Freitag, 18. März 2016

Kulturgeschichten 0160

Verschwörungspraxis

Wann bleibt eine Verschwörung bloße Theorie, die nichts als Nerven kostet, von klugen Köpfen auch in ihrer neuen Blütezeit im Internet einfach übersehen wird?

Warum werden sie praktisch wirksam und lässt sich dabei, einfach gut und böse unterscheiden?

Worauf kommt es zur Unterscheidung an und genügt der Verstand, es zu erkennen?

Am 17. März 1560 wagten Hugenotten und unzufriedene Adelige den entscheidenden Schlag in der Verschwörung von Amboise. Sie wollten das dortige Schloss stürmen, den minderjährigen König Franz II. in ihre Gewalt bringen, um ihn ein Toleranzedikt zu ihren Gunsten unterschreiben zu lassen, damit die Onkel seiner Ehefrau Maria Stuart, also die Guise oder Herzöge von Lothringen zu entmachten, die nach dem Tod Heinrichs II. die Regierungsgeschäfte für den sehr jungen und kränklichen Monarchen übernahmen.

Wie hatte es soweit kommen können?

Katharina von Medici, Franz Mutter und Witwe von Heinrich II., hatte Francois de Lorraine zum Generalstatthalter des Königreichs gemacht und damit Antoine de Bourbon, den König von Navarra, nebenbei der Vater des berühmtem Henry IV., den und die hier Zusammenhänge zu verstehen, die Lektüre von Heinrich Manns Roman über Henry sehr empfehlenswert ist, vor den Kopf gestoßen, da es üblich war, dass Prinzen von Geblüt diese Rolle übernahmen. Dazu kam noch, dass die Lothringer von den Franzosen als Ausländer empfunden wurden, so wacker katholisch sie auch waren.

Geplant war, die Guisen abzusetzen, das Toleranzedikt zugunsten der Hugenotten zu erzwingen und sollte sich der minderjährige König weigern, ihn abzusetzen und durch Louis I. Bourbon zu ersetzen, der wie sein Bruder Antoine zum Lager der Protestanten gehörte.

Jedoch wollten sich an dem Komplott weder obiger Antoine noch der später in der Bartholomäusnacht zu trauriger Berühmtheit gelangte Admiral der Hugenotten Coligny beteiligen. Auch Calvin äußerte sich eher distanziert, weil er den Anführer der Verschwörer nicht ausstehen konnte. Dagegen hatte der Anführer der Verschwörer Godefroy de Barry, Seigneur de la Renaudie einen Hass auf die Guisen, die seinen Bruder hatten töten lassen.

Soweit so unvernünftig auf beiden Seiten begann die Verschwörung, vor der gewarnt wurde unter relativ ungünstigen Umständen.

Der kränkliche König verbrachte derweil auf Anraten seiner Ärzte den Winter an der Loire gemeinsam mit seiner später etwas kopflosen Gattin Maria Stuart. Die Verschwörer zogen darum nach Blois, wo der Hof lagerte. Unter den Verschwörern befanden sich auch einige Söldner, die nach von den Guisen verbreiteten Gerüchten, von Elisabeth I. bezahlt worden waren, für was sich jedoch keinerlei Beweise fanden, zu ihrem sehr langen Konflikt mit Maria Stuart aber gut passte, allerdings tat sich Elisabeth weniger als Intrigantin hervor.

Nachdem das Gerücht der Verschwörung bei den Guisen aus sicherer Quelle bestätigt wurde, versetzten sie Blois vorab in den Belagerungszustand.

Als am Morgen des 17. März etwa 200 Verschwörer Amboise angriffen, war die Stadt gut gerüstet und konnte den Angriff leicht abwehren. Die Verschwörer zogen sich in die umliegenden Wälder zurück, wo sie bald von königlichen Truppen aufgerieben wurden.

In den folgenden Tagen gab es noch vereinzelte Scharmützel, bei denen bereits zahlreiche Hugenotten getötet wurden. Darunter auch ihr Anführer, dessen Leiche einige Tage am Marktplatz aufgehängt wurde, um danach geköpft und gevierteilt zu werden. Der Kopf wurde auf der Loire Brücke zur Schau gestellt und die vier Teile an die Stadttore genagelt zur Abschreckung.

Nach dem Angriff kannten die Guisen, die überhaupt eher ungnädig waren, keine Gnade mehr und alle auch schon vorher gefangenen Hugenotten wurden hingerichtet. Soweit von niederem Stand wurden sie einfach in der Loire ertränkt. Höherrangige wurden am Marktplatz oder an den Zinnen der Burg aufgehängt. Die 52 höchstrangigen Anführer sollten durch das Schwert sterben. Für ihre Hinrichtung wurde im Schlosshof eine Zuschauertribüne errichtet und gerüchteweise soll Katharina Medici zahlreiche Gehängte am Balkon des Schlosses ausgestellt haben zur Abschreckung. Aber auch für diese Gerüchte über die wenig geliebte Italienerin am Hof, gibt es keine Belege.

Beide Seiten verbreiteten Gerüchte über das Geschehen. Die Protestanten, auch wenn sie eher gegen die Verschwörung waren, machten die Opfer zu Märtyrern, während die Guisen im ganzen Land verbreiten ließen, die bösen Ketzer hätten den gottgewollten König töten wollen. So heizte sich die Stimmung in der Bevölkerung auf und die Kriege gingen weiter. Bis es an der Hochzeit des Sohnes von obigem Antoine, des späteren Henry IV. zur Bartholomäusnacht kam mit Massakern im ganzen Land, das katholisch bleiben sollte.

Den beiden Bourbon Brüdern konnten die frommen Eiferer der Guise keine Beteiligung an der Verschwörung nachweisen, darum wurde eine neue Anklage erfunden nach der Louis zum Tode verurteilt wurde.

Zum Glück starb dann jedoch Franz noch sehr jung vermutlich an seiner Bluter Krankheit und Karl IX., sein kleiner Bruder folgte ihm auf den Thron. Diesmal übernahm Katharina Medici selbst die Regentschaft, ließ die Guise, die den Staat in den Bürgerkrieg stürzten, aus ihren Ämtern entfernen und setzte Antoine Bourbon als Generalstatthalter der Krone ein.

Weder die Verschwörung noch die Lügen danach, hatten sich für eine Seite gelohnt und Katharina suchte einen ruhigeren Weg, der mehr Frieden versprach, was sich auch an der später Hochzeit ihrer Tochter Maria mit Antoines Sohn Henry zeigte.

All dies spräche dafür Katharina Medici heute positiver zu bewerten und den von allen Seiten über sie gestreuten Gerüchten weniger Glauben zu schenken.

Auch Maria Stuart wurde bei ihrem Versuch die schottische oder englische Krone gegen Elisabeth zu erringen, von Katharina nicht weiter unterstützt. Sie wollte keinen unnötigen Konflikt mit England, die dafür Spanien und damit Habsburg in Schach hielten. So balancierte Frankreich und damit auch Europa durch eine schwierige Zeit, die erst Henry als dann König mit dem Toleranzedikt von Nantes beendete - doch war diese Zeit der Toleranz dank des Königs, den die Franzosen hoch schätzen, schon bei seinem Sohn Ludwig XIII. wieder vorbei. Der Enkel, der berühmte Ludwig XIV. vertrieb dann die Hugenotten endgültig, sehr zur Freude Preußens, das vielen klugen Köpfen der Hugenotten Asyl gewährte und davon auf Dauer profitierte.

Intoleranz und Dogmatismus machen eine Gesellschaft unflexibel und damit wenig zukunftsfähig. Sie führen zu Bürgerkriegen, welche hier gerade die Gegner der offenen Gesellschaft beschwören und damit schaffen, wovor sie warnen.

Das Verhalten der Katholiken um die Guise im Frankreich des 16. Jahrhunderts, während kluge Köpfe wie Montaigne dort schrieben und für mehr Toleranz warben, gleicht dem der Islamisten heute, die auch meinen, sie seien im Auftrag ihres erdachten Herren unterwegs.

Durchgesetzt haben sich am Ende in Europa Freiheit und Toleranz in der offenen Gesellschaft, die den Laizismus lebt, auch wenn es noch manchmal letzte Aufstände aus der relativ unflexiblen Welt des Aberglauben wie der Intoleranz gibt, wie gerade in der politisch zur Krise potenzierten Frage des Asyl.

Die Toleranz macht die offene Gesellschaft stark und hat sie bis heute erfolgreich gemacht, während die Gegner der Offenheit nur schädliche Etappensiege im großen Lauf der Geschichte hatten, die dann meist viele unnötige Opfer forderten.

Auch darum ist es so wichtig, für Toleranz und Freiheit zu kämpfen, damit bleibt, was uns stark machte über Jahrhunderte. Seien wir so frei und mutig und nutzen wir unseren Verstand, um das Miteinander zu ermöglichen.
jens tuengerthal 17.3.2016

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