Dienstag, 8. März 2016

Kulturgeschichten 0151

Frauenwundertag

Warum der 8. März Frauentag ist und was es mit Clara Zetkiin und der unsäglich autoritären russischen Revolution und dem vielfach entmündigenden Traum vom Sozialismus zu tun hat, den viele lange teilten und zu gerne, der netten Idee wegen, die mehr als gruseligen Folgen übersahen, die den Unterschied zum Faschismus verschwimmen lassen, wurde schon genug von anderen und mir vor Jahren gesagt und was in Versen steht, muss nicht in Prosa wiederholt werden, wer suchet der findet vielfach.

Die mir unverbrüchliche Liebe zu den Frauen, auch wenn es mindestens so viele Gründe gab daran zu zweifeln, wie Begegnungen, überwiegt immer noch jede sonst lieber kritische Sicht des epikuräischen Kantianers, was zu einer fast unzulässigen Vermischung der Erzählwelten der Frauenliebe und der Kulturwelten führen könnte, wäre nicht die Liebe eine Kultur eigener Art und vor allem Quelle schönster Kultur. Vielleicht auch, weil sie, allem Leid zum Trotz ein solch bezaubernder Genuss sein können, den es innig ausgiebig zu genießen gilt, wie es uns Epikur für alles, was wir lieben und uns gut tut, riet.

Ein Genußmittel oder ein Kunstwerk das der herablassende Mann nur bewundert und genießt, könnte sich die empörte Feministin nun fragen, doch nichts liegt mir ferner und darum will ich in fast realer Überschneidung der Bereiche Liebe und Kultur von einer erzählen, die spielte und abhob, in beiden Welten ihre Frau stand, sich tapferer zeigte als viele und erzähle damit, ohne es zu wollen und wie ich erst beim Erzählen bemerkte, auch fast die Geschichte der Frau, die ich liebe, um die es aber gar nicht geht, weil es doch nur ein historischer Exkurs sein soll, der die Gegenwart reflektiert und so fühle ich mich erzählend manchmal wohl zu sehr in die mir nahe Geschichte ein, die Leserinnen, mögen dies verzeihen, es dient ja nur ihrem Lob.

Am 8. März 1910 wird Raymonde de Laroche als weltweit erster Frau ein Flugzeugführerpatent ausgestellt, nachdem sie die Pilotenprüfung des Aéro Club de France glänzend bestanden hatte. Sie konnte nun staatlich geprüft abheben.

Die Baronin Raymonde de Laroche hieß eigentlich Élisa Léontine Deroche, doch schien ihr für ihre Schauspielerkarriere das Pseudonym der Baronin beser geeignet, warum sie es schon in jungen Jahren annahm - als sie ihr Flugzeugführerpatent machte, war der junge Star auch gerade erst 25 Jahre alt und leider blieben ihr nur noch neun, bis sie ihrer Leidenschaft zum Opfer fiel.

Bei einem Dinners hatte die junge Schauspielerin den Flugpionier Charles Voisin kennengelernt, der ihr vorschlug ihr das Fliegen in einer seiner Maschinen beizubringen. Die frühen Voisin-Flugzeuge waren noch Einsitzer und der Flugunterricht erfolgte, indem der Lehrer Anweisungen vom Flugfeld gab. So sollte auch die fliegende Baronin den Anweisungen ihres Lehrers folgen und zunächst ein Gefühl für die Maschine entwickeln, seine Maschine also, aber lassen wir alle anzüglichen Anspielungen, es ist  ja Frauentag ...

Dazu brachte er die Maschine bereits in Startposition, verbot aber jedes Abheben kategorisch, was die junge Dame sichtbar nicht beeindruckte, vielmehr lief sie einfach los, hob mit Anlauf zum großen Schrecken der Zuschauer und ihres Lehrers einfach ab und flog etwa dreihundert Meter weit in einer Höhe von ungefähr fünf Metern. Vermutlich hatten sie bisher nur über das Starten, nicht aber das Landen gesprochen, was aber erstaunlich gut der Pionierin dennoch gelang.

Ihr Fluglehrer brach den Unterricht dennoch nicht ab und ein Jahr später hatte sie ihren Flugschein und flog erfolgreich auf verschiedenen Flugwochen und anderen Treffen der frühen Flieger um die Wette und errang gute Ränge in diesem noch reinen Männersport.

Leider vernuglückte sie schon wenig später bei einer der großen Flugschauen in der Champagne bei Reims, brach sich dabei einen Arm und beide Beine neben den schweren Kopfverletzungen, was sie aber nicht daran hinderte sobald wie irgend möglich wieder abzuheben und so nahm sie schon zwei Jahre später wieder an Wettkämpfen teil, die unermüdlich mutige Vorkämpferin der Luftfahrt.

Noch im Jahr 1912 wurde die begnadete Pilotin dann bei einem Autounfall schwer verletzt, der einen der beiden Brüder Voisin sogar das Leben kostete, sie aber nicht daran hinderte schon 1913 wieder den Frauenpokal der Aéro Club de France zu erringen sowie den nicht minder prestigeträchtigen Coupe Femina.

Während des großen Schlachtens im 1. Weltkrieg dieser geistentleerten Männerdomäne wurde es stiller um die abgehobene Baronin, aber schon 1919 brach sie zunächst den Dauerflugrekord für Frauen mit dann 323km am Stück und auch den Höhenrekord indem sie mit ihrer Maschine bis auf über 4800m aufstieg und damit den vorher Rekord von Ruth Law wieder einholte.

Noch im Sommer des Jahres 1919 meldete sie sich als Copilotin eines Testfluges für eine neue Maschine in Le Crotoy in der Picardie. Das Flugzeug stürzte jedoch ab und die fliegende, frühere Schauspielerin verunglückte gemeinsam mit dem Piloten dabei tödlich. Auf dem Flughafen von Le Bourget erinnert eine Statue an Élise Deroche als weibliche Pionierin.

Schreibe es und denke, hoffentlich kehrt meine bald Kapitänin heil von großer Fahrt zurück, während die riesigen Wellen um Gibraltar ihr Containerschiff schwanken lassen, was sie als eben etwas schuckelig locker wegsteckt und für nicht der Rede wert hält und ich gestehe, auch wenn meine Frau nun mit 11.000 PS unter ihrem zarten Po durch die Meere turnt, brächten mich keine zehn Pferde an Bord eines so schaukelnden Schiffes, auch wenn sie es sicher steuert. Es ist heute schon etwas normaler und doch noch eine Ausnahme, wenn Frauen in solch harten Berufen Karriere machen und so nennt sich mein längst 1. Offizier gerne Seemann, ohne sich um den Frauentag zu scheren und der Dichter ist dann eben die Frau des Kapitäns, wenn sie einst Kreuzfahrschiffe steuert und so verschieben sich manchmal die gewohnten Rollen in dieser Welt und es lohnt sich, jenseits solcher Schemen, zu genießen, was ist, wenn es uns entspricht.

Warum sollte jeder alle Rollen erfüllen müssen, wieviel schöner ist es doch, wenn wir uns ergänzen können, sie dort ihren Mann steht, wo es ihr gefällt, ob an Bord oder auf der Bühne als begnadete Schauspielerin, während ich eben meine Geschichten darüber erzähle, in denen sich manchmal mehr Phantasie und Wirklichkeit vermischen und die Liebe plötzlich zur fast realen Kultugeschichte wird, doch wer weiß schon, was wirklich ist?

Jenseits aller Rollen bewundere ich diese Pioniere, die sie aufbrechen, auch wenn ich meine Rolle eher hinter dem Schreibtisch, eben darüber schreibend oder liebend sehe, kann ich doch bewundern, ohne damit von meiner Männlichkeit zu verlieren, während die Liebste zwischen Alicante und den Kanaren, ohne sich um ein Wetter zu kümmern, ihren Kurs nimmt, den ich auf dem Telefon in der Ferne verfolgen kann.

Manche suchen das Abenteuer, um darin zur Not unterzugehen, weil sie den Reiz lieben und gern mit dem Feuer spielen, andere schauen sich die Abenteurer lieber nur an, um davon zu erzählen und zusammen sind sie manchmal eines, was Kultur jenseits aller Geschlechtergrenzen bewegt, die sie nicht mehr brauchen, weil sie einfach tun, was ihnen gefällt und entspricht und mehr gibt es zum Frauentag von meiner Seite als quasi Frau des Kapitäns ganz männlich nicht mehr zu sagen.
jens tuengerthal 8.3.2016

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