BNDigen
Es ist leider kein Aprilscherz, auch wenn es sich in vielem so anhört. Am 1. April 1956 wurde die Organisation Gehlen unter der Leitung ihres Gründers und Namensgebers Reinhard Gehlen als Bundesnachrichtendienst (BND) in den Dienst der Bundesrepublik Deutschland übernommen, nachdem sie zuvor noch der amerikanischen Besatzungsmacht als Instrument des nun Kalten Krieges gedient hatte, eine Unterorganisation der CIA war.
Wer war diese seltsame, geheime Organisation Gehlen?
Es handelte sich um einen 1946 von den US-Behörden in der amerikanischen Besatzungszone aus deutschem Personal gegründeter Nachrichtendienst.
Warum, bevor wir weiter über Gehlen und sein Kommando berichten, vorab zu klären ist, was überhaupt ein Nachrichtendienst ist, auch wenn diese nun in aller Munde sind, eine nüchterne Betrachtung doch hilfreich sein kann. Definitionsgemäß ist er eine als Behörde geformte Organisation, die über die außen- oder innenpolitische Lage Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewinnt. Solche sind alle Mittel der heimlichen Informationsbeschaffung durch Geheimdienste, was als Generalklausel im deutschen Recht auch nicht präziser definiert wird, um die Mittel der Informationsbeschaffung nicht einzuschränken. Also staatliches Handeln ohne präzisen gesetzlichen Rahmen, das beliebig in Grundrechte eingreifen darf, soweit es geboten scheint - wem das geboten scheint und wer dem Grenzen setzt, ist ähnlich unpräzise definiert und in vielem geheim wie die Aufsicht über diese seltsamen Behörden - aber vor der Kritik zur Geschichte jener Organisation die heute 60 wird und deren Abschaffung dringender geboten scheint als die Feier dieses Jubiläums.
Die Vorgängerorganisation Gehlen bestand aus den Angehörigen der 12. Abeilung des Generalstabs des Heeres der gerade untergegangenen Reichswehr, der Abteilung Fremde Heere Ost. Nach der Gründung hatte sie ihren Sitz zunächst in Camp King in Oberursel im Taunus bei Frankfurt am Main. Ab 6. Dezember 1947 hatte sie ihren Sitz in der ehemaligen Reichssiedlung Rudolf Heß in Pullach bei München, die bis heute Sitz des BND ist, da die andere Dauerbaustelle in Berlin noch immer keine Vollendung meldet. Das Datum des Umzuges verschaffte dem Geheimdienstsitz auch den Namen Camp Nikolaus. Ende der 1940er Jahre hatte die Organisation Gehlen bereits über 4000 Mitarbeiter. Es gab ja genug verdiente Nazis, die anderweitig gerade schwer zu vermitteln waren.
Reinhard Gehlen war Generalmajor gewesen, der sich kurz vor Ende des Krieges den Amerikanern ergab und in ihre Dienste trat. Gehlens Abteilung Fremde Heere Ost hatte als Aufklärungsabteilung einen sehr guten Ruf genossen und galt als systematisch, exakt und detailversessen und damit als zuverlässiger als andere NS-Geheimdienste. Gehlen konnte auch deshalb so viele seiner ehemaligen Mitarbeiter für den neuen Dienst gewinnen, weil sie dafür mit einer neuen Identiität versehen wurden, was manchem NS-Täter gut passte. Eingestellt wurden vor allem viele ehemalige von SS, SD, Gestapo und Abwehr sowie Offiziere der Wehrmacht. Eine Untersuchung von 1970 ergab, dass noch zu diesem Zeitpunkt bis zu 30% der BND Mitarbeiter in einer der genannten Organisationen des NS-Staates waren. Die USA tolerierten mit Beginn des Kalten Krieges diese hohe Quote an ehemaligen Nazis, weil sie ihnen Informationen und Aufklärung über die Sowjetunion und ihre Armee geben konnten. Die Aufklärer der Reichswehr freuten sich still über den gut bezahlten neuen Job im Nachkriegsdeutschland voller Armut und Mangel.
Zu den bekanntesten Nazi-Tätern unter den bald Mitarbeitern des BND gehören Klaus Barbie, der Gestapo-Chef von Lyon, der als Schlächter von Lyon in die Geschichte einging und der bereits von den Amerikanern getarnt und angeheuert worden war, obwohl die Franzosen ihn mit Haftbefehl suchten und der sich erst später nach Kolumbien absetzte, was der BND dann fortsetzte, Alois Brunner, einer der wichtigsten Mitarbeiter Eichmanns bei der Endlösung der Judenfrage, Wilhelm Krichbaum, der Leiter der Geheimen Feldpolizei, Franz Rademacher, der Leiter des Judenreferats im Auswärtigen Amt, Walter Rauff, der Erfinder der mobilen Gaskammer und andere Verbrecher mehr, die durch ihre Verwendung beim BND lange einem Prozess entgingen, denen der Kalte Krieg ein gutes Auskommen sicherte und eine neue Identität bescherte.
Die Amerikaner betrieben den neuen Geheimdienst zunächst als eine Art Außenstelle der US-Armee, die erst in Pullach der CIA unterstellt wurde. Der erste wichtige Auftrag der Organisation war die Funkaufklärung während der russischen Berlin-Blockade und der nachfolgenden Luftbrücke.
Am 1. April 1956 wurde die Organisation Gehlen parallel zur Gründung der Bundeswehr in den Dienst der Bundesrepublik übernommen. Dies geschah ohne jede gesetzliche Grundlage auf Basis geheimer Vereinbarungen im Bundeskanzleramt. Bis 1990 gab es kein Gesetz, das die Tätigkeit des BND regelte, begrenzte oder die Aufgabe präzisierte. Erst mit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts und den daraus folgenden Festlegungen zur informationellen Selbstbestimmung, das als Grundrecht postuliert wurde, wovon heute nur noch wenig zu spüren ist, wurde ein irgendwie gesetzlicher Rahmen geschaffen.
Als Gehlen eine Annäherung der Bundesrepublik unter einer möglichen SPD-Regierung an die Sowjetunion fürchtete, hatte er bereits Pläne für eine Schattenregierung und einen Staatsstreich in der Schublade, die mit der amerikanischen Militärführung abgesprochen waren. Wahlverhalten der Bundebürger und noch stärkere Westbindung durch Adenauer machten diese Pläne dann obsolet. Spannend ist dennoch zu sehen, wie sich eine Organisation auch über einen möglichen Wählerwillen nach Vereinigung oder Ostbindung hinwegsetzte und im amerikanischen Sinne die Ordnung im geheimen gesichert hätte.
Bereits von Bestehen der Organisation Gehlen an hatte der KGB mit Heinz Felfe einen Maulwurf dort platzieren können, der erst 1961 aufflog und den der KGB im Wege der Erpressung zu Felfes Verwicklung in NS-Verbrechen leicht gewinnen konnte. Woran sich wieder zeigt, im Geheimen gedeiht der Unrat geschützt am besten.
Der heutige BND ist eine Bundeoberbehörde und unterliegt formell der Aufsicht durch das Kanzleramt. Daneben gibt es ein parlamentarisches Kontrollgremium, das seine Tätigkeit kontrollieren soll, aber keinerlei inhaltliche Kontrolle hat, da die Arbeit ja geheim ist. Aufgabe des BND ist die Auslandsaufklärung und nebenbei damit die Telefon- und Netzüberwachung, was die Pullacher ehemaligen Gehlen Mitarbeiter heute zur deutschen NSA macht.
Was manche nicht wissen oder nicht beachten, seit Jahren wird in Deutschland vor jedem mobilen Telefonat die 0049 geschaltet, womit es ein Auslandstelefonat ist, das dem Aufklärungsbereich des BND unterliegt, der all diese Gespräche gesetzlich legitimiert ohne zusätzliche richterliche Anweisung mitschneiden darf, womit der BND heute nebenbei das vollständige mobile Telefonnetz in Deutschland auch überwachen lässt und der grundrechtlich garantierte Schutz des gesprochenen Wortes durch eine simple Zahlenkombinationn ganz legal ausgehebelt wurde. Für diese vertrauenvolle Tätigkeit der totalen Überwachung, die sich auch auf das Internet und seine Knotenpunkte bezieht und natürlich weiter eng mit der CIA zusammenarbeitetet, stellt der Bund dem BND dieses Jahr 723,8 Millionen Euro zur Verfügung.
Zumindest polizeiliche Exekutivbefugnisse hat der BND nach § 2 des BND Gesetzes keine, ansonsten darf er zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik sind, alle Informationen sammeln, die dabei helfen und dazu zählen auch personenbezogene Daten. Seine Erkenntnisse gibt der BND an die Bundesregierung und die Abgeordneten des Deutschen Bundestages weiter. Dabei erstellt der BND nach eigenen Angaben rund 300 Berichte im Monat und beantwortet etwa 800 Anfragen zu Krisengebieten oder konkreten Sachverhalten.
Auch mit Diensten anderer Länder arbeitet der BND seit Jahren erfolgreich zusammen. Nachdem durch Snowdens Angaben bekannt wurde, wieviele Daten der BND an die NSA transferiert, wozu auch die Mobilnummern verdächtiger Islamisten gehören, kann heute mit Sicherheit gesagt werden, dass der BND an der Hinrichtung Verdächtiger durch Drohnen des US-Militärs aktiv beteiligt ist und damit rechtlich Mittäter dieser Tötungsdelikte ist. Gäbe es einen Ankläger, der diese Tätigkeit jenseits aller Gesetze rechtlich prüfen lassen würde, wären solche Tötungsdelikte strafbar. Laut BND Gesetz hat der deutsche Geheimdienst, anders als die CIA, keine solchen Exekutivbefugnisse zur Durchführung von geheimen Kommandoaktionen, zu denen auch die gezielte Tötung mittels Drohnen gehört. Doch wo der Ankläger fehlt und die Aufgabe gehörig unbestimmt bleibt, agiert dieser Staat im Staat weiter, ohne dass es einen Aufschrei der Betroffenen gibt, die sich lieber über Beschränkungen im Freizeitpark oder Tempolimits erregen, statt zu begreifen, wie wenig die Tätigkeit und Organisation des BND mit dem Grundgesetz vereinbar ist, wie sehr sich im Laufe der Jahre und in der Informationsgesellschaft noch mehr, ein Staat im Staat gebildet hat, der dringend der Begrenzung bedürfte, die keiner wagt, womöglich auch aus Sorge, der Dienst könnte, über diese Entscheider zu viel wissen.
Helmut Kohl sagte über den teuer finanzierten Dienst nach Ende seiner Dienstzeit, sein Nutzen wäre nahezu null gewesen, sie hätten überhaupt nichts gewusst, wie sich bei allen Anschlägen und sonstigen Fragen heute immer wieder zeigt, regte Kohl sich darüber auf, dass der uneffektiv und miserabel geführte Dienst ihm die Zeit mit Nichtigkeiten gestohlen hätte. Von den gut bezahlten Mitarbeitern in der DDR waren über 90% auch bei der Stasi als Mitarbeiter geführt und also als Doppelagenten tätig und damit letztlich überflüssig wie vermutlich 99,99% aller geheimdienstlicher Tätigkeit, die nur viel kostet und nichts als Überwachung bringt, die nicht ihre Aufgabe eigentlich ist.
Angeblich war der BND auch über den bevorstehenden Mauerbau 1961 in Berlin informiert, tat jedoch nichts, was dieses Wissen für irgendwen nutzbar gemacht hätte. Den Fall der Mauer, den Zusammenbruch der UDSSR und des gesamten Ostblock hat er nicht vorausgesehen. Das wurde ihm, leider ohne weitere Konsequenzen, auch zum Vorwurf gemacht und deutlich die Unfähigkeit des auch nach dem NSA Skandal mit immer mehr Geld und Macht ausgestatteten Geheimdienst, der zum bloßen Machtinstrument der Kontrolle der einheimischen Bevölkerung wurde und illegale Geschäfte wie den Steuerdeal mit Schweizer Banken einfädelte, der angesichts der totalen Kontrolle über die Telekommunikation und das Netz eher voll Schrecken in die Zukunft denken lässt.
So gesehen kann der Staat zwar einen Teil der Ausgaben wieder realisieren, indem er Steuerflüchtlingen auf die Spur kommt, aber das ein Auslandsgeheimdienst allein diese Aufgabe effektiv erfüllt und dafür die totale Kontrolle hat, ist rechtsstaatlich so fragwürdig wie es die Frage stellt, welche Legitimation dieser Dienst als Finanzamtshelfer haben kann und ob das nicht schlimmer noch als bei der Stasi ist.
Der BND wird heute 60. Höchste Zeit ihn kritisch zu betrachten und endlich abzuschaffen. Wir brauchen keinen Geheimdienst mehr, seine Ausgaben sind nicht als Helfershelfer des Finanzamtes zu rechtfertigen und die Überwachung der vollständigen mobilen Kommunikation verstößt weiterhin gegen Grundrechte. Diese Macht und Kontrolle darf in einer Demokratie keiner haben. Schaffen wir den peinlichen Dienst endlich ab und verwenden wir seine Mitarbeiter künftig lieber zur Straßenreinigung und im Umweltschutz oder zur Verstärkung einer rechtsstaatlich arbeitenden Polizei, deren Handeln gerichtlicher Kontrolle unterliegt. Es ist Zeit, gegen den Terror der Geheimen aufzustehen.
jens tuengethal 1.4.2016
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