Freitag, 11. März 2016

Kulturgeschichten 0154

Hochverräterpolitik

Wer sich des Hochverrats schuldig macht, wird immer noch bis zu 10 Jahre ins Gefängnis geschickt, mindestens jedoch für ein Jahr. Es handelt sich, auch wenn in der Sache etwas schwammig, um ein schweres Verbrechen, das begeht, wer die verfassungsmäßige Ordnung eines Staates beseitigen will, also gegen das eigene Land Krieg führt, einen Staatsstreich versucht oder versucht das Staatsoberhaupt zu ermorden.

Ob wer einen symbolischen Galgen für die Kanzlerin und ihren Wirtschaftsminister baut, dies schon tut, hat leider bisher keiner laut gefragt, außer mir und seit wann hörte jemand auf die nur Dichter, auch wenn es zum Kern der Betrachtung über Pegida führte, während ein idiotischer Mob, sich gegen den Rechtsstaat und seine Repräsentanten wendet, schaut dieser dem Phänomen nur etwas fassungslos zu, wo scharfe Abwehr nötiger wäre als je in Prozessen zu diesem Thema, um der ungehemmten Hetze und dem Hass, der nicht zu diesem Land passt, Grenzen zu ziehen.

Der Hochverrat, in den §§ 81-83a des Strafgesetzbuches geregelt, ist ein Unternehmensdelikt, danach ist der Versuch genauso strafbar wie die Vollendung, ich schrieb darüber schon im Fall von netzpolitik.org, die ein außer Kontrolle geratener Geheimdienst, der fürchtete seine Geheimnisse würden offenbar werden und als solche das Land gefährden, anzeigte, den Bundesanwalt ermitteln ließ, der aber vom Bundesjustizminister klar in die Schranken gewiesen wurde und infolge seines Amtes verlustig ging, weil er den idiotischen Geheimdienstchef mit Verfolgungswahn nicht ministeriell belangen oder anweisen konnte. Woran sichtbar wird, Hochverrat ist ein sensibles Thema, bei dem die Wellen schnell hochschlagen.

Der hohen Strafe wegen, wird die tätige Reue belohnt, wonach von Strafe abgesehen werden kann oder diese gemildert wird, insofern der Täter dazu irgendwie aktiv wird, also etwas tut und der Erfolg der Gefährdung nicht eintritt.

Bisher wird diese Regelung nur sehr restriktiv angewendet, aber es fragt sich inwieweit infolge ein politisches Strafrecht droht. Ein Vorgehen gegen die verbale Gewalt bei Pegida und den dort Hass gegen die politische Klasse, könnte so interpretiert werden, sofern nicht die dort drohende Gefahr überwiegt. Gleiches gilt für die Hasskommentare im Netz.

Der Hass gegen Ausländer und die Hetze gegen das Asylrecht könnte genügen, dies zu bejahen, falls es als Teil des politischen Streits gewertet würde, genügte jedoch der Hass auf das System, der mit dem Vorwurf der Lügenpresse beginnt und mit obigem Galgen für die Kanzlerin noch nicht endete. Auch die Verbreitung der Lügen und der Propaganda durch russische Medien hier, die zur Destabilisierung im sozialen Bereich, etwa bei den Aussiedlern im Falle einer erfundenen Vergewaltigung führte, dürfte die Tatbestandsmerkmale des Hochverrats politisch betrachtet längst erfüllen und es wird Zeit, dass sich die Demokratie dagegen deutlich wehrt, nicht dem altsowjetisch imperialen Denken und der Taktik eines Geheimdienstlers im Präsidentenamt zum Opfer zu fallen.

Auch hier ist aber Vorsicht geboten, damit sich die regierende Macht nicht dem Vorwurf der undemokratischen Strafverfolgung der Opposition ausgesetzt sieht, die natürlich, auch wenn sie rechts, ungebildet und für das Land schädlich ist, ihre Meinung frei sagen kann, solange sie keinen anderen dadurch schädigt oder eben Hochverrat begeht, der zur Sicherung des Systems dient, das diese radikale Opposition mit wilden Theorien bekämpft, von den Reichsbürgern über die Nazis zu den Pegiden und etwas getarnt auch der AfD.

Bei diesem Delikt gilt übrigens eine Anzeigepflicht, wonach sich auch jeder, der glaubhaft davon zu einem Zeitpunkt erfährt, zu dem der Schaden noch abgewendet werden kann, aber keine Anzeige erstattet, strafbar macht, warum wir sehr aufmerksam nun betrachten sollten, was Menschen im Netz von sich geben und uns fragen könnten inwieweit Plattformen, die Aufrufen dazu Raum geben, nicht auch danach zur Verantwortung zu ziehen wären, wenn unser Land gefährdet wird. Inwieweit kann aus der Anzeigepflicht beim Hochverrat auch eine Bürgerpflicht zur Verteidigung der Demokratie abgeleitet werden?

Zum Verständnis der Vorsicht mit der die heutige Demokratie mit dem Tatbestand des Hochverrats umgeht, ist es gut, sich seine Geschichte und den früher Umgang mit staatlich mißliebiger Opposition anzuschauen.

Ein berühmtes Beispiel dafür ist der Leipziger Hochverratsprozess vom 10. März 1872 gegen August Bebel und Wilhelm Liebknecht, weil sie im Jahr 1870 in der Reichstagsdebatte über die Gewährung weiterer Gelder für den deutsch-französischen Krieg, statt patriotisch zu jubeln, einen Friedensvorschlag vortrugen.

Bei der ersten Debatte der Kredite hatten sich beide noch enthalten, um dann bei der zweiten ihren Friedensvorschlag unter Verzicht auf alle Annexionen französischer Gebiete zu machen, der in einem Tumult endete, bei dem vor allem die beiden angegriffen wurden und dann infolge verhaftet wurden, weil, wie so häufig, die Opfer, die eine andere Meinung haben, am Angriff gegen sie schuld sind. Nach der Verhaftung wurden jedoch die Proteste immer lauter, so dass sich die Regierung am 28. März 1871 dem wachsenden Druck beugen musste und die beiden vorläufig wieder entließ.

Da inzwischen der Krieg mit Frankreich siegreich beendet worden war, musste die Anklage wegen Landesverrats fallengelassen werden. Reichskanzler Bismarck wünschte jedoch dennoch eine Verurteilung der beiden Sozialdemokraten, die ihm überaus lästig waren und so wurde vom Landesverrat auf Hochverrat gewechselt, was aber einige Zeit in Anspruch nahm, warum der Prozess erst fast ein Jahr später am eben 11. März 1872 vor dem Leipziger Schwurgericht begann.

Insofern sich kein konkreter Anklagepunkt fand, wurden hauptsächlich die Veröffentlichungen der drei zur Stützung der Anklage herangezogen und dabei betont, dass sich die Anklage zwar nicht auf den einern oder anderen Artikel bezog aber aus dem Zusammenwirken aller Artikel geschlossen werden könne, die noch mit anderen Tatsachen der Anklage zusammenhingen, wie der Staatsanwalt wage formulierte.

Nach einer sehr politisch gefärbten Verhandlung stimmte der Staatsanwalt denn auch in seinem Plädoyer für schuldig für alle drei Angeklagten, stellte es für den dritten Angeklagten, dem Redakteur der Parteizeitung Heppner, den Geschworenen anheim, ihn freizusprechen, was denn auch geschah, während Bebel und Liebknecht mit knappest möglicher Mehrheit für schuldig befunden wurden und  zu 2 Jahren Festungshaft verurteilt wurden, die sie in der Hubertusburg bis 1874 absaßen.

Ein wohl unbeabsichtigtes Nachspiel hatte der Prozess insofern als das derzeit vegriffene Kommunistische Manifest, das weiten Teilen der Bevölkerung noch unbekannt war, dadurch, dass es von der Staatsanwaltschaft in der Anklage zitiert worden war und damit offiziell zu Protokoll gegeben wurde, von den Sozialdemokraten ganz legal und in hoher Auflage veröffentlicht werden durfte.

Dem weiteren Erfolg der Sozialdemokraten hat dies nicht geschadet, im Gegenteil sie wurden immer stärker und Bismarcks Sozialistenjagd bis zum Hochverrat führte eher zu einer stärkeren Solidarisierung auch der Arbeiterschaft, die in der Revolution von 1918 mündete, für die es historisch einfach Zeit war, nach einem verlorenen Krieg und einer führenden Klasse, die den Tod von Millionen in sinnlosen Stellungskämpfen zu verantworten hatte.

Schauen wir auf den Umgang mit den Hetzern im Netz wie mit der unerträglich rassistischen Propaganda von Pegida bis AfD, die an der deutschen Grenze wieder einen Schießbefehl gegen wehrlose Flüchtlinge in Kraft setzen möchte und damit die Bedrohungsthese ohne weitere sachliche Gründe stützt, die aus dem rechten Milieu befeuert wird, ist der Tabestand der Volksverhetzung sicher erfüllt und vermutlich könnte sogar in vielen Fällen der Hochverrat gegenüber der Verfassung und den Werten der Bundesrepublik begründet werden, diese Menschen, wie den Träger des Galgens für die Kanzlerin, für mindestens 1 Jahr ins Gefängnis bringen.

Fraglich nur was mit dieser Durchsetzung geltenden Rechts gewonnen wäre und ob es dazu beitrüge den Rechtsfrieden wiederherzustellen. Sicher nur machte es die Täter zu Märtyrern ihrer Bewegung und wieviele Idioten wollen wir dort einsperren, sollen wir Lager errichten, in denen das halbe ländliche Ostdeutschland interniert wird?

Es ist 1990 die Integration vieler Menschen aus der ehemaligen DDR verpasst worden, es schien zu laufen und normal zu sein, dabei waren die Anzeichen schon bald in Rostock wie in Hoyerswerda sichtbar und sind dann gekonnt ignoriert worden. Hier hat die Politik jahrelang schöngeredet, um den Standort nicht ökonomisch zu schwächen, keine ausländischen Investoren zu vertreiben, die heute massenhaft aus Sachsen abziehen, das auch einen starken Einbruch beim Tourismus zu verzeichnen hat.

So stellt sich heute weniger die Frage, ob wir dies nun nachholen wollen oder nicht, es muss etwas getan werden, um auch diese verlorene Generation seit 1990, die teilweise mit einem tolerierten Rechtsextremismus groß wurde, wieder zurück auf den Boden der Verfassung zu holen und das geschieht nur durch Aufklärung und braucht Zeit und Geld.

Das Verbotsverfahren gegen die NPD ist verständlich angesichts der ewigen Nazis dort und doch verlagert es die Aufmerksamkeit zu sehr auf einen Bereich, der weniger Gefahr birgt als die Bewegung der Pegiden und der Neurechten im AfD, die unsere Werte und die Freiheit der Demokratie durch ihre Polarisierung mehr gefährden als wenige verlorene Nazis. Eine Bedrohung der Demokratie und ihrer Grundwerte, die wir dringend verteidigen müssen gegen Intoleranz und Dummheit, geht von dieser völkischen Bewegung mit Afinität zu den Rechtsradikalen aus, die alle Andersdenkenden grünversifft nennen und von Lügenpresse reden, während sie sich von eher stalinistisch geführten Medien aus Moskau leiten lassen, warum sie logisch in Putin den gewünschten starken Mann sehen, der er weniger ist als ein Spieler.

Aus dem Leipziger Hochverratsprozess könnte gelernt werden, dass sich die autoritäre Verfolgung von demokratischen Kräften nicht lohnt, sich die Masse in der Bewegung von alleine stärkt und fortsetzt. Nicht daraus gefolgert werden kann, dass auch die Verfolgung radikaler Minderheiten, die als Feinde der Demokratie, wie sie ist, agieren, nicht lohnte. Im Gegenteil zeugt die gewonnene Demokratie nach aller historischen Erfahrung dafür, dass es richtig war, sie gegen ihre Feinde zu verteidigen, ob sie nun von links oder rechts kamen.

Sich dafür zu entscheiden, jene zu bekämpfen, die unsere Freiheit verraten, ist kein Verrat an der Freiheit sondern nur deren entschlossene Verteidigung. Toleranz den Toleranten und Intoleranz und notfalls Härte gegenüber den Intoleranten, damit die Freiheit bestehen bleibt, so zu leben, wie es uns gefällt und nicht autoritäre politische Flügelkämpfer ihre radikalen Visionen durchsetzen. Dafür aufzustehen und diejenigen anzuzeigen, die den Boden des Diskurses verlassen, rechte Hetzer für ihr tun strafrechtlich verantwortlich machen, ist dringend nötig und die derzeit einzig angemessene Antwort in einer Demokratie. Nicht Flüchtlinge bedrohen den Rechtsstaat sondern einzelne von diesen begehen in Ausnahmefällen Taten, die auch strafrechtlich zu verfolgen sind - aber diese rechte Bewegung bedroht die Freiheit, die Demokratie und den Rechtsstaat, verklagen wir diese Verräter und wer sie Märtyrer nennt, soll gleich mit zur Verantwortung gezogen werden und wenn dies bedeutet, dass in einigen ländlichen Regionen Ostdeutschlands größere Teile der Bevölkerung sich verantworten müssen, ist dies nicht weniger demokratisch, da es der Meinung der Mehrheit und der vereinbarten Verfassung entspricht. Wer sich davor fürchtet, mag zu Putin noch auswandern, der Verlust ist verschmerzbar und leicht zu ersetzen.
jens tuengerthal 11.3.2016

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