Dienstag, 28. Februar 2017

Berlinleben 006

Damenbesuch

Im Januar 2001

Dank meiner absoluten Offenheit und der echten Verzweiflung ob der anstehenden Entscheidung zwischen zwei wunderbaren Frauen, die mich beide gerne wollten und die wunderbar im Bett waren, die eine sehr blond, die andere umso dunkler dafür, sah ich den kommenden Wochen in Berlin mit Freude entgegen, denn trotz der Qual der Wahl, ist die Tatsache vor ihr zu stehen an sich ein Glück, auch wenn solch vermeintliches Glück real oft im Nichts endet und keine bleibt, schien ich noch die Wahl zu haben und war emotional nicht zu sehr verwickelt.

Nichts hatte sich in meiner wochenlangen Abwesenheit verändert, die Nachbarn grüßten mich, als sei nichts gewesen, ich nicht in einer anderen Welt gewesen, innerlich dem Tode nah, eine große Liebe verloren und zwei gewonnen, hätte ich nicht einige der bewegendsten Wochen meines Lebens gerade im Südwesten erlebt. Nichts, es fiel keinem auf, im Briefkasten nur etwas Werbung, auf dem Anrufbeantworter keine Nachrichten - ich verschwand wochenlang und es fiel keinem auf - Elend der Großstadt, dachte ich für einen Moment und zugleich auch Freiheit der Großstadt, in der du unbeobachtet verschwinden kannst, keiner zu neugierig ist, die große Freiheit - noch war ich nicht ganz entschieden was in mir hier überwog.

Da die Dinge eben waren, wie sie waren, ich sie nicht ändern konnte, beschloss ich es gut zu finden und ging zum Griechen am Kollwitzplatz, was Warmes zu essen. Der Wirt dort C hatte ein sehr einnehmendes, plauderndes Wesen - hatte sein Restaurant schon empfohlen und ihm Gäste gebracht, er mich einigemale zum Essen eingeladen und ich fühlte mich wohl dort, die Stammgäste von hier kannten sich. Im Haus wohne auch der amtierende Bundestagspräsident, einer der ostdeutschen Bärtigen, die ich mit der Revolution von 1989 in Verbindung brachte, ohne näheres darüber zu wissen. Der war auch manchmal da und die Dame mit dem adligen Namen, die den Second-Hand-Shop nebenan hatte, häufiger auch der Dokumentarfilmer im Rollstuhl, J, der auf der anderen Seite des Platzes wohnte, lange in Bremen gewesen war und den ich irgendwie mochte.

Dort wurde ich mit Hallo, da biste ja wieder, begrüßt, als ich durch die Tür kam und fühlte mich gleich wie zuhause - diese Kneipe war mir in der Zeit, als es mir in innerlicher Einsamkeit und verlassen von der vermeintlich großen Liebe so schlecht ging, eine Zuflucht geworden, an der ich mich wohl fühlte - nicht, dass ich die griechische Küche schon immer besonders liebte oder einen Hang zur Eckkneipe hatte, nie eigentlich, doch hier wurde ich regelmäßiger Besucher und fühlte mich dabei sehr wohl. Dieser Grieche sollte später noch eine überraschend wichtige Rolle in meinem Leben spielen, wie später eine griechisch geprägte Bar bei mir am Platz zu meiner Stammbar wurde, als gäbe es nicht unendlich viele andere dort.

Blieb lange dort, erzählte mehrfach den nach und nach kommenden Besuchern meine Geschichten aus dem Süden, zwischen Liebeschaos, Beerdigung und Liebesglück und trank auf das Elend und das Glück immer wieder einen Ouzo mit C, dem Wirt, J der Edlen Trödelnachbarin und J dem Filmemacher, später kam noch der Zeitungsmann vorbei und erzählte neue Geschichten aus der großen Stadt und von Union - lud alle auf eine Runde Ouzo ein, die dann doch C übernahm und fühlte mich angekommen und vor allem willkommen. J der Filmemacher, lauschte neugierig der Geschichte über meine Frauen, kommentierte fachmännisch und meinte, er hoffe ich werde die dann mal hier vorführen, dann würden sie mich auch bei der Entscheidung beraten - offen und ehrlich, wie ich war, hatte ich die Geschichte einfach so erzählt, wie ich sie erlebte - glaubt dir sonst eh keiner, meinte J und Glück musste haben im Leben.

Die Tage vergingen mit Lesen und gelegentlicher Suche nach neuen Stellenanzeigen - das Internet war damals noch sehr langsam, zwar entdeckte ich erste pornografische Seiten und freute mich mit selbst lustvoll daran, doch, ist solches Tun immer nur begrenzt befriedigend und so schrieb ich lieber abwechselnd mit meinen Liebsten im Südwesten, von denen sich die schöne dunkle Ungarin zuerst ankündigte. Meine Kneipenfreunde waren schon ganz gespannt und witzelten über die fachmännischen Bewertungskriterien einer solchen Auswahl.

Holte sie wieder am Bahnhof Zoo ab - weiter nach Osten als bis in meinen Winskiez war ich noch nicht gekommen und aus dem grundsätzlichen Misstrauen der alten DDR gegenüber, vermied ich das auch noch so lange wie möglich, was sich später als lächerlich albern herausstellte - war doch der Ostbahnhof viel eleganter als dieser piefige enge Bahnhof Zoo, der nur durch Christiane F traurige Berühmtheit erhielt - aber die Fahrt vom Zoo zu mir, den 17. Juni entlang und die Linden hinunter, war einfach zu prächtig, das große, schöne Berlin, die prächtige Weltstadt, die Eindruck machte und so war die Wahl vielleicht nicht so schlecht, auch wenn verkehrstechnisch absoluter Unsinn und die Fahrt mit dem Zug über die Museumsinsel zu den schönsten Touren der Stadt gehört, wie ich später feststellte.

Mit großem Blumenstrauß, breitem Lächeln und offenen Armen erwartete ich meinen schönen Vampir, der aus dem Zug aus Mannheim in meine Arme flog. Sie war wirkliche eine wunderschöne Frau, dachte ich, bevor ich die Augen schloss und wir selig im ersten Kuss versanken, bis uns irgendein Berliner anraunzte - nu macht mal Platz da, knutschen könnter auch Daheem - lachend gingen wir aus dem Weg, ich trug ihr kleines, damenhaftes Gepäck und geleitete sie zum Wagen. Das war eben Berlin, sagte ich zu ihr, typisch, als wäre ich schon ein Fachmann dafür und muss nun 16 Jahre später zugeben, stimmte, datt is eben Berlin, in schönster Romantik erstmal anjeschnauzt werden, weil du im Weg stehst, lachen und weitermachen.

Nach schöner Fahrt durch die sich zauberhaft zeigende Stadt kamen wir in meiner Wohnung an und ich fand, oh Wunder gleich einen Parkplatz, was ein wirklich außergewöhnliches Glück lange vor Einführung der Parkraumbewirtschaftung war - ein guter Anfang und es ging noch schöner weiter. Kaum oben angekommen, ließen wir alles fallen, auch wenn sie mir noch versicherte, sie sei nicht nur des Sex wegen gekommen, es ginge doch um Gefühle, worauf ich ihr versicherte, dass es natürlich um nichts anderes ginge und Sex ohne Gefühl doch blöd wäre. Wir versanken jedenfalls in einem nicht enden wollenden Kuss, bei dem wir uns schon langsam unserer Kleider entledigten - sie widersprach noch ein wenig, sie wolle doch erstmal ankommen, worauf ich kurz meine Lippen von ihren lösten und die Hand von ihrem Busen nahm, was sie aber mit einem neuen leidenschaftlichen Kuss beantwortete, der alle weiteren Fragen erledigte.

Wir landeten schnell im Bett, eine Spur unserer Kleider auf dem Weg hinter uns lassend und ich zögerte noch ein wenig den Moment hinaus, ihren wunderschönen BH zu öffnen, eine meiner immer noch liebsten Beschäftigungen, den großen, kräftigen Busen ins Freie springen zu lassen. Wieder trug sie einen von zarter Spitze wundervoll umrahmten String, an dem ich mich noch so lange freute, wie er uns nicht völlig im Weg war. Als er sich beim Lecken ihrer schönen Mitte und dem Kraulen des schwarzen Streifens darüber immer wieder in meine Bahn schob, zog ich ihn ihr dann doch aus und freute mich an der nun ganz nackten Schönen in meinem Bett.

Es wurde wild und lustvoll, wenn sie auch erst dies und dann das nicht wollte und dann doch nach einigem Widerstreben, was zwar zugegeben meine Lust noch steigerte, aber auch ein seltsames Gefühl in mir hinterließ. Beim ersten mal war noch alles selbstverständlich gewesen, sie hatte mich, ohne dass ich es merkte in ihren schönen Po dirigiert gehabt und ich war dort glücklich mit ihr zusammen gekommen. Diesmal war alles etwas anders, mit mehr Kopf dabei und Verzögerung, immer wieder auch Widerstand von ihr, den sie überwunden wissen wollte, denn wenn ich sie ließ und nicht tat, was sie angeblich noch nicht gleich wollte, unternahm sie selbst alles, dass es doch dazu kam.

Weiß bis heute nicht, ob das typisch Frau ist, wie manche Männer und einige Frauen behaupten, zum Spiel bei einigen dazu gehört, sie erst anmacht - ich fand es immer verwirrend und wollte doch im verliebten Glück keine Widerstände gegen ihren Willen überwinden, sondern gemeinsam zum schönsten Glück finden und bin es gewohnt, wenn eine Frau NEIN sagt, darauf relativ brav zu hören, wenn ich es noch höre. Natürlich habe ich mit der Zeit gemerkt, dass einige immer erstmal NEIN sagen, es aber nicht so meinen, der Widerstand sie anmacht, während andere es genau so meinen und richtig böse werden, wenn du nicht darauf hörst - doch bleibt es jedesmal wieder eine Gratwanderung und irgendwann habe ich beschlossen, wenn Frau nicht von sich aus will, keine weiteren Versuche zu unternehmen, keine Spielchen zu spielen, womit mir vielleicht manche gute Gelegenheit entging aber ich mir relativ treu bleiben konnte in dem Prinzip Frauen glücklich machen zu wollen.

Wer nur gegen Widerstand glücklich wird, soll sich eben jemand suchen, der genau darauf steht, denke ich heute, ohne großes Interesse an solchen Spielchen - aber wer ist schon wirklich konsequent dabei, natürlich heißt NEIN immer NEIN und ich werde mich hüten, je etwas anderes dann zu versuchen, dumm ist nur, dass ungefähr die Hälfte der Frauen etwas anderes meint, als sie sagt, natürlich davon ausgeht, dabei verstanden zu werden, von dem Kampf um ihre Gunst und ihren Körper angemacht wird und gelangweilt wie frustriert ist, wenn es einfach so gehen soll. Frage mich manchmal, ob die Verständigung von Frauen und Männern leichter wäre, wenn wir ab und zu die Rollen tauschten, habe diesbezüglich jedoch geringe Hoffnung einer Realisierung, da wir im entscheidenden Moment ohnehin in unsere triebhaften Muster fallen, ohne zu denken.

T stand also darauf, dass ihr Widerstand ein wenig überwunden wurde und wurde dann nur um so wilder und leidenschaftlicher. Andererseits war es ihr manchmal auch ganz wichtig als Frau emanzipiert und gleichberechtigt wahrgenommen zu werden - dann durfte ich keinesfalls sexuelle Bemerkungen machen, so zärtlich leidenschaftlich sie auch voller Liebe gemeint waren, sondern musste ihr möglichst zustimmen und warten, dass diese Situation wieder vorüberging und sie wieder Lust bekam, wir uns ganz normal wie ein verliebtes Paar voller Lust benahmen. Dann konnte sie auch für Momente wieder richtig derb werden und wollte einfach fest genommen werden, wie sie es sagte. Dagegen wäre eine Äußerung dahin, dass ich sie jetzt gerne im Stehen sofort nehmen würde, wenn sie gerade in der, ich bin eine empfindsame und romantische Frau, Phase war völlig verkehrt und sorgte für lange Diskussionen, wie ich sie so reduzieren könnte - sie studiere, mache ihren Job, verdiene ihren Lebensunterhalt und stehe auf eigenen Beinen und müsse sich so etwas von niemandem sagen lassen - wollte ja gar nichts sagen, wollte sie nur glücklich machen, mit ihr glücklich sein und sonst nichts, dachte ich dann und ich glaube, diese Dialoge haben viele Männer schon mal ähnlich gehört und die das Gegenteil behaupten, tun es meist in Gegenwart einer Frau aus taktischen Erwägungen.

Wir waren auf der Suche nacheinander, noch nicht ganz eingespielt und sehen wir von diesen kleinen Momenten ab, in denen sie ihr Frau-Sein betonen musste, ohne eine solche sein zu wollen, jedenfalls nicht darauf reduziert werden zu wollen - sie hätte schließlich auch einen Kopf und nicht nur eine Muschi - war es ganz wundervoll und sehr verliebt. Wie mit den Freunden vom Griechen am Kolle verabredet, ging ich mit ihr dort Essen, erzählte ihr auch von den Gesprächen und natürlich fand sie das ganz furchtbar, wollte nicht begutachtet werden, sich lieber romantisch in die Ecke setzen, damit wir Zeit für uns hätten.

Die Freunde achteten dies deutliche Zeichen, grüßten nur freundlich wenn sie reinkamen oder vorbei rollten, ließen uns ansonsten verliebtes Paar spielen und die Zweisamkeit genießen, was ich ja nett fand irgendwie, mir aber anders gedacht hatte. Sie wollte mich ganz für sich gewinnen, wir unterhielten uns nett, sie erzählte aus Transsylvanien, ihrer ursprünglichen Heimat, dem Schloss des Grafen Dracula und den erotischen Geschichten darum. War aufregend, machte schon wieder Lust, aber genauso gern hätte ich auch mit der Schönen bei meinen neuen Freunden geglänzt, sie an unseren Tisch gebeten.

Später schwatzten wir noch ein wenig mit C, der natürlich einen Ouzo ausgab und ich sah wie J  und J meine Süße genau beobachteten, war gespannt auf ihr Urteil irgendwann nach diesem Wochenende, aber es kam zu keinen näheren Gesprächen, wie sollten sie sich dann eine Meinung bilden, dachte ich, nahm es aber hin unter dem Motto, so sind leidenschaftliche Frauen eben, sie ist vielleicht noch schüchtern, kommt schon.

Kam aber nicht, sie wollte am nächsten Tag bloß nicht nochmal zum Griechen, den kannte sie ja schon, im Café am Platz fand sie es netter und jünger. Hier fand sie die Aufmerksamkeit, nach der insgeheim zumindest, viele Frauen mehr streben, als uns Männern bewusst ist, die anerkennenden Blicke oder anderes, was ich eher nicht bemerkte, der ich lieber direkt schaute und sie war sicher schick und irgendwie sexy gekleidet, der Mode entsprechend mit Hosen, die auf der Hüfte saßen und einen leichten Schlag hatten, was ich nicht mochte, weil es die weibliche Figur in ihrer natürlichen Schönheit ruinierte, egal, was gerade Mode war.

Sie wurde angeschaut und ich schaute auch ein wenig um mich, wie immer als fast blinder Brillenträger wohl eine Spur zu deutlich, jedenfalls beschwerte sie sich bei mir, der nichts böses ahnte, seine Unschuld beteuerte, natürlich hätte ich nur Augen für sie und im Vergleich sei sie doch die allerschönste erst, log ich, dem ihr Stil etwas zu modisch und jung war, ich mochte es eben lieber klassisch. Ihr das in diesem Moment, erklären zu wollen, mich nach einem Beispiel umzuschauen, was dies belegen und erklären könnte, war keine gute Idee und erhöhte die sinnliche Stimmung nicht unbedingt.

Später trafen wir noch S den einen jungen, kleinen Vertriebler aus meiner Firma, mit seiner ewigen Flamme, mit der aber immer noch sichtbar nicht wirklich etwas lief - er himmelte sie zwar zwei Tische neben uns an, während ich meiner holden die Geschichte dazu zu flüsterte, aber größere Berührungen sah ich nicht -  immerhin waren sie zusammen Essen. Sie war allerdings eine eher größere schlanke Frau mit braunen, leicht hennaroten Haaren, er dagegen eher ein kleiner Mann. Vermutete, dass dies auch seine Attraktion in ihren Augen minderte. Als ich ihn später kurz zum Herrengespräch im Stehen auf dem Klo traf, bestätigte er, dass sein Bemühen wirklich mühsam wäre - aber meine wäre ja der Hammer, für die würde er ja jede stehen lassen, super angezogen, geile Figur, super Haare - sie trug ihre schwarze Mähne an dem Abend offen - er war völlig begeistert, während ich mit mir haderte, ob sie wirklich mein Typ war.

“Die ist doch bestimmt der Hammer in der Kiste…”
“Ja, geht alles und ziemlich leidenschaftlich”, erwiderte ich sehr cool  und jovial, ignorierte die Diskussionen und ihren Wunsch nach Widerstand.
“Was für ein Weib, die lässt sich bestimmt dreimal bitte, aber dann…”, schätzte er dennoch die Lage intuitiv richtig ein.
“Steh nicht so auf Widerstand, aber passt schon”, antwortete ich relativ ehrlich, ohne tiefer in die Diskussion einzusteigen.

Wie all solche Gespräche beim Pinkeln, war auch dieses durch die Natur und ihren Fluss  begrenzt, irgendwann ging es zurück - er ließ sich noch vorstellen, stellte auch seine Flamme vor, wir plauderten kurz und waren dann wieder als je Paare in unterschiedlicher Lage für uns. Er wollte seine endlich kriegen, verehrte und liebte sie wohl, sie mochte ihn gern, war sehr nett, aber nicht wirklich entflammt und insgeheim stand er völlig auf meine, was an seinen zwischendurch Blicken, die wiederum seiner nicht entgangen sein werden, sichtbar wurde, was mit Sicherheit seine Chancen minderte. Dagegen genoss meine jeden Blick, den sie natürlich auch in ihrem Rücken bemerkte - weiß bis heute nicht, wie Frauen das machen, habe noch nie mitbekommen, wenn Frauen mich beobachteten, lernte sie immer nur direkt kennen. Sie fühlte sich in diesem jüngeren Café toll und als Frau gewürdigt, meinte hier wär es doch viel besser als bei dem Griechen, warum mein Vorschlag später noch da auf einen Wein vorbei zu gehen, ins Leere lief, sie wollte lieber zu mir - so viel Zeit hätten wir ja nicht mehr und sie führe ja morgen schon wieder.

Dort begann wieder das Widerstandsspiel mit wechselnden Begründungen, was mich etwas nervte, bis ich ganz davon abließ, nur beim Wein mit ihr plauderte, bis sie müde wurde und wir wie ein Ehepaar ins Bett gingen - allerdings ließ sie zum Glück noch ihre Wäsche an und allein das Ausziehen dieser letzten beide Teile gegen geringen Widerstand genügte meine Lust zu wecken. Waren wir dann erst dabei, war sie von wunderbarer Leidenschaft. Wir hatten harmonischen Sex, es passte und fühlte sich genau richtig an, wenn sie auch diesmal wieder erst ihren Po nicht einmal berührt haben wollte, tat als sei es ein völlig unnatürliches Ansinnen, um es dann doch um so mehr zu genießen, nachdem ich zwischen frustrierter Aufgabe und leidenschaftlicher Natur geschwankt hatte und nicht wusste, wie es enden würde.

Am Morgen nochmal das gleiche Spiel, kleiner Widerstand und dann riesige Leidenschaft, anschließend Diskussion darüber, dass sie nicht nur für Sex käme, Versicherung, dass wir uns doch liebten, große Leidenschaft, zusammen Kommen und dann Frühstücken gehen. Als sie weg war, nach traurigem Abschied am Bahnhof, als merke sie schon, wie sehr ich innerlich schwankte, beschwor sie nochmal unsere Liebe, dass sie nach Berlin ziehen könne und wir zusammen eine Familie gründen würden und dann die kurze Empörung, als ich sie voller Leidenschaft zum Abschied packte - ich rede von Liebe und du denkst nur an … - nicht nur, aber gehörte die Leidenschaft nicht dazu, fragte ich sie noch, während ihr Zug einfuhr und sie griff, seltsam paradoxe Frauen, zwischen meine Beine, ich will dich jetzt auch in mir spüren, ein letzter leidenschaftlicher Kuss und weg war sie.

Um den Abend nicht allein zu verbringen, ging ich natürlich zum Griechen, den sie so langweilig fand. Schön fanden sie meine Süße, tolle Frau, mit Charakter, bestimmt leidenschaftlich, aber auch nicht ganz einfach, meinte fachmännisch J, der schon durch ein Buch über Sexualität und Behinderung relativ bekannt im Land war. Der Wirt C hielt sich wie immer eher zurück - er stände ja mehr auf Blonde, wie an seiner, die zwischendurch mithalf und echte Ostberlinerin war, deutlich sichtbar. Dafür verteidigte die Nachbarin J sie, die meinte sie wirkte intelligent und traf damit den Kern meiner Zweifel - ja, sie war klug, aber genau das machte es auch so anstrengend, lachte ich und erzählte von dem Widerstandsproblem - das wäre eben so bei den Frauen meinte C, J dagegen fand, dass würde ihn nerven, entweder oder aber immer hin und her, wäre doch auch nichts und ich wusste nicht, was ich wollte.

Auf dem Weg zu meiner Wohnung traf ich noch S, den lustigen Vertriebler, mal wieder zu Fuß, weil sein italienischer Wagen muckte - so sei das eben bei denen, wie schöne Frauen, wenn sie laufen der Hammer, aber zwischendurch zicken sie halt mal. Musste lachen, plauderte noch ein wenig in Herrenart mit ihm über das letzte Wochenende und meine anstehende Entscheidung und er sagte, er wüsste schon, wen er nähme, besser als die, ginge ja gar nicht, urteilte also blind und gab auch von daher keinen wirklich brauchbaren Ratschlag.

Die zwei Wochen bis zum Besuch meiner blonden Bäckerin vergingen wie im Flug, zwischendurch beim Griechen oder in Cafés, viel gelesen und schon stand ich wieder am Bahnhof Zoo, die Blumen in der Hand. Diesmal lief es etwas anders. Gleiche Leidenschaft beim ersten Kuss, wieder motzte einer, aber sie war so schnell mit ihrer Antwort - “noch nie das große Glück gesehen?” - dass mir fast schwindlig wurde. Die ging ja ran, dachte ich und freute mich auf alles, was nun kam.

Bei mir begann es wieder mit einem leidenschaftlichen Kuss, den sie auch voller Lust erwiderte und sie ließ mich auch voller Freude nach ihrem noch etwas größeren Busen greifen, doch dann entzog sie sich und meinte, sie müsse nun erstmal die Blumen versorgen. Sie liebe Blumen, noch dazu, wenn sie von ihrem Schatz kämen. Wusste gar nicht, wie lange sich eine Frau mit einem bloßen Strauß Rosen vom Holländer beschäftigen konnte. Jede einzelne wurde angeschnitten, der nötige Schnitt mir detailliert erklärt, der mehr an ihre Mitte als die der blöden Blumen dachte, in die improvisierte Vase gestellt und als sie endlich zufrieden mit ihrem Werk war, wollte sie noch gelobt werden - währenddessen aber sollte ich sie nicht anfassen, sie haute mir sogar mit einem Lachen auf die Finger.

Schon grauste mir und ich schwankte innerlich zu T. die erst irgendwann viel später die  Blumen ins Wasser gestellt hatte, aber beim Ankommen doch die richtigen Prioritäten gesetzt hatte, ins Bett wollte und Lust hatte. Was würde nun kommen, wollte sie nun erstmal Essen gehen, als Weltmeisterin der Verzögerung oder mussten wir noch eine halbe Stunde von den Blumen im Wasser schwärmen, fragte ich mich mit gewissen Zweifeln.

Da umarmte sie mich, begann mich zu küssen und öffnete mit der freien Hand meine Hose - sofort richtete sich der von der Verzögerung leicht frustrierte und etwas erschlaffte James in meiner Hose wieder auf und sie wollte “den Prachtkerl” gleich angemessen begrüßen, kniete sich vor  mich und blies mir einen, der ich noch etwas überrascht nun mit heruntergelassener Hose in meinem Wohnzimmer stand. Sie tat dies so gut, mit solcher Leidenschaft, dass ich sie stoppen wollte, weil es sonst zu spät wäre - aber sie wollte nicht aufhören, meinte nur, schwer verständlich mit vollem Mund, einmal sei keinmal und machte weiter, bis es mir zum ersten mal voller Lust kam und schluckte alles, was da nun seinen freien Lauf in die Welt nahm, ohne ein Wort hinunter.

Wollte mich dann um ihre Lust kümmern, sie ließ mich auch und wir landeten, nach leichter Verzögerung doch im Bett und kamen beide noch mehrfach, bevor wir irgendwann erschöpft, Arm in Arm einschliefen. Kaum erwacht hatte ich riesigen Hunger und sie konnte sich an die Geschichten vom Griechen erinnern, wollte mit mir sofort dorthin. Auch sie ahnte oder wusste, dass ich dort geredet hatte, dass wir vermutlich erwartet würden von meinen Freunden, aber im Gegensatz zu T freute sie sich darauf und wollte sich dort präsentieren.

Wir setzten uns direkt vor die Bar, baten später J und andere an unseren Tisch, sie war laut, etwas derb manchmal aber lustig und unterhielt sich auch mit der später dazu stoßenden J etwas feiner über deren Kleider und das sie morgen unbedingt im Laden vorbei schauen wollte. Der Abend wurde ein kleines Fest, wir tranken viel Wein und einige Ouzos zuviel, ich zweifelte, ob am heutigen Abend die Lust noch einmal auferstehen würde, doch sie weckte mein noch etwas erschöpftes Geschlecht wieder auf die gleiche Art erfolgreich und bevor wir selig Arm in Arm einschliefen, taten wir es nochmal und ihr war egal wo und wie,  hauptsache das und nahe beieinander. Sie wusste, was sie wollte und konnte es genießen.

Eigentlich war es alles, wie Mann sich das so träumt, eine unkomplizierte Frau, die immer Lust hatte, zwischendurch packte es uns sogar beim Rauchen auf meinem Balkon im ersten Stock, sie nur im Bademantel und in ein Handtuch gewickelt, gab leichten Zugriff und meine Nachbarn, die ich sonst in einamen Nächten so oft hatte stöhnen hören, bekamen nun ein wunderbares Echo. Sie war laut, wild und echt, wir kamen meist zusammen, es war alles ganz natürlich, verliebt und wunderbar.

Als ich sie fragte, ob sie nicht noch was von Berlin sehen wolle, gerne ins Museum ginge oder sonst rumfahren wollte, meinte sie nur, dass hätte doch ganz viel Zeit, sie wäre ja nicht zum letzten mal hier, es gefiele ihr so gut, dass sie sich vorstellen könne hierher zu ziehen. Arbeit würde sie schon finden und ich solle meine Bücher schreiben, wir würden als Familie hier leben.

Das Herz ging mir auf und ich hatte keinen Gedanken daran verschwendet, dass hier einfach die erfahrenere Frau taktisch klüger vorging, als ihre gefühlvolle junge Konkurrentin - sie war nicht besonders gebildet, eher im Gegenteil, fast peinlich, dachte ich, aber sie war lebensklug und wusste genau, was sie wollte und was ich hören wollte. Sie sagte es aber ohne jede spürbare Taktik, während T das Thema, unter dem sie litt, vermied, sprach sie offen und offensiv darüber, als sei ich längst entschieden, plante sie schon unsere Zukunft und ich ließ sie reden und genoß ihre unerschöpfliche Lust, ihre Offenheit, die nicht spielte, zumindest keine Spielchen mit Widerstand und ähnlichem besonders weiblichem Unsinn suchte, lieber die Lust in jedem Moment ausgiebig genoss, vielfach Befriedigung fand und schenkte.

Das Telefonat mit ihrer Tochter gab dann den Ausschlag, das süße Mädchen am anderen Ende der Leitung war ganz offen und neugierig, wollte das nächste mal mitkommen, sich den Berliner Zoo anschauen und war ganz neugierig auf mich. Es war offen, freundlich und zugleich natürlich liebevoll, ich fühlte mich fast wie ein Papa, war glücklich und spürte plötzlich eine große Verantwortung. Klug wie die schöne Bäckerin war, die uns Männer schon gut kannte, sagte sie nun nicht, ich hoffe du enttäuscht das arme Kind nicht, wie es vermutlich T getan hätte, sondern sagte, ich bau auf dich und uns, bin sicher es wird wunderbar, du musst dir keine Sorge machen, ich werd immer irgendwo mein Geld verdienen. Damit hatte sie mich und wusste es vermutlich längst, auch wenn ich vor ihrem Abschied noch um zwei Tage Bedenkzeit bat, war dass doch nur ein Spiel, in dem ich die Lust zweier Frauen, die mich liebten noch ein wenig auskosten und mich mit meiner einsamen Entscheidung wichtig fühlen wollte - was hatte ich sonst auch noch zu entscheiden als arbeitsloser Dichter und Journalist?

Nach weniger tränenreichen als lust- und liebevollen Abschied bis zum nächsten mal am Bahnhof Zoo fuhr ich zu meinem Griechen und ahnte schon, was ich hören würde - nett aber etwas schlicht, würden die intellektuelleren Freunde wohl sagen, meinte ich zu ahnen. Doch welch Irrtum, sie waren alle von ihr begeistert - zwar bestimmt nicht sehr belesen, aber ein offener herzlicher Mensch, ganz echt und natürlich - er, meinte J, würde bei der Frau keine Sekunde überlegen, die macht dich glücklich, die tut dir gut und die gibt dir Kraft, völlig egal, wieviele Bücher sie in ihrem Leben gelesen hat, C stimmte dem zu, fand sie auch toll und sogar J war ganz angetan von ihr, auch wenn wir am nächsten Tag doch kein Kleid bei ihr kauften, fragte nur, ob mir das auf Dauer reichen würde.

Das war genau der Punkt, den ich mich auch fragte, würde mir das reichen, über was sollte ich mit ihr reden, wenn wir keinen Sex hatten - sah die Ehe meiner Eltern vor mir und meiner Großeltern auf beiden Seiten, die Gäste einluden, zusammen Bücher lasen, aus einem kulturellen Bereich kamen. Sie war eher der schlichtere Typ, kam aus einfachen Verhältnissen, ob sie in meiner Familie von Großmäulern und Besserwissern bestehen würde, ob wir bald noch Kinder bekämen - T hatte da noch etwas Zeit und würde später bestimmt als Betriebswirtin viel mehr verdienen, wenn sie Arbeit fand, aber es würde immer auch schwierig, ein ewiger Kampf gegen Widerstände - oder brauchte sie das nur gerade, weil sie so unsicher wegen der Entscheidung war. Sie war ja auch eine tolle und leidenschaftliche Frau, aber viel komplizierter eben. Bei meiner süßen Bäckerin war alles klar und ganz einfach. Entweder sie zöge bald zu mir oder ich zu ihr und dann würden wir eine glückliche Familie, hätten wunderbaren Sex und es würde bestimmt lustig - nur wie würde diese Frau nach meiner adeligen Ex-Verlobten aus besten Kreisen in meiner Familie aufgenommen, auch wenn ich mit ihr glücklich war, weil sie nicht alles kompliziert machte, würden sie dieses Weib, eine Bäckereifachverkäuferin mit ihrem universitären Dünkel in der Familie je akzeptieren?

Sie hatte kein Abitur, keine klassische Bildung, oder jedenfalls wenig, sie liebte mich einfach und war super im Bett. Erinnerte mich vom Typ her an die Frau meines Logenbruders KH aus Mainz - aber KH interessierte sich auch mehr für schnelle Autos und Häuser als für Literatur und Geschichte. Dennoch, die Frau war patent, stand im Leben, es machte Freude mit ihr und ich musste mich nicht verbiegen. Nur wie sollte ich es der zarten T sagen, wie würde sie reagieren, ich wollte ihr doch nicht weh tun. Die Bäckerin würde lachen, sich mit meinem Freund J trösten und weiter fröhlich ihr Leben leben - hatte sie ja schon im Spaß angekündigt und wenn du mich nicht willst, nehm ich den J.

Redete noch lange mit den Freunden beim Griechen und J, der wirklich eher intellektuell war  als Filmemacher und Autor riet mir ganz klar zur Bäckerin, er würde da nicht lange überlegen, dieser Typ Frau liebt mit ganzem Herzen, die macht Männer glücklich, er kenne die andere ja nicht, darum wolle er nicht wirklich was sagen, aber, sagte er es dann doch entschieden, was ich so erzählte, war es das typisch mädchenhaft weibliche und das höre nicht auf sondern verstärke sich nur mit der Zeit. Menschen änderten sich in einer Beziehung nicht, sie würden nur stärker, wie sie immer waren, meinte er und ich muss heute sagen, er hatte ziemlich Recht damit. Fliegen konnte ich alleine, Bodenhaftung tat mir gut.

Am Ende gab die Tochter, die ich nicht enttäuschen wollte, den Ausschlag, es war eine Ausrede, um nicht zu sagen, ich hörte auf J, der Recht hatte, es bleibt immer wie am Anfang, entweder es ist gut und schön oder es bleibt und wird immer schwierig. Rief T an, die zu weinen begann, was ich nur sehr schwer ertragen konnte und nie wieder von mir etwas hören wollte, vergiss mich einfach, sagte sie und das wollte ich ja nun auf keinen Fall aber nun hatte ich, offiziell in Verantwortung für die Tochter, die nicht meine war, entschieden. Die süße blonde Bäckerin freute sich, sah sich bestätigt und begann zu planen - nun stand ja bald mein Besuch zum Geburtstag meiner Eltern an, da solle ich doch bei ihr wohnen, bitte, damit wir möglichst viel Zeit miteinander hätten und sie meiner Familie vorstellen, was mir zugegeben nach Weihnachten T etwas unheimlich war.
jens tuengerthal 28.2.2017

Montag, 27. Februar 2017

Berlinleben 005

Dezember - Januar 2000/2001

Liebesleben jenseits Berlins

Es gibt auch Lust und Liebe jenseits der Berliner Stadtgrenzen, auch wenn sich der typische Berliner das nur schwer vorstellen kann, wie der Märker ohnehin dazu neigt, die Welt in sich zu spiegeln, wie schon Fontane zu berichten wusste auf seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg in die seine hugenottischen Vorfahren vor noch nicht allzu langer Zeit zogen - es war noch unter dem Großen Kurfürsten, dem Großvater des Soldatenkönigs, als Frankreichs Ludwig XIV, das Toleranzedikt von Nantes seines Großvaters Henry IV., der mit dem Hahn im Topf, wieder aufhob und die Mark, die damals noch nicht Preußen hieß, wie heute eher nicht mehr, davon über lange Zeit profitierte.

Nicht nur der Schriftsteller Fontane, der so wunderbar über die Liebe und das Leiden an ihr schreiben konnte, seine Gesellschaft liebevoll karikierte und ihr den Spiegel vorhielt, gut preußisch reimte, auch um vergessen zu machen im reaktionären Bismarck Preußen, dass er einst 1848 auf den Barrikaden stand und nur von den Schwestern în St. Hedwig als Apotheker versteckt, alles unbeschadet überstand und nicht wie Virchow vertrieben zu werden, den die naiven Preußen zur Flucht zwangen, als der Kartätschenprinz, der spätere Wilhelm I., mit Bismarck  im Bündnis schon als Prinz die Zügel wieder anzog. Beide übrigens, Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I. waren noch Kinder von Königin Louise, der großen Liebe ihres Vaters Friedrich Wilhelm III. (im weiteren FW I-IV), dem Sohn des Dicken FW II., der als Neffe des kinderlosen Friedrichs des Großen geerbt hatte, der einzigen herausragenden Herrschergestalt aus dem Hause Hohenzollern, sehen wir mal von vereinzelten Leistungen des Großen Kurfürsten ab.

Diese Liebesgeschichte von FW III. und Louise, die in Berlin immer noch sehr hoch gehalten wird, gilt als Inbegriff preußischer Romantik. Der Vater lernte sie in Frankfurt im Theater kennen als es gegen die Franzosen ging - wie es nun wirklich war, gibt es manche Varianten die mir, der ich Klatsch schon immer relativ uninteressant fand, völlig egal sind - die mecklenburgische Prinzessin aus Schwerin war nach dem frühen Tod ihrer Mutter am Hof der Großmutter in Darmstadt groß geworden und sprach wohl auch das dort übliche hessisch relativ breit - hatte sich also gut angepasst, war aber geborene Mecklenburgerin. Sie kam mit Friederike ihrer Schwester zusammen, die Schadow beide so zauberhaft sinnlich in der Prinzessinnengruppe verewigte, auch wenn diese Louises Mann und später Witwer viel zu sinnlich war, da FW III. im Gegensatz zu seinem Vater, dem Dicken, FW II., eher als prüde und fromm galt, was selten auf einen weiten Horizont schließen lässt. Der Vater hatte die beiden für seine beiden Söhne ausgesucht, den Kronprinzen und Prinz Ludwig, der früh starb und mit Friederike eine muntere Witwe hinterließ, die auch ihren Vetter Louis Ferdinand wohl genoß, bis er gegen Napoleon fiel, was Fontane unnachahmlich schön bedichtete:

Sechs Fuß hoch aufgeschossen,
Ein Kriegsgott anzuschaun,
Der Liebling der Genossen,
Der Abgott schöner Fraun,
Blauäugig, blond verwegen
Und in der jungen Hand
Den alten Preußen-Degen -
Prinz Louis Ferdinand.

…. und einiges später endet es dann tragisch wie bekannt:

Und als das Wort verklungen,
Rollt Donner schon der Schlacht,
Er hat sich aufgeschwungen,
Und sein Herze noch einmal lacht,
Voraus den andern allen
Er stolz zusammenbrach,
Prinz Louis war gefallen
Und Preußen fiel - ihm nach.

Warum erzähl ich das jetzt? Naja, weil ich in die Nähe von Darmstadt fuhr, auf der Suche nach meinem verlorenen Herz und gleich zwei fand, nach einiger Verwirrung falsch entschied und dann doch alles ganz anders kam. In die Nähe aus Berliner Sicht nur - für dortige liegt Heidelberg und also die Kurpfalz in einer völlig anderen Welt als Hessen-Darmstadt, wo die verwitwete Großmutter der Louise ihre Enkelinnen königlich aber auch auf gut hessisch erzog. Bei Heidelberg dagegen hatte Friedrich II. damals mit seinem Freund Katte von der Truppe abhauen wollen, um nach England zu fliehen und zu hoffen, er könne die dortige Prinzessin auch gegen den Willen seines Vaters heiraten.

Die Sache ging ziemlich schief, war unausgegoren in jugendlichem Leichtsinn, kostete Katte den Kopf und Friedrich saß für einen Prinzen lange in der Festung Küstrin ein und diente sich dann wieder unter die Gnade seines strengen Vaters, der den Sohn sofort persönlich einen Kopf kürzer gemacht hätte, was das Einschreiten mutiger Offiziere gegen ihren cholerischen König FW I. gerade noch verhinderte. Die Ecke hatte also einen Bezug zu Preußen, schon historisch betrachtet -  bei dem Ausflug damals hat übrigens der spätere Alte Fritz als noch ganz junger Fritze beim großen österreichischen Feldherrn Prinz Eugen seiner Zeit noch manches gelernt, was er später gegen Österreich in vielen Jahren Krieg um Schlesien zu verwenden wusste.

Also liebe Preußen, Berliner und Berlinliebhaber, wenn ich nun auch 650km vom Mittelpunkt der Welt und also Berlins entfernt das Glück suchte, war ich doch der preußischen Geschichte und ihren wichtigen Spuren sehr nah - sogar wenn mir das damals noch nicht bewusst war und so ist, was passierte, vielleicht doch weniger uninteressant als es den immer lieber auf Berlin konzentrierten Berlinern scheint, denn auch die Provinz hat zarte Pflänzchen, die im Garten des Hauptdorfes um so schöner blühen können. Hier zu erwähnen, dass die Hohenzollern mit ihrem einst toleranten Wahlspruch suum cuique, der nach 1933 so hässlich missbraucht wurde, ein ursprünglich schwäbisches Geschlecht waren, scheint mir eher überflüssig. Jeder kam ja irgendwann mal irgendwo her und als die Hohenzollern die Mark mit Kurwürde vom Kaiser bekamen, waren sie längst Burggrafen zu Nürnberg und hatten sich dabei so vertrauensvoll bewährt, dass der Habsburger den Hohenzollern die nordöstliche Kurwürde als Bonus gab, eines noch relativ unbestellten wilden Landes damals - genau wie es alles außerhalb Berlins um Berlin herum heute noch in vielem ist - ignorieren wir mal kleine kulturelle Inseln in Potsdam entspricht die Mark doch in vielem dem dort zu errichtenden Flughafen der Hauptstadt - sie bleibt ewig unvollendet und ist häufig, wenn wir von ihr hören, eher peinlich, als sei sie ein Land der Wilden.

Bevor ich mich nun auf die Suche nach einer neuen Prinzessin machte, die ich nach Preußen locken könnte wie einst die FWs nur ohne Schloss dafür mit vielen Träumen und ohne Zacken aus der Krone, wollte ich die Verhältnisse mit der einst großen Liebe klären - sie über die Tatsache aufklären, wie es wirklich lief damals, dass sie belogen und wir beide um unsere Liebe betrogen wurden. Es konnte doch nicht sein, dass dies alles gewesen wäre und wenn ich ihr erzählte, wie es war, musste sie doch verstehen, dass ich es gut meinte und ich hatte sie doch nie betrogen - gut, was jetzt war, nachdem sie mich verließ, ist eine  andere Geschichte, aber bis dahin war ich der treueste und liebste Mann, den sie sich nur wünschen konnte - sie hatte mich also ohne Grund verlassen und das mussten wir doch einfach aufklären, an der Wahrheit war doch jeder interessiert, dachte ich in meinem immer stärker werdenden Wahn.

Rief I also an, die das Gespräch verweigerte, ich schrieb ihr Mails, sie reagierte nicht und so fuhr ich, dass sie zuhause war, wusste ich ja, da ich ohne erkennbare Nummer immer anrief, zu ihrer Wohnung, die ich ja einmal schon für eine halbe Stunde ohne Sex gesehen hatte und in meinem Elefantengedächtnis war nichts von meiner ach so großen Liebe verloren gegangen, ich vergesse immer nur wichtige Dinge. So raste ich nachdem sie wieder auflegte, mich nicht anhören wollte, wo es doch nur um vernünftige Aufklärung gehen sollte, den Ideen der Aufklärung fühlte ich mich da schon sehr verpflichtet, aber dazu später, einfach los.

Weiß nicht, ob ich schon Schaum vorm Mund hatte oder mich nur so fühlte, meine beunruhigte Mutter, die den Wahn in meinen Augen schon sah, ahnte nichts gutes und wollte mich noch zurückhalten, aber ich war nicht zu halten - ich musste nun zu dieser Frau, mit ihr reden, sie aufklären, wie es wirklich war, die Liebe retten, sie wiedergewinnen, indem ich sie von meiner Unschuld notfalls mit Gewalt überzeugte.

Die folgende Fahrt von Walldorf nach Heidelberg in die Tiefgarage des Hochhauses in dem I wohnte, war vermutlich ein ähnlich riskantes Manöver wie jene Verfolgungsjagd mit L aus  dem letzten Kapitel und ich weiß nicht ob und wie oft ich dabei geblitzt wurde, es war mir eigentlich alles egal in diesem Moment, es ging schließlich um Leben oder Tod dachte ich, im Kampf um die große Liebe, die nicht mit mir reden, noch sonst irgendwas mit mir zu tun haben wollte, die ich seit dem Morgen des 29. Septembers nicht mehr gesehen hatte.

Was erwartete ich, als ich bei ihr vor der Tür stand, Sturm klingelte, mich von ihrer sehr netten Nachbarin nicht abwimmeln ließ, die warnte I würde die Polizei rufen, wenn ich sie nicht in Ruhe ließe, weil ich davon überzeugt war, dass ich es nur gut meinte, sie aufklären wollte, was ich noch der Nachbarin erklärte, die es aber seltsamerweise überhaupt nicht interessierte. Ich war am Durchdrehen. Saß im Flur und rauchte, die Nachbarin warnte mich nochmal, I traute sich nicht raus, könnte jederzeit die Polizei rufen, das sei Stalking, ich blieb stur, rauchte noch eine, fühlte mich furchtbar und irgendwann ging ich, fuhr mit dem Aufzug wieder hinunter, wo mich ihr vermutlich Retter noch fast anrempelte, der ins Haus stürmte und mich grimmig ansah, frage ich mich noch heute und weiß keine Antwort - ich war eben im Liebeswahn, was dem Prinzip Aufklärung ungefähr so nahe steht wie Gustav Mahler der Schlagerparade, manchmal sind wir eben nur ein Schatten unserer selbst.

Der liebeskranke Narr fuhr dann zu seiner lieben Freundin C, mit der ich nach der ersten Fete in B das Bett gemeinsam mit J teilte. Diese sehr liebeserfahene junge Mutter wusch mir gehörig den Kopf. Verbot mir nur daran zu denken, in die Nähe dieser Frau zu kommen, weil keinen interessierte, was ich erklären wollte, es vorbei sei und ich das respektieren müsse. Sie tat das mit viel Gefühl und dem großen Herzen ihrer auch ziganen Familie und als kluge Frau. Verstand es erst ganz langsam, wehrte mich noch, weil es doch unvernünftig war, akzeptierte es aber und es war gut so. Damit war das Kapitel I erledigt, es war endgültig tabu, ich hatte es akzeptiert, auch wenn ich nie verstand, warum zwei Menschen nicht vernünftig ein Missverständnis aufklären können - aber so wahnsinnig wie ich zu diesem Zeitpunkt auch war, ist der Ansatz einer vernünftigen Klärung ohnehin eher illusorisch gewesen und es war vernünftig, dass die Frau, die ich zu lieben meinte, nicht versuchte, es mit mir vernünftig zu klären, ich hätte es ohnehin nie verstanden, wie sie sich vermutlich längst einem anderen zuwenden konnte. Ansonsten mochte ich die Vernunft und Kant aber sehr.

Die Herrschaft der Vernunft und die Prinzipien der Aufklärung faszinierten mich schon viele  Jahre, hatten mich auch Ende der 80er noch mit 18 zu den Freimaurern gebracht, deren tolerantes Denken verbunden mit sagenhafter Geschichte und berühmten Mitgliedern, eigentlich alles von Rang und Namen im 18. und 19. Jahrhundert zunächst, gefiel mir gut. Auch Kant, der strenge Logiker und Friedrich der Große waren dort mehr oder weniger aktiv - Lessings Ringparabel, in der Moses Mendelssohn im Nathan sein schönstes Denkmal fand, wurde auch als freimaurerisches Denken der Toleranz gegenüber den Religionen hochgehalten. Wie sie es tatächlich damit hielten und wie es auch Lessing mit diesem Verein hielt, der sich weigerte seinen Freund Moses aufzunehmen, was ihn unter anderem von Hamburg nach Wolfenbüttel gehen ließ, wo er welfischer Bibliothekar wurde, erfuhr ich erst viel später, als die Ideale schon viel von ihrer Faszination in der bloßen Realität des Vereins verloren hatten.

Der 60. Geburtstag meines lieben Logenbruders und alten Meisters KH war der Grund der früheren Reise ursprünglich gewesen, das reale Drama mit I hatte ich nicht bewusst geplant, es packte mich eher spontan und darum vermutlich auch so heftig kurzzeitig. KH war ein sehr wohlhabender Freund, er hatte als Architekt viele Häuser saniert und feierte entsprechend großzügig mit seinen Brüdern und Freunden. Häufig hatte ich ihn in einem seiner schnellen Autos gefahren, da er regelmäßig seinen Führerschein einige Zeit abgeben musste, da er wieder zu viele Punkte angesammelt hatte. Seine freimaurerische Toleranz gegenüber Geschwindigkeitsbegrenzungen und Regelungen des Abstandes war sehr hoch - aber er war gelassen dabei und auch wenn ich solches Verhalten von Haus als ganz streng zu verurteilen nur kannte, mochte ich ihn immer sehr. Er war wie ein großer Lausbub, der eben manchmal zu schnell fuhr und wenn du mit 300 ankommst und dann fährt einer mit 120 auf die linke Spur, dann bist du eben schnell dicht dran.

Zumindest war ich als dann zeitweise Chauffeur der Porsches, Audis oder Jaguars in den Genuss hoher Geschwindigkeit in tollen Autos gekommen, selbst über 300 mal gefahren und hatte festgestellt, 650PS unter dem Hintern, brachten Schub, ließen dich toll fühlen in der Schlange hinter dem Trecker in der Pfalz, weil du sie alle schneller überholst als der Passat vorne überhaupt blinken kann, aber für mich war das sonst eher nichts und das wir keinen Unfall bauten, war noch riesiges Glück wohl, denke ich heute, wo ich um meine schlechten Augen weiß.

Wollte ich nun moralisch werden, dächte ich an die gerade Verurteilung der zwei Idioten in Berlin, die ein Autorennen auf dem Tauentzien veranstalteten und dabei jemand tot fuhren, wegen Mordes zu lebenslänglicher Haft, wüsste ich, was ich von dieser idiotischen Raserei  und ihrem ethischen Wert zu halten hätte. Verwerflicher Mist, der sogar mörderisch sein kann und lebenslänglich in den Knast führt. So sah ich es aber nicht - waren alles hoch moralische Männer in meiner Mainzer Loge, sozial engagiert, tolerant, gut integriert, wie sich die Gesellschaft das so wünscht, es fuhren halt nur einige von ihnen gerne sehr schnelle Autos und konnten es sich leisten im Gegensatz zu mir, der das aber nie bedauerte.

So gehen wir manche moralischen Kompromisse jenseits aller Vernunft ein, weil wir die Leute mögen und ich muss ja zugeben, diese Raserei war schon sexy, wenn ich selbst diese Kisten fahren durfte, weil mal wieder einer den Führerschein abgeben musste,  oder zu viel Getrunken hatte, was in diesem der Toleranz gewidmeten Verein, der noch vom Fänger des Schinderhannes, dem damaligen französischen Kommandeur von Mainz, gegründet wurde, nicht so selten war. Es war ein reiner Männerverein, in dem Frauen nur manchmal zu Gast sein durften. Ein Verein der für sich und seine Gäste fabelhaft kochte und die ein wunderschönes Haus in der Mainzer Altstadt ihr Eigen nannten.

Die Ideale der Freimaurerei, die sich Anfang des 17. Jahrhunderts in England aus den überflüssig gewordenen Dombauhütten heraus gründete und die vom Geist der Aufklärung getragen war, wollen den Menschen dazu bringen, an sich zu arbeiten, er soll mit den symbolischen Werkzeugen der Maurer, die jeder auf Bildern von Logenhäusern oder aus einschlägigen Publikationen sehen kann, also Winkelmaß und Zirkel, wie einigen anderen noch, beschäftigen und sie symbolisch bearbeiten, sich vom rauhen Stein, der er beim Eintritt ins Leben war, zum kubischen Stein wandeln, indem er nachdenkt. Es geht symbolisch oder geistig darum, seinen Platz im Tempel der Menschheit zu finden und sich selbst der rechten Form anzupassen - also normgerechte Anpassung unter dem Deckmantel der Toleranz.

Schöne Ideale, die auch Lessing, Goethe, Friedrich dem Großen, Kant, Casanova, Tucholsky und anderen mehr gefielen besonders zu einer Zeit der realen Klassengesellschaft in der die klassenlose Loge eine echte Revolution war. Ob es gut sein kann die Hälfte der Menschheit auszuschließen, könnte diskutiert werden, es entspricht sicher nicht mehr dem Zeitgeist, hat aber auch deutliche Vorteile im sozialen Miteinander wie mich die Erfahrung lehrte, aus der ich gemischte und getrennte Loge kennenlernte. Von mir aus soll sich da jeder den Verein raussuchen, der ihm am besten gefällt, mit geschlechtlicher Mischung oder ohne. Fand es angenehm in einer reinen Männerrunde zu diskutieren aber es gibt in jeder sozialen Konstellationen immer Möglichkeiten der Entgleisung und einen vernünftigen Grund für die Trennung kann ich nicht nennen, außer wir machten das halt schon immer so und es hat sich bewährt - manchmal wurde das Logenhaus in seiner Mänerrunde so auch zu einem Rückzugsort zahlreicher von der Damenwelt gequälter Herren, die sich ihr Leid klagten, wie es das umgekehrt unter Frauen auch gibt.

Das große freimaurerische Geheimnis von dem immer gemunkelt wird und das unter dem Gebot der symbolischen Todesstrafe keines der Mitglieder verraten soll, könnte ich, der ich längst aus dem Verein austrat, weil es eben auch nur ein Verein war und in Berlin noch schlimmer mit sich beschäftigt war, getrost verraten, ohne mich zu fürchten, wenn es was zu verraten gäbe.

Wer die Rituale der Freimaurer lesen will, kann dies in allen Landesbibliotheken tun - eine Hamburger Loge lud einmal Geo-Reporter ein, die über eine Aufnahme genau mit Fotos berichteten. Kann jeder, den es interessiert überprüfen oder es lassen. Die Idee halte ich immer noch für gut als einen Versuch den Geist der Aufklärung in ein intuitives Ritual zu übertragen, das über Initiation, die sich an alten elementaren Riten orientiert, versucht dem Geist der Freiheit einen Rahmen zu geben, wie ihn viele Menschen im Gottesdienst fanden, der aber als Aberglaube noch weniger in unsere Zeit passt.

Eine gute Idee mit schönen Idealen, die der Aufklärung einen zeremoniellen Ritus gibt, dazu eine weltweite Bruderkette baut, um im Geist der Toleranz zusammen zu arbeiten, zumindest theoretisch. Praktisch beschäftigt sie sich mehr mit Regularität und der Ahndung der Abweichler als mit inhaltlich philosophischen Fragen, wird in vielem männerbündisch, was die Geschichten über schnelle Autos oder meine Einladungen ins Bordell belegen - es gibt da angenehme Ausnahmen - Mainz war so eine, wo sich auch der sehr tolerante und kritische Georg Forster seinerzeit schon wohl fühlte, in Berlin schien es mir eher ein Verein und war Mainz weit weg.

Die Logen sind in Deutschland im Durchschnitt relativ überaltert, was ihrem Geist in vielem entspricht und das Aussterben als einen natürlichen Prozess ohne Bedauern kommen sieht - insofern hat es sich halt überlebt. Andererseits wäre der Geist der Toleranz und der Freiheit  wieder wichtig im Land, während russische Propaganda Sender hier zur Fremdenfeindlichkeit anstacheln und eine Minderheit intoleranter Pegiden meint, sie sein das Volk. Doch Töne wie sie bei Pegida teilweise zu hören sind, waren auch von einigen Brüdern ansonsten eher als tolerant bekannter Logen in Deutschland zu hören und als Vorreiter der Emanzipation haben sich diese Vereine schon zu Lessings Zeiten nicht gezeigt, im Gegenteil. Was Lessing von diesen Vereinen hält, kann jeder in dessen Schrift Ernst und Falk, Gespräche für Freimaurer,  nachlesen - er hält sie für einen Haufen intoleranter mit sich selbst beschäftigter Männer, die nur theoretisch so tolerant sind, wie sie sich geben, nette Idee real nur ein deutscher Verein.

Ganz so scharf würde ich auch Jahre nach meinem Austritt eher nicht urteilen - es ist  ein Verein in dem es viele gibt, die sich um Toleranz bemühen und sicher mehr als im Durchschnitt die sich Gedanken über die Fragen des Seins machen. Ansonsten ist es eben ein Verein, ein deutscher e.V. - solche meide ich, wenn ich kann, wie die Pest und es gibt in der regulären englischen und also auch der deutschen Variante noch einen Bezug auf den Großen Baumeister aller Welten, was symbolisch für Gott steht, mit dem ich nun wirklich nichts mehr am Hut habe.

Im liberaleren Großen Orient von Frankreich, der die meisten Mitglieder im Nachbarland hat, dem ich auch mal angehörte und von dem aus die meisten Logen in Deutschland gegründet wurden, zumindest in den Staaten, die im Rheinbund waren, ist es was diesen Baumeister betrifft etwas freier - dort liegt nicht die Bibel sondern die Verfassung oder ein Buch mit weißen Blättern auf. Die GO genannte Großloge nimmt in Frankreich auch an politischen Diskussionen teil, beruft sich auf die Revolution und sagt statt Weisheit, Schönheit und Stärke lieber Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und es lebe die Republik.

Damit beschäftigte ich mich an einigen Freitagen und Samstagen im Dezember, als ich wieder im Süden weilte und doch war mir diese vorher so vertraute Welt bereit seltsam fremd geworden. Statt mit den Brüdern Silvester zu feiern, wie ich es noch als einziger unbeweibt 1999/2000 tat, plante ich den Jahreswechsel schon lieber mit meinem lieben Freund J in irgendeiner Heidelberger Kneipe feiernd zu verbringen - wir zwei von den Damen leicht frustrierten Junggesellen, wollten nur Spaß haben.

So gingen wir schon vor Silvester zusammen in irgendeine Heidelberger Disco zum Tanzen. War während meiner Zeit in Heidelberg nie in dem Laden gewesen, obwohl er bekannt war, aber Tanzen gehen, außer mal auf Festen oder Bällen, wenn mich meine Verlobte oder sonstige Damen dazu verdonnerten, war nicht so mein Thema, was ein Fehler war, wie sich gleich beim ersten mal herausstellte.

Flirtete zunächst mit Blicken mit einer schwarzhaarigen Schönen, die viel ihrer guten Figur zeigte und sich im Gespräch als eine Ungarin aus Transsylvanien herausstellte, womit ich gleich meinen Freund J ins Gespräch bringen konnte, der ja Ungar aus Budapest war. Sie war mit einer Freundin da, die mit J auf ungarisch zu reden anfing, auch wenn beide längst hervorragend deutsch sprachen.

Wir kamen uns näher, berührten uns beim Tanzen, sie schreckte nicht zurück, sondern spielte damit und am Ende tauschten wir Telefonnummern. Schon am nächsten Tag fuhr ich mit J nach Speyer, wo wir mit dem beiden in irgendeinem dortigen Irish Pub verabredet waren, der so langweilig wie die meisten Restaurants dieser Sorte war, allerdings dem Zweck der Annäherung ohne sonstige Ablenkung ganz dienlich war.

J unterhielt sich mit der Freundin und ich plauderte mit der Schönen aus Transsylvanien aber es passierte in der zivilen Umgebung nicht wirklich viel - schließlich brachten wir die Damen nach Hause oder zumindest zur Wohnung der einen und da fanden T und ich endlich dazu, uns leidenschaftlich zu küssen. Sie war eine sehr heißblütige und zugleich kontrollierte Fraue, eine spannende Mischung, studierte in Mannheim Betriebswirtschaft, war einige Jahre jünger als ich aber mit schönen großzügig proportionierten Rundungen an den richtigen Stellen und sonst eher mädchenhaft schlank, soweit ich es in der winterlichen Kleidung erfühlen oder an mich gedrückt, spüren konnte. Das perfekte Schneewittchen in weiblich vom Typ her.

Freute mich auf das, was nun kommen würde - aber es kam nichts, mein kleiner Vampir, die von Leidenschaft gepackt zum Abschied noch mal echt transylvanisch in meinen Hals biss, verabschiedete sich höflich und ich, der klare Verhältnisse schon immer mochte, wusste nichts genaues und nun standen die Feiertage an, in denen wir wohl beide eher in Familie eingebunden sein würden, sie arbeitend, ich als Sohn und Familienmitglied.

Beratschlagte mit J, der ja Ungar war, was ich davon halten sollte - er meinte, die käme schon, ich solle einfach cool bleiben und abwarten, wie er die Frauen aus Ungarn kannte, auch wenn sie ja eher aus Siebenbürgen kam, wollte sie gerne die Zeit und die Richtung bestimmen, aber das würde noch dieses Jahr was, meinte er und sonst feiern wir halt zusammen oder mit den beiden Silvester irgendwie, er war ganz gelassen, war ja auch mehr als 25 Jahre älter und es ging nicht um sein Herz.

Weihnachten kam, was bei uns in der Großfamilie ein wenig wie bei den Buddenbrooks  nach alter Sitte zelebriert wird - mit riesigem Tannenbaum voller brennender Bienenwachskerzen, langem gemeinsamen Singen, Geschenken und einem großen Menüs an der langen Tafel, die aufgebaut und eingedeckt werden musste. Zur Begrüßung der Großfamilie wurde gegen 17h Tee getrunken und Gebäck gereicht, alle begrüßt, viel erzählt, wenn auch meist kaum etwas zu Ende, weil immer wieder einer zum anderen tingelte und fragte, wie es ginge, worauf die Erzählung von vorne begann. Familie eben - wir sahen uns ein bis zweimal im Jahr - wir, das waren die drei Brüder meines Vaters, damals noch die Großmutter und deren Kinder mit Partnern soweit sie im Lande waren. Um die 25 Personen etwa mindestens. Nach dem spätestens nach dem Eintreffen von Tante A. sehr lauten Teetrinken, ging es zum Hauptteil über. Der Vater zündete die Bienenwachskerzen am Baum alle an und dann durfte die Gemeinde mit vielen Aaahs und Oooohs den Baum bestaunen, sowie meinen Vater loben und den rituellen Teil beginnen.

Vor den Geschenken wurde so lange gesungen, wie Gäste da waren. Jeder durfte sich ein Lied wünschen und wir praktizierten das mit großer Freude und teilweise sehr hohem Tempo am Ende, was dann oft in ein einziges Lachen überging. Zum Stille Nacht singen wurden wir dann in Gedenken der Großeltern wieder ernst, fassten wir uns an den Händen - mein Vater rief immer irgendwann immer lauter nach meiner Mutter, die mit dem Braten in der Küche beschäftigt war, den er dann rituell aufschnitt und dekorierte. Doch vor dem Essen kam nach der ersten Zeremonie der Champagner, den ich mit einem Schwager verteilte. Viel Wein wurde auch getrunken, während des Essens und bei den immer lauteren Gesprächen danach und so war ich bis in die Nacht des 1. Feiertages gut beschäftigt - wir tauschten nur einige etwas verliebte SMS, aber ohne zu große Euphorie - noch war ich vorsichtig und spielte nur ein wenig mit dem neuen Glück, der Schock mit I war noch keine drei Monate her. Es schien, als hätte ich etwas gelernt, aber der Schein täuschte.

Gegen Mitternacht oder vermutlich deutlich danach, als sich alle bereits zum Schlafen in ihre Hotels oder Gästezimmer zurückgezogen hatten, fragte sie an, was ich mache, ob wir uns noch sehen wollten. Antwortete, wahrheitsgemäß, es war ja schließlich Weihnachten, dass wir bis jetzt gefeiert hätten und es nun ruhiger würde, ich aber leider nicht mehr fahrtüchtig wäre. Darauf bot sie an, zu kommen, wenn mir das passe. Begeistert sagte ich sofort zu und sie meinte, sie käme dann in einer halben Stunde - erklärte ihr den Weg, aber sie kannte sich wohl aus. Freute mich auf die kleine Lust nach der großen des Festessens und der Familienfeier und war betrunken genug, nicht weiter über Folgen oder Möglichkeiten nachzudenken, als ich ihr zusagte.

Da fiel mir siedend heiß ein, dass ich in meinem Zimmer mit meinem Vetter M schlief und das Haus im übrigen voller Verwandter war. Nur im Keller, wo der Fernseher meiner Eltern stand und meine Mutter ihr Nähzimmer hatte, war keiner und hörte einen vermutlich keiner, fiel mir zum Glück noch ein, nachdem ich schon überlegte, ob wir es in meinem kleinen Bad tun könnten, denn im Wohnzimmer oder im Wintergarten war zwar vermutlich keiner mehr aber es war dafür zum Schlafzimmer meiner Eltern hinauf sehr hellhörig, also für die erste Lust vielleicht doch nicht so geeignet, nicht dass noch jemand nachschauen kam, was da los wäre.

Erwartete sie an der Straße, damit sie nicht klingeln musste und diese strahlenden dunklen Augen unter den schwarzen Haaren werde ich wohl nie vergessen, könnte ich noch jetzt schmachten, wäre es nicht so lächerlich, gemessen am weiteren Verlauf. Leise begaben wir uns in den Keller, nachdem ich ihr noch auf der Straße die Umstände erklärt hatte. Kaum war die Tür des Kellers ohne Hobby hinter uns geschlossen, gaben wir uns endlich ungestört und unbeobachtet ohne Freunde und Verwandte unserer Leidenschaft hin, die schon beim Tanzen spürbar wurde.

Sie trug schöne Wäsche, natürlich passend und ihr relativ großer Busen sprang mir voller Freude entgegen, nachdem ich mit einer Hand die Häkchen an ihrem Rücken geöffnet hatte - küsste ihn hingebungsvoll, er war wunderschön und gerade das vielleicht schönste Weihnachtsgeschenk. Schob ihren Rock hoch, fühlte nur einen schmalen Streifen über ihrem wunderbar runden und festen Po, sie trug String und darunter einen schmalen frisch rasierten Streifen schöner schwarzer Locken, passend zu ihren Haaren, alles war, wie ich es nur träumen konnte.

Küsste auch ihren  Schoss hingebungsvoll, sie bewegte dazu ihr Becken mit großer Beweglichkeit rhythmisch und atmete immer heftiger, bis sie voller Leidenschaft, wenn auchn der Situation geschuldet, etwa gedämpft, zu stöhnen begann. Sie verwöhnte mich danach in gleicher Weise, doch bevor ich unverhofft oder ungeplant nun einfach in ihren Mund kam unterbrach ich dies beglückende Spiel und wollte in sie eindringen - über Verhütung oder sonstigen Schutz machte ich mir weihnachtstrunken in diesem Moment keinerlei Gedanken.

Da übernahm sie die Führung, legte sich auf den Nähtisch meiner Mutter, hoffe sie hatte später nicht zu viele Nadeln irgendwo, kann mich aber an keine Klagen mehr erinnern - wir waren voller Lust, da lenkte nichts mehr vom Ziel ab - legte ihre Beine auf meine Schultern und führte meinen Schwanz ein. Fand es herrlich eng und es fühlte sich wunderbar an - wo ich nun war, machte ich mir keine Gedanken und insofern bewahrheitete sich wieder die alte Weisheit meines Großvaters, im richtigen Moment sitzt das Hirn im Hintern und hilft Schieben.

Kurz bevor ich kam, fragte ich sie, ob ich aufpassen müsse, da lachte sie nur und meinte nein, ich sei doch hinten, kein Problem und vor lauter Begeisterung wuchs meine Lust ins geradezu unermessliche und voller Glück über und auch sie zuckte leise schreiend in genau diesem Moment zusammen - gutes timing, dachte ich, passt doch perfekt und das beim ersten mal ziemlich betrunken an Weihnachten.

Wir kuschelten uns danach auf das Sofa im Keller und schliefen Arm in Arm ein. Am nächsten Morgen verschwand ich erstmal dezent mit ihr im Bad -  sie schien nicht so planlos  wie ich gewesen zu sein, hatte Wechselsachen dabei und wir duschten noch genüsslich zusammen. Das Leben meinte es gut mit mir, dachte ich. So eine wunderbare, romantische und lustvolle Frau, die mich ein wenig anhimmelte, in meinem Arm ruhig schlief und mir beim Sex das Gefühl gab, dieser wäre für beide mehr als befriedigend gewesen. War glücklich und dachte nicht weiter darüber nach, wie ich den neuen Gast beim Familienfrühstück vorstellen würde.

Es ergab sich dann einfach so, wir setzten uns an die lange Tafel und sie wurde einfach integriert, zwei Onkel fragten sie gleich zu ihrer Heimat, das frühere Siebenbürgen, bemühten sich, wie bei uns üblich, einander in ihren Fachkenntnissen beim Plaudern zu übertreffen übertreffen und ich saß stolz strahlend daneben, während sie mit ihrem leicht ungarischen Akzent sinnlich schön plauderte. Jubel, die ist mein, dachte ich, zumindest hatte ich sie heute Nacht.

Sie verabschiedete sich schon bald wieder, weil sie leider im Restaurant ihres Bruders arbeiten musste, der ein bekannter Ringer war und wieder übertrafen sich mein Vater und seine Brüder in der Präsentation ihres Spezialwissens - hatte einfach nur zur Kenntnis genommen, dass ihr Bruder in der Bundesliga kämpfte oder Nationalmannschaft, ich weiß es nicht mehr - Ringen hat mich noch nie interessiert und ich verstand nichts davon, gab mich aber als sie stolz erzählte beteiligt und interessiert und saß noch stolzer am Tisch. Ahnte schon das Getuschel, wenn ich sie nun zum Wagen brachte, um so stiller wurde es in dem Moment, als ich wieder den Raum betrat.

Sofern du einen Raum betrittst und nicht viel passiert, kannst du dich meist freuen und gelassen sein, es sei denn du bist der Grund der Ansammlung, was ja Weihnachten nie der Fall ist, wo doch nur die Familie und der Geburtstag des Rabbis und Sektengründers aus rituellen Gründen passend zur Wintersonnenwende bejubelt wird. Als ich T verabschiedet hatte und selig zurückkam, trat Schweigen ein, ich grinste nur, setzte mich an meinen Platz und trank noch einen Tee - sympathische junge Frau meinten mein Vater und meine Onkel und hübsch meinte der jüngste der Brüder meines Vaters, meine Schwestern verdrehten vermutlich nur die Augen, aber ich habe mich bemüht, alles zu ignorieren, schwärmte vor den Onkels ein wenig und gestand dann, dass der Besuch keinesfalls geplant war, sondern überraschend kam und dann eben blieb. War ja sehr nett, beschloss mein Vater das Gespräch zu meiner Neuen und ich überließ den anderen zu reden, genoß die befriedigte Stimmung in mir und freute mich, auf das was kommen würde.

Wer am 1. Weihnachtsfeiertag kommt, weil er es nicht mehr aushält vor Lust, wird auch sonst kommen, dachte ich und sonst besuchte ich eben sie, war ich wild entschlossen eine Frau, die gebildet und interessant wirkte und dazu noch leidenschaftlich gut war, nicht so schnell wieder loszulassen. Wir tauschten noch einige ziemlich verliebte SMS am ersten Tag - sie musste leider  ganz viel arbeiten, entschuldigte sie sich, dann etwas weniger die nächsten Tage und Silvester rückte immer näher, dass ich doch mit meinem neuen Schatz verbringen wollte, nachdem mein Geburtstag schon so ein einsamer Reinfall war.

Sie hatte leider keine Zeit, angeblich musste sie arbeiten, oder was immer sie sonst vorhatte - sie ließ mich zappeln und sagte dann ab, sie glaube es sei besser so, es passe wohl nicht -  na dann, dachte ich, nur kein Drama machen, rief J an und der meinte auch nur, wer nicht will, der hat schon, freu dich an dem, was du hattest und vergiss sie, machen wir schöne Party in der Altstadt.

So feierten wir uns durch verschiedene Kneipen der Heidelberger Altstadt und landeten schließlich tanzend an der Alten Brücke, wo wir passend mit Blick aufs romantische Schloss als zwei treue Freunde den Jahreswechsel begingen, um dann einfach weiter zu trinken und zu feiern.

Zu weit fortgeschrittener Stunde, die Tanzfläche hatte sich schon etwas geleert, begann ich mit einer lustigen, wohl gerundeten Blondine zu tanzen, die vermutlich etwas älter als ich war, was mich aber nach der Erfahrung mit der unsteten jüngeren T nicht störte. Wir tanzten uns heiß, kurz vor der Schwelle zum Sex, dann verabschiedete sie sich mit ihren Freundinnen und wir konnten gerade noch Nummern tauschen.

Tatsächlich meldete sie sich zwei Tage später und fragte, ob ich am nächsten Abend Zeit hätte. Sie hätte zwar ihre Tochter da, aber die schliefe ja irgendwann, wenn ich nach 21h käme. Leider musste ich an diesem Tag zu einer Beerdigung nach Mainz. Ein lieber Freund und Logenbruder war überraschend gestorben. Herzinfarkt, was aber angesichts seiner Dicke und seiner Probleme beim Treppensteigen keinen zu  sehr verwunderte. Der Freund dessen 60. wir vorher gefeiert hatten, rief mich an und lud mich zur maurerischen Trauerfeier und einem Umtrunk bei Weck Worscht und Woi im Sinne des Verstorbenen.

Der liebe W hatte einen Herzinfarkt beim Sex erlitten, ein wunderschöner Tod eigentlich, wie wir Brüder einander versicherten - dumm nur, dass es ihm weder bei seiner Frau, von der er aber schon länger getrennt lebte, noch bei seiner eigentlich festen Freundin sondern bei einer dritten Geliebten passierte. Hoffte für die arme Frau, er wäre zumindest unter ihr und nicht auf ihr kollabiert, angesichts seines Kampfgewichsts von weit über 150 kg.

Alle seine drei betroffenen Frauen waren bei der Trauerfeier anwesend, es gab bei W. natürlich keinen Pastor sondern nur ein schlichtes freimaurerisches Ritual, mit Göttern hatte es der Philosoph und Denker ja gar nicht, der nebenbei noch ein höherer Beamter war und sich schon auf seine bald Zeit in Rumänien gefreut hatte, wohin ihn die EU gut bezahlt schicken wollte und wo es so viele schöne Frauen gab, wie er mir vorschwärmte. Daraus wurde nichts. Unter den drei Witwen übernahm die nominelle die Führung und ließ sich als  erste kondolieren, die anderen waren noch so verzweifelt und geschockt,  dass sie wie  abwesend wirkten, ohne zugleich miteinander reden zu können.

Beobachtete es, sie taten mir leid aber ich hielt mich dann doch lieber an die Brüder, wir scherzten in seinem Sinne, sagten, er fand den Tod, den er sich immer gewünscht hat und sei nun im Ewigen Osten angekommen. Eine fröhliche Beerdigung mit reichlich unseres guten Rieslings, Fleischwurst und Brötchen, später wurde noch richtig aufgetischt, ganz nach dem Geschmack des großen Gourmets W, der so gerne gut wie viel und deftig aß und trank.

Am frühen Abend löste sich die Runde langsam auf, was mir gut passte, da ich ja noch mein Date mit der blonden Bäckerin an der Weinstraße hatte. Nicht ganz nüchtern machte ich mich auf den Weg, nahm noch eine Flasche Wasser zur Ausnüchterung mit und einen Wein als Mitbringsel. Es wäre wohl in seinem Sinne gewesen, was ich jetzt vorhatte, dachte ich, gerade in Anbetracht seines Todes, verabschiedete mich von den letzten Brüdern, die staunten, da ich sonst immer eher einer der letzten war, der ging, mit KH eben und dann meist noch irgendwo anders hin - dieser witzelte sogleich der hat noch ein Date, der macht es genau richtig, denk dabei an den guten W, das wäre, wie er es wünschte und unter herzlichem Lachen verabschiedete mich die ehrenvolle Runde der trauernden Brüder, die es nach Epikur verstanden mit dem Tod umzugehen, der uns nichts anging, wenn ich sie bei diesen Zoten auch nicht allzu scharf von einem Stammtisch mehr unterscheiden könnte.

Überstand die Fahrt gut, fand nach ihrer Beschreibung ihr kleines Häuschen vor dem Schlösschen in dem Städtchen an der Weinstraße sofort und sie erwartete mich mit strahlenden Augen. Die Nacht wurde mehr als leidenschaftlich - sie war genau, wie ich es mochte, nicht zu schlank, überall genug und an Busen und Po genug, sich ausgiebig daran zu freuen. Sie war laut, leidenschaftlich, für alles offen und dabei völlig natürlich, machte sich dabei über nichts Gedanken als ihre Lust, die sie mit mir ausgiebig genoss, alles war gut so, dachte ich. Lernte ihre Tochter noch nicht kennen, die schlief zum Glück tief und ließ sich nicht von ihrer nicht eben leisen Mutter stören.

Sicher war T gebildeter und wäre langfristig die bessere Partie, aber da sie nicht wollte und die Dinge eben waren, wie sie waren, genoss ich aus vollem Herzen, was sich ergab und sie wollte gerne eine Beziehung, warum also nicht. Sie war Innenausstatterin wohl gewesen, bis sie Mutter wurde und damit alleine war und nun sehr früh als Bäckereifachverkäuferin im wahrsten Sinne des Wortes ihre Brötchen ehrlich verdiente. Was nützt dir eine gebildete oder adelige Frau, wenn sie keinen Spaß am Sex hat, es nicht befriedigend mit ihr ist oder sie nie weiß, was sie nun will, wie T, die sich nicht für uns entschieden hatte. Meine Bäckerin strahlte mich an und sagte, dann kommst du und dichtest du hier, ich verdiene die Brötchen und zwischendurch lieben wir uns, ist doch traumhaft.

Übermorgen sollte es wieder nach Berlin gehen war geplant, doch wir verabredeten, dass ich auf dem Weg noch zu ihr käme, um mir einige Kalorien an Lust und Liebe abzuholen zur Stärkung und Erinnerung wie sie meinte. So war sie und es klang alles so wunderbar unkompliziert mit ihr, sie hatte immer Lust, antwortete sofort voller Leidenschaft auf SMS - war zwar vier Jahre älter als ich, aber egal, vielleicht würden wir noch ein Kind kriegen, Mitte dreißig kein Thema, sagte sie, noch nahm sie die Pille und war meist fröhlich, trug reizvolle schöne Wäsche, ihre Scham war in einem schmalen gelockten Streifen schön frisiert, wie ich es mochte, denn weder keine Haare noch keine Pflege dieser fand ich wirklich reizvoll - so irgendwas dazwischen aber vor allem echte spürbare Lust und die hatte sie, da konnte ich auch mal darüber hinwegsehen, was sie alles nicht wusste oder kannte.

Am Tag bevor ich wieder gen Berlin wollte, meldete sich T, ihre Tage kämen nicht - gut sagte ich, wenn das so ist, werde ich bei dir sein, wenn du das möchtest, egal wie, ich stehe zu meiner Verantwortung sagte ich einfach so, ohne zu wissen, was sie während der Zeit, in der wir uns nicht sahen, noch getrieben hatte.

Dieser Vertrauensvorschuss erfreute sie wiederum so sehr, dass sie völlig fassungslos  war und fast am Telefon zu weinen begonnen hätte. Wir redeten lange, leider konnten wir uns nicht mehr sehen, weil sie lange arbeiten musste und morgen früh fuhr um 10h erwartete mich ja meine Bäckerin zum Sex vor der langen Tour in den wilden Osten.

Erzählte es ihr ganz offen, was passiert war, dass, wenn sie schwanger sein sollte, dies natürlich Vorrang hätte, aber sie doch auch verstehen müsse, dass ich nachdem sie nicht mehr wollte und es war eben Silvester. Druckste ein wenig herum, ohne die Absicht irgendwas zu ändern und war gespannt, ob ich damit durchkam - verfolgte keine Strategie, wollte nicht beide, konnte mich nur nicht so entscheiden, brauchte Zeit und ließ mir darum alles offen. Da wurde meine T ganz weich, ein wenig weinerlich bedauerte sie, wie blöd sie sich benommen habe, entschuldigte sich und sie wusste ja nicht, dass ich es ernst meine - blöde Ausrede eigentlich, nachdem ich sie der ganzen Familie vorgestellt hatte.

Wurde aber genauso weich, spürte wieder das alte Gefühl, wollte aber meine Bäckerin auch nicht einfach im Stich lassen und beschloss morgen auch mit ihr ganz offen zu reden. Ehrlichkeit war immer am sichersten, dachte ich, da konnte ich mich nie verplappern, musste nicht weiter darüber nachdenken und entweder sie liebte mich, so  wie es eben war oder nicht.

Eigentlich, hatte ich gedacht, eine von beiden oder beide würden mir das  Messer auf die Brust setzen und eine klare Entscheidung fordern und dann würde ich mich für die geduldigere entscheiden, was in dem Fall T war, die schon sagte, sie verstünde das und es wäre ja ihr Fehler gewesen, sie freue sich so, wie gut ich reagiert hätte und spüre, was ich für ein guter Vater wäre. Was ging mir bei diesen Worten das Herz auf und fast wäre ich schon wieder schwach geworden und hätte die großartige Situation ohne Not aufgegeben.

Zwei Frauen wollten mich nun, vielleicht war eine schwanger, dann wäre es entschieden, sonst kann ich es mir aussuchen, wenn die Bäckerin nicht morgen ausflippt, aber dann ist es eben so und gut so.

Das zweite Zusammentreffen mit meiner Bäckerin wurde noch leidenschaftlicher, ich sollte sie schließlich in guter Erinnerung behalten, wie sie meinte und als ich ihr die ganze Geschichte mit T erzählte und deren möglicher Schwangerschaft und meinem Gewissenskonflikt und ich sie nie belügen wollte aber nun nicht wüsste, was tun, war auch sie so wunderbar von diesem hilflosen Mann gerührt, der sich um die Frau kümmern will, die er vielleicht aus Versehen geschwängert hat, dass sie sich, wie T, noch mehr in mich verliebte, mir alle Zeit der Welt ließ, ich in Ruhe entscheiden sollte und sie mich in Berlin besuchen käme, was T auch beabsichtigte und danach könnte ich ja entscheiden, außerdem käme ich ja im Februar schon wieder zum Geburtstag meiner Eltern - nun sollten wir erstmal in Ruhe abwarten und sie ließe mir alle Zeit der Welt, küsste dabei erst  mich und dann meinen Schwanz, worauf wir noch zweimal vögelten, bevor ich mich zugegeben etwas erschöpft auf den Rückweg nach Berlin machte, völlig unentschieden, zutiefst befriedigt, aber nicht unglücklich, wie wandelbar das Leben doch sein konnte manchmal. Kam ohne eine Frau gen Süden, lief einer hinterher, mit der es eigentlich schrecklich und langweilig war und fuhr wieder mit zweien, ohne es zu wollen, hatte ich die Wahl, zwischen zwei wunderschönen und äußerst leidenschaftlichen richtigen Frauen, ob das gut gehen konnte, fragte ich mich selig schwebend noch nicht.
jens tuengerthal 27.2.2017

Frühlingsgefühle

Vögel zwitschern fast übertönt von Kindern
Die Sonne scheint aus himmelblau noch über
Die Hausecke und nur die Sehnsucht erwacht
jens tuengerthal 27.2.2017

Sonntag, 26. Februar 2017

Berlinleben 004

Oktober - Dezember 2000

Berlinbesucher

Wie lange würde es dauern, bis diese fremde Großstadt meine würde, wann kannte ich sie wirklich und wieviele Jahre würde ich noch fremdeln, fragte ich mich nach dem netten Abendessen mit der zauberhaften rothaarigen Opernsängerin aus der französischen Schweiz  - gerne hätte ich mehr versucht und wäre der Schönen näher gekommen, doch leider ging es nie über die Bisous zu Abschied und Willkommen hinaus, sie war von Familie, unsere Familien waren irgendwie befreundet, für einen nur Flirt zu riskant und dann dieses strahlende Selbstbewusstsein einer wundervollen rothaarigen Opernsängerin - schien mir einige Nummern zu groß für mich, auch wenn ich noch hauptstädtischer Redakteur war.

Wieder verfuhr ich mich auf dem Rückweg irgendwo zwischen KaDeWe und Bundesallee und diesem Tunnel, hatte ich keine Ahnung mehr, wo ich war - folgte schließlich der Beschilderung zur Autobahn, fuhr über die völlig verwirrenden Auffahrten am leer stehenden Kongresszentrum beim westlichen Messegelände auf, natürlich in die falsche Richtung erstmal, drehte dann nach einigen Kilometern bei der nächsten Ausfahrt und fuhr wieder über den Wedding in den Prenzlauer Berg - über jene Brücke, die 1989 als erster Grenzübergang geöffnet wurde. Dabei war es doch eigentlich ganz einfach, wenn ich es auf den Plan anschaute - brauchte wohl seine Zeit, bis ich mich aus dem Gefühl schon auskannte, wie es mir in Bremen ging, wo ich keinen Plan brauchte, auch keinen im Kopf hatte und dennoch intuitiv richtig durch die Stadt fand, weil ich nur zufällig da geboren und ein Jahr nicht mal dort gelebt hatte.

Noch fremdelte ich mir der Stadt, war nur ein Besucher irgendwie, hatte nichts gesehen, während N, die fabelhafte Opernsängerin vom Genfer See wie zuhause schien - lag vielleicht auch daran, dass sie hier schon studiert hatte, viele aus der Anthroposophen Szene kannte, war sie nicht selber auch auf solch einer Schule gewesen irgendwo am See, fragte ich mich. Ob das wohl automatisch aufhörte und ich nur eine Berliner Freundin bräuchte, fragte ich mich. Zumindest war ich offen nun eine solche zu finden, die Arbeit in der Redaktion spielte sich ein, es wurde etwas ruhiger - zwar immer noch sieben Tage die Woche aber nicht länger täglich mehr als 14h.

Begann statt mit der wunderbaren, rothaarigen Opernsängerin einen Flirt mit einem Mädel, die in der Firma am Empfang saß. Freche Westberliner Schnauze und irgendwie ganz sexy angezogen, zumindest ihre Weiblichkeit betonend, schien sie mir eine nette Abwechslung nach der frigiden I und wie immer hatte ich natürlich ganz ernste Absichten und träumte vom Himmel auf Erden, zumindest ein wenig. Ihr schien dieser irgendwie seriöse Redakteur zu gefallen und sie lud mich auf einen Wein in ihre Wohnung ein im 2. Hinterhof der Kantstraße, also wieder tief im Westen, aber da die Straßen wirklich nur geradeaus führten, fand ich es diesmal ohne größere Verwirrung. Geküsst hatten wir uns ja schon mehrfach sehr leidenschaftlich im Raucherraum, wenn keiner da war und sie schien zu wissen, was sie wollte und wie das mit der Lust ging, zumindest hatte sie schon lustvoll an die richtigen Stellen gefasst und mir ins Ohr gehaucht, ich will dich.

Kam natürlich mit Blumen und Champagner, sie erwartete mich im neckischen Negligé, das, so schien es mir, doch eindeutige Absichten erhoffen ließ. Sie lümmelte sich gelangweilt auf ihrem Bett, gab mir ein Bussi, wehrte aber jeden weiteren Versuch der Annäherung ab, bis sie auf die Idee kam, darüber zu jammern, wie sehr ihr Busen weh tat, weil der Bügel so eingeschnitten hätte - sie zeigte mir die Stelle, ließ sich bedauern, dann auch meinerseits die Stelle berühren und den armen Busen darüber sogar küssen. Einen Moment entwickelte sich etwas wie echte Leidenschaft, sie rieb sich an meinem Oberschenkel und als meine Hand zwischen ihre Beine schließlich wanderte, fand sie das erhoffte Feuchtgebiet dort, die sie aber nur sehr kurz streifen durfte. Danach drehte sie sich beleidigt spielend um und warf mir vor, wir Typen wollten ja immer nur das eine, gleich vögeln und dann sei Frau wieder vergessen und nichts wert, ne, ne, ne - so eine sei sie nicht, sagte sie mit dem Brustton tiefster Überzeugung aus ihrem mädchenhaften Busen und klemmte die Beine zusammen.

Versuchte es erst vernünftig, dann flehend und verstand die Welt nicht mehr - es war doch eindeutig, sie erwartete mich in sexy Unterwäsche, ließ mich ihren Busen küssen, stöhnte beim Griff zwischen ihre Beine und wollte mir dann eine Szene machen, weil alle Männer nur das eine wollten, sie nicht so eine sei und überhaupt - irgendwann war es mir zu blöd, ich vergaß meine Lust, erinnerte meinen Stolz und verabschiedete mich höflich, was ihr aber auch nicht zu passen schien - was, du gehst schon wieder, war ja ein kurzer Besuch - als ich darauf sagte, bisher sei ja auch jeder Versuch der Annäherung unerwünscht gewesen, dann könne ich ja auch wieder gehen, bekam ich noch ein schnipppisches - typisch die Kerle, wenn se dich nicht gleich flach legen können, ziehen se beleidigt wieder ab. Man könnte sich ja auch mal einfach nett unterhalten, aber nein, Sex oder weg. War ob dieses Wortschwalls einer echten Berlinerin, der für mich nichts mit der gefühlten Realität zu tun hatte, so perplex, dass ich noch versuchte, mich zu rechtfertigen, von den Küssen im Büro sprach und ähnliches, worauf sie blitzschnell konterte, na und, watt willste, bischen knutschen ist ja nicht gleich mehr, aber das kapiert ihr Kerle eben nicht, was eine Frau wirklich will, es geht um  G E F Ü H L  buchstabierte sie mir wie einem Analphabeten, der vermutlich auch beim letzten Wort nur noch an die ersten vier Buchstaben dachte

Nein, ich verstand nicht, was diese völlig ungebildete Frau mit einer Wohnung ohne Bücher, in der pausenlos der Fernseher lief, wirklich wollte - einige Monate später kam sie mit dem Finanzvorstand zusammen, wurde schwanger und heiratete ihn nach Gerüchten, die mir einer der beruflich natürlich geschwätzigen Vertriebler erzählte, als ich ihn mal in einem Café traf - genau das hatte sie also gesucht und gefunden. Ihr Maß der Zuwendung zu mir hatte plötzlich rapide abgenommen, nachdem ich ihr erzählt hatte, was am Vormittag in der Firma für ein wieder empörender Skandal passiert war, der endgültig der Anfang von meinem Ende dort war, was ich noch nicht verstanden hatte. Sie war weder gebildet, noch sonderlich intelligent, aber sie wusste genau bescheid, wie es ablief, wie sie Männer steuerte und sich hielt, welche lohnten und welche nicht, sie war unglaublich gewitzt in ihrem sonst eher schlichten Gemüt und ich, der noch nie eine solche Frau näher kennenlernte, merkte nichts davon, war harmlos, vertrauensvoll und bekam die erwartbare Quittung.

Ganz locker hatte ich von dem Mobbing erzählt, dass meine Praktikantin nun gestartet hatte und aus dem die Personalerin einen riesen Skandal machte, den ich absolut lächerlich nur fand in Verkennung der wahren Wirkung solcher Dinge in Unternehmen, die gerade über Dinge, die unter tiefstem Stillschweigen erzählt werden, am meisten redeten. Das Mädel vom Empfang meinte nur, na du gehst ja schon ganz schön ran, wundert mich nicht und ich dachte nur noch, es wird Zeit, den Ausgang zu finden.

Die Kleine war nach dem Krankenhausaufenthalt mit ihrem Freund tränenüberströmt zur Personalerin gegangen, hatte dort weiter geheult und behauptet, ich hätte sie belästigt, begrapscht und versucht zu vergewaltigen und sie hätte sich dem nur fast mit Gewalt entziehen können. Ein Witz war das und so nahm ich es auch zuerst - eine ihrer Drogengeschichten - ja, musste ich dann irgendwann zugeben, ich war alleine mit ihr bei mir, ja, es gab keine Zeugen, aber es war doch absolut lächerlich, weil es umgekehrt gelaufen war. Die sehr blonde Personalerin schaute mich an und sagte nur, da steht jetzt Aussage gegen Aussage. Da steht nun wohl ein offizielles Verfahren an. Weiß nicht, ob wir die Polizei einschalten müssen.

Da rutschte mir plötzlich das Herz in die Hose, was vermutlich auch meinem Gesicht in diesem Moment anzusehen war - wieso Polizei? - aber da war doch nichts, sie hätte es versucht, ich wollte nicht, ich war doch verliebt in meine Freundin in Heidelberg und wollte von keiner anderen etwas. Ob diese Freundin für mich aussagen könnte, fragte die Personalerin mich wie ein Detektiv aus. Mir brach der Schweiß aus - verfluchter Mist, einen Teufel würde die blöde Ziege vermutlich tun, dachte ich - hatte sich denn alle Welt gegen mich verschworen - das Gespräch war der Horror, bis mein Freund J, der mir den Job vermittelt hatte dazu kam, das Gespräch unterbrach und von einem Skandal sprach, den sie da inszeniere, was Folgen haben würde, er wäre mit dem Vorstand im Gespräch.

Er hat mich da rausgehauen und dankbar für dieses Glück, fragte ich ihn auch, als wir später einen Trinken waren, um Rat, was ich nun tun sollte. Kündigen sagt er, schnellst möglich kündigen, damit du es noch selbst kannst, bevor mehr daraus wird. Aber warum denn, erwiderte ich fassungslos - ich hab doch nichts getan. Erzählte ihm nochmal die ganze Geschichte, er hörte geduldig zu, nannte mich einen Deppen, weil ich so naiv wäre. Er glaubte mir, meinte, er vermute auch, dass ich den Vorstand wohl überzeugen könnte, aber der Dreck würde an mir kleben, solange ich in der Firma wäre - für die Entlassung der Personalerin würde er sorgen, die Rache gönnte er mir und die Praktikantin würde keinen Tag länger in der Firma arbeiten, wollte sie aber wohl ohnehin nicht.

Hörte auf ihn und kündigte zum 1. Dezember und wurde mit sofortiger Wirkung auf eigenen Wunsch freigestellt bei Fortzahlung des Gehalts bis Februar, die gesetzlichen drei Monate eben. Die Mitglieder des Vorstandes bedauerten den Verlust gegenüber mir sehr, wo sie doch gesehen hätten, wie engagiert ich arbeitete, das übliche nette Blabla ohne Folgen. Nun hatte ich viel Zeit. Würde sich schon bald was neues finden, meinte J, hier boome es ja gerade im Internetbereich.

Ausschlafen, viel lesen, im Sessel sitzen, meinen Nachbarn durch die Wand beim Vögeln lauschen und ab und zu ins Café oder zum Griechen - nach Monaten, ohne Erholung gönnte ich mir erstmal die Pause und hatte gedacht, ich könnte sie lustvoll mit der Kleinen vom Empfang ein wenig füllen. Sie entschied sich für die größere Sicherheit, ließ sich vom jungen und sehr netten Finanzvorstand schwängern und hatte damit ausgesorgt. Die wunderbare A traf ich nochmal, aber wieder war ich irgendwie unentschlossen und auch bei N wusste ich nicht, ob ich es innerlich wieder wagen sollte, mich ganz darauf einzulassen, nachdem ich das letzte mal so schmerzvoll baden ging und halb oder mal probieren ginge da ja nicht, also hielten sich meine Bemühungen in überschaubaren Grenzen.

Irgendwann hatte ich in dieser innerlich unklaren Phase noch Besuch von meinem früher besten Freund J, der mittlerweile im Schwarzwald liiert war mit einer gemeinsamen Freundin, eigentlich die Dritte oder vierte, mit der ich vorher etwas hatte oder anfing und die er dann übernahm, doch schien es ihm diesmal ganz ernst - er fühlte sich wohl im Schwarzwald und mit seinem bald Schwiegervater. Der früher radikale Linke, der das autonome Zentrum in Heidelberg mitgegründet hatte, war dabei in die dortige Narrenzunft einzutreten, gab sich großmäulig und bot mir irgendeinen Hilfsjob an und war ansonsten wie immer. Eigentlich nett, ohne echte eigene Meinung, ziemlich gebildet und neugierig, für jeden Blödsinn zu haben, ein irgendwie unklarer Typ dennoch, der bei diesem sicheren Fisch fürs Leben im engen Schwarzwaldnest nun zugegriffen hatte und ich fragte mich, wie lange er das wohl aushalten würde, ob Geld ihn glücklich machte, Golfspielen geistige Betätigung ersetzte.

Keine Ahnung, was aus ihm wurde, er hat tatsächlich geheiratet, wurde Vater, wenn auch einige Zeit nach mir, er musste ja vorher ordnungsgemäß verheiratet sein, hat ein Haus von seinem Schwiegervater zur Hochzeit bekommen, sitzt für die CDU im Gemeinderat und hat wohl eine Arztpraxis. Mein Interesse, den Kontakt wieder aufzunehmen, hält sich in überschaubaren Grenzen und ich wüsste auch nicht mehr, worüber ich mit ihm reden sollte. So verfliegt wohl manches entbehrliches im Leben irgendwann, Welten trennen sich oder bleiben für immer verbunden, je nachdem, was an Energie oder Eigeninterese dahinter steckt. Habe es noch einige male überlegt, war auch zu seiner Hochzeit eingeladen, als meine Freundin hochschwanger war - konnte mich aber nicht durchringen, dort hinzufahren.

Er hatte mich mehrfach bestohlen gehabt, mit drei meiner Ex geschlafen, was ich völlig ok fand und die geheiratet, bei der ich, als ich seiner dann Frau einmal ziemlich nahe war, die Flucht ergriff, weil mir dieser schwarzwäldische Geist zu eng war, ich zu ersticken, mich fürchtete. Wir lebten in verschiedenen Welten, gönnte ihm seine Urlaube in der Villa der Schwiegereltern im Tessin und seine Golftouren, nur wollte ich nichts mehr damit zu tun haben - eigentlich merkte ich das schon bei seinem Besuch an seinen Bemerkungen und der Art unseres Umgangs - aber weil wir uns da ja schon bald 15 Jahre kannten, rang ich noch sehr der Hochzeit wegen mit mir. Aber fragte ich mich ehrlich, war mir seine Mutter innerlich näher, mit dem ich mich irgendwann einmal nach einem Kinobesuch rumgeknutscht hatte.

Wir trugen den gleichen Vornamen, sonst verband uns wenig vom Wesen, denke ich heute, vermisse nichts und lächelte neulich darüber, als ich bei facebook las, wie seine kleinste Schwester, die ich noch als Babysitter betreut hatte, nun Lehrerin und bildhübsch wurde. Geschichte und Deutsch unterrichtet sie und ich wäre wirklich neugierig, wäre sie nicht seine kleine Schwester und ich möchte nicht über eine Fortsetzung des Verhältnisses nachdenken - ähnlich ist es mit seinem Besuch damals, den ich fast vergessen hätte - er kam irgendwann, blieb einige Tage, wir waren einmal zusammen bei IKEA, kauften das Falsche, er beleidigte und erniedrigte mich auf eine vermeintlich kumpelhafte Art, alles übrige, habe ich längst vergessen und das ist auch gut so. Vermutlich waren wir auf diversen Flohmärkten und erlebten dies und das, aber ich weiß nichts mehr davon, was mir als Aussage zu diesem einmal besten Freund heute genügt.

Ein aufregenderes, typisch berlinerisches Erlebnis hatte ich dafür mit dem kleinen Bruder meines Freundes aus dem Studium, der schon länger in Berlin war und mich auf eine heiße Party mitnahm, bei der schöne Models erotischen Schmuck vorführten. Es war irgendwo tief im Westen und am heißesten wurde die Rückfahrt, bei der ich mich heute noch frage, wie es kam, dass ich dieses eine Rennen unbeschadet überstanden habe, auch wenn alles dagegen sprach, nach meiner Erfahrung. Aber der Reihe nach.

L, der aus einer uralten für Preußen sehr bedeutenden Familie stammte, hatte mich gefragt, ob ich Lust hätte und wir hatten uns da getroffen. Die ganze Show war sehr sinnlich, auch wenn wir von den wirklich intimen Teilen des Intimschmucks nichts zu sehen bekamen und die jungen Damen, die ihn vorführten noch relativ züchtig bekleidet waren. Dafür wurden die Gespräche daneben um so heißer. Es war zu einem Teil Westberliner Erotik-Schikeria und zum anderen Neugierige und eben einige der sehr schlanken schönen Modelle, die aber den Abend über noch beschäftigt schienen.

Die ganze Veranstaltung fand im ersten Stock eines Gebäudes statt, das ich als eher aus einem Industriegebiet stammend in Erinnerung habe, auch darum vielleicht dachte ich an die Bordellbesuche, zu denen mich ein Mainzer Freund einige male eingeladen hatte, bis ich feststellte, dass mir der gekaufte Sex nicht wirklich Freude machte. Die Gastgeberin war eine sehr weiblich gebaute und sehr blonde Dame in den mittleren vierzigern oder fünfzigern wohl, die ihre Rundungen gut zur Geltung brachte und munter mit ihren Gästen plauderte, sie zum Kauf animierte und die Vorführungen sehr geschäftstüchtig kommentierte.

Sie war schon reizvoll, wenn auch kein Vergleich zu ihren Modellen, doch da diese eben beschäftigt waren, mit Vorführen oder Umziehen, was aufgrund der intimen Details des Schmuckes, die wir leider nicht sahen, relativ lange dauerte, so tanzte ich zwischendurch mit ihr und irgendwann standen wir leidenschaftlich knutschend in einer Ecke, wie auch einige der anderen Gäste wenig Scheu kannten, sich ihrer Lust dort hinzugeben, wo sie gerade standen und da ich nicht schüchtern erscheinen wollte, die Gastgeberin wohl ihrer Vorbildrolle auf dieser Werbeshow, die langsam zu einer Orgie wurde, gerecht werden wollte, taten wir uns keinen Zwang an.

Es kam jedoch über verschiedene Berührungen an den üblichen Orten nicht weit hinaus, da auch ihr Geschlecht mit einem besonderen Schmuck verziert und so quasi für Eindringlinge verschlossen war, was ich etwas frustrierend fand, mich aber vor weiteren Peinlichkeiten verschonte, dann waltete sie wieder ihres Amtes, kümmerte sich auch um ihre Gäste und wir verloren uns aus den Augen. Überlegte nicht lange, ob ich das nun bedauern sollte, sondern freute mich lieber mit L darüber, dass nun die Modelle erschienen, mit den Gästen ins Gespräch zu kommen und wir lernten gleich eine kennen, die, wenn sie nicht als Modell für Intimschmuck oder sonstiges arbeitete, Logopädin war. Eine nicht nur schöne, sondern auch gebildete und kultivierte Frau, die nebenbei noch ein Schmuckteil trug, zu dem wir sie detailliert befragten und sie antwortete zwar sicher auftragsgemäß aber doch immer noch auf eine besondere Art keusch und cool.

Sie gefiel uns beiden gut und wir rangen nun um ihre Gunst. L schlug nach einiger Zeit vor noch nach Mitte zu fahren, in irgendeine Bar, die gerade ein Geheimtipp war, von der im übrigen schon Joseph Roth schrieb, also eher wieder ein Geheimtipp war, wie so vieles hier in wechselnder Beleuchtung. Nun begann das männliche Balgen um ihre Gunst, was mich immer an Quartettspielen erinnerte. Wer ist größer, stärker, reicher, toller, cooler - vor allem bei letzterem hatte ich keine Chance gegen L - dafür war ich etwas beredter, was aber auch nicht immer zielführend war - da wir mit zwei Wagen da waren, musste sie sich für einen Fahrer entscheiden und schließlich war es L, der sich ja schon besser auskannte und vorfahren sollte.

Wie sein Vater in früheren Zeiten, war auch L beim Fahren ein echter Herrenreiter. Ob er tatsächlich beabsichtigte mich abzuhängen oder nur mit Spaß und seiner unwiderstehlichen Collness durch die Stadt raste, die er schon lange so gut kannte und also genau wusste, wo er rasen durfte und wo nicht, weiß ich nicht. Mein zwar riesiger Audi der leider völlig untermotorisiert war, hatte Schwierigkeiten sein Tempo zu halten, ganz abgesehen von mir und meinem Gewissen. War es als korrekter Bürger gewohnt in der Stadt höchstens 50 zu fahren, vielleicht mal 55 aber mehr nur mit schlechtestem Gewissen. Nun rasten wir teilweise mit 90 oder schneller den 17.  Juni hinunter und dann die Linden, dass ich mich heute noch frage, wie es kam, dass wir niemanden umfuhren oder keinen Unfall bauten.

Heftete mich möglichst eng an Ls Stoßstange, um ihn nicht zu verlieren, blendete alle Verkehrsregeln aus - nun ging es nur noch darum L mit dieser traumhaften Frau auf der Spur zu bleiben. Beinahe hätte ich ihn mehrmals verloren, doch unter ebenfalls Missachtung sämtlicher Verkehrsregeln und bei Überfahren auch dunkelroter Ampeln, schaffte ich es, die Verfolgungsjagd heil zu überstehen - nur froh, dass ich mir dabei nicht auch noch in die Hose gemacht hatte, nass geschwitzt und völlig erschöpft war ich dagegen schon, der nicht zum Rennfahrer gemacht ist, während L mit seiner zumindest scheinbar immer Gelassenheit lächelnd aus dem Auto stieg, ihr die Tür öffnete und nur meinte, ah, da bist du ja auch schon...

Sie hatte sich ja noch für keinen ihrer Verehrer entschieden und die Bar war zumindest näher an meiner Wohnung als an seiner, dachte ich noch hoffnungsfroh. Wir plauderten dann ein wenig im Keller jener Bar an der Alten Schönhauser, sie spielte mit beiden, doch irgendwann schien eindeutig, dass er das Glück haben würde, sie nach Hause zu bringen, das Spiel gemacht hatte und ich zog mich unter besten Wünschen für die Nacht dezent und nur mäßig frustriert zurück.

Einige Zeit später heiratete L dann wie ich von seinem Bruder meinem Freund M erfuhr, eine ehemalige Logopädin, die nun Jura studierte, inzwischen Richterin ist - kenne ihn und seine wunderschöne Frau, wir sehen uns manchmal an Geburtstagen des Bruders oder sonstigen Familienfeiern, habe es noch nie geschafft, ihn zu fragen, woher sie sich eigentlich kennen... - ist vielleicht auch in diesen Kreisen besser so, denke ich - jedenfalls bin ich nie wieder so schnell von Charlottenburg nach Mitte gekommen, habe es allerdings auch nie wieder versucht und auch meine Karriere als Herrenreiter endete nach Abschaffung des letzten Wagens, den ich noch selbst fuhr, relativ bescheiden.

So vergingen die Monate - einmal war ich noch mit L auf einer Fisch sucht Fahrrad Fete im Zelt am Schlossplatz, was aber auch vor der zuerst erzählten Geschichte gewesen könnte, was logisch passte, aber egal ist, da sie ohnehin relativ erfolglos endete, die anwesenden Damen keinen von uns zu großen casanovaesken Herausforderungen animierte und dann ergab sich ja manches anderes und ich verschwand für viele Jahre vom großen Markt der Singles in der Großstadt.

Für Anfang Dezember hatte ich die Einladung zum 60. eines meiner besten Freunde aus Mainz, die ich gerne wahrnehmen wollte und beschloss, da der Job sich ja erledigt hatte, schon etwas früher als Weihnachten in die alte Heimat zu fahren. Was dort dann im Dezember alles passierte, wie ich mich wieder zum Narren machte, gehört natürlich nicht zum Berlinerleben, sondern nur zu meinem, was vermutlich keinen weiter interressiert, dennoch werden ich es in den folgenden Kapiteln erzählen, weil es teilweise bis Berlin weiter wirkte und neue Verwirrungen auslöste, die am Ende einen neuen Höhepunkt fanden.
jens tuengerthal 26.2.2017

Berlinleben 003

Umzugschaos

Vor dem rauschenden Fest in meiner wunderbaren Altbauwohnung im Winskiez stand noch der Umzug - auch wenn Partys in leeren Räumen ja viel haben, war mein Plan gerade ein anderer, obwohl ich eigentlich, seit mich die eine große Liebe verließ, schon keinen Plan mehr hatte, wie das Leben werden sollte, machte ich einfach mal weiter und so lief es halt irgendwie.

Das Warum hatte ich mit dem Traum von der großen Liebe, für die ich sorgen wollte, verloren - ging es also ohne Grund weiter und das war vielleicht ganz gut so, denn wozu brauchte das Leben einen Grund oder Sinn, es war ja genug zu tun mit der Tatsache an sich überhaupt fertig zu werden oder war es eine Katastrophe, einfach zu genießen, was ist, ohne auf mehr Sinn oder sonstiges zu hoffen?

Diese Fragen stellte ich mir erst viel später wieder und es sollte dann noch etwas dauern, bis ich eine vernünftige Antwort darauf fand, wenn es überhaupt eine solche geben kann, Epikur kannte ich noch nicht und den guten Lukrez hatte ich nie gelesen, gerade arbeitete ich wie ein Verrückter, um alles vor dem Umzugswochenende zu schaffen und dies zumindest frei zu haben. Die Zeit des mobilen Office war noch nicht wirklich angebrochen und den mobilen Zugang ins Firmennetzwerk, diskutierten wir gerade erst theoretisch in der Firma, es würde wohl noch etwas dauern - das modernste Mobiltelefon kam damals von Nokia und hatte noch Tasten, die Revolution wartete noch auf ihren Ausbruch auf dem Markt.

Manchmal kommt es mir vor, als schriebe ich aus fernster Vergangenheit, wenn ich daran denke, dass ich völlig ohne Mobiltelefon und Computer groß wurde - hatte nicht mal einen Atari, noch interessierten mich Computerspiele je, außer den kleinen Partien Strip-Poker, die  wir vor dem Fernseher meines besten Freundes von dreizehn bis fünfzehn spielten und auch da interessierte mich der Anblick einer nackten Frau mehr als das Computerspiel, warum ich mich irgendwann entschloss, lieber mehr Zeit mit dem Original zu verbringen, als mein Können bei solchen Spielen zu perfektionieren und so hatte ich lange vor meinen mehr spielenden Freunden auch Freundinnen und Geliebte, was ich immer noch interessanter als alles andere finde, außer ich habe sie bereits, dann verkehrt es sich manchmal, besonders direkt danach oder wenn sie etwas von mir erwarten.

Während ich erlebte, worüber ich hier nun schreibe, dachte ich meist wenig nach, was so gar nicht meine Art ist, eigentlich. Arbeitete, plante und erledigte, was zu erledigen war - auf der Bahnfahrt hatte ich einen Moment zum nachdenken, den ich aber, völlig erschöpft von den Wochen davor, fast verschlief. Fuhr diesmal mit dem Zug gen Heidelberg, um den Rückweg mit einem mit meinen Möbeln und Habseligkeiten beladenen Kleinlaster anzutreten. Musste meine alte Wohnung im Seitenflügel des Hauses meiner Eltern mit all ihren Büchern ausräumen, dabei waren es eigentlich noch wenige damals, denke ich gerade, zumindest verglichen zu heute, aber egal, mit schien es wahnsinnig viel und ich wusste kaum wo hinten und vorne war, wie ich das alles erledigen sollte.

Am nächsten Abend sollte ich nach langer Autobahnfahrt mit meinem Kleinlaster wieder in  Berlin ankommen - hatte einen Bekannten und den Freund meiner Mitarbeiterin mit seinen Pfadfindern organisiert, mir zu helfen. Weiß nicht, wie ich auf diese idiotische Idee kam, nach all dem, was vorher schon lief - aber ich kannte ja keinen in Berlin, außer der Theologin und dem Bruder eines Freundes, also war es vielleicht doch verständlich, dass ich ihr Angebot annahm, als sie es mir, wohl mit schlechtem Gewissen im Büro vorschlug. Hätte Männer mieten sollen, die diese Arbeiten professionell erledigen, die ich angemessen wie vereinbart bezahle und gut wäre es gewesen, sage ich mit viel Abstand, in der Situation war ich froh, dass es irgendwie lief.

Doch zu erschöpft, zu lesen, träumte ich halb wach im Zug, von dem, was mir nur bevorstand und der Horror wuchs mit jedem Kilometer, dem ich mich dem Ziel näherte. Als ich schließlich ankam und von meinen großartigen Eltern abgeholt wurde, schien alles vergessen. Diese hielten mir, wie sie nur konnten, den Rücken frei, weiß gar nicht, ob ich das schon mal gebührend gewürdigt habe, aber, wenn ich die Geschichten von anderen so höre, hatte ich wirklich mehr als Glück mit meiner Familie. Sie unterstützten, wo sie konnten, halfen so viel wie nötig und hielten sich aber ansonsten völlig raus, neigten also nicht dazu, plötzlich als Eltern wieder bestimmen zu wollen, was meist die Ursache größter Konflikte ist. Das ist weder alltäglich noch normal, wie ich inzwischen weiß, denn entweder, es gibt diese Eltern eher gar nicht und sie kümmern sich überhaupt nicht mehr um ihre Kinder, weil sie so mit ihren Hobbys beschäftigt sind, dass keine Zeit bleibt, sind einfach desinteressiert, außer sie erwarten etwas von ihnen, oder sie tun zu viel des Guten, fallen voll in die Elternrolle und lieben es, wenn ihre Kinder sie immer brauchen und bloß nicht zu selbständig werden.

Auch diesmal fanden sie das genau richtige Mittelmaß, was dafür sorgte, dass ich die ganze Zeit beschäftigt war, meinen Auszug mit Freunden organisierte und so nicht viel Zeit, zum nachdenken hatte, was gut so war. Mein lieber ungarischer Freund J leistete wieder enormes und auch einige andere der Heidelberger Freunde standen bereit, es klappte alles besser als gedacht und so fuhr ich am Sonntagmorgen mit dem voll beladenen Kleinlaster aus der Kurpfalz in die neue Heimat, von der ich eigentlich noch nichts gesehen hatte. Die Freunde, die fragten - und, wie ist Berlin so, was geht ab? - musste ich alle enttäuschen, geht bestimmt viel ab, nur ich hatte keine Ahnung, außer meinem Büro und einigen Kneipen um den Kollwitzplatz oder auf dem Weg in den Wedding, hatte ich noch nichts gesehen - von meinem Liebesglück erzählte ich auch, mit gehöriger Selbstironie und alle bestätigten mich darin, dass die Frau wohl etwas verrückt war, noch wusste ja keiner, mich eingeschlossen, warum sie gegangen war.

Eigentlich weiß ich es immer noch nicht, es ist zwar inzwischen egal, die Ahnung, die mir kam, als ich den Anrufbeantworter ungeplant abhörte, genügte, nichts mehr hören zu wollen, sagte ich mir noch, während ich beim Packen ganz locker darüber redete - die Freunde meinten nur - du bist Redakteur in Berlin, du siehst gut aus, was zeigt, es waren wirklich liebe Freunde, die sogar bereitwillig logen, die stehen doch bald wieder Schlange bei dir, kennen wir doch schon. Kannte es zwar nicht, wusste auch nicht so genau, was sie damit meinten, aber ich nahm es mal so hin und fühlte mich großartig von meinen Freunden gestärkt, so lange ich beschäftigt war.

Das erste mal im Leben einen Kleinlaster von Heidelberg nach Berlin zu fahren, noch dazu eigentlich ohne räumliches Sehvermögen, also halbblind, was ich damals zum Glück noch nicht so genau wusste, auch wenn die Praxis es mir schon oft genug bewies, war ein Abenteuer für sich, was dann doch relativ problemlos und ohne zu große Schäden verlief und die kleinen, die eben mal so passieren, glichen dann irgendwie die großzügigen Eltern aus, ohne dass ich mich je weiter darum gekümmert hätte. Kann dazu  also nichts weiter erzählen und denke, es ist wohl auch besser so. Manchmal hat der Mensch eben Glück im Leben, denke ich, wenn ich mich daran erinnere - in der Liebe zu den Frauen war mein Glück eher vielfältig als nachhaltig, in der meiner Eltern habe ich dafür immer im Leben etwas gehabt, auf das ich mich verlassen konnte, was mehr wert ist, als alles und so nehme ich die kleinen oder größeren Katastrophen meines Lebens inzwischen mit relativ stoischer Gelassenheit hin, obwohl ich doch aus Überzeugung Epikuräer bin, dafür hatte ich eine wunderbare Kindheit und großartige Eltern, die das genau richtige Mittelmaß zwischen Freiheit und Kümmern fanden - auch wenn es bis dahin doch mancher Kämpfe brauchte, weil kein Mensch perfekt geboren wird. Zumindest habe ich mir vorgenommen, es wäre gut, wenn meine Tochter ähnliches irgendwann über mich sagen würde.

Tatsächlich waren die Pfadfinder und der Freund mit meiner Praktikantin, die auch noch ihre Hilfe angeboten hatte, auf die ich gern verzichtet hätte, aber in der Not war jede Hand willkommen und so nahm ich es, wie es kam, ganz pünktlich da und erwarteten mich schon. Außerdem kam ein weiterer Bekannter aus dem Westen der Stadt und so entluden wir den randvoll beladenen Kleinlaster relativ zügig. Kein besonders spannendes Ereignis im übrigen, wer jemals umzog, wird es kennen. Kisten rein, Kisten raus, Treppe rauf, Treppe runter, Treppe rauf - die Sachen waren gut beschriftet, glaube J hatte die geniale Idee, kann mir nicht vorstellen, dass ich in meiner real existierenden Kopflosigkeit darauf gekommen wäre und da es nur zwei Räume, einen Keller und eine Küche gab, hielt sich das Chaos in Grenzen.

Plötzlich dann wurde meiner Mitarbeiterin, die mich in der ersten Berlinerleben Geschichte so stürmisch küssen wollte, schwindlig und sie musste sich einen Moment hinsetzen. Kannte das ja schon von ihr, war also erstmal nicht zu sehr verwundert. Dann kippte ihr der Kreislauf weg und ich musste mich real als Lebensretter bewähren, konnte aber dabei von meiner jahrelangen Erfahrung im Krankenhaus  und als Sanitäter eiin wenig zehren. Ganz abgesehen davon, dass ich es ja schon von ihr kannte, war diesmal auch ihr Freund dabei, der sich kümmern könnte. Sie bekam wahnsinnige Magenkrämpfe, krümmte sich, als wollte sie sterben und ihr Freund wurde immer aggressiver und aufgeregter, während ich, seltsamerweise, der ich Stress eigentlich nicht ausstehen kann, in solchen Situationen immer ganz ruhig werde, sie hinlegte, ihren Puls öffnete, den Freund ihre Hose öffnen ließ, wie gut, dass er diesmal da war, und einen Rettungswagen rief.

Etwas weltfremd dachte ich nur, sie hätte wohl Regelschmerzen oder zuwenig gegessen, während die Kollegen aus dem Vertrieb im Büro, als ich ihnen die Geschichte am nächsten Tag erzählte, nur meinten, sie wären ja mal neugierig, welche Pillen die wohl geschluckt hat und auf welcher Droge sie jetzt war, ob ich der noch nie in die Augen geschaut hätte - musste zugeben, dass ich noch nie auf die Idee gekommen war und mir auch nichts aufgefallen war - wer einmal Jane Austen las, weiß, manche Frauen fallen eben immer mal auch gerade passend um.

Ob Jane Austen nun der beste Ratgeber zum Umgang mit vielleicht Drogen affinen jungen Frauen im Berlin der Gegenwart ist, kommen mir heute  manchmal Zweifel, so wie die Ratschläge des Hausarztes der Buddenbrooks heute auch nicht mehr unbedingt lege artis wären - “etwas Franzbrand, etwas Porter, ein wenig Taube, das wird schon…” Aber, war wären wir ohne die große Literatur noch, denke ich immer und zweifel lieber an der Tauglichkeit der meisten Ärzte, solange ich es kann.

Der Moment passte natürlich überhaupt nicht, mit großem Tatütata kamen der Notarzt und der Rettungswagen, versperrten die ohnehin schon schmale Straße und so wurde ich im ganzen Haus als erstes als der bekannt, bei dem der Notarzt war - bestimmt Drogen hätte sie schon vermutet, meinte eine Nachbarin, die ich später kennenlernte, man kenne das ja - ich stritt das erstmal ab, die Praktikantin auch, die fast eine Woche im Krankenhaus blieb, vollkommen durchgecheckt wurde und nach ihrer Auskunft dabei ohne jeden Befund blieb.

Vielleicht nahm sie Drogen und ich war nur zu blöd, es zu merken, ist vermutlich am realistischsten und auch sonst sehr wahrscheinlich, vielleicht war es ihr auch psychisch zu viel mit ihrem Chef, den sie übel verleumdet hatte, was ich noch nicht wusste, den sie geküsste hatte, ohne dass er es wollte, was ich lieber verdrängte und ihrem Freund, der innerlich zu kochen schien, als sei es meine Schuld, wenn seiner Süßen der Kreislauf wegkippt und als hätte ich sie aufgefordert, mir beim Einzug zu helfen. So schaute er mich an und so behandelte er mich, bis die Sanitäter kamen, mit denen ich dann wie mit Kollegen sprechen konnte, ihnen den Status der Patientin schilderte und nüchtern professionell blieb, während ihr Freund eher nichts auf deren Fragen hin zu sagen hatte, schüchtern auf die Drogenfrage stotterte, er wisse von nichts.

Danach war er etwas freundlicher, der Notarzt und die Sanis hatten mich völlig übertrieben so überschwänglich gelobt - ist ja selten, dass einer mal alles richtig macht, klasse und dabei so ruhig bleibt - dass er ihm wohl nichts mehr einfiel, warum er mich nun hassen sollte, was immer sie ihm über mich erzählt hatte. Nach dem Ausräumen, zeigte sich nochmal das hässliche Gesicht dieses Pfadfinders, als er plötzlich fast das doppelte verlangte, wegen Gefahrenzulage und so. Hatte keine Lust auf Diskussionen, war immer noch günstiger weggekommen als mit Profis, wenn auch nicht viel vermutlich und wollte nur meine Ruhe.

Die Art wie ihr Freund sich verhielt und um das Geld in einer Ecke mit mir verhandelte, so dass die Jungens seines Stammes nichts davon hören konnten, hätten vermutlich bei jedem kritisch und vernünftig denkenden Menschen den Verdacht geweckt, dieser habe etwas mit Drogen zu tun - die beiden jungen Vertriebler, waren sich da auch sicher, machten mir klar, der habe mich übers Ohr gehauen und das hätten sie mir billiger organisiert -  all solche tollen Ratschläge, die hinterher immer besonders gut helfen, da sie am Abend selbst leider schon ganz lange verplant waren. Die beiden rieten mir ohnehin, die Alte, wie sie das Mädchen nannten, rauszuschmeißen, die sei doch nicht ganz koscher, das gäbe nur Ärger und die brauchst du doch nur anzuschauen, um zu merken, dass sie auf Drogen ist.

Stritt es ab, sagte ich sei Pfadfinder gewesen, die machen so etwas nicht, er hätte halt verhandelt um mehr rauszuholen, wäre ja legitim, vielleicht war es ja für einen guten Zweck und sie interessiere sich eher für Lyrik als für Drogen. Könnte mir das nicht vorstellen. Sie war doch so nett, hatte mir von ihren Eltern in Hamburg erzählt und ihrer Liebe zu Goethe und ihrem Freund - den Ohnmachtsanfall auf meinem Balkon verschwieg ich lieber, ging ja keinen was an und hätte sie vermutlich noch bestätigt. Die Vertriebler blieben dabei, schmeiß sie raus, solange sie nicht da ist, die macht nur Ärger, die Drogis würden dir sonstwas vorlügen und erzählen, auch der Freund, der mir den Job besorgt hatte, äußerte sich ähnlich und sagte, Vertrauen sei ja schön und gut aber manchmal sei Misstrauen einfach gesünder.

Hatte keine Argumente, nur Überzeugungen und ein hohes Gerechtigkeitsempfinden. Einen feuern, der krank ist, kam nicht infrage. Erledigte ihre Arbeit noch mit, musste ich halt doppelt so viel tun, war egal, mich erwartete ja keiner, außer meine Wohnung voller Zeug, dass ich irgendwann aufstellen und einräumen musste, wovor mir schon wieder ein wenig grauste. So kündigte ich ihr nicht, behielt auch die anderen Praktikanten, zog keinerlei vernünftige Konsequenzen, weil ich naiv und blöd war und zu viel damit zu tun hatte, die Dinge zu erledigen, die eben zu erledigen waren und froh war, wenn es einigermaßen lief - ich managte nicht, ich versuchte irgendwie neben dem inneren Chaos und meiner Bude, den Sender am Laufen zu halten.

Ein großer Lichtblick, nur getrübt von meiner noch posttraumatischen Blödheit, war dafür die  Hilfe der A., die mich eines Abends, wie verabredet im Büro abholte, mit mir in die neue Wohnung ging, damit schon was steht, bevor am Freitag die Freunde aus Heidelberg kämen, die mir helfen wollten, damit am Samstag meine erste große Party in Berlin steigen konnte, zu der ich auch das halbe Büro, vor allem die netten Vertriebler mit den guten Ratschlägen, auf die ich leider nie hörte, eingeladen hatte. Sie war zwar klein, aber unglaublich stark und patent und wir schafften richtig viel, bauten Regale auf, räumten Kisten aus und es sah schon ziemlich eingerichtet aus, als wir schließlich erschöpft einen Wein zusammen tranken.

Natürlich landeten wir dann doch noch zusammen im Bett, oder lass es auf dem Sofa gewesen sein, es war, egal wo, wild und schön, freute mich an ihrem riesigen Busen, ihrer lauten Lust und der geteilten Leidenschaft, die am Ende beide erfüllte. Eigentlich wäre A., die intelligent war, liebevoll, wunderbar Cello spielte, als Theologin auch sehr gebildet und neugierig, deren Eltern ein kleines Weingut hatten, die ideale Frau, hätte ich so etwas je vernünftig ausgesucht. Befriedigt und glücklich lag sie in meinen Armen und freute sich darauf, dass wir uns nun die Nacht aneinander kuscheln würden. Und nichts liebe ich eigentlich mehr, angekuschelt mit einer Frau zu schlafen, zärtlich umschlungen, finde die nächtliche Nähe, fast wichtiger als Sex. Doch da überkam mich plötzlich Panik, ich dachte an die Liebe zu I., mit der ich zuletzt so innig irgendwie nach unbefriedigendem Sex gekuschelt hatte und ich konnte nicht, ließ sie sogar allein auf dem Bettsofa schlafen und verzog mich in mein noch relativ uneingerichtetes Schlafzimmer.

Sie nahm mir das verständlicherweise übel, es war ja auch ein völlig idiotisches Verhalten, noch dazu dieser Ziege wegen, mit der ich nicht einmal schönen Sex genießen durfte und die mich an meinem 30. so schändlich verließ, die vermutlich nie in ihrem Leben so schönen, wilden Sex haben würden wie A. und ich nur mal so nebenbei ohne weitere Absichten, aber ich spielte innerlich wieder den Werther, das geknickte Pflänzlein, nachdem der Schwanz wieder hing und wollte für mich sein und sie nahm es, wenn auch deutlich knurrend, hin und half mir dennoch weiter, weil sie eine tolle und zuverlässige Frau war.

Bedaure manchmal, wie sich der Kontakt zu solch wunderbaren Menschen wie A. völlig verlor, die irgendwann zu ihren theologischen Examina wieder in die Pfalz zog und vermutlich irgendwo dort gelandet ist. Wie gerne hätte ich sie nochmal Cello spielen gehört voller Leidenschaft wie damals, als wir das erstemal noch in Heidelberg Sex hatten und ich leider noch verlobt war, warum ich auch da nie das Bett für eine Nacht mit ihr teilte, sondern nur mal ab und an mit schlechtem Gewissen meinerseits, der auch damals, wie ich es später, seltsam genug, noch wiederholt tat, mit einer sexuellen Schlaftablette verlobt war.

Vielleicht hätte sie mehr gewollt, wären wir zusammen glücklich geworden, wir konnten wunderbar diskutieren, teilten geistige Welten, auch wenn mir ihr Glaube relativ fern war - es hätte in ganz vieler Hinsicht wunderbar werden können, wenn ich es gewagt hätte, die Chance zu ergreifen, die sich dort bot und vermutlich wäre ich damit so glücklich wie möglich geworden. Aber, sie war klein, leicht alternativ, nicht besonders schick - kein Vergleich zur rothaarigen Opernsängerin aus der Schweiz, von der ich aber eher nur träumte, und sie hatte Lust auf mich, was vermutlich für viele Männer das sexuell abschreckendste überhaupt ist, weil die Lust immer noch ein idiotisches Paradoxon ist und Typen wie ich solch frigiden, katholischen Germanistinnen wie I. hinterherheulen, statt sich an der echten Lust, dem klugen Geist und der Natürlichkeit einer A. genüsslich zu freuen.

Vermutlich sind Idioten wie ich, die solchen Frauen wie den Is dieser Welt ihr Herz schenken, der Grund, warum es schon immer so viele Bordelle gab und diese Branche nie aussterben wird, weil die Männer in diesen Beziehungen ewig frustriert sind, während wahrlich gute Liebhaberinnen wie A. viele Männer in die Flucht schlagen mit ihrer echten, natürlichen Lust, die sie einfach leben. Zumindest lebte ich die Lust mit ihr und ging nicht ins Bordell und so hatten wir zumindest für Momente ein kleines Glück, von dem ich mich aber bald wieder zu sehr ablenken ließ, weil ich eben nicht sonderlich lernfähig bin.

Ob das, wie eine meiner anderen großen Lieben meinte, am Geschlecht liegt, also genotypisch ist, weiß ich nicht, wenn ich andere Männer reden höre, verhält sich kaum einer so idiotisch wie ich - aber auch ich erzähle solche Geschichten natürlich nicht in Männerrunden, wenn es wie früher beim Quartettspielen um das gegenseitige sich überbieten geht, was wohl auch große Jungens nie ablegen. Dieses Muster wird noch in einige Geschichten auch dialektisch wiederholt auftauchen, denn auch Frauen reagieren nicht ihrer natürlichen Lust entsprechend, hab ich das Gefühl, sondern wollen auch wirken und kämpfen um ihre Achtung, als sei die keusche Jungfer ein Ideal unserer Zeit und ihrer Natur. So scheinen mir manche Sitten unserer Kultur zutiefst atavistisch und noch immer von den kranken Sitten des Aberglaubens geprägt, als hätte es nie eine sexuelle Revolution gegeben.

Die Freunde aus Heidelberg kamen dann wie versprochen, drei Frauen und J in seinem roten BMW Cabrio schon etwas älteren Baujahrs, wie der Fahrer auch. Von den Damen halfen besonders J, die auch in Heidelberg meine Liebhaberin neben der sexuell etwas frustrierenden Verlobten war, eine hochgebildete Kunsthistorikerin, die noch dazu alte italienische und französische Literatur studierte und eine in jeder Beziehung wunderbare Frau war, auch wenn sie aus Bayern stammte, was mir eher fern innerlich lag und darum auch immer Kinesen sagte und dann noch C, die einige Jahre vor mir auch an meiner Schule Abitur gemacht hatte, zeitweise auch meine Liebhaberin war und eine vielfältig wunderbare Frau und gute Freundin einfach blieb.   Der J und die C übertrafen sich gegenseitig in ihrer Leistung, er als Handwerker, der unermüdlich anpackte und alles hinkriegte und sie, als sie mein Bad putzte, was danach nie wieder so schön aussah, wie an jenem Abend der Party.

Habe mich schon manchmal gefragt, ob Frauen ein besonderes Gen zum Badputzen haben, dass uns Männern einfach fehlt, doch genug männliche Profis im Putzen beweisen dabei leicht das Gegenteil dieser chauvinistischen These, wenn ich auch in meinen Beziehungen die Erfahrung gemacht habe, dass es besser ist, diesen Bereich, den Frauen zu überlassen und sie dabei dann auch über alle Maße zu loben. In der jahrelangen Beziehung mit der Mutter meiner Tochter, war ich für das Bad und die abendliche Küche zuständig, was zwar funktionierte aber mich dauernd so nervte und frustrierte, dass ich heute noch manchmal denke, dies könnte der Grund unseres Scheiterns gewesen sein, auch wenn es vermutlich noch viele andere gab.

Die Party, für die ich kistenweise guten Bordeaux bei Aldi besorgt hatte und auch ein wenig Bier, das übliche Knabberzeug, sei hier nicht erwähnt, tatsächlich zauberten die Damen in meiner überschaubaren Küche zum Hinterhof noch etwas Schönes zum Dippen und tunken, wurde ein voller Erfolg. Die neuen Bekannten aus dem Büro kamen relativ zahlreich zeitweise, auch der Bruder eines meiner besten Freunde aus dem Studium und unterhielten sich angeregt. Alle schienen es, gut zu finden, wie es war, nur ich war nicht so ganz sicher, hatte ich mich doch mit kaum jemand richtig unterhalten, nur mal hier und dort etwas Smalltalk und dann zogen die anderen weiter in Clubs oder zum nächsten Fest irgendwo in der großen Stadt, was mir seltsam vorkam, ihnen aber völlig normal erschien.

War Feste gewohnt, bei denen du von Anfang bis Ende zusammenbleibst und irgendwann ins Bett fällst, wenn der letzte Gast ging in der Morgendämmerung betrunken ging. War hier wohl anders - hier tauchst du irgendwann auf der einen Party auf, entschuldigst dich, dass bei dieser oder jener oder mehreren Einladungen es doch länger gedauert hat, trinkst etwas, plauderst und ziehst weiter um die Häuser oder in Clubs. Hatte nichts damit zu tun, ob es ihnen bei mir gefiel oder nicht, lag einfach nur daran, es gab immer so viel und jeder war immer irgendwo eingeladen oder kannte jemanden, der jemanden kannte, der gerade etwas neu aufmachte, was du unbedingt sehen musstest und keiner wollte ja was verpassen.

Vermutlich waren die drei bis vier Stunden, die sie tatsächlich bei mir waren sogar ziemlich lang und als der größere Teil der Meute abgezogen war, merkten wir verbliebenen, wie erschöpft wir von der Arbeit bis zur letzten Minute waren.

Es gab ein Bettsofa und mein 1m breites Bett für 5 Personen, von denen die eine noch mit einem Freund durch die Clubs zog und irgendwann am Morgen kommen wollte. Da mein Freund J meinte, er schnarche, beschlossen meine beiden früheren Liebhaberinnen C und J mit mir in meinem 1m breiten Bett zu schlafen, während J bis die andere käme alleine auf dem 2m breiten Bettsofa schlafen sollte, da diese seine Ex war, kannte sie sein Schnarchen und käme vermutlich so trunken und müde wieder, dass wir uns über sein Schnarchen ihretwegen keine Sorgen machen mussten.

Eine nicht sehr logische oder sinnvolle Raumaufteilung, aber es wurde eine wunderbare Nacht, von der ich leider dank der Menge des vorher genossenen Rotweins, der gute Bordeaux von Aldi wirkte nachhaltig, nicht viel erinnere. Es war zärtlich, kuschelig, wunderschön vertraut, ich glaube, hätte mich jemand in diesem Moment gefragt, hätte ich gesagt, ich liebe sie alle beide und bin der glücklichste Mensch. Wir schliefen irgendwie wechselnd über Kreuz und im Arm, aneinander gekuschelt, sich streichelnd, kichernd und irgendwann tatsächlich - die schönste Nacht in meiner neuen Wohnung, obwohl ich keine Erinnerung habe, ob wir tatsächlich erfüllenden Sex hatten, nur darüber flüsterten, wer wen streichelte, wann und wo und überhaupt - am Morgen zwinkerten wir uns zu und ich tat auch so, als wüsste ich wovon die Rede war, tatsächlich hatte ich keine Ahnung, was in dieser Nacht in meinem Bett alles passiert ist, aber ich kann mir viel schönes vorstellen und das reicht an dieser Stelle wohl auch.

So endete meine erste Party sehr glücklich, wenn auch überraschend nah und anders als gedacht und gerne dachte ich bei den kommenden Katastrophen an diese wunderbare Nacht, auch wenn ich immer noch aus voller Überzeugung sagen würde, Sex zu Dritt lohnt nie, kommt immer einer zu kurz, ist eher sportlich und überhaupt - aber da ich nicht mehr weiß, was passierte, was auch sehr gut so ist, habe ich eine angenehm wohlige Erinnerung und denke es war wohl alles gut so.
jens tuengerthal 25.2.2017