Sonntag, 6. März 2016

Kulturgeschichten 0149

Kriegserbe

Manche erben Güter andere Konflikte, bei denen der Hass von einer Generation an die nächste weitegegeben wird, als Tradition die erhalten wird, als wäre sie etwas wert, außer traditionell zu sein Das Erbe an Gütern trägt oft schon die Konflikte in sich und schlimmer noch ist dies, wenn mit den Gütern Macht und Herrschaft verbunden waren.

Heute zum Glück ist Herrschaft weniger personengebunden als Institutionen übertragen, die Macht in Vertretung ausüben und so ist die zufällige Herrschaft nicht mehr vom Tod einzelner abhängig.

Seit Karl V., genauer eigentlich seit der Hochzeit seines Vaters Philipp des Schönen mit Johanna der Wahnsinnigen, woran wir sehen Schönheit und Wahnsinn können sich sehr nah oft kommen, was mich zunehmend beruhigt, der Erbin des von Ferdinand und Isabella gerade vereinigten und befreiten Königreichs Spanien, die noch nebenbei die etwas verrückte Expedition des Genuesers Christoph Kolumbus nach Westen finanziert hatten, war Spanien mit Habsburg eng verbunden, auch im ersten Grade noch verheiratet mit sichtbar inzüchtigen Folgen wie dem berühmten Habsburger Kinn und dem frühen Tod des letzten unstrittigen Habsburger Herrschers Karls II., war in Europa strittig, wer Spanien erhalten und wessen Ansprüche am besten zu einem Gleichgewicht der Mächte beitrügen und so wurde darum ein heißer Krieg gefüht, in dem sich unter anderem Eugen von Savoyen als Feldherr etwas profilierte, der aber in Europa so sehr geführte wurde wie in den überseeischen Kolonien, zu denen die USA wie Indien teils gehörten, der sich infolge spanischer Erbfolgekrieg nannte und zu dessen Ende viele miteinander verhandeln und um Einfluss ringen mussten.

Als Kaiser Joseph I. überraschend ohne männlichen Erben starb, wurde sein Bruder als Karl VI. Erbe des kaiserlichen Thrones, was noch nicht weiter ungewöhnlich war in den europäischen Häusern. Dummerweise nur war Karl zugleich Prätendent der spanischen Krone und die Seemächte Europas, vor allem Spanien und Frankreich fürchteten wieder eine Übermacht Spaniens in Verbindung mit Österreich und wollten alles tun, dies zu verhindern, eine neue Armada wollte keiner sehen.

Begonnen hatte der Kabinettskrieg um die Erbfolge nach dem Tode Karls II. als kinderlosem Erblasser in Spanien. Ludwig XIV. wollte Habsburgs Macht in Spanien beenden und seinen Enkel Philipp Bourbon als dortigen Herrscher durchsetzen, was im Ergebnis gelang, bekanntlich regiert das Haus der Borubonen bis heute zumindest dort, mehr oder weniger von Skandalen umgeben. Verbunden war diese Auseinandersetzung mit den Streitigkeiten um die Vorherrschaft in Nordamerika, bei der Frankreich nur sprachliche Reste in Kanada letztlich blieben und Großbritanien zumindest Teile des Commonwealth als Partner.

Auf den Frieden, nach dem der Krieg bereits 1701 begann, einigten sich Frankreich und Großbritannien bereits 1713 in seit 1711 dauernden Verhandlungen, was uns beim Blick nach Syrien zu größtmöglicher Gelassenheit rät, im Frieden von Utrecht, bei dem sich Österreich aber noch querstellte, was noch separate Verhandlungen mit Frankreich nötig machte.

Dennoch blieb es weitgehend bei dem bereits in Utrecht ausgehandelten Bedingungen, mit denen alle gewannen und keiner als Verlierer vom Tisch ging. Frankreich erhielt Spanien in der Nebenlinie der Bourbonen, die sich aber wie vertraglich zugesichert nie mit der französischen vereinigen durfte und die Grafschaft Orange vom Herzogtum Oranien-Nassau, die dafür einige Burgen zur Sicherung im Grenzgebiet erhielten und heute noch in den Niederlanden sich Könige nennen. Großbritannien machte große Gebietsgewinne in Nordamerika, setzte sich im Mittelmeer mit einzelnen Posten als die Seemacht durch und Österreich erhielt statt Spanien die spanischen Niederlande und die spanischen Besitzungen im heute Italien samt der Königreiche Sizilien, Neapel und Sardinien, die ihnen keiner zugestanden hätte, wäre nicht Spanien an Frankreich indirekt gegangen. So war schon der Friede von Utrecht eine Meisterleistung diplomatischer Verhandlungskunst, bei der sich nur fragt, warum zuvor noch überflüssige Kriege geführt werden mussten, statt sich beschränkter Kräfte aller bewusst, gleich um eine gerechte Verteilung, Erbe hin oder her zu bemühen. Spanien hatte einen bourbonischen König und verzichtete dafür vertraglich für alle Zeiten auf das Erbe der Krone Frankreichs.

Einziger Haken der Utrechter Verträge hätte das in Frankreich noch geltende salische Erbrecht sein können, dass einen solchen vertraglichen Ausschluss berechtigter Erben eigentlich ausschloss. Die Frage wurde aber auch aufgrund der 75 Jahre später eintretenden französischen Revolution nicht mehr vakant und wurde nach dem Ende Napoleons, der alles ändern wollte, auf dem Wiener Kongress erst wieder neu verhandelt ohne brennend da zu werden.

Um den Utrechter Frieden schon zu feiern komponierte übrigens der Londoner Gastarbeiter aus Mitteldeutschland mit Namen Händel sein Utrechter te deum, das in der Londonder St. Pauls Cathedral uraufgeführt wurde. Er wird als Anfang des Mächtegleichgewichts in Europa gesehen, aus dem sich später die Pentarchie entwickelte und noch später einiges anderes, das gerade wieder stets neuer Verhandlungen in und um Europa bedarf.

Was Großbritannien freute aus guten Gründen, stellte Österreich noch lange nicht zufrieden und so kam es noch zu jenen Verhandlungen, die dann am 6. März 1714, also heute vor 202 Jahren, in den Frieden von Rastatt zwischen Frankreich und Österreich mündeten.

Die Verhandlungen dort hatten seit November gedauert und brachten nahezu das Ergebnis, was schon Utrecht vorschlug, aber schön, dass sie nochmal darüber gesprochen haben und so auch die Festung Rastatt ihren Frieden hat.

Besonders an dem Vertrag, den für Österreich Eugen von Savoyen, der geniale Feldherr, von dem noch Friedrich der Große gelernt haben soll, aushandelte und für Frankreich Marschall Villars, der nur Militär aber kein Diplomat war, warum er auch kein Latein konnte, ist, dass er in französisch verfasst statt dem damals für alle intenationalen Verträge noch üblichen Latein, wurde, da Villars fürchtete andernfalls übers Ohr gehauen zu werden, wovor ihn der französische Außenminister ihn gewarnt hatte.

Eine Klausel im Vertrag sah vor, dass dies kein Exempel sondern eine Ausnahme sei, Latein Verhandlungssprache bliebe, was sie zunehmend weniger wurde, französisch, dass ja alle sprachen setzte sich so indirekt als diplomatische Sprache durch, bis englisch folgte, dahingestellt, ob es ein kultureller Fortschritt ist in der Sprache Shakespeares zu diplomatisieren oder ein Rückschritt, sich von der Voltaires zu entfernen und auf was es überhaupt bei Einigungen in postbabylonischer Welt ankommt.

Am Ende galt, was vorher schon über Jahre ausgehandelt wurde und ein vernünftiges Gleichgewicht der Kräfte herstellte. Immer wenn einer in Europa daraus ausbrach, endete es blutig und grausam, ob das Cäsar, Napoleon oder Hitler waren, die zuviel Macht für einen wollten.

Sehen wir auch die Flüchtlingsfrage und die Verhandlungen um Frieden in Syrien wie um Flüchtlinge mit der längst irgendwie sehr islamischen Türkei so, können wir  davon ausgehen, die Extreme werden abgeschliffen werden, Europa einen Mittelweg suchen, von dem alle irgendwie profitieren. Ob wir uns davor noch bekriegen und beschimpfen müssen oder gleich nach einer vernünftigen Lösung suchen, ist die entscheidende Frage, brauchen wir das alberne Kriegsspiel davor noch, was sowohl verbal von Seiten der Pegiden, Bayern oder Ungarn geführt wird, oder können wir nicht lieber gleich um einen vernünftigen Kompromiss verhandeln, der natürlich bedeutet, es kann nicht jeder nach Europa, der es gerne will, auch wenn bei ihm gerade Krieg ist und große Not herrscht. Wir werden nur denen, die eben hier sind, den nötigen Schutz gewähren, den unsere Verfassung gebietet.

Doch heißt einen Kompromiß statt verbalem Krieg zu suchen, weniger, zu versuchen, sich radikal durchzusetzen, als zu fragen, was es für eine Lösung braucht und wie sie verhandelt werden könnte.

Eine Obergrenze fordern ist so unsinnig, wie zu sagen, jeder sei hier willkommen - Islamisten und Anhänger des IS oder albanische Einbrecherbanden sollen bleiben wo der Pfeffer wächst und wir müssen als Staat auch Wege finden, die Sicherheit unserer Bürger nach hier geltenden Vorstellungen zu schützen, müssen dies nicht für Flüchtlinge aufgeben.

Nur sind Flüchtlinge je Täter oder verbergen sich im Kreis derer eben Täter, gegen die konsequent vorzugehen ist, ohnen einen nur in Vorurteilen und altem Rassismus begründeten Generalverdacht zu hegen?

Gemessen an der Zahl der Übegriffe derer, die sich mutmaßlich für gute Deutsche und Verteidiger ihrer Heimat halten, auf Flüchtlinge und umgekehrt der von Flüchtlingen gegen Deutsche, wird deutlich wo das Problem liegt und warum es einer anderen Kommunikation bedarf und die gefährliche Verbreitung von Lügen durch Pegida, AfD und anderes rechtes Gesocks, strafrechtlich belangt werden muss, weil es dem strafwürdigen Rassismus Vorschub leistet.

Vielleicht würde das mehr Ordnung schaffen im Staat, allerdings würde es auch einer lächerlichen Gruppe der peinlichsten Einwohner dieses Landes zuviel Aufmerksamkeit schenken, was sie nie wert sein sollten.

Wichtiger ist es für die Friedensverhandlungen in Syrien zu lernen, dass sie Zeit brauchen, es einer neutralen Kommission bedarf, die auch etwa die Folterungen durch Assad aufdeckt, wenn sie so stattfanden und warum verschiedene Seiten so völlig unterschiedliche Sichten des Konfliktes beschreiben, wer Verantwortung für was trägt.

Die dort müssen sich einigen, fraglich nur wer mit wem und in wessen Namen er verhandelt - genügt es Land zu besetzen, um in seinem Namen zu sprechen, warum wird der Aberglaube an einen Propheten geschützt, der Bombenleger legitimiert, tut er das überhaupt je und wer glaubt wem noch was?

Für eine Lösung der Flüchtlingsfrage in Europa wird es auch viel Fingespitzengefühl brauchen, da sie zunehmend schwerer wird, denn was geht es die Polen oder Ungarn an, ob sich die Syrer gegenseitig totschießen, warum sollen sie, nur weil Deutschland meint, dies ginge uns alle an, künftig auf Zahlungen verzichten und wäre es richtig, eine Union daran zerbrechen zu lassen, die sich nicht mal auf eine Basis an Menschenrechten einigen kann?

Komplexe Fragen suchen auch komplexe Antworten, wer es sich hier leicht macht, wird nichts erreichen, die Verhandlungen werden dauern und vielleicht brauchen Österreich, England oder Ungarn noch eine Extrawurst, um zustimmen zu können, sein wir geduldig mit der Diplomatie.

Nur sparen wir uns alle, die Neid und Mißgunst nur schüren, ohne konstruktive Lösungen zu suchen, was für AfD, Pegida und Gabriel quasi gleichermaßen gilt in populistischer Verblendung, wenn die SPD diese peinliche Randerscheinung nicht endlich absägt, ist sie es wert, dass sie zu Grunde geht und Finanzminister und Kanzlerin nur noch leicht genervt und angeekelt über den Kollegen Troll die Nase rümpfen.

Wer keine Einigung sucht ist künftig entbehrlich, weil Polarisierung nichts bringt, außer die Kosten einer später ohnehin nötigen Einigung in die Höhe zu treiben und vielleicht sollte es so gesehen eine Haftung der verantwortungslosen Populisten von Seehofer über Gabriel bis Petry geben, damit Politik Verantwortung zeigt.
jens tuengerthal 6.3.16

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