Mittwoch, 16. März 2016

Kulturgeschichten 0158

Ide(e)nmord

An den Iden des März, dem 15. März 44 vor Christus wurde der römische Diktator Julius Cäsar beim Besuch im Theater des Pompeius ermordet. Unter der Führung von Brutus und Longinus beteiligen sich rund 60 Personen an der Verschwörung, von denen uns heute 20 namentlich bekannt sind. Der Senat gewährte den Mördern noch am selben Tag Amnestie. Der Mord wurde als Tyrannenmord begrüßt und als Befreiung gefeiert, weil der Senat auf die Rettung der Republik und die Stärkung seiner Macht hoffte ohne den, den sie einst selbst so stark machten.

Der berühmte Militär, der Gallien bis zum Rhein eroberte und manches mehr, wie wir nicht nur aus Asterix wissen, sondern auch aus seinem eigenen Buch, de bello gallico, ein Bestseller seit Jahrtausenden, hatte sich zum Diktator auf Lebenszeit in Rom wählen lassen.

Caesars Name wurde Teil des Titels aller nachfolgenden Herrscher des römischen Kaiserreichs. In der römischen Spätantike und im Byzantinischen Reich bezeichnete der Titel „Caesar“ einen Mitherrscher oder Thronfolger. In den entlehnten Formen Kaiser und Zar wurde der Name später auch zum Titel der Herrscher des Heiligen Römischen, des Österreichischen, des Deutschen, des Bulgarischen, des Serbischen und des Russischen Reiches, griff also weit über sein ursprüngliches Herrschaftsgebiet hinaus.

Gaius Iulius Caesar entstammte dem alten römischen Patriziergeschlecht der Julier, das sich bis auf Iulus, den Sohn des trojanischen Adligen Aeneas, zurückführte, einem Sohn der Göttin Venus, also zumindest so halb göttlichen Ursprungs war. Auf dem Gipfel seiner Macht ließ Caesar darum zu Ehren der Venus einen Tempel errichten, um seine Verbindung zu dieser Göttin hervorzuheben, sich als Diktator zu erheben.

Wo ich gerade von Familie erzähle, Cäsars Schwester ist die Großmutter des späteren Kaiser Augustus oder Octavian, er also sein Großonkel. Aber das verliert sich schnell im Tratsch, zumal es hier um politischen Mord und seine Tolerierung oder Akzeptanz eher geht als um den julianischen Familienreport für Gala oder Bunte. Wichtig ist nur noch der Weg zur Macht und die Person dieses Herrschers, der gern verklärt wurde, warum es zum Mord kam und was er bewirkte.

Ob wir daraus etwas für unsere Zeit lernen können, in der Populisten laut werden und manche wieder Tote riskieren wollen?

So ist wichtig, um das Umfeld zu verstehen, zu wissen, dass Cäsar oberster Priester war bevor er erfolgreicher Feldherr wurde, wie er auch Teil römischer Tradition war. Unklar ist inwieweit Cäsar svhon in die catilinarische Verschwörung verwickelt war, zumindest wehrte er sich anders als Cicero und Cato gegen die Hinrichtung des Catalina.

Zumindest war er früh Konsul und Teil der Republik mit der er um die Macht rang. Sein Ziel war es in Gallien soviel Ruhm zu ertingen, dass der Senat ihm alles verziehe. Das er dabei noch die Belgier als die tapfersten gallischen Stämme bezeichnete, haben ihm die übrigen Gallier nie verziehen und so ist Belgier sein, vielen eine Strafe bis heute.

Der nebenbei noch begangene Völkermord an zwei germanischen Stämmen, bei dem nach Cäsars eigenen Angaben mal eben 480.000 Germanen niedergemetzelt wurden, nachdem sich deren Anführer zur Entschuldigung in seine Hände begeben hatten, geben auch ein Bild des Diktators Cäsar.

Auch Vercingetorix, den großen Führer der Gallier, der ihn noch bei Gergovia schlug, um ihm dann in Alesia zu unterliegen, ließ er hinrichten in Rom obwohl er sich ihm freiwillig ergab und Verhandlungen suchte, die den Sieg erst so leicht machten.

Nach der Niederschlagung eines späteren Aufstandes, ließ er allen Bewohnern der betroffenen Stadt die Hände abhacken, um ein Exempel zu statuieren. Laut Plutatch wurden im gesamten gallischen Krieg über eine Millionen Gallier getötet und ebensoviel versklavt.

Als er schließlich nach vielen Jahren als siegreicher Feldherr wieder gen Rom zog, forderte der Senat ihn auf, seine 10 Armeen aufzulösen, wogegen sich Cäsar wehrte, da Pompeius dies auch nicht täte, mit dem Julius sich gerade über die Vorherrschaft stritt.

Grenze für seine Truppen war der Fluß Rubikon, zwischen der Provinz Gallien und dem römischen Italien gelegen, hinter dem der befriedete und entwaffnete Bereich Roms begann. Cäsar ließ sich von dem Fluss nicht aufhalten, sondern überschritt ihn mit den Zitat gewordenen Worten, alea iacta est, der Würfel ist geworfen.

Pompeius war inzwischen mit einem Teil der republikanischen Senatoren bereits geflohen, weil er keine Chance sah, den Kampf gegen Cäsar zu gewinnen mit seinen wesentlich kleineren und nicht kampferprobten Legionen und zog darum nach Brindisi und verzog sich von da aus nach Griechenland. Da Cäsar gerade keine Flotte hatte, Pompeius, mit dem und Crassus er vor seiner gallischen Zeit noch das Triumvirat gebildet hatte, zu verfolgen, entschloss er sich zunächst dessen 7 Legionen in Spanien zu schlagen, was ihm auch zügig gelang.

Die beiden schlugen sich doch noch direkt, woraufhin Pompeius schwer geschlagen nach Ägypten floh, wohin ihn Cäsar folgte, um dort eine heiße Liebschaft mit der Schwester des Königs Kleopatra zu beginnen, Pompeius war inzwischen bereits von Pharao Ptolemaios XIII. umgebracht worden, der Cäsar den Kopf des Gegners übergab, den der inzwischen milde gestimmte Heerführer zur ordentlichen Bestattung in allen Ehren nach Rom sandte.

Zwischendurch bekriegte er sich noch ein wenig mit Pharao Ptolemaios, der auch Hohepreister und Herrscher in einem war, da Cäsar für seine Geliebte Kleopatra Partei ergriffen hatte und bei diesen Reibereien ging vermutlich das Weltkulturerbe der berühmten Bibliothek von Alexandria in Flammen auf - er war eben eher Militär als Kulturmensch, auch wenn er sich sogar in Liebesgedichten ergangen haben soll, aber er siegte und der Pharao ertrank auf der Flucht im Nil. Kleopatras Machtposition wurde gestärkt undd sie blieb Cäsar nah.

Sein anderer berühmter Spruch, veni vidi, vici, ich kam, sah und siegte, war auf seinen nächsten Feldzug gemünzt, der sich gegen Pharmakes II. von Pontus richtete, der die römischen Provinzen in Kleinasien plünderte und nach nur fünf Tagen geschlagen und vertieben worden war.

Danach schlug er noch Scipio und Cato, der sich nach der Niederlage lieber umbrachte, in Afrika und kolonialisierte Numidien.

Sofort nach dem Erreichen der Alleinherrschaft in Rom begann er damit, den Staat durch Gesetze weitgehend zu reformieren. Zu dieser Zeit hatte er nur eine Diktatur auf zehn Jahre begrenzt vom Senat bekommen, die auf lebenslänglich verlängert wurde nachdem er in Spanien endgültig siegte. Nebenbei entfaltete er noch eine umfangreiche Bautätigkeit von Bibliotheken und anderem mehr, führte den julianischen Kalender ein und legte die Sümpfe trocken.

Seine abschätzigen Äußerungen über die Republik sowie sein Auftritt im alten Königsgewand nach der lebenslangen Ernennung als Diktator nährten den Verdacht, er wolle das Königtum wiedereinführen.

Ob er das wirklich wollte, ist bis heute unter Historikern strittig und beide Seiten haben gute Argumente für sich. Er fand jedenfalls keinen Weg, die Römer und den Senat von der Wiedereinführung der Monarchie zu überzeugen. Darum plante er noch einen Feldzug nach Osten, die Parther zu unterwerfen.

Darum nun zur heute gedachten Tat, welche die Iden des März auch dank Shakespeare zum geflügelten Wort bis heute machten. Was motivierte die Täter, die selbst Cäsar teilweise verwandt oder nah bekannt waren, zu Mördern zu werden, was war geschehen?

Mittlerweile hatte sich im Senat eine große Gruppe gebildet, entschlossen, Cäsar zu töten, um die Anführer Brutus und Longinus, die entschlossen war, Cäsar zu töten, auch wenn sie zuvor zu Cäsars Günstlingen zählten. Sie glaubten nicht mehr, dass Cäsar die Republik nur reformieren und umgestalten wollten, sondern sahen in ihm einen Tyrannen, der sterben musste, um die Freiheit Roms zu retten. Sie verstießen damit zwar gegen andere römische Grundwerte, was sie aber, um der Rettung der Republik wegen, billigend in Kauf nahmen. In der großen Gruppe von Senatoren, die mittlerweile mehr als 80 Personen umfasste, gab es keinen Verräter, der Plan wurde nicht vorher bekannt.

Während einer Senatsssitzung im Theater des Pompeius schritten nun 60 zu Tat und erstachen Cäsar mit 23 Messerstichen. Noch am Morgen hatte Cäsar überlegt, der Sitzung fernzubleiben, da seine Frau in Alpträumen die Katastrophe vorausahnte. Zur Sicherheit besuchte er noch den Augur Spurrina, der ihn mit den Worten, hüte dich vor den Iden des März, seherisch warnte. Daraufhin wurde Brutus zu Cäsar geschickt, um das Scheitern zu verhindern. Er verspottete den Aberglauben und konnte dadurch Cäsar umstimmen.

Vor dem Senat traf er noch seinen Freund und früheren Mitkonsul Marcus Antonius, der von Trebonius abgelenkt wurde. Auch eine vorab überreichte Schriftrolle des Philosphielehrers Artemidoros, mit Details zur Verschwörung, half nichts, er gab sie einem Senatsmitglied, um sie nach der Sitzung zu lesen. Als er dann den Seher Spurinna nochmal vor dem Senatsgebäude traf, stellte er nur abschätzig fest, dass die Iden des März da wären und verspottete ihn geringschätzig, woraufhin dieser erwiderte, da sein sie, aber noch nicht vorbei.

Bei seiner Ermordung soll Cäsar zu seinem Zögling Brutus, dem er lange ein väterlicher Freund war, noch auf griechisch, wie es sich für einen gebildeten Römer gehörte, gesagt haben, auch du mein Sohn Brutus, was aber, angesichts der Schwere seiner Verletzungen, unwahrscheinlich ist.

Cicero, auch ein politischer Gegner Cäsars, der nicht an der Verschwörung beteiligt aber anwesend war, schrieb darüber später an seinen Freund Atticus, dies sei das gerechte Ende eines Tyrannen, ein Tyrannenmord nur.

Die Beerdigung verlief dann hochdramatisch. Antonius, der gerade Konsul war, heizte die Stimmung der Bevölkerung noch auf, indem er verkündete laut Cäsars Testament solle jeder Bürger 300 Sesterzen erhalten und der tobenden Menge das blutige Gewand präsentierte, die schließlich die bereits aufgebahrte Leiche an sich nahm und einen neuen Scheiterhaufen errichtete, um den geliebten Diktator zu würdigen. kaum war er zu Asche geworden, stürmten sie los, um die Mörder zu lynchen. Gaius Cinna, der Volkstribun und Dichter, wurde mit Cornelius Cinna verwechselt, der vorher über den Toten gespottet hatte, wurde vom aufgebrachten Pöbel auf offener Straße erschlagen. Brutus und Cassius, die hofften als Befreier gefeiert zu werden, zogen sich darum erstmal aus Rom zurück.

Die folgenden Bürgerkriegswirren dauerten 14 Jahre bis zum Jahr 30 vor Christus, als schließlich Antonius mit Octavian, der laut Testament Adoptivsohn Cäsars war, und Lepidus ein Triumvirat, dem viele republikanische Senatoren zum Opfer fielen, wie auch Cicero, deren Vermögen eingezogen wurde. In der Schlacht bei Philippi in Griechenland besiegten schließlich Octavian und Antonius die Verschwörer Brutus und Cassius.

Nun schaltete Octavian seine Konkurrenten aus. Zuerst Antonius, der in Äypten weilte und Cäsars Nachfolger als Liebhaber bei Kleopatra geworden war, den er in der Schlacht bei Actium in Griechenland, verbündet mit Agrippa, schlug. Damit war Octavian Alleinherrscher und die Republik faktisch beendet.

Octavian vermied jedoch jeden Anschein, eine Monarchie errichten zu wollen und nannte sich nur bescheiden erster Bürger, der die Republik wiederhestellen wollte. Er folgte dabei dem Konzept des Pompeius und nicht dem seines Adoptivvaters Cäsar, behielt aber immer alle Schalthebel der Macht in seiner Hand. Die Republik starb, aber Rom erlebte, in dieser goldenes Zeitalter genannten Epoche, eine neue Blüte. Cäsar, der bereits zu Lebzeiten als Gott ernannt wurde und darum Divus Iulius hieß, weihte er bescheiden einen Tempel, nannte sich aber nur Gottes Sohn.

Cäsar ist als Schrifsteller, Reformer, wie durch seinen Kalender über die Jahrtausende in Erinnerung geblieben, seine Mörder, verloren, ihren ehrenwerten Absichten zum Trotz, das Spiel um die Macht, sie hatten sich verkalkuliert, was Volkes Meinung betraf, die ihre Gegner geschickt manipulierten, womit die römische Republik unterging, zwar unter Augustus als großer Persönlichkeit noch eine Blüte erlebte, aber infolge in Selbstgefälligkeit aller Monarchen versank und zerfiel.

Warum habe ich diese Geschichte nun wiedererzählt, außer des historischen Datums wegen, mag sich mancher Leser fragen, der bis hierhin kam. Möchte keine fertigen Antworten präsentieren, woher sollte ich sie auch haben, sondern Fragen stellen, die vielleicht für die aktuelle Gefahr sensibilisieren und mit denen ich verdeutlichen möchte, dass der Diskurs im Netz wie auch in den Talkshows und auf der Straße, eine Grenze überschritten hat, die längst gefährlich ist, die nicht zur Demokratie passt und die weiter radikalisiert, statt Aufgaben zu lösen.

Wo stehen wir heute, wenn der politische Diskurs wieder um Morddrohungen bereichert wird und die Kanzlerin und ihr dicker Vize symbolisch gehängt werden sollen?

Was bedeuten die Wahlerfolge einer populistischen Gruppe, die nicht um ihrer Inhalte wegen gewählt wurde, sondern nach allen Umfragen primär um den Inhabern der Macht einen auszuwischen?

Ist ein Seehofer der Königsmörder, der nicht das Abendland retten will, sondern am rechten Rand fischt, um seine Mehrheit zu sichern?

Wie gefährlich ist die Radikalität der Gegner, die einfach die Verfassung außer Kraft setzen wollen für ein vorgestriges, autoritäres System, das teilweise von Rußland finanziell schon unterstützt wird?

Heizt der AfD bewusst die Debatte an, in der er mit der Angst spielt, ohne Antworten zu haben?

Wer verteidigt unsere Demokratie und die Republik in diesem Kampf um Volkes Stimme?

Brutus wollte die Republik und damit die römische Demokratie retten, er wurde dafür zum Mörder am väterlichen Freund, stürzte Rom in einen zu langen Bürgerkrieg - wer in Deutschland das gleiche riskiert, ist ein Feind und könnte so genannt werden. Würde diese Stigmatisierung der Feinde durch die Demokraten, die Republik retten oder weiter spalten?

Wie sähe eine angemessene und gerechte Antwort heute aus?

Wer ist Retter und wer Feind der Demokratie?

Warum glauben Menschen in Krisenzeiten, es gäbe einfache Antworten auf Fragen von höchster Komplexität?

Wieso glauben Menschen in politischen Fragen auch ohne Sachkenntnis mit Überzeugung richtige Antworten geben zu können?

Verhält die Kanzlerin sich eher wie der erste Bürger oder wie ein Tyrann und wie ließe sich das eine oder andere begründen?

Könnte die Hinwendung zum Populismus eine Antwort auf behauptete Alternativlosigkeit der politisch Handelnden sein?

Wie bedroht ist eine Demokratie wirklich, wenn auch in Krisenzeiten noch über 75% demokratisch wählen?

Sollten Demokraten den Diskurs mit allen beenden, die radikalisieren, um den Frieden zu retten?

Vieles lässt sich aus dem alten Rom nicht übertragen, die Mechanismen der Macht aber verändern sich nie und es ist darum gut, auf die zu achten, die einfache Antworten geben und im Kampf um die Macht auch vor Gewalt nicht zurückschrecken. Und so fragt sich am Ende, was tun soll, der Demokratie und Freiheit retten will, als Fragen zu stellen.
jens tuengerthal 15.3.16

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