Donnerstag, 14. April 2016

Kulturgeschichten 0189

Schenkungserwartung

Bekommen Flüchtlinge etwas geschenkt oder nehmen sie nur ein jedem Menschen zustehendes Grundrecht wahr?

Ist, auf was ein Recht besteht, kein Geschenk mehr sondern ein Anspruch?

Ist ein Geschenk ein Glück oder eine Last?

Müssen oder können wir es annehmen und kann der Schenker es zurückfordern?

Was muss passieren, damit ein Geschenk unwirksam wird - geht es um Gefühle oder rechtlich verbindlichere Dinge?

Eine Schenkung ist es, wenn einer aus seinem Vermögen, also dem, was seines ist, einem anderen etwas zuwendet und beide sich einig sind, dass die Schenkung unentgeltlich erfolgen soll, sagen die Juristen. Das Versprechen, etwas schenken zu wollen, ist nur wirksam, sofern es notariell beurkundet wurde, was so streng ist, wie beim Hauskauf aber durch Vollzug geheilt werden kann, wenn also der Schenker sein Versprechen erfüllt, die Sache dem gibt, dem sie versprochen wurde, ist es egal, ob dem Versprechen die korrekte Form fehlt.

Auf eine Schenkung besteht kein Anspruch, außer sie wurde als Vertrag notariell beurkundet und auch da kann der Schenker leicht und immer wieder widerrufen, wenn sich der Beschenkte grob undankbar zeigt, wofür nach dem BGH etwa heute schon genügt, wenn sich einer von der Tochter scheiden lässt, weil das Gefühl beiden verloren ging, wie ein Stock oder Regenschirm, die Eltern aber für eine gemeinsame Wohnung Geld schenkten, dass sie vom nicht mehr Schwiegersohn nun zurückverlangen können, woran wir sehen Schenkungen sind schnell recht flüchtig, nichts worauf sich Menschenrechte stützen oder was Freiheit begründen könnte.

Auch wenn die Freiheit in der Bundesrepublik heute ein Geschenk ist, ist sie doch nur eine, weil sie nicht frei widerruflich ist und also eher einem gerechtfertigten Anspruch gleicht, was furchtbar juristisch aufgeblasen klingt, in der Unterscheidung aber auch ganz konkret viel bedeutet. Wer eigene Rechte und Ansprüche hat, ist nicht nur auf Gnade angewiesen, sondern nimmt sein Recht wahr. So tun es Flüchtlinge und diesen Anspruch haben auch Hartz IV Empfänger, es geht nicht um Gande und Geschenke sondern um ganz normale Rechte, an die teilweise Pflichten gebunden sind, warum sie eben genau keine Schenkung sind.

So fragt sich zwischen Staaten manches mal beim Blick in die Geschichte, ob eine Schenkung wirklich eine solche war oder nur ein Geschäft, was gern ein Deal genannt wird, von dem beide profitieren, was dem ganzen endgültig den Charakter der Gnade nimmt und es nüchtern als eben politisches Geschäft zeigt.

War die Pippinsche Schenkung ein Deal oder ein Geschenk?

Am 14. April 754 versprach der Frankenkönig Pippin III. dem Papst Stephan II. in der Königspfalz Quierzy, wo ihn der Kirchenfürst als Bittsteller aufgesucht hatte, Hilfe gegen die Langobarden unter Aistulf. Zugleich garantiert er ihm schon vorab das Exarchat von Ravenna und legt mit dieser sogenannten Pippinschen Schenkung die territoriale Grundlage für den Kirchenstaat und damit für die nächsten fast 1100 Jahre die Basis für die weltliche Macht des Papstes. Im Gegenzug erkennt ihn der Papst als Nachfolger der römischen Kaiser an.

Ein Exarchat war ein von einem Exarchen geleiteter byzantinischer Verwaltungsdistrikt. Exarchen, von griechisch Vorgesetzter, waren Statthalter in den afrikanischen und italischen Besitzungen des byzantinisches Reiches, die in ihrem Bereich die oberste militärische und zivile Gewalt ausübten. Das Exarchat von Ravenna war von Kaiser Maurikios 584 gegründet worden. Bis zu seiner Eroberung durch die Langobarden 751 war es der Eckpfeiler der byzantinischen Macht in Italien. Daneben gab es noch das Exarchat von Sizilien, während Korsika und Sardinien zum Exarchat von Karthago gehörten. Nach der Auflösung des weströmischen Reiches war Ravenna mit seiner günstigen Lage an der Adria erst Regierungssitz des Odoaker und dann unter König Theoderich ab 493 Hauptstadt der Ostgoten. Ab 540 infolge des ersten Gotenkrieges besetzten dann wieder die Oströmer die Stadt und das dazugehörige Gebiet. Im Zuge der letzten Völkerwanderung zogen aber 568 die Langobarden, ein ursprünglich aus Skandinavien stammendes Volk, gen Italien. Als sie nach dreijähriger Belagerung schließlich Pavia erobert hatten, machten sie es zu ihrer Hauptstadt und besetzten bald auch die Toskana. Etwa die  Hälfte des Stiefels konnten aber die kaiserlichen Truppen besetzt halten.

Ab 573 zerfiel das Reich der Langobarden wieder in mehrere selbständige Dukate, was Herzogtümer meint. Dann gab es noch einige Auseinandersetzungen mit den Langobarden und verzweifelte Versuche der Ostkaiser das Exarchat Ravenna zu halten, die aber scheiterten, auch der Bruch mit Rom wurde in dogmatischen Fragen immer größer und als Kaiser Kontans II. Papst Georg II festnehmen lassen wollte, spielte sein Exarch nicht mit, wollte lieber selber Kaiser werden und so hatten die Langobarden gegen uneinige Römer und noch uneinigere Oströmer ein leichtes Spiel, bis die Franken die Langobarden 756 endgültig vertrieben, Pippin sich die eiserne, langobardische Krone aufsetzte und nebenbei dem Papst das Gebiet des Exachats Ravenna schenkte, was sein Sohn Karl, der später der Große hieß, 774 noch einmal bestätigte und damit den Papst auch zu einem weltlichen Herren machte, es galt das Patrimonium Petri, mit dem sich die folgenden Kaiser noch jahrhundertelang herumschlagen sollten, auch bezüglich der Herrschaft über Sizilien, das im 9. Jahrhundert die Mauren besetzten um wenige hundert Jahre später wieder von den Normannen teilweise vertrieben zu werden, denen die Staufer folgten, mit denen der Papst sich aus vielen Gründen auch um sein Land stritt, da er Sizilien als päpstliches Lehen betrachtete, was wieder bestätigt, reichst du den Gläubigen gleich welcher Sekte, den kleinen Finger, nehmen sie die ganze Hand und breiten sich so aus, wie es jeder auf Wachstum bedachte Unternehmer oder Herrscher tut, da die heiligen Vereine auch nichts anderes als Vereine sind, die wirtschaften müssen, auch wenn sie dem gern ein heiliges Mäntelchen umhängen.

Pippin schenkte, was der Papst für sich forderte, ohne eine Legitimation, als dass es mal zum Kaisertum der Oströmer gehörte und sie es erfolglos mit verteidigt hatten, ihr Rom auch Teil  der byzantinischen Provinzen war, warum, so der sehr katholische Umkehrschluss, wo ihnen Rom irgendwie gehörte als römisch-katholischer Kirche, die Provinzen auch dazu gehörten und diese nun noch stärkere Stellung des Papstes sollte den Nachfolgern Pippins im Heiligen Römischen Reich noch viel Ärger machen. Sei es ob der Frage der Investitur, zu der Karl der Große eine klare Vereinbarung mit dem Papst getroffen hatte, für die ein Heinrich nach Canossa kroch oder über den Status von Sizilien und andere gute Gelegenheiten, bis es einigen reichte und sie sich reformiert ihre eigene Kirche gegen den immer größeren päpstlichen Machtdrang gründeten, aber da war das Mittelalter schon in die Renaissance gewechselt und bewundernswert ist einzig wie die Römer ihre illegitime Herrschaft auch über das Gewissen der Menschen noch über ein Jahrtausend und teilweise bis heute beanspruchen können, als hätte es nie einen Epikur oder Lukrez gegeben, die uns Menschen lehrten, dass es um nichts als Glück im Leben geht, nichts danach den Lebenden nutzte und aller Aberglaube der Suche nach dem Glück nur förderlich sei, sofern er uns hier glücklich macht, weil  das bloß spekulative danach nie realer wird, wenn wir uns davor fürchten, sondern nur zu einem Machtfaktor eines auf diese Spekulation setzenden Vereins, der mit der Zeit zur Gewohnheit gegen jede Vernunft wurde und jeden Widerspruch als Häresie, solange er konnte, mit dem Feuer ahndete.

Das ist also auch der pippinschen Schenkung zu verdanken, die das politische Gefüge Europas bis heute geprägt hat, auch wenn der Vatikan inzwischen auf nur noch ein winziges Stück Roms beschränkt ist, die Gebiete des Exarchats in die Republik Italien integriert wurde, in der alte Familien nur noch dezent aus dem Hintergrund steuerten, auch als sich das Volk einem lächerlichen Mussolini folgend, gehörig blamierte. Die Religion, die sich wie jeder Aberglaube auch mit dem Schwert verbreitete, wo sie die Macht dazu hatte, prägte die europäische Kultur maßgeblich, wenn auch die wirklichen Schritte der Entwicklung und des Fortschritts immer gegen die Kirchen erstritten wurden, sei es in der Renaissance, in der Aufklärung oder beim preußischen Schulstreit, hat sich Europa zumindest in seiner Verfassung vom Aberglauben emanzipiert und duldet ihn nur noch als historischen Teil der Kultur, was legitim ist und keinem schadet.

Nur war dieser Tauschhandel, die Einsetzung in die Tradition der römischen Kaiser, die dann doch erst sein Sohn Karl der Große erreichte, der Enkel von Karl Martell, der die Mauren angeblich heldenhaft stoppte oder ihren ohnehin beabsichtigten Rückzug nur freundlich unterstützte, keine Schenkung sondern ein leichtsinniger Handel mit ungewissem Erfolg, bei dem es mehr um Ehre und Tradition ging als um kluge Machtpolitik. So gesehen, gab es, juristisch betrachtet keine Schenkung sondern einen Tauschhandel, der nicht so heißen durfte und die lange weltliche Macht des Papstes basierte allein auf Vertreibung.

Was sind also die Werte des Abendlandes, das die meist beschränkteren Zeitgenossen hier verteidigen wollen?

Bedroht der Islam die christlichen Werte oder ist Europa darum so stark und Ziel so vieler Menschen aus aller Welt als Rettungsanker, weil sein Wertesystem nicht mehr religiös ist sondern laizistisch?

Was hat Europa zu verteidigen, als seine Freiheit, die es zugleich immer mehr einschränkt, um angeblich die Freiheit zu verteidigen und damit die liberalen Werte der Demokratie ad absurdum führt?

Die Flüchtlinge haben einen Anspruch auf Asyl, es ist ein Grundsatz unserer Verfassung und wer diese infrage stellt, schadet damit der Demokratie. Wer meint, es sei eine Gnade unser Recht zu verteidigen, steht nicht auf dem Boden der Verfassung und ist von der Demokratie konsequent als Feind zu bekämpfen. Zu den Freiheiten, die wir verteidigen, gehört auch die, sich einen Aberglauben nach seiner Überzeugung zu wählen, den muss ich nicht gutheißen, doch solange er die Freiheit der anderen respektiert, muss ich auch diesen verteidigen, wenn ich nicht die Freiheit aufgeben will. So sind die gerade Verteidiger des Abendlandes genauso Feinde der Freiheit wie die Islamisten und gegen beide, muss sich in gleicher weise verteidigt werden. Der offene Rassismus von AfD und Pegida darf so wenig geduldet werden wie eine Parallelgesellschaft, in welcher die Scharia gelten würde.

Wer steht hier für die Freiheit, ohne deren Feinde auf der einen oder anderen zu übersehen?

Die Freiheit ist ein Geschenk, auf das ich nach der Verfassung Anspruch habe. Sie gilt es nach allen Seiten zu verteidigen, weil die Radikalen immer irren und nur polarisieren, statt Lösungen zu suchen. Es geht nicht darum, ob die Asyl- und  Islamgegner richtig liegen oder diejenigen, die alle Flüchtlinge als Freunde begrüßen, naiv sind, sondern wie wir mit dem was ist, am besten leben können, auskömmlich und friedlich. Nur wer sich für Integration einsetzt, wird verhindern können, was die Gegner beschwören, die selbst eine intolerante Gesellschaft erzeugen, vor der sie warnen. Diese Menschen leben nun hier, zumindest solange, wie in ihrer Heimat Krieg herrscht und an eine Rückkehr nicht zu denken ist, wir müssen nicht mehr über das ob debattieren, was schon die Verfassung verbietet, warum die Obergrenzendiskussion nur ihren Initiator lächerlich machen wird, wie Erdogan mit seiner beleidigten Klage scheitern wird und so im Grade der Lächerlichkeit dem bayerischen Horst ähnelt. Es muss nur noch am wie gearbeitet werden, die Bundesregierung hat ihren Teil dazu getan, ob er etwas taugt, kann kritisch diskutiert werden. Wer dazu wieder über das ob der Aufnahme diskutieren will, die längst grundgesetzkonforme Realität ist, hat sich von vornherein disqualifiziert, eine weitere Diskussion ist dann überflüssig.

Wie behandeln wir das Geschenk, in einer freien und reichen Gesellschaft zu leben, mit der nötigen Würde?

Was passiert, wenn wir die Freiheit an die einen oder anderen Extremisten verspielen?
jens tuengerthal 14.4.2016

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