Donnerstag, 31. März 2016

Kulturgeschichten 0174

Aufstandsvertreibung

In der Ukraine wie in Syrien beobachten wir gerade Flucht und Vertreibung und der türkische Sultan hat es geschickt verstanden, den Strom der Flüchtlinge nach Europa vor allem nach Deutschland weiter zu leiten, um sich dessen wieder Ende teuer bezahlen zu lassen, sagen nüchterne Betrachter von außen.

Anders klingen die Berichte derer, die mit Syrern sprachen und über ihre Hoffnung auf Rettung nach dem Bürgerkrieg, ihre Sehnsucht nach Frieden und ihre große Dankbarkeit. Die hoffen hier eine neue Heimat zu finden, mithelfen wollen Deutschland erfolgreich zu machen und daran fleißig teilnehmen wollen.

In der Ukraine kümmerte sich Rußlands Präsident Putin mit sehr handfesten militärischen Argumenten um seine Landsleute dort nachdem die rußlandfreundliche eine oligarchische Regierung durche eine amerikafreundliche und finanzierte Gruppe durch den inszenierten Volksaufstand am Maidan vertrieben wurde.

Hier unterscheiden sich die Berichte beider Seiten über das, was tatsächlich im Krieg geschah, wer kämpfte und ob es ein Bürgerkrieg war oder ein kolonialer Kampf eher, bei dem sich Russland und die USA mehr gegenüberstanden als die Ukrainer, die dort aufeinander einschlugen blind vor Nationalismus in einer lächerlichen Angelegenheit, getrieben von der jeweils Angst vor Vernichtung, zum einen durch Julia Timoschenko, die dies sogar wörtlich ankündigte, zum anderen durch den Kreml, der mehr oder weniger verdeckt seine Elitetruppen dort agieren ließ, die Krim bereits annektiert hatte.

In Syrien wehren sich verschiedene Revolutionstruppen gemeinsam mit dem IS, mit dem keiner etwas gemeinsam mehr haben möchte, gegen Assad, der mit Russland gegen den IS und die Revolutionstruppen uneiniger Provinienz kämpft. Wohin wendet sich das syrische Volk, wenn es Frieden will, genug hat von Krieg und Besetzung und nicht in Lagern oder im rettenden Norden längst lebt?

Wann steht ein Volk auf und wehrt sich, was löst dies aus?

Am 30. März 1282 brach in Palermo zu Beginn der Vesper am zweiten Osterfeiertag der Aufstand gegen die Herrschaft von Karl I. von Anjou aus. Die sogenannte sizilianische Vesper führt in den folgenden Tagen zum Tod aller 8000 Franzosen auf der Insel und zur Vertreibung aller übrigen. Als König wird infolge Peter III. von Aragon eingesetzt, der sich mit der Zeit auch auf dem ländlichen Teil Siziliens um Neapel durchsetzt, das damit spanisch regiert wird.

Wie kam es zu diesem Volksaufstand?

Die Franzosen waren bei den stolzen Sizilianern verhasste Besatzer nach den sehr geschätzten Staufern, die als Erben der Normannen galten, die anerkannt waren, weil sie als mutige Krieger siegten. Die südliche Insel war schon immer eigen. Hier trafen Griechen auf Römer und Afrikaner, Muselmanen lebten neben Christen und unter den Staufern in einem Geist relativer Toleranz zusammen. Dem Papst hatte schon das Erbe Siziliens durch Konrad nicht gepasst gehabt, den Vater Friedrich II., der die Tochter des Normannenkönigs Roger geheiratet hatte, weil sich der Vatikan plötzlich in seinen Besitzungen und seiner weltlichen Herrschaft, die nur durch eine gefälschte Urkunde und viele Lügen garantiert war, durch die Herrschaft der deutschen Kaiser umfasst sah und fürchtete von diesen im Falle eines Streits einfach besetzt zu werden.

So hatte der Papst die Pläne des Bruders des französischen Königs, eben jenem Karl, unterstützt gehabt König von Sizilien statt Konradin des Erben von Friedrich II. zu werden, den dieser eingesetzt hatte. Dazu gab es Streit und doch hatte sich Karl auch mit militärischer Kraft durchgesetzt und später sogar den anderen Sohn Friedrichs II. Maximilian verdrängt und geschlagen, der für Konradin den italienischen Besitz als Vizekönig verwalten sollte. Doch beliebt war der Franzose und seine Ritter, die sich auf das päpstliche Lehen beriefen, nicht bei der Bevölkerung. Im Gegenteil, ein neues Steuersystem, eine scheinbar effektive Verwaltung und das herrscherliche Gebaren der französischen Ritter und Truppen auf der Insel machte sie unbeliebt.

Als ein französischer Offizier die Frau eines Sizilianers auf dem Platz vor der Kirche in Palermo anmachte, wo die Menge auf die Vesper wartete, brach schnell ein Streit aus und der Franzose hatte ein sizilianisches Messer schneller im Rücken als er laufen konnte und diejenigen, die ihm helfen wollten, wurden gleich mit umgebracht. 8000 tote Franzosen in wenigen Tagen, zeugen von der angestauten Wut der stolzen Sizilianer, die ihren Kaiser Friedrich II. geliebt hatten und die Schwaben lieber wollten, als die päpstlichen Franzosen.

War es wirklich nur Volkes Wut oder viel mehr gelenkt?

Lassen wir uns nicht täuschen, es war dies nicht einfach ein zufälliger Volksaufstand, in dem sich sizilianischer Männerstolz entlud, auch wenn es, dem, der die Insel und ihre Bewohner kennt, oder Thomasi de Lampedusas großartigen Leoparden las nicht wundern würde, wenn es so wäre, war dies ein von langer Hand aus Byzanz und Spanien inszenierter Aufstand, bei dem es um viel mehr ging als nur die Krone Siziliens.

Karl von Anjou hatte große Pläne im Mittelmeer, wollte als König von Jerusalem auch Konstantinopel erobern, die Kirche unter katholischem Banner einen, das Haus Anjou zum Herrscher über den ganzen Mittelmeerraum machen, in dem er schon einige selbst hatte von Tunis bis ins Heilige Land. Dies geschah noch in Übereinstimmung mit dem Papst, zumindest mit dem gerade Papst Martin, dessen Nachfolger sahen es schon wieder kritischer und nachdem Peter III. von Aragon auch die Flotte Karls versenken ließ, konnte dieser seinen Nachfolger in Sizilien nicht mehr daran hindern, das Königreich Neapel zu erobern und damit König beider Sizilien zu werden. Der als künftiger römischer Kaiser angetretene Karl war gescheitert und fiel schließlich im Kampf. Sizilien blieb spanisch bis 1703, als es infolge der Regelungen nach dem spanischen Erbfolgekrieg, der das Haus Bourbon auf den spanischen Thron brachte, wo es heute noch sitzt als letzte Herrschaft der Franzosen, sehen wir von schwedischer Verwandtschaft ab, als das Haus Anjou bereits lange in männlicher Linie ausgestorben war und auch in England nicht mehr herrschte.

Der vermeintliche Volksaufstand stolzer sizilianischer Männer, die ihr Frauen gegen die Anmache der Franzosen verteidigten, war nur das vorgeschobene Mittel eines von langer Hand aus Spanien und Byzanz organisierten und finanzierten Aufstands, der das gewünschte Ergebnis hatte, den Franzosen abzusetzen und dessen Pläne im Mittelmeer zu vereiteln.

Was sizilianische Vesper noch heute heißt, war also vermutlich eher ein gesteuertes Gemetzel konkurrierender Herrscher, bei dem nur die Gelegenheit genutzt wurde. Mangels bekannter Pläne dieser geheimen Aktion von Peter III. und seinem Kollegen in Byzanz, kann nicht genau rekonstruiert werden, ob der Aufstand nach der angeblichen Belästigung durch den Franzosen in Palermo, wie geplant verlief oder doch zu früh ausbrach, echter Volkszorn nur genutzt und kanalisiert wurde. Jedenfalls lief es so geordnet und geplant ab, dass die Spanier zumindest geschickt die Situation zu nutzen wussten, die Provokationen über Monate vorab sofortige Wirkung zeigten.

Betrachten wir, dass nach dem spanischen Erbfolgekrieg Habsburg Sizilien erbte, zeigte sich eine fortgesetzte Kontinuität mit den Erben der Schwaben, die als Staufer dort den Normannen gefolgt waren, denn Peter von Aragon war mit Konstanze der Tochter Manfreds von Sizilien verheiratet, den sein Vater Friedich II. noch auf dem Sterbebett legitimiert und anerkannt hatte. Die spanische Krone war später aus der Vereinigung der Häuser Aragon und Kastilien entstanden, unter Ferdinand und Isabella, deren Tochter Johanna, die angeblich Wahnsinige, dann Philipp den Schönen heiratete, den Sohn von Kaiser Maiximilian I., dem letzten Ritter, womit sich der Kreis von den Staufern zum Haus Habsburg schließt, das dann erst im Risorgimento vertrieben wurden, auch wenn sich sogar damit in Sizilien nicht viel änderte. Wie es bei Lampedusa der alte Leopard von seinem jungen Neffen Tancredi hören muss, der bei den Revolutionären mitwirkt, die sich wieder auf die 600 Jahre frühere Sizilianische Vesper zu  Unrecht beriefen, die nur einen Fremdherrscher durch einen anderen von außen gesteurt ersetzte: “Wenn wir wollen, dass alles bleibt, wie es ist, muss sich alles verändern.” Manche sagen. so verhielte es sich in Sizilien bis heute und es fragt sich nur, wer wen heute für was umbringen würde. In der berühmten Verfilmung Viscontis spielt übrigens Burt Lancaster den alten Leoparden während der ganz junge und schlanke Alain Delon den revolutionären Neffen gibt in diesem wunderbaren Sittenbild Siziliens, das die sizilianische Vesper erst verständlich macht bis heute.

Jenseits von Sizilien und der dortigen inszenierten Revolution, die nur fernen Beobachtern noch wie ein Ausbruch des Volkszorns stolzer Sizilianer erscheint, sehen wir die inszenierte Revolution auf dem Maidan, die von der CIA gesteuert und finanziert wurde, während Russland die Gegenseite unterstützte und über den Gashahn noch die Macht im Lande hatte, auch ohne die Krim. Bei beiden Aufständen ging es um Macht und viel Geld, die Weltherrschaftspläne eines Karl von Anjou sind denen mancher amerikanischer Präsidenten nicht unähnlich und auch die feuchten Träume des kleinen KGB Manns Putin, der groß wurde, von russischer Größe wachsen auf dem selben Mist, der nichts mit den vorgegebenen Gründen der je Aufstände zu tun hat. Es geht um viel Geld bei der Gasrechnung, enttäuschte Freundschaften und letztlich Macht über einen Raum, in dem die agierenden nur Schauspieler sind, die sich eben totschießen oder abstechen, wenn es der Sache dient.

Vieles hat sich in den letzten 800 Jahren nicht geändert beim Kampf um Macht und Vorherrschaft. Die Demokratie, die als Herrschaft der Parteien, die der Familien abgelöst hat, ändert nur vorgeblich etwas, an den Strukturen in denen Herrschaft wirkt und agiert. Ein wenig änderte sich durch die Teilhabe von Frauen an der Herrschaft, doch sollten wir auch dies nicht überbewerten, denn sogar solch legendäre Königinnen wie Elisabeth I. oder Victoria bewegten nicht wirklich etwas, was die Bedingungen von Macht und Herrschaft betraf, sondern machten wie Merkel auch nahezu das gleiche wie die Männer vor ihnen, was auch für eine Hillary in den USA gelten wird.

Der Blick auf die sizilianische Vesper zeigt wie Gerüchte wirken können und sich die geschicktesten Spieler der Macht hinter Volksaufständen verstecken, von denen sie sich an die Macht tragen lassen, als seien sie irgend Erlöser. Wie es Tancredi Falconieri zum Leoparden sagte, “Wenn wir wollen, dass alles bleibt, wie es ist, muss sich alles verändern.”

Hoffen wir, dass während dieses Prozesses der Veränderung in Osteuropa und im arabischen Frühling nicht mehr so viele Menschen sterben müssen, damit alles bleibt, wie es ist im Schatten der scheinbaren Veränderungen. So fragt sich, ob der überzeugte Reaktionär Davila, den Martin Mosebach so kongenial in der Anderen Bibliothek übersetzte, nicht manchmal weiser ist mit seinen Aphorismen als manche heutige Revolutionäre, die meinen die Welt und ihren Lauf erkannt zu haben.

Weiß es nicht, wie ich überhaupt sehr wenig weiß, ehrlich gesagt, doch scheint mir beim Blick in die Geschichte manche Konstellation und Methode eher für Kontinuität als für  Überraschungen zu sprechen, warum wir uns in Europa langsam ernsthaft fagen sollten, was wir alles neu machen müssen, damit alles bleibt, wie es ist, denn wer sollte schon etwas ändern wollen in der eigentlich bisher besten aller Welten?
jens tuengerthal 30.3.16

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