Freitag, 20. Oktober 2017

Erregungen

Früher regte sich auf, wer wichtig war, um seiner Rolle zu entsprechen, wie ein Franz Josef Strauß, ein Wehner und andere mehr, die sich politisch anbrüllten. Heute hat gewonnen, wer gelassen bleibt und Selbstbeherrschung zeigt. Ist das Konsequenz der weiblicheren Politik unter Merkel oder die logische Folge der menchlichen Erfahrung?

Das Frauen weniger hysterisch wären, kann ich aus aller Erfahrung nicht unbedingt bestätigen, auch wenn die auf Freud zurückgehende Benennung nach der Gebärmutter, der Hysteria, für diese psychische Störung zu weitgehend und einseitig ist, nur dem schlichten Begriffsschema der Psychologie entspricht, die als Glaubensform mit ihrem Katechismus vom Unterbewusstsein nur den alten Glauben entsprechend ablöste und fraglich bleibt mit welcher menschlichen Verbesserung.

Die Kanzlerin aber ist sicher weniger hysterisch, als die meisten Männer, weil sie die Dinge vernünftig und gelassen angeht, eine große Führungspersönlichkeit eben ist, wie wir heute urteilen. Doch noch in meiner Jugend, in der Brandt, Schmidt und später Kohl Kanzler waren,  galt ein völlig anderer Umgangston, wurde sich hysterisch angebrüllt im Bundestag.

Auch der Umgang mit dem anderen Geschlecht war noch ein anderer. Einerseits galten noch bestimmte Regeln der Höflichkeit, war es normal, einer Dame die Tür aufzuhalten, ihr in den Mantel zu helfen und ähnliches mehr, wofür ich heute schon sehr komisch angeschaut werde, wenn ich es weiter als ganz normal zelebriere. Dafür nahmen sich andererseits so einige Herren in höherer Verantwortung gegenüber den Damen Dinge heraus, die sie heute ihren Job kosten würden, zumindest wenn sie bekannt werden, wie der Fall Weinstein uns gerade lehrt.

Denke ich an die Geschichten, die meine Mutter über den Grapscher Willy Brandt, der häufiger im Bremer Parkhotel zu Gast war, in dem sie bis zu meiner Geburt noch als Empfangsdame arbeitete, gibt der einst Friedensnobelpreisträger für den Kniefall zu Warschau ein ganz anderes Bild ab. Ein unbeherrschter Typ, der nach Belieben nach Zimmermädchen und anderen grapschte, weder Benehmen noch Contenance hatte, sich alle  Getränke und Damen auf Senatskosten liefern ließ - ein chauvinistischer Widerling wie Trump, was dem Vorbild so vieler Sozialdemokraten wohl keiner zugetraut hätte.

Aber auch diese Veröffentlichung wird nichts an der weiter Willy Anbetung der Sozen ändern, die besonders, was sie selbst angeht, immer sehr unkritisch waren. Vielleicht suchen sie noch den Feind im eigenen Bett - die bösen Seeheimer gegen den linken Flügel - aber mal hinterfragen, warum bisher nur die CDU eine Kanzlerin stellte, Frauen für aussischtsreiche Ämter vorsah und real erst die Kinderbetreuung durch Ursula von der Leyen frauenfreundlich reformierte, können die Frauen der Sozis aus dem AsF vermutlich selbst nicht beantworten, die lieber weiter Eierwärmer für ihre 100%igen Vorsitzenden stricken.

Betrachten wir den Umgangston und die Riten miteinander, ändert sich gerade wieder sehr viel. Der Umbruch von der patriarchalen Struktur der Gesellschaft, die mit Macht und Kraft führte, zu einem weiblicheren Führungsstil, der auf Ruhe und Qualität setzt, Egalität eher fördert als den Rudelkampf, wird die Gesellschaft als ganzes verändern. Die Sozen haben die Chance Andrea Nahles dies erreichen zu lassen und damit endlich wieder konkurrenzfähig zu werden, nachdem sich genug unfähige, trockengelegte Typen die Hörner abgestoßen haben und immer weiter in den Keller sanken.

Das kann ich nun schlecht oder gut finden, es wird dennoch geschehen und ist längst im Gang. Die Revolution Merkel kommt nicht mit Trompeten und roten Fahnen, sondern dezent durch die Hintertür, leugnete selbst als Physikerin zunächst alles feministische in ihrer Politik, gibt sich scheinbar konservativ und lässt es dann gut organisiert laufen.

Manche Männer fürchten nun um ihre klassische Hosenrolle, was Vereine wie den AfD für eine kurze Zeit größer macht, als es der realen Stimmung in der Bevölkerung eigentlich entspricht, da die Fanatiker immer eher noch wählen als die Mehrheit derer, die einfach nur ihre Ruhe wollen und oben eine zuverlässige Beamtin, die ihre Pflicht preußisch korrekt erledigt.

Der Wechsel der Modelle ging schleichend vor sich und manche haben es bis heute nicht verstanden -  so etwa die SPD, die ihren natürlich männlichen Kandidaten und Vorsitzenden von seinem Vorgänger per Königswahl bestimmen und sich vorsetzen ließ und danach den neuen Vorsitzenden und Kandidaten, den die Herren im Hinterzimmer bestätigten, auftragsgemäß bejubelte und mit allergrößter Mehrheit wählte.

Auch ein Seehofer spielt immer wieder gern die Bierzeltmachtspielchen in straußscher Manier, um scheinbar die Kanzlerin vorzuführen, die ihn am viel längeren Arm wieder verhungern lässt mit ihrer Gelassenheit. Das sehen viele nie, die nur auf den Lärm achten, weil Frauen, wenn sie so gut und klug wie Merkel sind, eher mit Zwischentönen leise führen, statt das große Theater zu beginnen. Diese Form der Führung hat die Macht und alle Hebel leise übernommen, statt mit großem Trara und es gibt kein zurück.

Schröder machte nach der Wahl Merkels betrunken noch in scheinbarer Unkenntnis der Zahlen peinliches Theater, während die nächste Kanzlerin gelassen blieb, seine Lächerlichkeit blieb und er wurde zum Almosenempfänger von Putins Gnaden und die SPD schafft es bis heute nicht, hier klar Position zu beziehen. Vorher hatte ihr Stoiber die erste Kandidatur geraubt und nochmal verloren, bis sie endlich selbst antrat und am Ende gewann.

Es gibt nichts spektakuläres zu Merkel und ihrer Führung zu berichten. Keine bunten Schlagzeilen wie bei den Geliebten der französischen Präsidenten. Niemand würde sie der Bestechlichkeit verdächtigen. Auch ihre Freundschaft zu den beiden mächtigsten Medienfrauen im Land, Friede Springer und Liz Mohn, gilt als völlig unverdächtig, weil sie sich keine Loge auf dem Wiener Opernball von VW zahlen lässt, nicht öffentlich Havannas raucht und ähnliche Rituale verbliebener Männlichkeit mehr. Sie braucht auch keinen Sportwagen und das sie im Wahlkampf Regierungsflieger nutzte, war nur ein Scheinskandal, denn was sollte die immer Kanzlerin sonst tun?

Korrekt, zuverlässig, in aller Ruhe, den Regeln gemäß, ohne Profilierungssucht oder das Bedürfnis besonders zu glänzen, nur in Ruhe und gelassen, erledigt sie pflichtbewusst ihre Arbeit, lässt sich als größtes Ereignis für den Regenbogen einmal im Jahr in Bayreuth sehen, um Wagner zu lauschen und liest im übrigen gern oder wandert ein wenig.

Sie gibt ehrlich gesagt, keinen wirklichen Grund zur Erregung. Der von Russland finanzierte und medial gesteuerte Hass der Pegiden ist darum kein echter, sondern eine bloß lächerliche Verschwörung der Narren, die sonst dem öffentlich rechtlichen Rundfunk ständig vorhalten, er würde Fake verbreiten. Unangreifbar wie Teflon, bleibt nichts an dieser Frau haften.

Könnte mich nun fragen, ob das ihrem Geschlecht entspricht oder eher nichts damit zu tun hat, wenn mir nur ein Mann von dieser Machtfülle und Gelassenheit als politisches Gegenüber einfiele. Die Kanzlerin handelt so, wie es Kant als Ideal im kategorischen Imperativ beschreibt, sie entspricht ihrem Vorbild Katharina der Großen und übertrifft diese als demokratisch gewählte Herrscherin sogar noch, weil sie sich sogar noch für ihren Kurs die Bestätigung des Volkes holt.

Mit dem Humboldt Forum fördert diese aufgeklärte Herrscherin noch die neue museale Enzyklopädie einer globalen Welt, auch wenn kleingeistige Berliner Bürgermeister nun für eine Epoche lieber Nabelschau betreiben - sie hat mit ihrer Freundin Monika den Kurs bestimmt, ohne dabei größer als gerade nötig in Erscheinung zu treten, die Nachwelt soll sie loben, sie hält sich lieber an das ach so preußische Motto des Feldmarschalls Moltke, viel  leisten, wenig in Erscheinung treten.

Weiß nicht, ob es ihr heimlich Freude macht, diese ganzen Testosteron gesteuerten Hengste in der Politik mit ihrer Gelassenheit immer wieder vorzuführen, bis alle irgendwann auf ihren Kurs einschwenken, zumindest bestätigen so egal wo auf der Welt immer wieder alle die deutsche Kanzlerin, die so ganz anders ist als etwa ein Bismarck, der ständig von einem cholerischen Anfall zum nächsten hechelte, den Kaiser erpresste und so manche Entscheidung unter Einsatz seines Lebens verfocht, als ginge es darum und nicht nur um die Macht, an der er klammerte, bis Wilhelm II. ihn absetzte ohne eine Alternative zu haben.

Die Kanzlerin erregt sich nicht sonderlich, zumindest nicht nach außen, auch wenn sie nach innen streng auf die Einhaltung ihrer Vorgaben achten mag, dazu ist sie auch zu sehr Preußin, aber sie hat keinerlei Gockelgehabe, möchte niemand ihren geschwollenen Kamm präsentieren und muss nichts gewinnen, außer Wahlen, die sie auch lieber verwaltet und das macht die sonst im immer hormonellen Kampf befindlichen Männer fast wehrlos. Sie wissen nicht, wie sie darauf reagieren sollen, kampflos geschlagen zu werden.

Die Taktik ist schlicht genial. Sie erfordert etwas Geduld und gute Nerven, wobei hilft, nicht alles so ernst zu nehmen, was manche von sich geben, auch nicht persönlich. Dann werden sich die anderen schon irgendwann von alleine völlig nervös blamieren und sie bleibt solange sitzen, bis sie gewonnen hat, dann zieht sie ihre Figuren auf dem Schachbrett und schlägt damit zugleich wieder Wurzeln an anderer Stelle, flicht ihr Netzwerk und die nervösen Männer zappeln nur und wissen kaum, wie ihnen geschieht.

Das ist vielleicht das Geheimnis des Systems Merkel, mit dem sie auch die kommenden Koalitionsverhandlungen gelassen überstehen wird. Sie lässt, die Gockel sich aufblasen, dann schreien sie ein wenig herum und sie nickt dazu freundlich, wartet ab, bis alle keine Luft mehr haben, fragt dann ganz realistisch, wie das nun alles funktionieren soll, was denn alternativlos wäre und hat damit gewonnen.

Wer dieses Prinzip als Mann verinnerlicht, wird sich nicht mehr unnötig erregen, nur noch dann, wenn es beiden Seiten Lust bereitet, was ja nie unnötig ist, sondern die Dinge geschehen lassen. Gelassenheit ist der Schlüssel zu guter Führung.

Habe irgendwo ein Micky Maus Heft, in dem Goofy unter asiatischer Namensvariante eine Kampfsportschule als Meister führt, in die Micky als junger Heßsporn zur Ausbildung kommt. Kater Karlo ist natürlich der Bösewicht, der mit seinen Räubern angreift, wogegen  sich Goofy als Meister nicht verteidigt, sondern ihn erstmal nur machen lässt und am Ende gewinnt natürlich doch Goofy dank der größeren Gelassenheit, die vorher alle Gegner nervös macht.

Dies sollten wir Männer uns merken, wenn wir erfolgreich von Merkel lernen wollen, wie Führung heute funktioniert und warum Imponiergehabe sich nahezu erledigt hat, ein neues Zeitalter unter der Führung einer Frau anbricht. Vielleicht gibt es auch Frauen, die zu männlichem Imponiergehabe und Drohungen neigen, auch da würde mehr Gelassenheit statt schematischer Muster helfen, langfristig erfolgreicher zu sein und vermutlich gelassen glücklicher. Denke ich an die Kanzlerin, habe ich das Gefühl, sie kann in den Spiegel schauen und mit sich zufrieden sein, ohne sich oder anderen etwas vormachen zu müssen, sei es auch nur rituell, stelle ich mir sie als einen glücklichen Menschen vor, der einen Weg ging, der mit Ruhe Früchte trägt, auch wenn ich mir sicher bin, dass es noch lange dauern wird, bis alle es begriffen haben.

Das System Merkel hilft überall im Leben, ob bei Eifersucht, Neid, Konkurrenz, fiesem Mobbing und anderen unangenehmen Erfahrungen. Üben wir uns in Gelassenheit, sein wir uns sicher, warten wir ab, wenn es gut für uns ist, kommt es auf uns zu und wählt uns aus, wenn nicht, lohnt es die Mühe ohnehin nicht mehr.

jens tuengerthal 20.10.2017

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