Montag, 7. März 2016

Kulturgeschichten 0150

Herrscherphilosophen

"Glücklich sein heißt einen guten Charakter haben."

“Es kommt nicht darauf an, über die notwendigen Eigenschaften eines guten Mannes dich zu besprechen – vielmehr ein solcher zu sein."

“Du kannst nicht im Schreiben und Lesen unterrichten, wenn du es nicht selber kannst; viel weniger lehren, wie man recht leben soll, wenn du es nicht selber tust.“

“Kann mir jemand überzeugend dartun, dass ich nicht richtig urteile oder verfahre, so will ich’s mit Freuden anders machen. Suche ich ja nur die Wahrheit, sie, von der niemand je Schaden erlitten hat. Wohl aber erleidet derjenige Schaden, der auf seinem Irrtum und auf seiner Unwissenheit beharrt.“

 “So oft du an der Unverschämtheit jemandes Anstoß nimmst, frage dich sogleich: Ist es auch möglich, daß es in der Welt keine unverschämten Leute gibt? Das ist nicht möglich. Verlange also nicht das Unmögliche.“

“Die Menschen sind füreinander da. Also belehre oder dulde sie.“

“Durch ihn [Severus] bekam ich einen Begriff, was zu einem freien Staate gehört, wo vollkommene Rechtsgleichheit für alle ohne Unterschied herrscht und nichts höher geachtet wird als die Freiheit der Bürger.“

“Hüte dich, dass du nicht ein tyrannischer Kaiser wirst! Nimm einen solchen Anstrich nicht an, denn es geschieht so leicht. Ringe danach, dass du der Mann bleibest, zu dem dich die Philosophie bilden wollte.“

“Hoffe auch nicht auf einen platonischen Staat, sondern sei zufrieden, wenn es auch nur ein klein wenig vorwärts geht, und halte auch einen solchen kleinen Fortschritt nicht für unbedeutend. Denn wer kann die Grundsätze der Leute ändern? Was ist aber ohne eine Änderung der Grundsätze anders zu erwarten als ein Knechtsdienst unter Seufzen, ein erheuchelter Gehorsam?“

“Die Allnatur aber hat außerhalb ihres eigenen Kreises nichts. Sie bedarf zu diesem Zweck ebensowenig eines außer ihr befindlichen Stoffes, als sie eine Stätte nötig hat, um das Morsche dorthin zu werfen. Sie hat vielmehr an ihrem eigenen Raum, ihrem eigenen Stoff und an ihrer eigenen Kunstfertigkeit genug.“

“Einst gebräuchliche Worte sind jetzt unverständliche Ausdrücke. Alles vergeht und wird bald zum Märchen und sinkt rasch in völlige Vergessenheit…

“Betrachte die ganze Natur, wovon du nur ein winziges Stücklein bist, und das ganze Zeitmaß von welchem nur ein kurzer und kleiner Abschnitt dir zugewiesen ist, und das Schicksal, wovon das deinige nur ein Bruchteil bildet."

"Der Tod ist ebenso, wie die Geburt, ein Geheimnis der Natur, hier Verbindung, dort Auflösung derselben Grundstoffe."

"Die beste Art, sich zu rächen ist, nicht Gleiches mit Gleichem zu vergelten."

"Die Natur hat ebenso das Ende eines jeden Dinges zum Ziel wie seinen Anfang oder seine Fortsetzung, gleichsam wie der, der einen Ball aufwirft."

"Eine bittere Gurke? Wirf sie weg! Dornensträucher im Weg? Weiche ihnen aus! Das ist alles. Frage nicht noch: Wozu gibt es solche Dinge in der Welt?"

"Nach der Beschaffenheit der Gegenstände, die du dir am häufigsten vorstellst, wird sich auch deine Gesinnung richten; denn von den Gedanken nimmt die Seele ihre Farbe an."

"Sei wie ein Fels, an dem sich beständig die Wellen brechen! Er bleibt stehen, und rings um ihn legen sich die angeschwollenen Gewässer."

“Tu nicht, als wenn du Tausende von Jahren zu leben hättest. Der Tod schwebt über deinem Haupte. So lange du noch lebst, so lange du noch kannst, sei ein rechtschaffener Mensch."

"Du mußt doch endlich einmal begreifen, was das für ein Kosmos ist, von dem du ein Teil bist, und wer der Gestalter der Welt ist, als dessen Ausstrahlung du ins Leben tratst! Daß dir nur eine eng begrenzte Spanne Zeit vergönnt ist; nutzt du sie nicht zur Erleuchtung deiner Seele, dann wird sie eines Tages verstrichen sein und du selbst dahin, und eine zweite Möglichkeit wird dir nicht gegeben werden."


So sagte und schrieb es auch, warum es uns so gut erhalten blieb, der römische Kaiser Marc Aurel, der Philosoph auf dem Thron, der vielen bis heute ein Vorbild ist, die sich auf ihn berufen, von Helmut Schmidt bis zu Friedrich dem Großen.

Er wurde nach dem Tod seines Stiefvaters Antoninus Pius, der ihn adoptiert hatte, um die Nachfolge zu regeln, am 7. März 161 zum Kaiser des Römischen Reichs und ernannte als letzter Adoptivkaiser zugleich seinen zu seinen Gunsten zurückgesetzten Bruder Lucius Verus zum nahezu gleichberechtigten Mitkaiser. Verzichtete auf die Macht, die ihm verliehen wurde im Moment der Verleihung und Teilung dieser ist auf politischer Ebene eher ungewöhnlich.

Mit ihm endete die Ära der Adoptivkaiser, bei denen der jeweils Vorgänger den besten unter den möglichen Nachfolgern auswählte und dann adoptierte, um die juristische Nachfolge zu legitimieren, ein ruhigen Übergang zu gewährleisten. Ausgesucht wurde in dieser Phase relativer Stabilität nach Qualität mehr als nach bloßer Verwandtschaft, damit der Bestmögliche das Erbe antrat.

Marc Aurel aber hatte mit seiner Faustina 7 Kinder gezeugt, von denen zwar nur wenige überlebten aber eben doch ein Sohn, der damit als Nachfolger qua natura designiert war, auch wenn er offensichtlich nicht so geeignet dafür war wie sein Vater, sich als zu eitel und prunksüchtig zeigte, was dem Stoiker Marc Aurel fern lag, war er der natürliche Erbe und er hätte ihn aus dieser Position nur durch seine Ermordung wohl sicher entfernen können, was dem Vater noch ferner lag und so ging mit seinem Familienglück das der römischen Herrschaft mit den gut gewählten Adoptivkaisern unter, das fast demokratischen Kriterien teilweise genügte.

Der Philosoph auf dem römischen Thron hatte nicht nur seine Macht, kaum hatte er sie erhalten, mit seinem Bruder geteilt, sondern schon als Knabe darauf wert gelegt, nur auf einem Holzbrett zu schlafen, um seine Worte mit seinen Taten in Einklang zu bringen.

Die philosophischen Selbstbetrachtungen des Marc Aurel werden zur Weltliteratur gezählt und offenbaren den klugen Kopf als einen Anhänger der jüngeren Stoa wie nachdenklich selbstreflexiven Menschen, der sich über alle Schemen hinwegsetzt.

Innenpolitisch setzte der Stoiker auf dem Thron vor allem durch die Verbesserung der Situation der Benachteiligten wie Frauen und Sklaven Akzente, die seinem freiheitlichen Denken und seinem Menschenbild entsprachen. Zwischendurch hatte er schwer mit der Pest zu kämpfen wie den über die Donau drängenden Germanen, die alles versuchten, ihn zu verdrängen aber immer wieder unterlagen.

Zur Finanzierung seiner Kriege trug der sparsame Kaiser selbst bei, indem er Teile des kaiserlichen Schatzes oder eigene Reichtümer auf dem Forum versteigern ließ, was sein Ansehehn unter den Römern noch weiter steigen ließ. Dafür spendete er Athen, was er nach dem siegreichen Feldzug an der Donau besuchte, neue Lehrstühle für die alten philosophischen Schulen, um deren Tradition wach zu halten - von Platon übder Aristoteles zu Epikurs Garten.

Er gehört zu den Kaisern unter denen noch Christenverfolgung praktiziert wurde, wie es römischem Recht entsprach, jedoch verfolgte er möglichst nicht aktiv, sondern ließ sie, solange es privat blieb, ihren Glauben für sich ungestört praktizieren. Seine Zustimmung zu einer Hetzjagd auf Christen, die mangels Gladiatoren dann in einem französischen Zirkus landeten, gab er nur einmal und hielt sich in den verbleibenden Jahren bei diesem Thema zurück. Er praktizierte den in Rom üblichen Glauben auch mit Tieropfern zur Beruhigung der Götter und der Bevölkerung während Pest und Hungersnot, weil es eben dem Zeitgeist, dem er in so vielem voraus war, entsprach.

Es ging Marc Aurel um die Suche nach Glück und größtmögliche Gemütsruhe bei der Findung einer Entscheidung und Setzung seiner Ziele. Sein Handeln war durchdacht und die Folgen entsprachen dem üblichen der Zeit. Erstmals herrschte einer, der sein Handeln logisch legitimierte, es auf eine philosophische Grundlage stellte, den Dienst am Volk als Pflichterfüllung sah, der er mit aller vorhandenen Kraft auch des Nachts als Richter noch nachkam.

Persönliche Bereicherung oder bloß private Vergnügen waren diesem ersten Diener Roms fremd und mancher wird dabei an Friedrich den Großen denken, der Marc Aurel schätzt, wie Helmut Schmidt oder Angela Merkel, der Eitelkeit und persönliche Bereicherung genauso fern liegen und die auch in schwierigen Zeiten bemüht ist, ihre Pflicht ordnungsgemäß zu erfüllen, aller Propaganda gegen sie zum Trotz.

Sicher ist die Kanzlerin keine Philosophin im Kanzleramt, eher eine kluge Pragmatikerin, aber viele ihrer Handlungen und auch der Begründungen dazu, erinnern an das, was Marc Aurel für einen guten Herrscher vorlebte.

Vielleicht sollten diese tiefere Weisheit einige ihrer schärfsten Kritiker dezeit bedenken und überlegen, wer so uneitel dies Land je führte und warum ihre Unbestechlichkeit eine auch philosophisch wertvolle Eigenschaft ist, die uns gut tun kann, wenn sie nicht Populisten in der leider auch dummen Demokratie übertönen, die sich derzeit fragen muss, ob das Volk schon reif ist die Konsequenzen seiner Wahl zu erkennen und wie die Politik Freiheit und Verfassung vor ihren Feinden schützen kann.

Glücklich sein, heißt einen guten Charakter haben, begann dieser Text über Marc Aurel, den Philosophen an der Spitze des römischen Imperiums - darüber nachdenken und dass Glück zu suchen, könnte auch politisch ein guter Ausgangspunkt für mehr verantwortungsvolle Politik im Sinne der Freiheit sein, die nicht von Angst bestimmt wird sondern dem Mut, sie zu wagen, das Glück zu genießen, oder was bliebe uns sonst?
jens tuengerthal 7.3.2016

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