehr, das vielen verlockend erscheint, sondern den meisten eher vorgestrig. Das stört mich nicht und damit lebe ich gern, wen der Adel des Tees abschreckt, der möge weiter Kaffee trinken und von der Weltherrschaft des Proletariats träumen. In edle Kreise ziehen wir uns lieber dezent zurück und lassen alles übrige draußen, es interessiert nicht weiter.

Guter Tee braucht Zeit in der Zubereitung, weil ich das Wasser, zumindest bei Grünem Tee, den ich für den feinsten und ehrlichsten auch halte, aufkochen und dann abkühlen lassen muss. Ob es genügt, es nur auf die gewünschte Temperatur zu erhitzen und nicht den Kochpunkt zu überschreiten, ist zumindest strittig und ich möchte mich dabei ungern festlegen, ziehe aber das Aufkochen vor, ohne es letztlich physikalisch sicher begründen zu können - zumindest in manchen Regionen sind dann die Keime im Wasser tot.

Wenn ich die richtige Temperatur habe, braucht es noch mehr Zeit, um ihn richtig ziehen zu lassen. Je nach erstem oder zweiten Aufguss, ihn vorher noch mit viel Geduld möglichst langsam aufzugießen, damit sich die Teeblätter in Ruhe entfalten können. Wie ich es auch drehe und wende - guter Tee braucht Zeit, sehr guter Tee noch mehr davon und Aufmerksamkeit, damit er gelingt, wie er soll. Dazu kommt Erfahrung und Gewohnheit, die zusammen bei der Zubereitung helfen.

So gesehen ist Tee trinken ein Luxus, den ich mir gönne, für den ich auch gern wesentlich früher aufstehe, als ich müsste, weil nichts mir genüsslicher scheint, als einen guten Tee bei der richtigen Temperatur in Ruhe zu genießen.

Es gibt viele Theorien unter Teetrinkern welche Form der Zubereitung die einzig wahre ist, was ich für diesen oder jenen Luxus dabei bereit bin, in Kauf zu nehmen - ob das Sieb aus Metall sein darf, es Gold sein muss, Papier genügt und dergleichen sachlich bestimmt für manche diskussionswürdige Details, die mich aber für die Frage der Philosophie nicht weiter interessieren, weil sie, sobald sie dogmatisch vertreten werden, dem Geist des Tee trinkens ferner sind und mich im übrigen nicht weiter interessieren.

Habe meine Form der Zubereitung, mit der ich mich wohl fühle und mir mein Tee schmeckt - mehr brauche ich nicht, um glücklich zu sein und sie macht mich dafür zufrieden und was mehr sollte ich noch je wollen?

Der wichtigste Punkt in der Teeosophie ist für mich, dass ich einem unaufdringlichen Genuss so viel Zeit und Raum gebe, wie er braucht, um mich glücklich zu machen und mir auch bewusst die Zeit dafür nehme, weil mir nichts wichtiger erscheint. So setze ich Prioritäten bei denen ich noch dazu verzögere und mich zurücknehmen muss, um meinem Tee mehr Raum zur Entfaltung zu geben.

Will nichts erledigen und schnell hinter mich bringen, sondern einfach in Ruhe und mit viel Zeit genießen. Dies für wichtig und wertvoll zu erachten, dem viel Platz in meinem Leben einzuräumen, scheint mir in der heutigen Zeit ein etwas paradoxes Verhalten, schaue ich nach den hektischen Strömungen der Zeit, aber die einzig sinnvolle Konsequenz, denke ich über die Folgen nach.

Tee trinken ist für mich so eine Art Entdeckung der Langsamkeit, wie sie Sten Nadolny so kongenial in seinem gleichnamigen Buch für den englischen Entdecker und sicher auch Teetrinker Sir John Franklin beschrieb. Diesen Prozess aus der Hand zu geben, fiele mir schwer, weil er ein wichtiger Teil meiner inneren Harmonie ist. Tee zubereiten ist meine tägliche Yoga Übung und mein Innehalten und das so oft am Tag, wie es geht und ich dazu komme.

Trinke eigentlich immer Tee, wenn ich nicht zum Essen gerade mal einen Wein trinke. Vom Morgen bis tief in die Nacht und fühle mich von den Litern an grünem Tee in mir weder aufgeputscht noch erschöpft, sie sind ein Teil von mir. Fühle mich wach, wenn ich wach sein will und bin müde, wenn ich schlafen will, selten ist es auch mal anders und ich muss gegen den Willen kämpfen und so denke ich, der Tee regelt das in mir gut und das passt schon so.

Kern der Philosophie des Tees ist die eben genannte Entdeckung der Langsamkeit für einen Unaufdringlichen Zeitgenossen, der sich den Raum nicht mit Gewalt nimmt sondern ruhig abwartet. Dies ist keine laute Werbung an alle Kaffeetrinker nun auch Grünen Tee zu trinken, weil er angeblich so gesund ist und auch nicht der Versuch Menschen mit anderen Leidenschaften zu überzeugen.

Solange meine Liebste meine Liebe zum Tee teilt, was  sie tut, möge jeder mit dem Heißgetränk seiner Wahl glücklich werden und ich muss und möchte niemandem erzählen, was besser oder richtig ist. Mache einfach, was mir gefällt, bin glücklich damit und spüre, wie es mein Wohlbefinden steigert, sich so Zeit zu nehmen und es für mich wenig anderes im Leben braucht als guten Tee, um glücklich zu sein mit sich und der Welt.

Nach was außer nach Glück aber sollten wir in der natürlich begrenzten Zeit unseres Lebens streben?

So lange ich auch überlege, fällt mir dazu nichts vernünftiges ein. Manche meinen, wir müssten uns höhere Ziele setzen, wer nur nach seinem Glück strebt, sei ein bloßer Hedonist und damit sozial wertlos.

Halte ich für völligen Unsinn, da es kein absolut richtiges oder immer gutes Verhalten gibt, sondern sich der Maßstab des Handelns immer an den konkreten Bedürfnissen einer Zeit orientiert, wechselhaft ist, während das Glück als persönliches Kontinuum bleibt. Von nichts anderem können wir sicher wissen, als von dem, was uns glücklich macht und also liegt es doch nahe, nach nichts anderem mehr zu streben, um es zu sein.

Was wen glücklich macht, kann nur jeder für sich entscheiden und dafür braucht es keine übergestülpte Moral von einemm erfundenen Gott oder gesetzliche Vorgaben. Dafür genügt das natürliche Empfinden jedes Einzelnen. Dass dies, wie alles Verhalten, natürlich am kategorischen Imperativ zu messen ist, sobald wir mit anderen in Kontakt kommen, ist logisch und braucht keiner weiteren Erläuterung und damit werden alle weiteren Regelungen überflüssig, die ohnehin nur dem freien Gewissen schaden, dem einzig tauglichen Maßstab moralischen Handelns.

Hedonisten aller Länder vereinigt euch und seid einfach glücklich, mit dem was ist. Habe keinen Maßstab für den richtigen Weg, finde nur die Art wie Tee ist und was er erfordert, lehrt sehr viel über die Frage, was der richtige Weg zum Glück ist und so entsteht eine Teeosophie des bescheidenen Hedonismus, der sich lieber Zeit nimmt, statt schnell erfolgreich zu sein.

Wer dieses Glück irgendwann erkennt oder zufällig davon liest, wird dem Weg des Glücks, wenn er seiner Überzeugung entspricht, von alleine folgen. Jede weitere Einlassung dazu ist eigentlich überflüssig. Die Teeosophie nimmt sich Zeit und braucht sie, um gut zu sein. Nichts scheint mir nötiger, während immer mehr Menschen immer hektischer um ihre Zeit fürchten.

Ob genug Zeit da ist, dass sich jeder so viel zur Zubereitung seines Tees nimmt, abwartet und sein persönliches Glück einfach genießt, wenn es kommt, statt immer mehr und weiter zu wollen, muss sich jeder selbst beantworten.

Nach meiner Erfahrung wächst die Zeit proportional zu der Menge, die ich mir nehme. Wenn ich mir mehr nehme, habe ich mehr Zeit. Sobald ich sie einspare, geht sie verloren, ohne dass ich dadurch etwas hinzugewinne als die Hektik der Einsparung.

Es gibt nichts wichtigeres, als glücklich zu sein. Wenn du das bist und dein Glück gefunden hast, sei es und nimm dir damit so viel Zeit, wie du nur kannst, sie wird dabei immer mehr und es auch. Das scheint den Kalkulatoren der Sparsamkeit vermutlich paradox, die sich ihre Glücksmomente abhungern, entspricht aber meiner Erfahrung völlig und auch insofern gleicht das Leben dem Teetrinken. Nehmen wir uns Zeit, genießen wir lieber dezent und warten wir mal ab, wie schön es sein kann, wenn wir unserer Lust zu Leben dabei folgen.

Mehr weiß ich nicht, von anderen Dingen verstehe ich wenig, auch von der Philosophie so ganz allgemein, darum endet die Teeosophie an dieser Stelle und ich kümmere mich lieber wieder darum, das größtmögliche Glück nebenbei zu genießen, während ich mir einen neuen feinen Tee mache. Welcher das ist, möge jeder für sich entscheiden. Woran Vorlieben liegen, weiß ich nicht. Persönlich liebe ich grünen Earl Grey am meisten oder Grünen Tee mit Vanille, wenn nicht schlicht einen Sencha ohne alles. Dagegen konnten meine Eltern, die auch passionierte Teetrinker sind, meinen Lieblingstee nicht ausstehen und brühen auch ihren Grünen Tee mit frisch gekochtem Wasser auf, was zumindest gegen eine genetische Determinierung spräche und auch die soziale Prägung minimiert.

Einmal habe ich versucht, mit ihnen darüber zu reden, heute lächle ich darüber und denke, es möge jeder nach seiner Fasson selig werde und gut, wenn wir mehr Tee trinken, um uns dafür Zeit zu nehmen - wie Kant im Text zu der Frage, was Aufklärung sei, richtig feststellt, ist Aufklärung die Befreiung aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit und also jedem selbst überlassen - wie zur Motivation stelle ich auch zur Teeosophie fest, der Weg zum Glück geht nur über selbständiges Denken und die eigene Erkenntnis, wie reich an Glück und Zeit wir unser Leben führen können, wenn wir nur wollen und es wagen.

jens tuengerthal 25.10.2017