Ist Deutschland ein Land oder wird es noch ewig ein Gebilde aus zwei Teilen bleiben?
Wir feiern nun das 27. mal den Tag der Deutschen Einheit, drei mal drei mal drei oder drei hoch drei - klingt alles sehr magisch, nützt aber real auch nicht mehr als jede Magie, die immer bloß Hokuspokus bleibt, außer vielleicht in der Liebe, wo das magische Element die Bedingung des Ungreifbaren wurde.
Aber hier geht es ja nicht um so schwierige Dinge wie Liebe, sondern nur um die Vereinigung zweier Staaten, die immer eins waren, bis sie Dummheit und Leichtsinn gepaart mit dem sozialistischen Aberglauben auseinanderrissen.
Nach dem verlorenen 2. Weltkrieg, der die Diktatur des Nationalsozialismus unter Hitler, das bisher wohl dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte, beendete, war Deutschland in Besatzungszonen der Alliierten geteilt worden. Die westlichen Mächte waren sich relativ einig, die östliche Diktatur, verlor die Einigkeit im Kampf mit dessen Ende, da ihr Ziel sich mit den freiheitlichen Prinzipien der übrigen nicht vereinigen ließ.
So gab es die SBZ, was für Sowjetisch Besetzte Zone stand und die drei West-Zonen. Das gleiche spiegelte sich in Berlin noch einmal in einer Stadt. Bis auf die Phase von 1918 bis 1933 hat dieser Teil Deutschlands nie eine Demokratie erlebt. Wer 33 geboren wurde ist heute 84 Jahre alt, die von 1918 werden nächstes Jahr 100 und von denen gibt es bekanntlich nur noch sehr wenige.
Aus dem Osten flohen viele, aus Angst vor den bösen Russen, wie weit diese auf Märchen der vorher Diktatoren nun beruhte oder nicht einmal dahingestellt, auch meine Großeltern väterlicherseits flohen aus Güstrow. Die Heimat der Familie lag eigentlich in Thüringen, um Gotha und Jena, wo die Großväter mütterlicher und väterlicherseits studierten. Fahre ich durch Thüringen, schlägt mein Herz höher, besuche ich Weimar, fühlte ich mich nicht nur Goethes wegen Zuhause. Der Thüringerwald, die drei Gleichen, die Wartburg, die Altstadt von Erfurt - wenig löst mehr Heimatgefühl in mir aus, auch wenn ich dort in der östlichen Provinz nie lebte, sie nur auf dem Weg nach Berlin durchquerte, für kurze Zwischenstopps dort anhielt.
Bin in meinem Leben vier Frauen aus Thüringen näher begegnet und weiß heute, schwärmen ließ mich immer ihre Heimat mehr als ihre Natur oder ihr Wesen. Im Gegenteil habe ich das Gefühl, dass ich keiner näher kam, sie mir alle fremd blieben irgendwie, weil sie anders sozialisiert aus einer anderen Welt zu kommen schienen in ganz vielem.
Seltsamerweise scheint mir im Rückblick sogar meine einmal Liebste aus Wismar, die nahe Rostock geboren wurde, denen aus Thüringen ähnlicher als denen aus Lübeck oder Hamburg. Als hätte die DDR alle Bürger des Landes, ob sie nun von der Küste oder aus den Bergen kamen in einem einheitlichen Geist erzogen, der sich von den Anschauungen im Westen ganz grundsätzlich unterschied.
Auch bei den Berlinerinnen unterschied sich Ost und West im Wesen ganz entscheidend und tut dies bis heute, sogar wenn manche über die nur noch imaginäre Mauer gingen und sich dies- oder jenseits der gefühlten Grenze ansiedelten.
Natürlich kannte ich die Sprüche über die Ossi Frauen, die selbstbewusster und freier wären, lockerer auch beim Sex und entsprechend waren vermutlich die Begegnungen schon vor Erwartungen geprägt, die mal übertroffen und mal widerlegt wurden. Sex haste halt, das ist ganz natürlich und fertig, was der magischen Erotik als Idee gegenübersteht, ließe sich der Unterschied vielleicht kurz zusammenfassen.
Es gibt beim Akt an sich keinen Unterschied, fühlt sich genauso an, egal wo jemand geboren wurde und egal wo sie herkommen haben vermutlich weit über 98% der Frauen ein Problem beim Sex zu kommen dies zumindest zusammen zu kommen, auch wenn ungefähr gleich viele es westlich wie östlich bestreiten und sich und ihren Sexualpartnern ein Leben lang etwas vorgauckeln. Dies mit relativem Erfolg scheint mir, weil immer noch scheinbar 99% der Menschen für Sex hält, wenn sich eine Seite in der anderen befriedigt und dies möglichst schnell erledigt.
Kann nicht sagen, dass die Frauen im Osten entspannter oder besser im Bett wären, als die im Westen, die Erfolgsquote für echten Sex ist so gering wie überall, auch wenn es mir im Osten noch schneller deutlich wurde, weil mit weniger Magie auch weniger gelogen wird.
Doch es geht ja nicht um Sex oder darum, was 99% der Paare das wechselseitige Onanieren für Sex halten lässt, sondern um die Einheit und was sie ausmacht. Zugegeben passt es aber doch irgendwie ganz gut, weil du schließlich nirgendwo die innere Einheit zweier Menschen besser spürst, als wenn sie sich gegenseitig zum Höhepunkt reiten, den sie gemeinsam erleben. Ein keineswegs selbstverständliches Glück, wie ich heute weiß und das ich um so mehr genieße, desto klarer mir diese Gnade als solche wurde.
Deutschland ist weit entfernt davon einen gemeinsamen Höhepunkt zu haben, um beim obigen Beispiel zu bleiben, gelegentlich kommt es zu nettem Vorspiel, was die Beteiligten dann Sex nennen, weil sie es nicht besser kennen aber diese vollkommene und natürliche Harmonie miteinander ist sehr selten noch und so wird es klarer als mit der Analyse von Wählerstimmen.
Der Osten sei braun, männlich und frustriert wird geraunt, weil es die Statistiken und der Blick auf Pegida offenbaren. Dagegen halten ostdeutsche Ministerpräsidenten, dass der größte Teil der AfD Wähler im Westen saß, im ländlichen Bayern, im Ländle und in NRW und verfälschen damit die Statistik zu ihren Gunsten mit bloß realen Zahlen ohne Verhältnismäßigkeit.
Erst war der Osten rot, dann soll er braun sein, jedenfalls gibt es bei einem hohen Anteil der Wählerstimmen ein demokratisches Defizit könnte es dem kritischen Beobachter erscheinen. Oder ist es umgekehrt, glauben die Ossis mit ihrer jungen Demokratie noch stärker an die Macht ihrer Stimme und die Versprechen der Populisten?
Die Linke im Westen gibt sich gern jung und wild, während sie im Osten das Überbleibsel der alten Kaderpartei und also konservativ ist, immer die SED Nachfolgeorganisation bleibt. Was ist sie und gibt es die Linke jenseits des Aberglauben an den Sozialismus überhaupt?
Kenne so verschiedene Ossis, nachdem ich nun im 18. Jahr im wilden Osten der Republik zumindest Berlins wohne, an keinem Ort in meinem Leben länger gelebt habe, dass ich lügen müsste, wollte ich ein einheitliches Urteil abgeben. Es gibt nicht den Ossi, so wenig wie den Wessi.
Die Pfarrerin, die nebenan wohnt, ist anders sozialisiert als die Tochter der Puppenspielerin oder des Seemanns und der Krankenschwester, der Sohn der Autorin und des Filmemachers völlig anders als die parteinahen Arbeiterkinder - gemeinsam haben sie alle, dass sie meist weniger gesellschaftliche Klassen sehen, diese auch ganz bewusst leugnen und sich über sie lustig machen.
Eine Zeit schien mir deutlich, dass die Ossis, die früh in die Kita kamen und es zuhause nicht extra lernten, weniger gut mit Besteck umgehen konnten, wie es Helmut Kohl noch Angela Merkel nachsagte. Konnte ich auch bisher nicht widerlegen, aber es gibt Ausnahmen doch scheint die Haltung gegenüber dem Besteck und bei Tisch heute eines der letzten Klassenmerkmale zu sein, mit denen sich die bürgerliche Herkunft von der aus dem Arbeiter und Bauern Staat sichtbar unterscheidet.
Ob es ein Gewinn ist, sich einer Klasse zugehörig zu fühlen und sich darin und mit ihren Eigenschaften von den anderen zu unterscheiden, bin ich mir nicht ganz sicher. Es ist einerseits ein Stück Heimat und Geborgenheit bestimmte Rituale zu kennen und zu befolgen, die dich als Angehörigen einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht offenbaren. Andererseits schafft es auch Grenzen und erschwert anderen unnötig und formal den Zugang, schließt eine sich inzüchtig erhaltende Klasse von frischen äußeren Einflüssen ab, schafft ein ungesundes Klassendenken, dass mehr den Unterschied zelebriert als etwas eigenes zu entwickeln. Das ist klar uns scheint mir logisch.
Lese ich dagegen Walter Benjamin in seiner Kindheit in Berlin oder Franz Hessel, fühle ich mich in ganz vielem schnell Zuhause, genauso geht es mir mit den Brüdern Goncourt oder Thomas Mann - das ist Heimat - die bürgerliche Welt, in der ich groß wurde, mit ihren Statussymbolen der Bildung und des gediegenen Wohlstands - bei Familie Goethe fühle ich mich wohl, ihnen fühle ich mich verwandt, auch noch bei Wilde, während mich Berlin Alexanderplatz lange eher befremdete und der Arbeiter mich nicht weiter interessiert. Die Enzyklopädisten sind meine Vorbilder, während mir der Sozialismus nur als eine neue Variante des Aberglaubens erscheint, eine ganzheitliche Lehre mit Heilsanspruch eben.
Sehe bis heute Privatfernsehen meist als Unterklassen-TV und schaue es nie, hatte noch nie einen eigenen Fernseher, auch wenn die meisten Zuschauer und die Produzenten ohnehin finanziell viel besser dastehen als ich, der nur noch eine Idee des Bürgerlichen verteidigt, ohne es pekuniär umsetzen zu können. Dabei ist doch gerade der Handel und finanzieller Erfolg die Bedingung des bürgerlichen Aufstiegs aus den engen Höhlen der Arbeiter.
Warum nun dieser Ausflug zur Klassengesellschaft und meinem Begriff von Bürgerlichkeit als Ideal der Demokratie?
Weil der ehemalige Arbeiter und Bauern Staat genau diese Klasse hochhielt, sie den anderen diktieren ließ, die Bürger als Feinde unterdrückte,, löst es bei mir einen ungeheuren Widerwillen aus. Damit groß geworden aus bürgerlichen Verhältnissen zu kommen, war ich stolz darauf, dass mein Urgroßvater mütterlicherseits Ostfriesland elektrifizierte, während ich die Gewerkschaften ablehnte, die später sein Unternehmen in Bremen kaputt streikten.
Ob dies tatsächlich an den Gewerkschaften lag oder nicht doch an der Unfähigkeit meines Onkels, der die Firma vom Großvater übernahm, sei einmal dahingestellt, gewisse Erfahrungen sprächen auch für letzteres und eine Erziehung zur Toleranz verböte mir eigentlich solche Vorurteile. Doch ganz tief in mir spüre ich die die angeborene Abneigung gegen alle Gewerkschaften, wie Klassenfeinde, auch wenn ich es als lächelnd nun mit Abstand betrachte.
Eine umgekehrte Ost-West-Erfahrung machte ich bei meinem mehrjährigen Ausflug in die SPD, der meine preußischen wie hanseatischen Großväter und Urgroßväter wohl im Grab rotieren ließ. Dort sammelten sich in den Abteilungen der SPD in Prenzlauerberg, wie die sonst Ortsvereine in Berlin genannt werden, viele der alten Linken aus dem Westen, die nun etwa beim Bundestag arbeitend im schicken und leicht alternativen Osten mit den schönen Altbauten eine neue Heimat suchten. Dagegen wanderten die Gründer der SPD im Osten, die erst ein halbes Jahr SDP hieß und ihre Wurzeln im Pfarrhaus in Schwante hatte, immer weiter gen Norden nach Pankow oder gleich in die Mark.
Vorsitzender der Pankower SPD war, als ich damals eintrat, gerade ein linker Wessi aus ursprünglich Bad Kissingen geworden und die alten Pankower, die mit Prenzlauerberg und Weißensee vom Senat in der Gebietsreform zwangsvereint wurden und nur durch einen Husarenstreich ihren Namen für das ganze Gebiet durchsetzten, fühlten sich an den Rand gedrängt, während wir vom Berg das Gefühl hatten, in die Zone zu kommen, wenn wir in den anderen Teil unseres Stadteils fuhren.
War in dem alten Arbeiterverein, der mir eigentlich so wesensfremd war, nur gelandet, weil mir Wolfgang Thierse sympathisch war, den ich für einen der bärtigen evangelischen Pastoren damals hielt. Dass er real katholisch und aus Schlesien war, erst später zur SPD stieß, erfuhr ich erst als ich schon Mitglied war. Der von den Grünen als politisch korrekter Glaubensgemeinschaft dominierte Berg war zwar früher ein klassisches Arbeiterviertel aber mutig und echt bürgerlich wäre eigentlich gewesen, in die FDP einzutreten, die hier im Promilleanteil vegetierte, doch das lag mir völlig fern damals, als noch Westerwelle dort das Zepter schwang.
So lernte ich viele der Gründer von Schwante kennen, hauptsächlich Pfarrer und Ingenieure - die bürgerliche Klasse der DDR, die zwar im Sozialismus groß wurde, aber eine freie bessere Welt wollte. Die Konservativen und eher bürgerlich denkenden waren in der Pankower SPD in der Minderheit und auf der Flucht an die Ränder - dort fühlte ich mich wohler als bei den geheimen Plänen der linken Sozen, die von einem Zusammenschluss mit der Linken und der Heimkehr ihres einst angebeteten Gottes Lafontaine insgeheim träumten, den ich nicht ausstehen konnte, warum ich erst Jahre nach dessen Austritt überhaupt für einige Jahre in diese bis heute so wunderbar verlogene SPD eintreten konnte.
Weiß nicht, ob andere Parteien weniger verlogen sind, kenne ja nur die eine von Innen näher und das hat mir für mein Leben gereicht, denke es wohnt dieser Art der kollektiven Meinungsbildung inne und es ist nicht meine Art miteinander umzugehen - diese ewigen Intrigen und Lügen zugunsten der Partei sind mir wesensfremd, auch wenn mich Politik schon immer interessierte, pass ich in keine Partei wirklich und suchte darum auch den Kontakt zu der bürgerlichen Minderheit der vertriebenen Ossis in der eigentlich linken Pankower SPD, die schon früh zu den Speerspitzen eines Bündnisses mit der Linken gehörte, was nun auch die Führung der geschrumpften Bundestagsfraktion meiner zum Glück ehemaligen Partei betreibt.
Bin also ein Wessi und noch dazu zutiefst bürgerlich liberal von der Herkunft und Überzeugung her. Als ein solcher bin ich in nahezu jeder Partei verloren und im Osten ein Fremdkörper auch von der Gesinnung her. Sind meine Betrachtungen zur uneinigen Republik also bloß die einer kleinen Splittergruppe?
Denke ich etwa an meine eine Ex aus Thüringen, die Cluburlaub in der Türkei liebte und nach der Wende in Duisburg studierte, schien sie mir besser integriert und zur Mehrheitsmeinung passender als ich, der so etwas furchtbar findet und dem nichts fremder ist, als sich bespaßen zu lassen oder im Erdoganland Urlaub zu machen, was ihr, die auch in der DDR sehr angepasst lebte, normal erschien. Sie war in nahezu allem ziemlich durchschnittlich und normal und auch wenn meine Tochter über sie sagte, sie sei einfach langweilig gewesen, würde ich nicht so streng urteilen wollen - sie lebte einfach in einer anderen Welt uns unsere Welten waren nicht kompatibel und wurden es auch in keiner Hinsicht und nur die Gewohnheit ließ uns ein halbes Jahr lang von Ehe schwärmen, die nie eine Basis hatte.
Das genaue Gegenteil war die Ex aus Mecklenburg, die Kapitänin und Schauspielerin, die nie im Leben in einen Club Urlaub machen würde, dafür professionell auf den für mich Horrorschiffen der Tourismusindustrie arbeitete und beide blieben mir im Wesen fremd. Konnte mit ihnen nicht streiten und wenn hielten beide mir noch ewig jedes Wort vor, was dabei gefallen war, ohne es im größeren Kontext zu verstehen nach meinem Gefühl.
Beiden blieb ich wesensfremd und so habe ich immer noch das Gefühl, vielfach in einem fremden Land zu leben, ist mir meine nun Frau, die aus Schwaben kommt und kroatische Wurzeln hat viel vertrauter als alle vor ihr und das auch wenn sie 25 Jahre jünger ist als ich, während meine Damen aus dem Osten alle eher mein Alter waren. Ob das an einer geistigen Rückentwicklung bei mir liegt, ich wieder jünger werde, oder daraus sich eine gewisse Inkompatibilität von Ost und West ableiten lässt bis heute, weiß ich nicht zu sagen.
Die eine hasste den Osten, sprach voller Verachtung über die kleingeistige Diktatur der Spießer in der DDR, die sie nur auf Hiddensee erträglich fand, während die andere still erlitt, was ihr alles verboten wurde aber auch nicht alles schlecht fand, irgendwie angepasst lebte, sich immer noch über ihren unmöglichen Bruder aufregte, der gegen die DDR Regierung 1989 demonstrierte beim Massaker von Tiananmen in Peking und damit die ganze Familie in ein schlechtes Licht stellte und unnötig gefährdete, wie sie bis heute meinte.
Könnte noch viele verschiedene Geschichten erzählen dazu, so unterschiedlich wie die Menschen, die sie erlebten - diese eint, dass sie sie in der DDR groß wurden, die Erfahrung der Diktatur kannten, wie immer sie diese empfanden, jene dass ihnen diese Erfahrung fehlt, sie aber im Selbstverständnis der Freiheit und der Schuld am Krieg groß wurden.
Meine Liebste ist fünf Jahre nach der Vereinigung geboren - sie kennt nur ein Deutschland in ihrem Leben, wie meine Tochter für die es nur musealen Charakter hat über die Grenze zu fahren. Dachte immer, wenn Mann und Frau sich in der Liebe finden und über die alte Grenze vereinen, höbe es diese auf und sage heute, welch Überschätzung der Liebe, zu denken, sie könne unser Wesen ändern und welch Unterschätzung der Natur.
Die Gegensätze werden in der Liebe noch spürbarer, wir können sie nur ignorieren, weil wir uns vom Trieb der Natur ablenken lassen oder die Vernunft uns hilft, ignorant zu sein, gegen alles Gefühl.
Solange Menschen leben, die in zwei Welten groß wurden, wird es diese zwei Welten geben - darüber hinaus, wirken die traditionellen Fesseln der Regionen auch noch weiter bei denen, die lange nach der Wende geboren wurde. Wir sind, auch wenn die Trennung nur 40 Jahre währte ein Land mit zwei Kulturen und zwei Völkern. Manches wird vereinheitlicht und dennoch fühle ich mich in Weimar immer noch mehr zuhause als in Heidelberg je, doch bleibt das Gefühl der Fremdheit immer, so absurd es mir zugleich wieder scheint.
Anlässlich meines Geburtstages saß ich neulich mit Freunden aus Ost und West zusammen, wir führten intensive Gespräche über Kultur und mehr - es gibt unterschiedliche Erinnerungen aus den je Lebenswelten aber es zählten in der Diskussion mehr individuelle Sichten und Erfahrungen für den jeweiligen Standpunkt. Der Ossi, der seit der Wende politisch engagiert ist, weiß besser über die Demokratie und ihr Funktionieren bescheid, als der leicht monarchistisch gesinnte Wessi. Die Pfarrerin aus dem Osten setzt sich eher natürlich für Freiheit und Gleichheit ein als der adelige Wesi, der mehr intellektuell argumentierte, ganz anders als der intellektuelle Wessi, der sich ohne praktische Ahnung von Politik zu haben gern elitär konservativ gibt.
Wir leben nebeneinander und manchmal auch zusammen, gelegentlich ist es auch schon egal, wo jemand herkommt - die zwei Teile bleiben in vielem bestehen und wie wichtig sie uns sind, entscheiden wir selbst. Verdächtig sollte nur sein, wer sie betont, um sie zu benutzen und gefährlicher ist nur, wer sie einfach ignoriert.
jens tuengerthal 3.10.2017
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