Samstag, 12. März 2016

Frauenliebe 039

PhiloSophieliebe

Sie war eigentlich in allem die richtige, dachte ich, sie gefiel mir sehr gut, war mir geistig nah, kam aus ähnlichen Verhältnissen und wurde meine erste große Muse mit großer Leidenschaft, voller Ideale, schmerzvoller Tragik und am Ende war fast nichts passiert aber meinerseits große Gefühle geflossen und wir sind, oh Wunder, sogar Freunde irgendwie geworden, zumindest eine Zeit lang.

Bevor wir uns kennenlernten, war sie die große Liebe eines Freundes gewesen, der bei ihr, soweit ich weiß, ähnlich viel erreichte wie ich und sich mit genauso großer Bugwelle hineingestürzt hatte, so hatte ich viel von ihr schon manches munkeln hören. Bevor ich aber nun alles vorwegnehme, erzähle ich lieber, wie es begann, statt nur die ersten Gefühle in der Erinnerung zu  beschreiben.

Es war bei der Geburtstagsparty meines Freundes, einige kannte ich, viele waren mir neu und er scharte interessante Leute um sich, ich sah sie und fand sie in ihrer sehr eigenen Schönheit interessant. Blond, gekleidet wie viele Juristinnen aus guter Familie und doch anders, etwas besonderes mit ihrer markanten Nase und schien mir geradezu klassisch schön, das Kinn markant und doch gerade darum mein Ideal von Frau.

Wir begannen über Philosophie zu plaudern und fanden uns darin wieder und ich gab ihr, in Anspielung auf Sophies Welt, dies wunderbare Jugendbuch Gardeners, was so schön und klug die Liebe zur Philosphie zu wecken verstand, zwischen uns den Namen Sophie. Ohne wirkliche Ahnung, aber diese zumindest gut vortäuschend und in dem Ruf schon stehend, gab ich mich ein wenig als Lehrer der Philosophie und spielte die Rolle zumindest so gut, dass der Spitzname für sie nahe lag und sie mir andächtig lauschte.

Ungestört von der Menge um uns, vertieften wir uns immer mehr in unser Gespräch und plötzlich verstand ich meinen Freund. Privates redeten wir noch fast gar nicht, dafür um so intensiver über die Philosophie und warum sie das Leben schöner machte. Am Ende tauschten wir Nummern und wollten in Kontakt bleiben, sehr viel mehr als ein Bussi zum Abschied passierte noch nicht, aber ich hatte mich verliebt und das auf der Basis von Kant, wie ich ihn sah und noch bevor ich Lukrez und Epikur lieben lernte, immerhin schon in Kentniss von Montaigne, dessen grandiose Übersetzung von Hans Stilett bereits als Prachtband der Anderen Bibliothek erschienen war und von dem ich schwärmte, ohne ihn wirklich zu kennen, einmal hatte ich Stilett über seine Übersetzung reden hören und sie mir bei nächster Gelegenheit gegönnt.

Die Liebe in mir war dadurch geweckt und ich stellte sie in einen hochmoralischen Rahmen, auch wenn ich eigentlich noch in einer Beziehung war und sie wohl auch. Doch mir war klar, die oder keine und ich würde mich nun von meiner langjährigen Freundin trennen, deren Familie mich nicht sonderlich mochte, die mir fremd geworden war und mit der ich nie tiefsinnige Gespräche über Philosophie geführt hatte.

Damit wurde ich ihr nicht gerecht, noch traf es vermutlich die andere oder war das Verhalten, dass ich mir vernünftigerweise, philosophisch durchdacht vornahm, irgendeiner Frau gegenüber gerechtfertigt gewesen. Das Ideal der geistigen Liebe hochhaltend, wollte ich mich für sie frei machen und es offen und vernünftig angehen, ohne alle Spielchen, was emotional so erfolgreich war, wie die Berechnung der Richtigen nach objektiven Kriterien.

Zum Glück fühlte ich noch genug in mir, dass meine Verse frei flossen, die ich ihr per Post sandte, ohne sie wiedergesehen zu haben. Überzeugt von der Wirkung der Worte und ihrer heiligen Reinheit, die sie, meine philosophische Sophie doch erhören musste, auch im Examensstress, in dem sie gerade war und noch ein halbes Jahr bevor ich es zum ersten mal versuchen wollte.

Die Verse verfehlten ihre Wirkung nicht völlig, dazu waren sie mutig und gut genug, nur sie blieben eben Worte ohne Berührung an die ich naiv glaubte, als ging es nicht nur darum, sich in den Arm zu nehmen, sich zu küssen und irgenwann voller Lust miteinander im Bett zu landen, um nach der Befriedigung der natürlichen Gelüste wieder der Philosophie mit freiem Geist frönen zu können und so hatte ich meinen Montaigne noch nicht gründlich genug gelesen, vor allem nicht seine Worte über Liebe und Lust waren für mich noch eher theoretisch.

Einmal, viele Briefe später, die vor Liebe und Sehnsucht nur so trieften, kam sie mich in meinem Büro besuchen und nach vielen schönen Worten, war ich dann doch leidenschaftlich genug, sie zu küssen. Es wurde ein heißer Kuss, während dem ich es sogar wagte ihren Busen ein wenig zu entblößen und zu küssen, dem hehren Ideal der reinen Liebe zum Trotz.

Es war ein schöner Busen, nicht klein, aber auch nicht so groß, fest und schön wie der meiner Walküre, die ich für sie verlassen hatte, um des Ideals der geistigen Liebe wegen, die ich rein und frei finden wollte. Irgendeine innere Stimme sagte mir das, nett, aber weit vom vorigen Ideal und ich schämte mich zugleich dafür und verbat dieser Stimme den Mund, war die andere dafür nicht auch sonst viel üppiger gewesen mit ihren kräftigen Oberschenkeln und dem mehr als kräftigen Hintern, war es da nicht des Guten zuviel und glich die Natur so nicht gerecht aus.

Wollte es nicht denken und konnte es doch nicht verhindern, zu leugnen, was uns einmal bewusst wurde, ist unsinnig, sage ich heute, vor was immer mich da mein Gefühl warnen wollte, es konnte nicht so wichtig sein wie das Ideal der philosophischen Liebe, die auch in jeder Hinsicht vernünftig war. Es passte, von der Familie her, ihr Vater war auch Arzt gewesen, wenn auch weit oben in den schwarzen Wäldern, ihr Geschmack gefiel mir, sie war eine Dame und doch auch viel mehr.

Ob nun die Leidenschaft oder die Vernunft siegte, weiß ich nicht, ich hörte auf ihren Busen zu vergleichen und fasste ihr lieber zwischen die Beine und weckte damit auch ihre Leidenschaft, sie rieb sich an meiner Hand und wurde so heiß, wie ich es auch bei mutigsten Versen nicht zu träumen gewagt hatte. Irgendwann flüsterte sie mir ins Ohr, halb stöhnend, während ich meine Hand in ihrem Schritt bewegte, komm, wir gehen zu mir und ich, am Ziel der schönsten Träume endlich, ließ mich von meiner Vernunft reiten.

Fragte, ob sie frei sei und bereit für unsere Liebe, statt diese einfach voller Leidenschaft zu beginnen, wie wir es gerade noch getan hatten. Sie war ehrlich und sagte es, wie es war, es ginge zu Ende, aber getrennt so richtig habe sie sich noch nicht, aber das wäre doch jetzt egal.

Mir war es leider nicht egal und alle Lust wich dem großen idealisierten Gefühl und ich meinte, dann doch lieber warten zu wollen, bis wir frei füreinander wären, um uns so zu genießen wie wir uns begegnet waren, Das Ergebnis hätte ich voraussehen können, war aber noch zu naiv im ideal der philosophischen Liebe gefangen, um schlicht der Lust zu folgen.

Sie fand das sehr hehr und war doch verletzt, zumindest vor den Kopf gestoßen. Eine Frau sagt einem Mann, komm, lass uns ins Bett gehen, nachdem er sie wochenlang mit Minnegedichten voller auch Erotik aber primär dem Ideal der Liebe folgend, belagert hatte, und er sagte nein, lass uns frei dafür sein, um die Liebe heilig zu halten. Wie musste sie sich vor den Kopf gestoßen fühlen, wenn ein Mann ewig von der heiligen Liebe und der philosophischen Liebe schwärmt und ihr dann, wenn sie endlich vollzogen werden soll, einen Korb gibt, was sollte sie mit solch einem Idioten, der, wenn es um die Wurst ging, den Schwanz einklemmte?

Nichts war von ihm zu halten und logisch fürchtete sie, es würde und könnte nichts werden, weil ein Mann, der eine solche Situation mit philosophischen Idealen von reiner Liebe anging, vermutlich impotent war oder doch zumindest für Frau gefährlich, weil er die Zügel auch in der Lust in der Hand behalten würde und nicht ihren Reizen erlag, welch grauenhafte Vorstellung, wider alle Natur und so gesehen völlig unvernünftig, wie ich heute sagen würde.

Damals dachte ich, den Reiz nur erhöht zu haben, durch meine Verweigerung und erreichte natürlich und völlig logisch das genaue Gegenteil, was ich viele Jahre nicht begriff, in denen ich noch dachte, alles moralisch und menschlich richtig gemacht zu haben, auch wenn ich es besser wusste und das eigentlich Rollenverhältnis mir völlig klar war. Handelte gegen meine Natur, unterdrückte meinen Trieb und meine Lust, um eines idiotischen Ideals wegen, dem keiner gerecht werden will im wirklichen Leben, was immer das sein sollte, denn ich lebte ja in meiner Realität und die schien mir sehr wirklich.

Statt also die nächste Gelegenheit zu suchen, verkroch ich mich in die Dichterhöhle und begann unsere Liebe anzubeten, als sei Glaube je vernünftig und passe zum Ideal der vernünftigen Liebe, die ich auch mit ihr suchte. Das wir sie nicht fanden, lag sicher auch an meiner idiotischen Idealisierung, mit der ich sie schmerzhaft vor den Kopf stieß. Vielleicht auch an vielem anderen, wer weiß das schon zu sagen und wer wäre ich, zu meinen das Handeln, Fühlen oder Wollen von Frau verstehen zu können, vernünftig betrachtet oder nur emotional?

Glücklich konnte ich sein, wenn sich Welten trafen, dann sollten wir schlicht der Natur folgen, statt sie völlig verstehen oder erklären zu wollen, mag sie uns vernünftig oder unvernünftig erscheinen, wo sie ist, ist sie und unser Bemühen sei allein darauf gerichtet, ihr zu folgen, um glücklich zu sein, statt uns über sie zu erheben und mit den nur beschränkten Mitteln unseres Verstandes, sie beherrschen zu wollen. Zu komplex ist die weibliche Natur und das Zusammenspiel von Gefühl und Verstand ohnehin schon, als das es klug sein könnte, ihr noch durch wenig durchdachte moralische Prinzipien idealistische Grenzen ziehen zu wollen.

Freuen wir uns an dem, was ist, nehmen wir es, wie es kommt und genießen wir es, wenn uns das gelingt, sind wir meist glücklich, was wollen wir durch die erdachte Grenzziehung überhaupt erreichen?

Erreichte die Einsamkeit in meiner Dichterhöhle, die zur Hölle der großen Gefühle wurde, die, wie es großen Gefühlen so eigen ist, zumindest viel in mir bewegten und daraus wurde der in These und Antithese unvollendete Sonnettenkranz, den ich ihr voll hehrer Erwartung sandte und der echolos verhallte - irgendwann ging sie mit den anderen aus ihrer Examensgruppe Skifahren und kam mit einer neuen Liebe zurück, die vermutlich berherzter zugegriffen hatte und ich gab mich dem Liebesschmerz hin, der zumindest schöne Gedichte für sie und zugleich für meine Ex, die Walküre hervorbrachte und so eine doppelte Nutzung ermöglichte, was bei allem geringen emotionalen Erfolg zumindest ökonomisch klug gedichtet war und mich in dieser Phase noch einige male ins Bett der Walküre brachte, was wir beide mit nie gekannter Lust genossen.

Jahre später trafen wir uns noch einmal wieder, bei ihr und auf ihrer Dachterrasse plauderten wir durch die Nacht und sie rührte mich zutiefst, als sie mir die Kiste zeigte, in der sie all meine Briefe über die Jahre verwahrt hatte. Es passierte nichts, auch wenn ich entschlossen war, die Gelegenheit, wenn sie sich denn ergäbe, dieses mal besser zu nutzen, kam es nicht dazu. Nur beinahe, als sie mich zum Auto brachte, gaben wir uns noch einen leidenschaftlichen Kuss, der wieder alles in mir weckte.

Wir haben uns nie ganz gehabt, nur einmal wirklich gewollt und so blieb immer etwas offen und wir haben es nun offen gelassen, sei es für das Ideal der Philosophie oder die je gefundene große Liebe, ist die Erinnerung an diese Muse, die mich zum Dichter innerlich machte, der dem Ideal der Worte einmal lieber folgte als den Trieben, eine schlicht schöne.
jens tuengerthal 11.3.16

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