Donnerstag, 14. April 2016

Kulturgeschichten 0188

Verfolgungsglaube

Wann beginnt Verfolgung und wann ist sie religiös oder rassisch begründet?

Kann Aberglaube etwas mit Rasse zu tun haben?

Was treibt Menschen dazu andere zu verfolgen?

Erdogan fühlt sich verfolgt und beleidigt und möchte sich für sich und sein Volk empört dagegen wehren, sieht sich als Verteidiger von 76 Millionen beleidigter Türken, die nach Ansicht ihres Präsidenten kollektiv zu blöd wären den Witz zu verstehen, wonach zu fragen wäre, ob sein Volk nicht viel schlimmer beleidigt, wer es für zu blöd hält, einen vorher erklärten Witz zu verstehen, da das Volk jedoch nicht gegen diesen humorlosen Präsidenten klagen kann, fragt sich, wer sich nun verfolgt fühlen darf.

Offiziell verfolgt fühlen darf sich nun auch Herr Böhmermann, bekam jedenfalls Polizeischutz, der noch nicht offenbarte, von dem die Gefahr ausging, ob es Erdogans Söhne sind, die nun als Rächer mit Fez und Krummschwert durch Europa eilen, ihren ständig beleidigten Vater zu verteidigen, es der Verband der Gemüse- und Dönerhändler ist, die den Grauen Wölfen nahestehenden zumindest, nicht die netten Türken von nebenan oder gar am Ende das uneinige Kollektiv hiesiger Islamisten, die den möchtegern Sultan verteidigen wollen, weiß keiner so genau, zumindest seien diesmal weder Pegiden noch andere Rechtsradikale beteiligt.

Es fragt sich nun, wer türkische Freunde hat, wer verteidigt die gegen solche Idioten und drohen bald wieder Pogrome gegen eine Randgruppe, bei denen dann aber sicher die Pegiden und ihre Anhänger klatschend in der ersten Reihe stehen, weil sie schon länger das Fundament für die Normalität eines alltäglichen Rassismus liefern?

Was löst rassistische Unruhen gegen religiöse Minderheiten aus und ist ein Brandstifter, wer Witze macht, von denen jeder weiß, sie treffen den Türken an empfindlichster Stelle oder ist dies eher ein Prozess der Annäherung, bei dem die Extreme ausgelotet werden, die jeder bereit ist zu ertragen, um vielleicht irgendwann vernünftig miteinander klar zu kommen?

Klar ist, die Türkei ist im Denken vom Staatsoberhaupt bis zum anatolischen Bauern, auch wenn die sich mentalitätsmäßig scheinbar näher stehen als ein normaler Bürger Istanbuls diesen, noch sehr weit von Europa entfernt und aus unserer Sicht kulturell rückständig insbesondere in Hinblick auf Toleranz, Humor und Kunstfreiheit. 2000 Anklagen wegen Beleidigung des Präsidenten in diesem eben rückständigen Land zeigen geistige Enge und intellektuelle Armut insoweit deutlich auf oder müssen wir verständnisvoll sein, weil die  Orientalen eben anders sind, ihr Temperament nicht unter Kontrolle haben, wenn sie sich persönlich beleidigt fühlen, nach steinzeitlich atavistischen Mustern ganz natürlich reagieren, weil sie kulturell noch nicht weiter sind?

Wer türkische Literatur und Satire kennt, wird wissen, die letzte Vermutung gehört eher ins Reich der Phantasie der Pegiden und so fragt sich, bevor ich zum heutigen Tag einen Blick in die Geschichte der Toleranz, Intoleranz und Massaker werfe, wer hier wen beleidigt und für dumm verkauft. Hat Merkel das türkische Volk gekränkt, weil es ihm durch ihr Verständnis für den nächsten lächerlichen, cholerischen Anfall des Präsidenten gezeigt hat, was es von ihm hält, wie unreif es ist und fern von Europa?

Bin ich vielleicht eher der Rassist, weil ich die Türken unter der Meinung ihres zufällig Präsidenten zusammenfasse und was hat es mit dem islamischen Aberglauben zu tun?

Und schon wieder ein Fettnäpfchen, das aus Sicht der Islamisten, wie sie auch in Saudi  Arabien regieren, den Prozess mit drakonischen Strafen gegen mich rechtfertigte - ich habe die Sekte des Propheten einen Aberglauben genannt, wo er sich doch nach den logisch beschränkten Gläubigen um den einzig wahren Glauben handelt, auch wenn für ihn und seine behauptete Wahrheit nicht mehr spricht als für das Spaghettimonster, nur dafür um so mehr Leichen gegen ihn.

Lessing ließ dazu in seinem Nathan, den weisen Juden die Parabel vom Ring erzählen, der schön, klug und beliebt macht und dem Vater, der sich nicht entscheiden kann, welchem seiner drei Söhne er den Ring geben soll und darum zwei identische anfertigen und jedem einen vermacht und als ein Richter entscheiden soll, welcher Ring der Wahre sei, diesen die weisen Worte sprechen lässt, wenn er beliebt, schön und klug macht, müsste es doch wohl ein leichtes sein, den Träger des wahren Rings zu identifizieren und so mühten sich alle drei dem Ideal des Rings zu entsprechen, weil keiner weiß, welcher der wahre Ring ist, es vielleicht überhaupt keinen wahren mehr gibt, weil dieser verloren ging, es ohnehin immer mehr auf das Bemühen als die Staffage ankommt, die Wahrheit logisch die Erfindung eines Lügners sein muss.

Wie verhielt es sich in der Geschichte des 13. April mit Toleranz, Intoleranz und Aberglaube?

Ins Zentrum würde ich gern den 13. April 1598 rücken, an dem König Henry IV. das Edikt von Nantes unterzeichnete, damit den Hugenotten im katholischen Frankreich die freie Religionsausübung garantierte, 36 Jahre religiöser Bürgerkriege endlich beendete, den Schlusspunkt unter die Hugenottenkriege setzte, bis sein Sohn und sein Enkel wieder anfingen zu vertreiben, aber das ist schon wieder eine andere Geschichte, die bis zu Preußens Aufstieg zur Weltmacht führt.

Henry war, bevor er katholischer König von Frankreich wurde, protestantischer von Navarra, im Südwesten Frankreichs, teilweise nach Spanien reichend. Er focht in den Hugenottenkriegen auf beiden Seiten, seine Hochzeit mit der Schwester des Königs bot mit der Bartholomäusnacht einen der Höhepunkte der Massaker gegen seine protestantischen Freunde und Verbündeten. Es wurde dabei sein genialer Freund und Berater der Admiral Coligny getötet, der für die protestantische Sache focht, die reformierten Niederlande gegen Spanien retten wollte, viel Einfluss auf den jungen labilen König hatte. Zuviel, wie die Mutter des Königs, Katharina von Medici, und die erzkatholischen Valois Vettern aus der Familie der Frau des Königs meinten.

Henry hatte in seinem Leben einigemale seine Mitgliedschaft in der einen oder anderen Kirche gewechselt, auch nach seiner Hochzeit wieder, bis er, als er König wurde und kurz davor stand, Paris zu nehmen, sagte, dies sei eine Messe wert und ab da, wenn überhaupt, katholische Messen hörte. Manche sagten, er hätte seinen Glauben gewechselt, das halte ich für ein Gerücht und nach allem, was über Henry bekannt ist, spricht mehr dafür, dass sich sein Glauben nie änderte, nur der Verein für den er in der politischen Liga spielte, eben die Farbe des Etiketts bestimmte.

Im Edikt von Nantes spiegelt sich die Lebenserfahrung von Henry aber mehr noch der Geist seines da bereits verstorbenen Freundes und langjährigen Beraters Michel de Montaigne. Der Jurist, Politiker, Philosoph und Begründer der Essayistik, dem ich voller Bewunderung für seine unerreichte Größe nur im kleinsten Kreise nacheifre, stammte aus dem Périgord und lebte nach seiner Zeit als Bürgermeister von Bordeaux vorzugsweise in seinem Turm. Auch wenn er Gesellschaft und Freunde sehr schätzte, sah er die Arbeit für Henry gerade in Paris als eher lästig an, der er neben seinen immer wieder Koliken nur aus Pflichtgefühl nachkam. Michel war Katholik, wollte daran auch nie etwas ändern und äußert sich ansonsten nicht viel zum Thema Gott, der für ihn kaum eine Rolle spielte, hatte Protestanten und Katholiken in seiner Familie und zuwider waren ihm nur die, die alle anderen überzeugen wollten von ihrem einzig wahren Weg.

Der Denker und Philosoph Montaigne war stark vom damals noch relativ frisch wiederentdeckten Lukrez und dessen de rerum natura geprägt, einer Schrift, die Rom völlig zu unterdrücken versucht hatte und die sie wieder auf den Index setzen würde, die Montaigne jedoch nachweislich in seiner sehr gut bestückten Bibliothek hatte und aus der er wiederholt, wenn auch vorsichtig und nur in Andeutungen zitierte, um sich nicht angreifbar zu machen, denn mehr noch als Epikuräer war er ein Freund der Toleranz und Gelassenheit, die lehrt, sich von nichts erschüttern zu lassen, ohne zugleich ein Stoiker zu sein. Wieviel Größe es hat, sich des Urteils eher zu enthalten, merkt der Leser Montaignes, der sich Zeit nimmt und nicht einfach nur Antworten und Muster für alle Lebensfragen bei dem Franzosen sucht.

Aber zurück von diesem kleinen Ausflug in die französische Renaissance am Beginn der Neuzeit, der nur verdeutlichen sollte, welcher Geist das Edikt von Nantes prägte und warum Henry trotz aller auch gewalttätigen Versuche, ihn aufzuhalten, zu solch einem wichtigen und guten König für Frankreich wurde und wie sehr darauf auch Michel Einfluss hatte, der den jungen Heißsporn aus Navarra manches mal ausbremste in seinem Eifer, um einen Weg der Mitte zu suchen, dazu ein kleines Zitat des französischen Denkers, was dies illustriert:

“Möge Gott mich vor mir selbst beschützen.”

Steter Zweifel auch an sich schützt davor, eigene zufällige Überzeugungen für die letzte Wahrheit zu halten und dabei mit der Hoffnung zu leben, nicht seiner eigenen Beschränktheit zu verfallen, weil ehrlich mit sich, um diese wissend es ihm mehr um das Glück als um vermeintliche Wahrheiten geht.

Es ist das Thema des Aberglauben und der Massaker in seinem Namen, die zufällig alle auf diesen 13. April fielen eben auch ein zutiefst philosophisches und wie außer geistig, sollen wir uns ihm nähern?

Fast hundert Jahre galt das Edikt von Nantes, bis es Ludwig XIV. mit dem Edikt von Fontainebleau wieder aufhob und die Hugenotten zum Wohle Preußens und Hannovers aus Frankreich vertrieb. Henry hatte den Katholizismus als Staatsreligion festgelegt aber den Calvinisten weitgehende Rechte zugestanden, ihnen den Zugang zu öffentlichen Ämtern ermöglicht, sie nahezu gleichberechtigt, womit es ihm gelang auch Gegenden wieder katholisch zu machen, die zuvor fest in protestantischer Hand waren, wie seine Heimat Navarra.

Das Edikt war ein Wendepunkt im Denken und im Umgang miteinander, natürlich ließ es nominell den Anspruch der katholischen Kirche bestehen, verbat zunächst Tempel in Paris und in der Nähe großer Bischofssitze, doch der Kern des Nebeneinander und der Toleranz war gepflanzt, es ging nicht mehr um die eine wahre Religion, die alle anderen Sichten mit Gewalt als Häretiker verfolgt, sondern es wurde der Anspruch relativiert, womit der absolutistische Wahrheitsanspruch der einen logisch relativiert wurde. Dies wohl ist auch einer der Gründe warum Kardinal Richelieu, der Berater der Mutter des Thronfolgers und dessen langjähriger Berater so entschieden wenn auch zunächst erfolglos gegen das Edikt von Nantes ankämpfte. Es relativierte den absoluten Anspruch und damit letztlich allen Glauben auf lange Sicht, auch wenn manche länger dafür brauchen, es zu begreifen.

Dieser höchst aufgeklärte Gedanke als Ergebnis sinnloser Glaubenskriege wurde im Deutschen Reich noch 50 Jahre später, insbesondere von 1618-1648, im Dreißigjährigen Krieg ausgefochten und kam danach für Europa zu einem relativ ähnlichen Ergebnis - es gab verschiedene Sichten auf das eine höchste Wesen und damit sie zusammenleben konnten, mussten sie Wege der Toleranz und Akzeptanz lernen.

Das, was Erdogan noch vor sich hat, hatte Henry IV, im Gegensatz zu den Valois Vettern und seinem streng katholischen Mörder von 1610, verinnerlicht. Es gibt nicht die eine Wahrheit sondern wir müssen eher lernen, miteinander klarzukommen, als uns mit Gewalt durchzusetzen. Wenn aber keiner absolut Recht hat, gibt es nur einen relativen Gott, so existent, wie es in den Zeitgeist noch gerade passt, Mittel zum Zweck aber keine Natur sondern nur Aberglaube, sonst nichts, für den sich entscheiden kann, wer meint, es nötig  zu haben, den weg lässt, wer sich frei genug fühlt, der für niemanden verbindlich ist als diejenigen, die es so wollen. Doch von der Konsequenz dieses Denkens sind wir immer noch weit entfernt, in islamischen Ländern, die ja bekanntlich in vielem sehr rückständig sind, könnte mich diese schlicht logische Feststellung den Kopf kosten, genau wie der Text des Lukrez, der uns wunderbar in Versen vorführt, wie relativ willkürlich und überflüssig die Annahme eines Gottes ist.

Aber die dogmatischen Monotheisten mordeten nicht nur, sie wurden auch Opfer der Mordlust der anderen, besonders da, wo sie noch in der Minderheit waren. Am 13. April 344 kam es zum Höhepunkt der Christenverfolgung im Sasanidenreich, bei denen lange gestritten wurde, ob die mit einem oder zwei s geschrieben werden. Dieses persische Reich, das auf dem Gebiet des heutigen Iran, Irak, Kurdistan, Afghanistan, Pakistan und anderer Nachbarn zwischen 240 und etwa 650 bestand ließ an jenem den Christen in ihrem Reich heiligen Karfreitag rund 1000 Christen um ihren Bischof Simoin bar Sabbae hinrichten, der sich geweigert hatte, höhere Steuern für die Regierung zu erheben. Ansonsten waren die dem Zoroatrismus anhängenden Sasaniden ziemlich tolerant, doch wurde den Christen misstraut, zumal sich das ehemalige römische Weltreich in ein christliches zu diesem Zeitpunkt gerade wandelte. Das Aufkommen der muslimischen Sekte und deren militärische Erfolge verdrängten das Sasanidenreich, was den Christen des Orients wenig nutzte.

Gemordet wurde früh, auch des Glaubens wegen, doch ging es im Fall des Karfreitagsmordes wohl eher um politische Macht und die Verweigerung der Steuereintreibung oder Erhöhung war ein klares Signal zum Aufstand, was so wohl von keiner Sekte toleriert wurde, auch wenn es damals noch nicht um die Hälfte des Einkommens ging wie heute sondern um Zehnte, also 10%, und ein wenig darüber. Minderheiten waren immer willkommene Opfer der Diskriminierung und was Christen mit den Juden und anderen taten, war den anderen mit den Christen scheinbar genauso recht.

Fraglich, ob es weniger an der zufälligen Religion als am Wesen des Menschen immer liegt?

Zumindest genügte nicht die Unterscheidung Christ oder nicht, vor Mord und Totschlag zu schützen. Am 13. April 1204 eroberten christliche Kreuzfahrer im Rahmen des vierten Kreuzzuges Konstantinopel, plünderten die Stadt und töteten bei der folgenden Brandschatzung etwa 2000 christliche Einwohner. Der vierte Kreuzzug bestand hauptsächlich aus Franzosen und Seeleuten der Republik Venedig, die eigentlich Ägypten erobern wollten, sich aber damit begnügten, die Orthodoxen auf dem Balkan zu terrorisieren und Konstantinopel zu erobern und zu schwächen. All dies geschah offiziell unter energischem Protest des Papstes. Die Franzosen hatten mit den Venezianern die Bezahlung des Transportes, der einen Großteil der venezianischen Flotte binden sollte, durch die Hälfte der Eroberungen erst in Palästina, dann in Ägypten vereinbart. Als die Kreuzfahrer dann tatsächlich endlich mit deutlich weniger Leuten in Venedig ankamen und natürlich kein Geld hatten, um die vorab geschuldeten 85.000 Mark Silber zu bezahlen. Die Venezianer als gewiefte Geschäftsleute ahnten, dass der ganze Kreuzzug schief gehen würde, sie die Kosten bei einem Scheitern nicht ersetzt bekamen, warum zuerst beschlossen wurde die orthodoxe Stadt Zara in Dalmatien als quasi Vorableistung zu erobern. Das gelang erfolgreich und daraufhin stießen sie gemeinsam in See aber nicht gen Ägypten sondern wie ursprünglich wohl von Venedig geplant gen Konstantinopel, wo es schon länger Auseinandersetzungen mit dem dort Kaiser gab bezüglich der Siedlung der rund 500.000 italienischen Kaufleute im Rom des Ostens. Zunächst etwa 1177 war eine Siedlung der Genueser niedergebrannt worden, angeblich durch Venezianer, die dann verfolgt und vertrieben wurden, woraufhin der Doge seine Flotte losschickte, die gerade noch gestoppt werden konnte. Zwölf Jahre später 1189 hatte der Kaiser dem anderen Kaiser Friedrich Barbarossa die geschützte Überfahrt verweigert, um, wohl aufgrund einer ganz geheimen Vereinbarung mit Saladin, diesen auf seiner Fahrt ins Heilige Land aufzuhalten, was er dann ohne Absicht und obwohl doch über die Meerenge gekommen, selbst durch Ersaufen in einem Fluß in Syrien tat, wie heute die Syrer auf dem Weg nach Europa in der Mitte oft ersaufen. Den oströmischen Kaiser hatte er vorher durch Eroberungen und Terror zur Mithilfe gezwungen, der gemeinsame Kreuzzugsgedanke zur Eroberung der Heiligen Stätten für die Christenheit war damit endgültig Geschichte. Die Arbeitsverweigerung der meisten westlichen Christen nach dem Hilferufs Konstantinopels  250 Jahre später belegt, wie fern sich die einander metzelnden Glaubensbrüder längst waren.

In eine andere Richtung weist dagegen am 13. April 1829 die Ratifizierung des Catholic Relief Act mit dem den Katholiken die freie Religionsausübung im Königreich gestattet und die Testakte von 1673 und der Supremationseid abgeschafft wurden. Die Katholiken wurden damit gleichberechtigt gegenüber den Anglikanern unter dem Hannoveraner George IV., was zumindest für den sonst eher verschwendungs- und opiumsüchtigen Monarchen sprach.

Dagegen bewiesen die Briten wieder eine eher imperiale Gesinnung als sie 39 Jahre später, am 13. April 1868 in der Schlacht von Magdala als sie im Rahmen einer Strafexpedition nach Äthiopien unter dem Kommando von Robert Napier den dortigen König Negus Theodor II. vernichtend schlugen. Diese schon unter Queen Victoria stattfindende Expedition machte Robert Napier nach der Rückkehr zu einem reichen Mann und Baron Napier of Magdala, obwohl er die Stadt, nach der er seinen Titel erhielt, nach massivem Beschuss niederbrennen ließ, sich der äthiopische König schon erschossen hatte. Der anschließende Raub von Kunstschätzen und mehr aus Magdala ist bis heute nicht rückabgewickelt worden, noch ruhen die Schätze in englischen Museen und Äthiopier kämpfen um Teile ihrer Kultur in der Negus zum Nationalhelden avancierte, der sich den imperialen Briten frech und frei entgegenstellte.

Beim heute engen Verbündeten der Briten, den USA, brachen am 13. April 1873 in Colifax im Bundesstaat Louisiana schwere Rassenunruhen aus, denen bis zu 150 Menschen zum Opfer fielen. Beim Colifax-Massaker überwältigten bewaffnete, weiße Rassisten freigelassene Sklaven und die schwarze Bürgerwehr. Sie ermordeten alle Gefangenen. Bis 1877 blieben darum Truppen des Bundes in Colifax stationiert. Ihr Rassismusproblem haben die USA bis heute nicht gelöst. Die Grausamkeit des Massakers und der Blick immer noch viele weißer Bewohner der Südstaaten der USA zeugen von einem tief verwurzelten Rassismus, der durch die sozialen Strukturen noch verstärkt wird, weil arm geborene Afroamerikaner bis heute sehr viel schlechtere Chancen zu Integration und Aufstieg haben, damit anfälliger für Kriminalität und Gewalt sind, als Mittel dagegen meist nur Gewalt genutzt wird, bis wieder neue Rassenunruhen ausbrechen, an denen auch ein schwarzer Präsident nichts ändern konnte.

Wieder die Briten zeigten am 13. April 1919 in Amritsar im Punjab, Indien, ihre Haltung gegenüber der indischen Bevölkerung. Beim Massaker von Amritsar eröffneten die britischen Truppen das Feuer auf eine Menge unbewaffneter Demonstranten, töteten 400 und verletzten 1000 von ihnen. Die Sikhs, Muslime und Hindus hatten für die  Unabhängigkeit Indiens demonstriert als britische Soldaten und indische Gurkhas das Feuer auf Männer, Frauen und Kinder gleichermaßen eröffneten. Es war vorher auf Initiative des Indischen Nationalkongressess zu Massendemonstrationen im ganzen Land gegen soziale Ungerechtigkeiten und Ungleichbehandlungen gekommen. Aufgrund dabei entstandener Unruhen galt ein weitgehendes Demonstrationsverbot und ein Schießbefehl bei Zuwiderhandelungen.

Das Massaker fand in einem von Mauern umgebenen Park statt. Manche Quellen berichten, die Soldaten hätten vor dem ersten Schuss noch gewarnt. Der einzige Fluchtweg von dem mit Mauern umfriedeten Platz aber war von Soldaten selbst versperrt. Die Debatte um die Zahl der tatsächlichen Opfer ist bis heute nicht abgeschlossenen. Brigadegeneral Reginald Dyer behauptete, er habe sich einer revolutionären Armee gegenüber gesehen und darum dem Punjab eine “Lektion Moral” erteilt. Als Folge des Massakers und um den beginnenden Unruhen zu begegnen, wurde der Brigadegeneral zunächst in den inaktiven Zustand versetzt und sodann mangels Komando auf den Rang eines Oberst zurückgestuft. Der damalige Oberkommandeur stufte Dyer sodann als für weitere Beförderungen nicht geeignet ein.

Winston Churchill verurteilte das Massaker als außergewöhnlich monströses Ereignis, das in einzigartiger und unheilvoller Art für sich selbst steht. Dyer sagte vor dem Untersuchungsausschuss aus, er halte es für möglich, dass er die Versammlung auch ohne zu schießen, hätte auflösen können, doch wollte er verhindern, dass der ausgelacht würde und er wäre nicht dazu bereit gewesen, sich lächerlich zu machen. Weltweit wurde das Massaker einhellig verurteilt, nicht jedoch in Großbritannien. Dort begrüßten hohe Offiziere die Niederschlagung einer weiteren indischen Meuterei, das britische Oberhaus stellte Dyer eine ausdrückliche Empfehlung aus und die Tories ehrten ihn mit einem edelsteinbehangenen Kreuz mit der Aufschrift “Retter des Punjab” und der Morning Post sammelte 26.000 Pfund zur Unterstützung Dyers, dem die Pension nahegelegt worden war.

Das Massaker stärkte die indische Unabhängigkeitsbewegung und erhöhte die Wut im Land. Im Jahre 1940 erschoss ein Sikh den ehemaligen Gouverneur mit der Begründung, dieser haben den Geist seines Volkes zerstören und unterdrücken wollen und es darum verdient. Udham Singh wurde für diese Tat hingerichtet. Es dauerte bis 1997, dass die britische Königin Elisabeth II. einen Kranz für die Opfer am Ort des Massakers nierderlegte.

Die Haltung des Offiziers, der, um sich nicht lächerlich zu machen, lieber hunderte Menschen erschießen lässt, zeugt von einer zutiefst rassistischen Gesinnung, wie sie dem damaligen kolonialen Geist entsprach. Die Haltung vieler Briten dazu war erschreckend, weil sie zeigte wie weit ihr Herrenmenschendenken ging. Die Türkei hat bis heute nicht die Verantwortung für den Völkermord an den Armeniern übernommen. Im Gegenteil tut Sultan Erdogan alles, die nationalistische Sicht auf diese Ereignisse aufrechtzuerhalten, die auch erschreckend viele Deutschtürken noch immer teilen, mit teils abstrusen Begründungen. Gelernt hat die heutige Türkei sichtbar nichts aus ihrer Geschichte, ob sie damit je ein zuverlässiger Partner sein kann oder mit der Verleugnung nur die Basis für eine neue Vernichtungspolitik wie gerade gegen die Kurden legt, sollte strenger geprüft werden, auch inwieweit ein solcher Staat je zuverlässiger Vertragspartner sein kann, der Europa nach momentander Situation leicht erpressen kann. Jenseits der Frage, wie zuverlässig diese Türkei je ist, bleibt offen, welche Alternative es derzeit für die Menschen auf der Flucht gibt und was eine angemessene Antwort Europas wäre, um sich seiner Verantwortung zu stellen.

Am 13. April 1943 meldete der Großdeutsche Rundfunk die Auffindung von Massengräbern mit polnischen Offizieren in Katyn bei Smolensk. Die Sowjetunion stritt in der Folgezeit jede Beteiligung am Massaker von Katyn ab.

Die Angehörigen des NKWD, des sowjetischen Volkskommisariats für innere Angelegenheiten hatten vom 3. April bis 4. Mai 1940 etwa 4400 gefangene Polen. größtenteils Offiziere in dem dem Wald bei Katyn erschossen. Die Tat gehört zu einer Reihe von Morden an polnischen Offizieren, Polizisten und Intellektuellen, bei der etwa 25.000 Menschen getötet wurden. Die Massenmorde waren von Stalin selbst entschieden und daraufhin vom Politbüro der Kommunistischen Partei ausgeführt worden. Der Name Katyn wurde zum nationalen Symbol des Leidens der Polen unter sowjetischer Herrschaft.

Die Massengräber waren bereits 1942 von polnischen Zwangsarbeitern entdeckt worden, wurden vom deutschen NS-Regime aber erst 1943 bekanntgegeben, um einen Keil in die Koaliton gegen Deutschland zu treiben, von eigenen Massakern abzulenken. Die Sowjetunion leugnete jede Verantwortung, verweigerte eine internationale Untersuchung, lastete die Schuld den Deutschen an und hielt an dieser Geschichtsfälschung bis 1990 fest. Bereits in den 50er Jahren hatten polnische Historiker und ein vom US-Kongress eingesetzter Ausschuss die sowjetische Schuld bewiesen. Erst nach neuen Dokumentefunden im Jahre 1990 räumte der damalige sowjetische Präsident Michail Gorbatschow die Verantwortung der UDSSR ein und entschuldigte sich beim polnischen Volk. Putin und Tusk gedachten 2010 erstmals gemeinsam der Opfer. Jedoch gab es für noch lebende Täter bis heute keine Strafverfolgung in Russland. Angehörige der Opfer klagten in Russland vergebens auf Einsicht in die Ermittlungsakten, Auskunft über die Todesumstände, deren juristische Rehabilitierung und Entschädigung.

Das Auftreten des russischen Präsidenten Putin ist dabei im Gegensatz zu der Entschuldigung durch Gorbatschow zweischneidig. Einerseits gedenkt er der Opfer, andererseits verweigert er weiter Aufklärung und Entschädigung und die Täter des NKWD werden in neuer Sowjet-Verklärung nicht angetastet, was die Übernahme der Verantwortung als gesellschaftlichen Prozess in Frage stellt. Hat Russland wirklich je etwas aus den Verbrechen der Stalin-Zeit gelernt?

Wie kann ein Partner werden, wer sich seiner historischen Verantwortung nicht stellt und wie sehr ähnelt Putin hier auch Erdogan?

Wäre das gemeinsame Gedenken mit Tusk und das Geständnis von Gorbatschow der Schlüssel zu einem neuen Umgang mit der Geschichte, könnte Russland hier durch Vertrauen stärker eingebunden werden?

Führt Anklage, Konfrontation und Isolation hier weiter oder ist es sinnvoller im Wege des Dialoges langsame Brücken zu bauen?

Ein letztes Massaker kurz vor Kriegsende am 13. April 1945 begingen KZ-Wachmannschaften, Luftwaffensoldaten, Angehörige des Reichsarbeitsdienstes und KZ-Kapos an über 1000 KZ-Häftlingen. Der Massenmord fand in der Isenschibber-Feldscheune in der Nähe der Stadt Gardelegen statt. Wegen der sich nähernden Alliierten waren verschiedene Außenlager der Konzentrationslager im Harz und im Großraum Hannover geräumt worden. Über 1000 kranke Häftlinge sollten bevor die Alliierten Truppen kamen noch zur Vernichtung nach Bergen-Belsen transportiert werden, wobei keiner der Häftlinge wusste, was ihm bevorstand. Aufgrund der kriegsbedingten Unterbrechung der Bahnlinien und die Zerstörung zahlreicher Lokomotiven konnte der Transport nicht mehr realisiert werden. Die Häftlinge wurden daraufhin auf den Marsch in eine Kaserne in Gardelegen geschickt. Inzwischen hatte NSDAP-Kreisleiter Gerhard Thiele die Ermordung der noch übrigen Gefangenen vorbereitet. Die Gefangenen wurden in Kolonnen zu je 100 Personen in Richtung der Feldscheune nahe dem Gut Isenschnibbe geschickt.

Die Scheune war verriegelt und die Gefangenen wurden dort eingesperrt. Der Boden war mit benzingetränktem Stroh bedeckt, das die Bewacher anzündeten. Mehrfach konnten die Gefangenen es noch mit eigener Kleidung löschen oder austreten. Die Wachmannschaften schossen sodann ins Innere der Scheune. Dabei wurden Maschinengewehre, Handgranaten, Panzerfäuste, Signalmunition und Phosphorgranaten verwandt. In der Nacht wurde mehrfach Benzin aus Gardelegen herbeigeschafft, um die Leichen in der Scheune zu verbrennen. Das Verscharren der verkohlten Leichen gelang nur unvollkommen, obwohl zahlreiche Männer aus Gardelegen noch dabei halfen.

Am 14. April nahm die 102. Infanteriedivision Gardelegen ein und die Kapitulation erfolgte genau 24 Stunden nach Beginn der Massenmorde. Einen Tag darauf am 15. April 1945 entdeckten US-Soldaten den Ort des Geschehens. Die Zahl der Überlebenden wird dabei nach unterschiedlichen Quellen zwischen 7 und 33 angegeben. Beteiligt an der Ermordung waren NSDAP-Funktionäre, Männer der SS und Waffen-SS, Soldaten der Luftwaffe und der örtlichen Kavallerieschule, Mitglieder einer Falschirmjägereinheit, Polizeikräfte, Angehörige der Hitlerjugend, Volkssturmmänner und Angehörige des Reichsarbeitsdienstes, wie des Technischen Notdienstes und der Feuerwehr, sowie  25 Kapos, die kurz zuvor freigelassen und in Wächteruniformen gesteckt worden waren.

Die Amerikaner erschossen 20 SS-Männer als Beteiligte am Massenmord noch an Ort und Stelle. Der Hauptverantwortliche für den Massenmord, der NSDAP-Kreisleiter und SS-Obersturmbannführer Gerhard Thiele entkam unerkannt und konnte untertauchen, er starb 1994 in Düsseldorf und wurde erst danach erkannt.

Die breite Beteiligung an der Tat zeigt, die bestialische NS-Ideologie war in weite Kreise der Gesellschaft eingedrungen, die sograr noch kurz vor Kriegsende sich gehorsam und eifrig am Massenmord beteiligte. Der Wert eines Menschenleben war gering und es war nicht nur eine kleine böse Elite, die sich zum Morden bereit fand, sondern weite Teile der Gesellschaft wie die Herkunft der Beteiligten am Massaker verdeutlicht. Auch wenn unklar ist, inwieweit die Täter nur vor der Wahl standen, zu erschießen oder selbst erschossen zu werden, wenn sie nicht mithalfen und Angst verbreitet war, wäre die organisierte und bestialische Ermordung von über 1000 Menschen innerhalb von 24h nicht ohne aktive Mitarbeit weiter Teile der Bevölkerung möglich gewesen. Die Hansestadt Gardelegen liegt in Sachsen-Anhalt, wo der rassistische AfD bei den letzten Wahlen in weiten Teilen nahezu 30% Zustimmung fand und Brandanschläge oder Übergrife gegen Flüchtlinge an der Tagesordnung sind. Zu DDR-Zeiten gab es eine große Gedenkstätte im monströsen DDR Stil und es gab einen jährlichen Gedenktag am 14. April zu dem die SED alle rief. In der Bundesrepublik wird weniger zentral, stiller und am Tag des Massakers gedacht.

Die Schrecken der Verfolgung an diesem 13. April reichen weit durch die Jahrtausende. Ob die Menschen etwas daraus gelernt haben, scheint zweifelhaft. Der Bundeskanzlerin wird ihr Einsatz für Verfolgte, denen sie Zuflucht bot, übel genommen und zum Vorwurf gemacht, weil die Menschen voller Missgunst und Neid Angst haben, zu kurz zu kommen. Merkel flüchtet sich mit der Türkei in schlechte Kompromisse mit einem Autokraten, gegen den im Sinne unserer Wertordnung eher mit Sanktionen vorgegangen werden müsste. Dennoch könnte dies Vorgehen in der momentanen Situation geboten sein, um der Lage Herr zu werden und ist daneben, wenn wir einen rechtsstaatlichen Prozess hier zulassen, eine wunderbare Gelegenheit dem Türken einen funktionierenden Rechtsstaat vorzuführen, der ihn gehörig lächerlich machen wird mit seinem Wunsch nach Rache.

Problematisch könnte sein, inwieweit der islamistische Politiker auch den türkischen Teil der hiesigen Bevölkerung aufhetzen kann mit seiner These von der Beleidigung aller Türken und dem Appell an das Ehrgefühl seiner Landsleute. Richtig ist das Argument mancher Türken, dass es in der Türkei keine rechtsradikalen Übergriffe gegen Flüchtlinge gibt und sich Deutschland dafür schämen sollte. Auch das Auftreten der rechtsradikalen Vaterlandsverteidiger schadet dem Ansehen des Landes und nimmt den Einwendungen gegen die Menschenrechtsverletzungen Erdogans viel an Glaubwürdigkeit.

Vielleicht wäre es darum klüger, sich an dieser Stelle mit Kritik an der Türkei  zurückzuhalten, wie es die Kanzlerin aus welchen Gründen auch immer derzeit tut, um zunächst die eigenen Hausaufgaben in dieser Sache zu erledigen. Solange deutsche Geheimdienste und ihre V-Männer im Verdacht stehen, rechtsradikale Terroristen und Mörder gedeckt zu haben, keinen Überwachungsbedarf angesichts einer rechten Szene sehen, die massiv rassistische Ausgrenzung betreibt und einer Partei deren Führung sich dafür ausspricht an der Grenze auf Flüchtlinge zu schießen, scheint der Ankläger und Verteidiger der Meinungsfreiheit wenig Glaubwürdigkeit zu besitzen.

Das Gedicht war rassistisch und böse im Tenor, es sollte zwar nur zeigen, was nicht geht, lotete genau die Schmerzgrenzen der Beleidigung und Diskriminierung aus, auch wenn es das erklärtermaßen nicht sollte. Es gibt keinen Grund, sich hinter diesen Text zu stellen, der eher wie ein pubertäres Bubenstück rassistischer Jugend in Sachsen-Anhalt klingt, wo Gardelegen liegt. Es ist gut, die Meinungsfreiheit genau wie bei Charlie Hebdo zu verteidigen und die Kunstfreiheit der Satire, die hervorragend auch unsere Regierung an ihre Grenzen führte und die Gelassenheit verlieren ließ. Aber es ist fragwürdig dies um des Wortlautes eines eigentlich rassistischen Gedichtes zu tun. Der Text ist klar abzulehnen, der Kontext in dem er stand, machte aber deutlich, es sollte kein rassistischer Angriff, sondern die Auslotung der Grenzen dessen sein, was zulässig ist. Dies wird die Rechtsprechung ähnlich beurteilen und wir können ruhig auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vertrauen, das der Meinungsfreiheit einen extrem hohen Wert beimisst. Muss zum Glück kein Urteil über diesen Text fällen und auch die Politik des türkischen Präsidenten nicht beurteilen, zu vermuten, diese Prozesse werden ihm eher eine Lektion in Sachen Rechtsstaatlichkeit erteilen, liegt aber näher, als die Angst ein Prozess gegen den Autor könnte die Meinungsfreiheit hier verraten und die Bürger müssten auf die Straße gehen, sie in Solidarität mit Böhmermann zu verteidigen.

Eher macht mir der Zuspruch für die offen rassistischen Äußerungen im Mantel der Satire aus der rechten Ecke Sorge, die keine Verteidigung der Meinungsfreiheit beabsichtigen, sondern ausschließlich die Bloßstellung der Kanzlerin wünschen und die öffentliche Bestätigung ihrer Vorurteile feiern, vermutlich meist nicht einmal die doppelte Ironie dieser Satire verstanden. Warum verteidigt Springer Böhmermann so massiv und stellt sich hinter einen Text, der, wäre er gegen den israelischen Ministerpräsidenten gerichtet, hier sofort den Schrei nach Verurteilung ertönen lassen würde?

Solidarität verdient der Künstler Böhmermann nun nicht für ein schlechtes Gedicht, das mit dummen Vorurteilen spielt, auch wenn Erdogan mit seiner cholerischen Reaktion sie fast zu bestätigen scheint, sondern weil er bedroht wird, Polizeischutz braucht und damit ein Misserständnis zur Staatsaffäre wird, in der ein demokratieferner türkischer Präsident, der sich wie ein beleidigter Pascha aufführt und die hiesige türkische Bevölkerung so aufhetzte, dass sich ein Künstler bedroht sieht. Da muss die Kunstfreiheit und der Mensch verteidigt werden, nicht seines schlechten Gedichtes wegen, sondern weil ein Deutscher zum Opfer der Hetze eines türkischen Politikers zu werden droht.

Vielleicht wäre es klug, wenn Böhmermann Erdogan erklärte, dass der Text keine Beleidigung war sondern erklären sollte, was nicht geht, er ihn nicht so beleidigen wollte, es nur eine satirische Überspitzung verbreiteter Vorurteile auf rassistischer Basis war, um zu zeigen, was hier nicht geht. Vermutlich ließe sich diese Affäre dann schmerzloser erledigen, bevor es mal wieder zu Morden oder Massakern kommt. Die Geschichte warnt uns zumindest wie schnell eine solche Situation kippen kann und mein Vertrauen in die gerade so lauten deutschen Freiheitskämpfer ist nicht so groß, dass ich annehmen würde, sie stimmten nicht insgeheim doch dem Gedicht zu und freuten sich daran, was, wäre es so gemeint, allen Grund zu einer Anklage und womöglich Verurteilung gäbe. So kritisch ich Erdogan sehe, würde ich doch eine solch rassistische Beurteilung seiner Person immer ablehnen und finde es wichtig, dass der Rechtsstaat da die Grenzen des Anstandes wahrt. Was übrigens auch für viele der nicht nur latent rassistischen Kommentare gegen Geflüchtete in allen sozialen Netzwerken gilt. Sie wären auch einer Verfolgung wert und wenn der Springer Chef Döpfner behauptet, er stünde hinter dem Gedicht, fragte sich eher, wer den Wertkonsens des Grundgesetzes nicht verstanden hat.

Ein wenig Zurückhaltung und mehr Höflichkeit im Umgang könnte allen gut tun, die sich öffentlich äußern, um nicht noch die Brandstiftung weiter zu treiben. Es braucht keine Solidarität mit der gefährdeteten Meinungsfreiheit hierzulande, das ist albern, es braucht nur Solidarität mit einem bedrohten Menschen, wie mit allen bedrohten Menschen.
jens tuengerthal 13.4.2016

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