Samstag, 5. März 2016

Kulturgerschichten 0148

Ligasieger

Bündnisse dienen dazu, die eigene Kraft zu stärken und sich mit den Verbündeten auf einen Kurs zu einigen, der den eigenen Vorteil noch am meisten dient. So verbanden sich auch sonst Gegner, um einen gemeinsamen Feind zu besiegen, wie etwa im 2. Weltkrieg die Sowjetunion mit den USA oder im Siebenjährigen Krieg Österreich mit Frankreich unter Maria Theresia und der Pompadour als Vordenkerin ihres Louis gegen Friedrich.

Über die NATO stehen wir heute im Bündnis mit der Türkei, die einen Krieg vor der Tür hat, an dem sie nicht völlig unbeteiligt ist, nach Europa drängt, auch wenn sie jahrhundertelang alles tat, die Spuren europäischer Kultur, also griechischer, zu beseitigen und nun aber, was viel wichtiger manchen scheint, den Schlüssel zur Flüchtlingpolitik in den Händen hält, an dem sich die Karriere mancher Politiker im Land entscheiden könnte, weil gut finanzierte Populisten Angst verbreiten, während alle Flüchtlinge über die Balkanroute, wenn sie nicht selbst vom Balkan kommen, über die Türkei und die schmale Meerverbindung dort nach Europa kommen.

Ein Bündnis mit der Türkei liegt also einerseits nahe, um in der Frage des Umgangs mit den Flüchtlingen Klarheit zu schaffen, die Sicherheit gibt und andererseits ferner als alles, um nicht in die dortigen Konflikte aus islamischem Aberglauben und kurdischer Freiheit wie syrischer Autonomie mit hinein gezogen zu werden.

Ferner noch scheint der einerseits gebotene Wunsch nach einem Bündnis mit den Türken gegen die Flüchtlinge, was keiner politisch korrekt so nennen wird, zu liegen, wenn der Sultan Erdogan immer mehr seinen abolutistischen Herrschaftsneigungen frönt und noch oppositionelle Zeitungen besetzen lässt, um sie staatlich dirigieren zu lassen, Krieg gegen die Kurden führt, statt im Bündnis gegen den IS, dessen Kämpfer noch in türkischen Krankenhäusern gepflegt werden und die Opposition im Land immer weiter unterdrückt, um seinen noch moderat islamistischen Kurs der früher laizistischen Türkei aufzuzwingen.

Scheint es uns, denn was wissen wir wirklich von den Bedingungen in der Türkei und den Plänen seines früheren islamistischen Partners, der nun als sein Gegner und Prediger von den USA aus versucht gegen den alten Verbündeten im Aberglauben zu opponieren?

Ist da einer besser als der andere und warum einem Prediger mehr trauen, als einem Präsidenten, der die Türkei ganz offensichtlich nach Europa und in die EU bringen will?

Gefährdet ein Land, das sich europäischen Regeln unterwerfen will unsere Union, droht mit der Europäisierung der Türkei zugleich die Islamisierung Europas oder des Abendlandes wie meist horizontal mehr als beschränkte Pegiden im Rudel jaulen?

Wird nicht ein starkes und offenes Europa viel mehr auch Anatolien noch europäisieren, den Aberglauben verdrängen und die religiöse Freiheit durchsetzen, gehören Troja und weite Teile der früher auch griechischen oder byzantinischen Küste nicht ganz zentral zu Europa?

Am 5. März 1684 gründeten im alten Europa das Heilige Römische Reich, das für Deutschland und etwas mehr noch stand, Polen-Litauen und Venedig unter Vermittlung von Papst Innozenz XI. die Heilige Liga als Kampfbund gegen die Osmanen, die vor Wien standen und die Ukraine vom Schwarzen Meer aus gen Polen aufzurollen begannen mit ihrer fremden Kultur, von der den Wienern vor allem der Caffee in liebevoll auch besungener Erinnerung bis heute blieb. Diesem heiligen Verein trat nach dem Ewigen Frieden mit Polen am 6. Mai 1686 auch noch das Moskauer Reich bei.

Angefangen hatte die Idee des Bündnisses mit der Niederlage der Türken vor Wien 1683, die einen Wendepunkt der Geschichte darstellte. Ab diesem Zeitpunkt war das osmanische Reich nicht mehr unbesiegbar. So eroberten die Verbündeten Gebiete die über Jahrhunderte türkisch waren wie Ungarn, Transsilvanien, Serbien oder sogar teilweise den Pelepones wieder zurück.

Der größte Erfolg der ach so Heiligen Liga war die Schlacht bei Mohács, in der das kaiserliche Heer unter Karl V. von Lothringen die Türken unter Pascha Süleyman so erfolgreich schlugen, dass bei etwa gleicher Truppenstärke von den kaiserlichen 600 Mann im Feld blieben, während die Türken ganze 10.000 verloren. Dies urchristliche Gemetzel führte dazu, dass die Ungarn die Erblichkeit ihrer Krone für das Haus Habsburg anerkannten, zumindest vorerst und gerade befreit - die weitere Geschichte um den ungarischen Stolz und ihre Freiheit, die sie ohne Habsburg vermutlich nicht hätten, handelt auch vom Grafen Andrásy und der Kaiserin Sissi und gehört hier nicht her, wo es um die Türken mehr geht als die Ungarn aber an deren Vergesslichkeit zu erinnern, könnte heute wichtig sein und vielleicht erklärt sich manches der panischen Zaunbauer erst aus diesem Kontext.

Die Liga hat ihre Zweck erfüllt und heute müssen wir uns fragen, ob wir Sultan Erdogan lieber in Europa zivilisieren wollen oder ihn als autoritären Gegner besser vor der Tür stehen lassen, weil der Islam, der in Bosnien, für das Europa schon gegen die christlichen Serben kämpfte, normal ist, nicht dazu gehöre?

Brauchen wir wieder Dichter, die vom westöstlichen Diwan schwärmen, den großen Hafiz lesen, um in den Geist einer alten Kultur einzutauchen, die dumpfe Pegiden weder erkennen noch kennen?

Ist es Aufgabe Europas der Türkei Grenzen zu weisen, damit die Flüchtlinge noch mehr die Rettung über das Meer suchen und ersaufen?

Was wäre der Kreuzzug, den Europa führen müsste, wollte es seine Werte verteidigen und nicht nur seine Festung und seinen Wohlstand schützen?

Geht es für das Europa, aus dem die Menschenrechte kamen und das die Freiheit sich eroberte über Jahrhunderte, noch um die Verteidigung alten Aberglaubens oder eine moderne Kultur der Menschenrechte?

Angenommen wir machten die Türkei zum Partner, der sich dann freiwillig europäischen Rechtsnormen unterwerfen müsste, wohin führte uns das und wohin die Türkei?

Was unterscheidet die Griechen von den Türken, außer das letztere derzeit ökonomisch erfolgreicher sind und erstere vor über 2000 Jahren eine Hochkultur in der heute Türkei hatten, wie ähnlich sind sie sich?

Ist die richtige Reaktion auf den Wahn von Erdogan die heimische Presse kontrolieren zu wollen, diesem die Tür Europas vor der Nase zuzuschlagen und ihn ins passende Bündnis mit den arabischen Nachbarn zu schicken oder genau im Gegenteil?

Brauchen wir also eine unheilige Liga gegen oder mit den Türken heute, um endlich Frieden und vernünftige Lösungen zu finden?
jens tuengerthal 5.3.2016

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