Freitag, 25. März 2016

Kulturgeschichten 0168

Mördertarnung

Ist Mord gleich Mord oder werden manche Morde anders behandelt, je nach Abstammung oder Gesinnung der Täter?

Was sagt es über einen Staat aus, der die einen Mörder verurteilt und lebenslänglich einsperrt, während andere für die gleiche Tat freigesprochen werden?

Kann der Rechtsstaat Mörder und Mörder unterschiedlich behandeln oder muss er es sogar?

Was bleibt von der Freiheit, wenn der Rechtsstaat untergeht?

Am 25. März 1920 ermordeten Studenten aus Marburg in der Nähe des thüringischen Mechterstädt 15 Arbeiter, die sie zuvor als selbsternannte Hilfstruppe wegen Widerstandes gegen den bald scheiternden Kapp-Putsch verhaftet hatten. Die Täter, unter denen sich viele adelige Korpsstudenten befanden wurden ein Jahr später freigesprochen,  auch wenn alle  Indizien gegen sie sprachen.

Bereits seit Mitte März hatte der Kapp-Putsch, der eigentlich vielmehr ein Lüttwitz-Ludendorff Putsch war, aber nicht alle Namen in der Geschichte spiegeln Bedeutung wieder,  auch in der Region Gotha und Eisenach zu Unruhen und Streiks geführt. Nach einer Überreaktion der Eisenacher Militärkommmandantur hatten bereits fünf Bürger in Eisenach bei Unruhen den Tod gefunden, dahingestellt ob es sprachlich sinnvoller wäre, den Tod sie finden zu lassen, waren sie jedenfalls gestorben, damit nicht mehr und Grund zu weiterer Unruhe.

In Marburg, wo es unter den Studenten viele Korporierte gab, bildete sich auf Betreiben der Kasseler Reichswehrleitung das Studentenkorps Marburg. Schon Wochen vorher waren Korpsstudenten von der Reichswehr mit Waffen ausgestattet worden, da ein kommunisticher Angriff gefürchtet wurde und die Korpsstudenten dessen völlig unverdächtig waren.

Bogislaw von Selchow war zum Anführer der Studentenkorps gewählt worden. Unter dessen Führung hatten sich zuvor einige der Marburger Korperationen hinter die Putschisten um Kapp in Berlin gestellt, also eigentlich der Freikorps der ehemaligen Generäe Lüttwitz und Ludendorff, die um ihre Bedeutung fürchteten, die nach den Auflagen der Verträge von Verduns schrumpfen würde.

Der Putsch aus den Reihen der ehemaligen Wehrmachtselite auch um die DNVP bestand nicht einmal 100 Stunden und wurde mit einem Generalstreik, dem ersten der deutschen Geschichte und durch den entschiedenen Widerstand der Arbeiter gestoppt. Bereits wenige Tage nach Beginn dieses Aufstandes der überflüssig gewordenen Militärs, deren Freikorps lange zur Machterhaltung auch von Seiten der Sozialdemokraten benutzt worden waren, floh Kapp am 17.  März nach Schweden. Der verbliebene v. Lüttwitz übernahm das Kommando, nahm jedoch bereits am selben Tag Verhandlungen mit dem Justizministerium zur unblutigen Beendigung des Putsches auf.

Als die Marburger gen Thüringen marschierten war also der Putsch, den sie untertützen wollten, längst gescheitert, die dem angeblich widerstrebenden Arbeiter, die dem Aufruf der Reichsregierung zum Generalstreik folgten, handelten daher legitim, das Marburger Studentenkorps ohne jede Rechtsgrundlage verbrecherisch.

Obiger Selchow war denn auch nach dem Scheitern des Putsches in Berlin am 19. März zurückgetreten. Doch nur wenige Stunden später ließ der Marbuger Ortskommandant einen Aufruf plakatieren, wonach in Thüringen Aufstand sei und bewaffnete Banden raubend und mordend durch das Land zögen. Das Studentenkorps Marburg wurde noch am selben Tag aufgestellt und 2000 stellten sich umgehend für die Aktion in Thüringen zur Verfügung.

In der zu Gotha gehörigen Ortschaft Thal wurden aufständische Arbeiter gemeldet, die gegen den Kapp-Putsch protestierten. Dabei berichtete der Thaler Schultheiß schon von der Bildung Roter Brigaden, die Schusswaffen beschlagnahmten und Lebensmittel konfiszierten. Von den dabei 40 Verfächtigen wurden von den inzwischen in Thale eingetroffenen Mitgliedern des Marburger Studentenkorps 15 aussortiert, darunter waren allein 6 Thaler Gemeinderäte.

Den Verhafteten wurde vorgeworfen, sie seien rote Aufständische gegen die nach dem Kapp-Putsch sukzessive wiederhegestellte staatliche Ordnung. Nach Aussage eines Mitglieds des Korps hätte dieses die Arbeiter vor einer wütenden Menge aus Einwohnern und Reichswehrsoldaten geschützt.  Die so Verhafteten sollten vom Korps nach Gotha zum Verhör gebracht werden. Dabei wurde ihnen bereits die sofortige Erschießung für den Fall des Fluchtversuchs angedroht. Die Wachmannschaft bestand aus neun Koprsstudenten und vier Burschenschaftlern.

Im dichten Nebel, der sich auch auf die folgenden Ermittlungen und die Hirne der Richter wohl legte, fielen auf diesem Transport nach Gotha 15 Schüsse. Nach Darstellung der Angeklagten Korpswächter versuchten die Gefangenen zu fliehen und seien dabei erschossen worden. Das ganze ging fünmal so bis zur erneuten Warnung durch den korperierten Kommandanten der Wachmannschaft. Daraufhin seien die übrigen auch geflohen und dabei leider erschossen worden. Ein beteiligter Student begründete diese unsinnig panische Flucht damit, dass es Gerüchte gegeben hätte unter den Arbeitern, dass die Studenten sie ohnehin erschießen würden, sie also sich nur noch so retten könnten, was nicht gelang.

Nach Ansicht der Arbeiter und ihrer Vertreter wurden die Gefangenen hier grundlos erschossen, wenn nicht sogar hingerichtet. Rechtsmediziner stellten fest, dass ihnen aus nächster Nähe frontal in den Kopf geschossen wurde, was eine Flucht oder deren Versuch unwahrscheinlich macht, flöhe doch keiner in Richtung der gegen ihn gerichteten Gewehrläufe mit dem Gesicht nach vorne.

Der Vorfall sorgte für reichsweite Diskussionen. Teile der Medien empörten sich über den Skandal - während sich Universitäten und Studenten geschlossen hinter die opferwilligen Studenten stellte, die im Dienst des Vaterlandes standen. Im folgenden Prozeß wurden alle Angeklagten frei gesprochen. Nachdem der Kultusminister Haenisch von der SPD vom feigen Meuchelmord der Marburger Buben sprach, empörte sich die gesamte Studentenschaft wie die Universtität und forderte eine schriftliche Entschuldigung, die sie nach dem offiziiellen Freispruch auch bekam. Carl von Ossietzky erkannte die Tragweite der Morde sofort und warnte vor einer Balkanisierung Deutschlands.

Heute gelten die Taten außer in Kreisen der Korpstudenten und der von ihnen bezahlten Historiker unstrittig als feiger Mord. Die DDR hatte den Opfern noch mit einem Feiertag am 25. März gedacht. Die BRD hat zumindest Gedenksteine an der Straße errichtet und einmal 2010 der Opfer gedacht.

In der Weimarer Republik war also auch hier wieder Mord nicht gleich Mord und ohne nun die alte Geschichte von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wieder aufwärmen zu wollen, ist es doch wichtig, jenseits linker Heiligenanbetung, die Täter Täter und die Brandstifter Brandstifter zu nennen und auch wenn die Korpsstudenten womöglich wirklich nur helfen wollten, war ihr Hass gegen alle Linken und ihre Wut auf diese groß genug, dass sie nie von der Reichswehr hätten bewaffnet werden dürfen.

Die Zuverlässigkeit in Fragen der staatlichen Treue und Verfassungsmäßigkeit ist wichtig und wenn deutlich wird, dass Betreiber eines Flüchtlingsheims oder zur Neutralität verpflichtete Polizisten oder andere Staatsdiener etwa in den Geheimdiensten geistig in der Nähe von Pegida und AfD stehen, muss dagegen entschlossen vorgegangen werden, sind sie nicht für ein solches Amt befähigt und müssen beurlaubt oder entlassen werden. Bestimmte Anschauungen sind mit der Beschäftigung im öffentlichen Dienst und der dortigen Neutralitätsverpflichtung nicht zu vereinbaren.

Wie schnell der feige Mord an 15 Arbeitern unauffällig versteckt wurde, ohne dass einer der Täter dafür belangt wurde, ist erschreckend. Doch wie weit sind wir von solchen Verhältnissen in Sachsen entfernt, wo Rechte ungestört agieren können und deren Propaganda noch staatliche Unterstützung bekommt?

Sind wir nicht wieder sehr schnell im militanten Bereich, wenn Pegiden fordern die Kanzlerin und ihren Stellverteter zu hängen - auch ohne Gabriel zu schätzen, muss sich über diese Verrohung, die aus dem Osten kommt, jeder Demokrat empören. Was Pegida verkündet ist nicht normal und darf es nicht werden. Dagegen müssen wir uns noch lauter und deutlicher wehren. Diese rechtsradikale Randgruppe muss ausgegrenzt und als nicht tragbar stigmatisiert werden, sie schaden dem Ansehen dieses Landes und zerstören nachhaltig den inneren Frieden.

Wer sich auf dem rechten Auge weiter kurzsichtig bis blind zeigt, wie wir es in Sachsen teilweise täglich sehen müssen, aber in Neufünfland überhaupt erschreckend oft, muss sich nicht wundern, wenn Populisten Wahlen gewinnen. Die BRD hatte ihre Lehren aus der Zeit von 1933-45 gezogen und Verantwortung übernommen, die DDR nie, warum es so wichtig ist, die naive Dummheit vieler Menschen dort im größeren Kontext zu sehen. Es ist nicht nur ein höheres Maß an Verblödung und Rücksichtslosigkeit, es ist auch ein Mangel an politischer Bildung und historischer Verantwortung wie wir ihn derzeit auch etwa in Polen und Ungarn beobachten können, die sichtbar inhaltlich noch nicht in Europa ankamen und sich in nationaler Nabelschau versuchen, die der Westen bis zum Fall des eisernen Vorhangs glücklich überwand, warum sich mancher nicht ohne Grund diesen manchmal zurück wünscht.

Doch ist es unsinnig das eine Unglück durch das andere der Unfreiheit bekämpfen zu wollen, warum es deutlich mehr Aufklärung und Bildung braucht für all die Pegidioten, die von Lügenpresse schwadronieren und russischen Propagandamedien zur Meinungsbildung lauschen, Verschwörungstheorien ihrer Unterdrückung hinterher hecheln, weil sie sich ständig benachteiligt fühlen, ohne es je zu sein. Es könnte dieser Landesteil auch an Polen abgetreten werden ohne dramatische Verluste sehen wir von den historischen ab oder vielleicht gegen das ehemalige Königsberg getauscht werden. Doch jenseits aller Ironie können wir nicht wirklich alle 25% Idioten in Sachsen-Anhalt abschieben oder in eine Besserungsanstalt sperren, weil sie die Demokratie nicht verstanden haben, auch wenn es angemessen wäre. Nur nichts tun dürfen wir noch weniger.

Wer diese auch verbale Gewalt in Ostelbien und seinen Provinzen weiter toleriert, schreibt diese dauerhaft ab. Es gab auch in der BRD nach dem Krieg noch deutlich mehr Nazis und politisch Verwirrte, die auch im Rahmen der Studentenproteste zur Integration gezwungen wurden. Es geht nicht um Verständnis und Diskurs sondern um Standhaftigkeit und Unnachgiebigkeit  in den Grundwerten, damit sich diejenigen ausgrenzen, die nicht in der Demokratie ankamen. Pegida diese widerliche Vereinigung eines kriminellen Betrügers muss als der Abschaum behandelt werden, der sie ist. Kein weiterer Diskurs erforderlich, so wenig wie es eine Legitimation für die Mörder von Thal gab, die auf der Flucht von vorne in den Schädel geschossen haben wollen.

Die AfD Führungsweiber, die auf Flüchtlinge schießen lassen wollen, stehen in Reih und Glied mit den Pegiden, sie stehen in der Tradition des Marburger Korps und sind sowenig in der Demokratie angekommen wie viele ihrer Anhänger. Diese müssen dauerhaft gebildet, aufgeklärt und zur Umkehr gezwungen werden. Wer keinen Kapp-Putsch will und politisch gewollte Morde, die juristisch vertuscht werden, der muss jetzt aufstehen und gegen diese Populisten kämpfen, um der Freiheit willen.
jens tuengerthal 25.3.2016

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