Donnerstag, 3. März 2016

Kulturgeschichten 0146

Märzkämpfer

Im März beginnt der Frühling, kämpfen sich Blätter und Knospen mühsam durch manchmal noch frostige Umgebung, alles zu begrünen, bis wir um Ostern herum die Tagundnachtgleiche feiern und uns irgendwann frostfrei auf den Sommer freuen. Aber im März beginnt es, teilweise friert es noch bis in tiefe Niederungen, manchmal schneit es noch, ist stürmisch, ungemütlich oder ganz überraschend frühlingshaft warm So gesehen ist der März eine unruhige Zeit, wechselhafter noch als der April, eine Brücke zwischen Frühling und Winter.

Eine gute Zeit, Zuhause zu bleiben, Tee zu trinken und zu lesen, den Geist zu bilden, solange die Bewegung draußen manchmal noch so unfreundlich ist. Manche aber müssen immer raus, bei jedem Wetter, können sich nichts aussuchen und werden dafür noch schlecht bezahlt, weil ihre soziale Stellung im Schatten und nicht auf der Sonnenseite des Lebens liegt, den sich eine Minderheit unter sich aufteilt, der Mehrheit winzige Parzellen im Halbschatten gibt, damit sie sich zumindest gut fühlen und still halten.

Die Wut über das was war und die Zustände überhaupt führten immer wieder zu Unruhen in der Geschichte der Menschheit, vom Spartakusaufstand in Rom bis zur Occupy Bewegung an der Wall Street. Geändert haben diese Bewegungen selbst meist wenig, dafür um so mehr Opfer gefordert, die damit gerechtfertigt wurden, dass sie ein Umdenken in Gang gebracht hätten, das zum Fortschritt führte und die Ungerechtigkeit beendete. Ob Aufstände und Revolutionen dies je taten oder nur den Beteiligten Nachteile brachten, die ex post zu Helden verklärt wurden, um ihrem Tod einen Sinn zu geben, als hätte der Tod oder das Leben je einen solchen oder bräuchte ihn überhaupt, um genossen zu werden, ist eine ungeklärte Frage für mich und vielleicht ein wichtiger Schlüssel zur Geschichte der Menschheit und Perspektiven in der Zukunft.

Halte wenig von Aufständen und Revolutionen und war schon zu Schulzeiten davon überzeugt, dass sie mehr Schaden anrichteten, als Nutzen brachten, das menschliche Mittel der Veränderung immer die Reform eher sei und Unruhen oder Massenbewegungen selten die guten Seiten des Menschen betonten. Ob darin schon ein Plädoyer für das Mittelmaß liegt, oder immer Ruhe erste Bürgerpflicht ist, weiß ich nicht.

Thomas Mann wurde sein Essay in dem er zur Ruhe und Bürgerlichkeit aufrief lange übel genommen, von seinem Bruder Heinrich vorgehalten, der schon eher, in Berlin lebend, der einzigen Metropole Deutschlands, woran sich bis heute wenig änderte, erkannt hatte, dass die Zeit der alten Ordnung vorüber war, es den Wechsel brauchte und die freiheitliche Weimarer Verfassung des Patriotismus und der Verteidigung wohl wert war gegen die alten Eliten, deren Geist er in seinem Untertan so trefflich karrikierte.

Aufstände und Revolutionen riskieren Menschenleben, weil sie alte Macht mit Gewalt beseitigen wollen. Schwerer fällt mir die Antwort auf ihre Notwendigkeit beim Blick auf das Hitlerregime und die Attentatspläne auch der Eliten, die womöglich Millionen Menschenleben hätten retten können. Gilt da streng der utilitaristische Grundsatz der größten Nützlichkeit, nach dem gut war, was den meisten nutzten und wenn es mehr Menschenleben rettete als riskierte, wäre ein solches Attentat, das sogar einen grausamen Krieg hätte beenden können, wäre es nach Plan gegangen, den der Kreis um Stauffenberg, Rönne, Tresckow und andere ausheckte. nicht gerechtfertigt gewesen, ein solcher Aufstand gegen die ursprünglich gewählte Macht, die sich selbst ermächtigt hatte, nicht gut und notwendig gewesen, die Tötung des Massenmörders Hitlers und seiner Komparsen nicht gerecht?

Es wiederstrebt mir völlig, Gewalt für legitim zu erklären, sie gut zu heißen, auch um einer womöglich besseren Lösung nicht. Dies nicht, weil ich sie für moralisch falsch hielte oder die Ermordung eines Hitlers nicht für gerechtfertigt, im Gegenteil, es gibt Fälle, in denen ich die Anwendung von Gewalt für das moralisch bessere Mittel halte, um Unrecht zu beseitigen und Gerechtigkeit wiederherzustellen. Nur legitim sollte sie nicht sein und was Gewalt legitimiert, negiert den Staat als Ordnung, die geschaffen wurde, um die Gewalt aus der Hand des einzelnen in der des Staates zu monopolisieren.

Im Wahn der Jugend nach Gerechtigkeit, ließ ich mich auch an Bäume ketten, mühsam von der Polizei losschneiden und wegtragen, um längst kranke Pflanzen zu retten, die schon aus Sicherheitsgründen, wie sich später herausstellte, gefällt werden mussten, da wir nicht im Urwald sondern im Dschungel der Kleinstadt lebten, die sich aber gern von einer Seite aus auch gegen alle Vernunft moralisch erhob.

Da war ich also gewalttätig, auch wenn über die Auslegung des Begriffes der Gewalt, wie ihn das Bundesverfassungsgericht für die Frage, ob bloßes Rumsitzen Nötigung sei, bis heute strittig ist, wir waren gewalttätig und wollten Polizei und Gärtner der Stadt an der Verrichtung ihrer Arbeit zur Not auch mit Gewalt hindern, um unserer Meinung nach das Leben von Bäumen, das wir für wichtiger hielten als die bloße Ordnung, zu schützen.

Das Leben der Bäume war akut gefährdet, wie ich dachte, nur Gewalt konnte die anderen daran hindern ihre Gewalt mit für die Bäume tödlichen Folgen anzuwenden. Die SPD regierte Stadt, ließ sich weder von unseren Chören, mit denen wir Fahrtenlieder für die letzten Bäume am Neckarufer sangen, noch durch den am Ende gewalttätigen passiven Widerstand rühren. Bald hieß der zuständige Baustadtrat unter uns Baumkämpfern der Noske von Heidelberg und erinnerte damit an ein dunkles Kapitel deutscher und sozialdemokratischer Geschichte, die Niederschlagung der Märzunruhen in Berlin im Jahre 1919.

Am 3. März 1919 begannen im Berliner Stadteil Lichtenberg die Märzkämpfe, die bis zur ihrer Niederschlagung Mitte März dauern sollten und in deren Folge 1200 Menschen hingerichtet wurden.

Sie wurden hingerichtet und fielen nicht unglücklich einem Straßenkampf zum Opfer, der Staat unter Führung von Ebert und Noske als ausführendem Minister setzte sein Gewaltmonopol mit großer Willkür durch, um schnell Ordnung zu schaffen und abzuschrecken.

Ursache der Märzkämpfe waren die Forderungen einer radikalisierten Arbeiterschaft nach einer Sozialisierung der Schlüsselindustrien und einer Einführung des Rätesystems, wie es eine zentrale Forderung schon der Novemberrevolution gewesen war.

Der Reichsrätekongress, welch deutsches Wort auch in der Revolution noch beengend im Formalismus, hatte als Vereinigung aller deutschen Arbeiter- und Soldatenräte bereits im Dezember 1918 die Sozialisierung beschlossen, die sich auch im Programm der USPD fand. Dem stand die damalige Reichsregierung, die aus SPD, DDP und dem katholischen Zentrum die Weimarer Koalition bildete, ablehnend gegenüber.

So begannen am 3. März 1919 die Märzkämpfe in Berlin mit einem Aufruf der Räte, der USPD, der Spartakisten und anderer linker Kräfte zum Generalstreik und sie endeten mit der schließlich Aufhebung des Schießbefehls durch den SPD Reichswehrminister Günter Noske am 16. März 1919

Die Kämpfe fanden im Schwerpunkt im Ostteil der Stadt statt, wo die Garde-Kavallerie-Schützen-Division stationiert war, die unter dem Kommando des Hauptmanns im Generalstab Waldemar Papst, nomen est omen, grausame Bluttaten anrichtete.

Schon bei Ausrufung des Generalstreiks am 3. März war es zu Plünderungen und Überfällen auf Polizeireiviere um den Alexanderplatz gekommen, woraufhin das preußische Staatsministerium den Belagerungszustand über Berlin verhängte.

Die eigentlichen Kämpfe begannen als die Einheiten des Generalkommandos in die Stadt verlegt wurden und es dort zu Zusammenstößen mit der Volksmarinedivision kam, die wiederum vorher von Soldaten beschossen worden waren.

Die Kämpfe verlagerten sich in den folgenden Tagen in den Norden und Osten des Alexanderplatzes und dort insbesondere die Frankfurter Allee hinunter beziehungsweise die Prenzlauer Allee hinauf, die auf den gleichnamigen Berg genannten Stadteil führt, auf dem ich just sitze und darüber schreibe.

Die hohe Zahl der Opfer resultiert zum einen vom Einsatz schwerer Artillerie in Wohngebieten und zahlreichen standrechtlichen Erschießungen. Dazu gab Noske den durch kein Gesetz gerechtfertigten Befehl, jeder Bewaffnete sei von Truppen der Regierung oder den Freikorps sofort zu erschießen. Der bis zum 16. März gültige Befehl, dem unzählige Hinrichtungen folgten, beruhte auf einer Falschmeldung, derzufolge in Lichtenberg angeblich 60 Polizisten von Aufständischen erschossen worden wären.

Die Zahl der Opfer erhöhte noch zusätzlich, dass Papst den Geheimbefehl gegeben hatte, alle Häuser zu durchsuchen und jeden, bei dem eine Waffe gefunden würde, standrechtlich zu erschießen. In Anbetracht des gerade erst beendeten 1. Weltkrieges und der zahlreichen Waffen, die Veteranen auch nur zur Erinnerung noch in ihren Wohnungen hatte, kam es zu regelrechten Gemetzeln, die noch durch die in solchen Fällen übliche Denunziation und die Hinrichtung auf bloßen Verdacht hin erhöht wurden.

Ein Menschenleben war zu dieser Zeit sehr wenig wert in Berlin, zumindest dort, wo Arbeiter und Soldaten aus den Räten, die einst die Revolution erst hervorbrachten, für ihre versprochenen Rechte kämpften, die aber nicht mehr dem Interesse der politischen Mehrheit entsprachen, die Macht der SPD, die sie so stolz gerade erst errungen, gefährdete, warum sie sich lieber mit Reichswehr, die ihr mit Noske unterstand, und Freikorps konterrevolutionär verbündete.

Alfred Döblin, der Autor von Berlin Alexanderplatz, schrieb dazu in Der deutsche Maskenball:

“Ich war damals in Lichtenberg und habe diesen Putsch und die grausigen, unerhörten, erschütternden Dinge der Eroberung Lichtenbergs durch die weißen Truppen miterlebt. Um dieselbe Zeit, wo in unserer Gegend die Granaten und Minenwerfer der Befreier ganze Häuser demolierten, wo viele in den Kellern saßen und dann, schrecklich, wo viele füsiliert wurden auf dem kleinen Lichtenberger Friedhof in der Möllendorfstraße - man muss die Leichen da vor der Schule liegen gesehen haben, die Männer mit den Mützen vor dem Gesicht, um zu wissen, was Klassenhass und Rachegeist ist -, um dieselbe Zeit wurde im übrigen Berlin lustig getanzt, es gab Bälle und Zeitungen.“

Arthur Freiherr von Salmuth, damals Polizeipräsident erlebte es ganz anders und beschrieb seine Erlebnisse so:

„Als nun das Tor endlich geöffnet wurde, befanden sich im Polizeipräsidium außer mir ca. noch 20 Beamte inkl. 2er Polizei-Offiziere. Von einem Verhandeln war überhaupt gar nicht möglich. Unter wildem Gebrüll: "Stellt die Hunde an die Wand, schlagt die Schweine tot" stürzte die Bande die Treppe hinauf; die Mauserpistolen und Handgranaten schwingend und brüllend "Hände hoch". Ich selber stand mitten unter meinen Beamten und, da ich diese nicht im Stich lassen wollte war ich auch nicht durch meine Wohnung geflüchtet. Mein Sohn, der absolut mit mir mitgehen wollte, folgte doch schließlich dringend dem Bitten seiner Mutter, bei ihr zu bleiben, in der Überlegung, daß vielleicht sie seines Schutzes bedurfte. So gelang es später beiden, sich durch die Privatwohnung zu retten. Wir wurden nun alle zusammen auf die Alfredstraße geführt, die von einer johlenden und heulenden Menge gefüllt war, namentlich leisteten die Weiber ganz besonders im Schimpfen und Johlen. Immer wieder ertönt der Ruf: Die Schweine müssen hier erschossen werden, stellt die Hunde an die Wand". Ein Weib schrie: "Wir wollen euer Blut saufen". Von allen Seiten blitzten uns Gewehre und Pistolenläufe entgegen und sie machten Anstalten uns auf der Stelle alle zusammen zu erschießen. Unterdessen wurde auch mit Kolben und Knüppeln auf uns eingedroschen, ein nach mir geführter Kolbenhieb rutschte an meiner Schulter ab, da ich schnell eine seitliche Bewegung machte. Irgendwie mit den Leuten zu verhandeln war unmöglich.“

Hass und Rachegelüste putschten sich hoch, während nur wenige Straßen weiter Berlin munter feierte, als sei nichts gewesen. Der Aufstand führte zu nichts als vielen Toten, dem später Vorwurf der USPD gegen die SPD, die auch schon an der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht maßgeblich beiteiligt war und der damit Spaltung des linken Flügels in einen verständlicherweise entsetzten und radikalisierten Flügel und einen gemäßigt bürgerlichen, der im Interesse der ganz großen Mehrheit alles tat, um Ruhe und Frieden zu sichern, keine weitere Revolution mehr wollte. Die Uneinigkeit auf der linken Seite endete bis heute nicht, auch wenn die Vorwürfe inzwischen fast rituellen Charakter haben und sich nie wieder wird klären lassen, ob vom Generalstreik und der gewaltbereiten Arbeiterschaft eine größere Gefahr ausging, die ein Durchgreifen zumindest verständlich machte oder der Staat in jedem Sinne unverhältnismäßig und falsch handelte, seine Legitimation für das Gewaltmonopol verspielte.

Warum ist die Legitimation im Rechtsstaat so wichtig und weshalb unterscheide ich hier so streng?

Sich fragen, warum ich einem anderen zugestehe, meine Angelegenheiten, sei es Rache oder die Durchsetzung meiner Interessen, wie meinen persönlichen Schutz vor Bedrohung zu regeln, könnte der Schlüssel dazu sein, denke ich mir, warum nehme ich meine Rechte nicht selber wahr, setze die Todesstrafe für Kinderschänder im Handstreich durch, wenn ich so etwas richtig fände, wie es manche vor allem im Osten fordern?

Das dann nur noch das Recht des Stärkeren herrschte ist eine vermutlich nur Schwächeren verständliche Begründung und doch die einzig tragbare, mehr gibt es nicht. Es gibt gewisse Rechte, sich zu verteidigen, falls jemand in eine Notwehrlage gerät mit den dann gebotenen und angemessenen Mitteln, was sich immer nach der Stärke des Angriffs bemisst, aber grundsätzlich bin ich nicht dafür zuständig, was manche ihr gutes Recht nennen, auch selbst durchzusetzen. Wenn ich meine, ich bekomme noch Geld, Arbeit, Schadensersatz von jemandem, steht mir der gerichtliche Weg offen und kein anderer, wenn es um Gefahren für mein Leben oder meine Gesundheit geht, gilt das gleiche, ich kann nur vorher noch die Polizei rufen oder in seltenen Fällen mich auch persönlich wehren aber nur angemessen und beschränkt - wer auf einen anderen schießt, weil der Äpfel klaut, handelt sicher nicht verhältnismäßig, sondern macht sich, was immer die Folge war, strafbar.

Unser Staat will keine Waffen in Bürgerhänden, keine private Durchsetzung von vermeintlichen Rechtsansprüchen und keine Selbstjustiz, im Gegenteil, wir machen diese Menschen zu Tätern, auch wenn sie sich meist als Opfer sehen, was denen Auftrieb verleiht, die solche Positionen schützen wollen, dem Geist des Wilden Westens mehr Raum geben wollen. Ob dies immer zu mehr Gerechtigkeit führte, ist nicht fraglich, solange es zumindest stets zu mehr Rechtsstaatlichkeit führt, ist dem staatlichen Anspruch genüge getan, der legal aber nicht gerecht sein muss. Was soll diese Gerechtigkeit überhaupt normativ sein und wer bewertet dieses nur politische Schlagwort eigentlich wie?

Einen Aufstand mit Gewalt niederschlagen, der zu Unruhe im Staat führen könnte, weil eine Umverteilung des Besitzes und massenhafte Enteignungen die Folge wären, kann legitimes staatliches Interesse sein.

Dies könnte auch moralisch gerechtfertigt sein, sofern es weiteres Töten verhindert, Ruhe und Ordnung wiederherstellt, die das Überleben der großen Mehrheit in Frieden sichert.

Die Minderheit der Arbeiter und Soldatenräte, die den Umsturz stützte konnte sich darauf berufen, dass ihre Forderungen nicht erfüllt worden waren und sie waren es, die den Kaiser und das alte Regime stürzten, der neuen Regierung, die durch den Willen der Mehrheit wohl legitimiert war, an die Macht half. Sie waren die ganz große Mehrheit der Revolutionäre, die Träger des Umbruchs und warum sie keine Mitsprache mehr haben sollten, war nicht ersichtlich, ihre Wut verständlich.

Andererseits sprach die Weimarer Koalition für die ganz große Mehrheit der Bevölkerung, die weniger radikal dachte, keine Enteignungen wünschte, einen friedlichen Übergang wollte und die radikalen Räte von der Macht verdrängen wollten, vertraten also die Mehrheit der Bevölkerung wohl.

Viele hatten Angst vor dem Gespenst des Kommunismus oder den Forderungen der radikalen Linken und befürworteten einen reformerischen Kurs der Mitte. Die Angst vor einer Bewaffnung der kleinen Gruppe der radikalen Kräfte, die einen Umsturz versuchen könnten, um ihre Ziele mit Gewalt durchzusetzen, war groß.

Einzig legitimiert zur Anwendung von Gewalt im Staat ist der Staat, solange es einen Staat gibt, es kein Unrechtsstaat ist. Das Wort Unrechtsstaat aber führte jüngst bei der Diskussion über die DDR, den glücklicherweise untergegangenen real existierenden hochnotpeinlichen Arbeiter und Bauernstaat auf deuschem Boden, der in vielem alle Elemente eines totalitären Regimes nach Hannah Arendt erfüllte, woran wir sehen, wie gegenwärtig diese nur scheinbar historische Frage nach der Legitimation von Noske und Papst 1919 ist.

Papst setzte um, was Petry und von Sotrch jüngst zur Verteidigung der deutschen Grenze gegenüber Flüchtlingen fordeten, die sie als Bedrohung empfinden und inszenieren. Sind wir, wenn wir den Pegiden oder den Anhängern des AfD aufmerksam lauschen wirklich weit entfernt von Weimarer Zuständen, in denen um der Ruhe und Ordnung wegen, eben welche abgeknallt werden sollen?

Wenn die Mehrheit keine sozialistische Revolution mit folgenschwerer Enteignung der Industrie und ähnlichen Maßnahmen wollten, die nur eine Minderheit radikal und laut mit ihrer Aufforderung zum Generalstreik durchsetzen wollte, die gegen Grundrechte auch der Weimarer Verfassung verstieß, war es dann nicht legitim, diese Minderheit auch mit Gewalt daran zu hindern, ihre politischen Ziele mit Gewalt zu verfolgen?

Sicher könnte so jedes Einschreiten begründet und legitimiert werden, fraglich ist darum, was noch verhältnismäßig gewesen wäre und welche Maßnahme stattdessen geboten wäre.

Lese es und denke, es klingt wie eine langweilige Hausarbeit im öffentlichen Recht, die rein formal die Verhältnismäßigkeit einer Zwangsmaßnahme prüfen soll und muss schon beim Gedanken gähnen - aber genau das ist es, was ich mich hier frage und was hier strittig ist in der Beurteilung, wer am 3. März 1919 Held wurde und wer Täter blieb, ob es diese einfache Unterscheidung trifft.

Es passt nicht ganz, es trifft es nicht ganz und es ist irgendwie zu eng und formal, um den Beteiligten gerecht zu werden, scheint es mir heute.

So würde juristisch bis heute darüber geurteilt und geprüft, aber ich bin nicht nur kein Jurist geworden, weil ich zu blöd war dieses Staatsexamen zu bestehen, sondern viel mehr, weil mir dieses Denken zutiefst zuwider ist, ich es unmenschlich finde, lieber Anarch und arm als wohlhabender Justitiar sein möchte.

Dennoch stelle ich mich nicht auf die Seite der Aufständischen, weil die komplette Verstaatlichung und eine Regierung der Räte in dieser Situation völliger Unsinn gewesen wäre,  so wenig wie auf die von Papst und Noske, die es mit Schießbefehl und Deckung aller Täter sicher übertrieben, den Worten Tucholskys, das Soldaten Mörder sind, verdammt nahe kamen.

Interessant ist, dass die eigentlich adeligen Oberbefehlshaber der entsprechenden Truppenteile, die Generäle und Generaloberste, sich nahezu völlig aus der Schusslinie brachten, auch wenn es ihre Verantwortung war, was ihre Truppen taten, irgendein dahergelaufener Oberst, auch wenn aus dem Generalstab, kein Garderegiment in Preußen befehligte und allein entschied, was dieses tat. Wie wenig darüber gesprochen wurde, ist auch ein Indiz des Zeitgeistes, der Ruhe und Ordnung im alten Sinne wollte, nicht gegen die alten Familien vorging, einen irgendwie Kompromiss suchte.

Sind die Toten des 3. März 1919 nun die Revolutuionshelden Deutschlands, zu denen sie in der DDR in völliger Umkehrung teilweise verklärt wurden, denn dort regierten die im Märzaufstand noch bekämpften Kommunisten, die den Arbeiter mit Kränzen ehrten und Orden während sie die eigenen Aufstände wie am 17. Juni 53 blutig niederschossen, worauf das überwachte Gefängnis nach deutschem Schnittmuster DDR noch 46 Jahre hielt und wir uns dafür heute mit dem mangelnden Demokratieverständnis der Einwohner Sachsens herumschlagen müssen, die wie eine Infektion den primitiven Populismus im Land verbreiten wollten?

Oder sind Papst und Noske die Helden der Weimarer Freiheit, die um des Willens der Mehrheit wegen, sich zu Buhmännern machen ließen?

Betrachten wir die Zustände in Sachsen und die Entwicklung von Pegida als kleine Volksbewegung, wie wichtig ist es dann, dem Streben einer radikalen, wenn auch lauten Minderheit notfalls mit Gewalt Einhalt zu gebieten, um eine weitere Radikalisierung zu vermeiden.?

Sollte die Bundesrepublik auf die Pegiden schießen, bevor sie zur Volksbewegung gegen das Grundgesetz werden, weil es in harten Zeiten für Frieden und Ordnung schlicht nötig ist?

Der goldene Weg wird in der Mitte liegen, zwischen Wut und Wüten, einen Kompromiss zu suchen, der dem Interesse der ganz großen Mehrheit nach einem friedlichen Zusammenleben gerecht wird und den Minderheiten zumindest solche Scharanken auferlegt, dass sie nicht mit ihrer Lautstärke jede Diskussion dominieren und AfD und Pegida brüllen inhaltlich so laut, dass es dringend eines Maulkorberlasses zur geistigen Hygiene bräuchte, der Dummheit Schranken zu setzen, ohne die Freiheit aufzugeben.

Noske und Papst handelten an der Grenze des legalen, doch die Forderungen ihrer Gegner waren auch geeignet, die von der Mehrheit gewünschte Ordnung und den Rechtsfrieden zu gefährden, zumal in einer ohnehin aufgeheizten Situation. Der noch frische Tod von Luxemburg und Liebknecht heizte die Situation zusätzlich auf.

Ob die Kommunisten und radikalen Linken sich einen Gefallen taten aus Wut über diese angepasste SPD, die nur gehorchte, zur radikalen Opposition und damit gemeinsam mit der NSDAP zu den Totengräbern der Weimarer Republik zu werden später, wäre der Frage wert.

Auch der hohe Blutzoll, den sie nach der Wahl der NSDAP und der Inthronisation Hitlers durch Hindenburg und seine Kamarilla zahlten, rechtfertig vorherige Fehler nicht. Wenn die Antifa öffentliche Güter angreift oder die Polizei, rechtfertigt sich das nicht aus deren Sympathie mit Pegida in Sachsen - soll dies Land entvölkert werden oder wollen wir uns die Zeit zur Aufklärung nehmen?

Das bei den Pisa-Studien am besten abschneidende Schulsystem der Bundesländer bringt eine solche Menge von sozialgestörten Idioten hervor, dass wir uns fragen sollten, was von diesen generalisierten Studien der Zwangsoptimierung zu halten ist und ob wir nicht in der Wertevermittlung einen wichtigen Auftrag haben?

Sachsen hat ein Problem mit Rechtsradikalen, wie alle neuen Bundesländer, von denen ich keines meinen afrikanischen Freunden je als Urlaubsziel riete, meist im Gegenteil, riete ich ihnen sogar davon ab, dort  nur auszusteigen. Diese Probleme und diese Gefahren wurden lange ignoriert, aber Fremdenfeindlichkeit ist dort normal, wird toleriert und gepflegt, hält sich für heldenhaft und noch zögerte der Staat gegen diese Feinde der Verfassung mit aller Härte durchzugreifen.

Sie reden in einer Sprache voller Brandsätze, die sich von alleine später in den Heimen und dem wenigen Hirn ihrer Zuhörer entzünden vom linken, grünversifften Millieu der Kinderschänder, das sie mit aller Gewalt bekämpfen müssten, bevor es ihr Deutschland zerstöre, die Heimat vernichte, den Horden der vergewaltigenden und mordenden Muselmanen ausliefere.

Das ist für dieses Klientel nicht radikal sondern normal und das sind Brandsätze, die sie in der vor allem östlichen Bevölkerung erfolgreich vertreiben. Dagegen waren die Forderungen der USDP und der Räte nach Sozialisierung und Generalstreik 1919 harmlos. Es ist Zeit, dies zu erkennen und entsprechend zu reagieren, es braucht eine radikale auch verbale Entwaffnung der oft geistig minderbemittelten Bevölkerungskreise um Pegida und AfD, die sich wie Storch und Petry zeigen, bis in die Spitze durchziehen.

Vielleicht kann vermieden werden, gleich auf diese Brandstifter zu schießen, wenn es sich verhindern lässt, aber mit aller Schärfe des Rechtsstaates, ihnen Grenzen aufzeigen, scheint nötig, um die Freiheit gegen ihre Vernichter und die Brandstifter zu verteidigen.

Was Noske und Papst taten, war grenzwertig, was wir bei Pegida und AfD tolerieren, überschritt diese Grenze bereits und es hat schon zu oft wieder gebrannt. Zeit die Brände in den Köpfen notfalls mit Gewalt zu löschen, damit die Gewalt ein Ende findet.
jens tuengerthal 3.3.16

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen