Nach dem bürgerlichen Charlottenburg gestern im Literaturhaus in der Fasanenstraße ging es heute ins königliche Charlottenburg im gleichnamigen Schloss. Waren hin und zurück, mit kleinen Umwegen der Schönheit wegen, 28,5 km mit einem wunderschönen Ziel immer mit der schönsten Frau in Dublin im Ohr im Ganzen etwas über 5h zu Fuß durch Berlin.
Wie immer am Helmholtzplatz begonnen, die Kastanienallee hinab, die irgendwann in dann schon Mitte zum Weinbergsweg wird. In Mitte der Linienstraße bis zur Friedrichstraße gefolgt, um dann wieder über Reinhard- und Luisenstraße zur Marschallbrücke zu kommen, an der ich rechts Richtung Reichstag abbog und von dort an immer geradeaus zu gehen mit kleinen verkehrstechnischen Umwegen im Tiergarten. Gegenüber dem Parlament folgte das Kanzleramt, das ich rechts liegen ließ, um weiter zwischen Bäumen zu flanieren.
Unerwartet erklang im noch rosa sonnigen Tiergarten das Carillon, neben dem Haus der Kulturen der Welt. Das große von Hand bespielbare Glockenspiel erklang durch die Herbststimmung und begeisterte die Zuschauer mehr als den Flaneur, der sich auf die Ruhe im Tiergarten freute, es aber lächelnd zur Kenntnis nahm. Von der heute John Forster Dulles Allee, die früher noch ihrer alten Nutzung entsprechend In den Zelten hieß und die vor der Revolution von 1848 eine gewichtige Rolle spielte, bog ich wieder in den Tiergarten ein und genoss neben dem umgebenden dort Grün zwischendurch schöne Blicke auf Schloss Bellevue, das heutige Bundespräsidialamt, das an einigen Wegachsen des Tiergartens durch die Bäume sichtbar wurde. Kurz nach dem Neubau des Amtes überquerte ich den Spreeweg, der dort vom Großen Stern, mit der Goldelse, wie die Siegessäule in Berlin heißt, inmitten, kam und wie der Name unschwer verrät zur Spree führte. Lief grüßend am Feldmarschall Moltke Denkmal vorbei, überquerte den Altonaer Weg und folgte dann im Tiergarten parallel dem 17. Juni bis zum Ende des Tiergartens, durchschritt das Tor nach Charlottenburg und bog direkt danach rechts auf das Einsteinufer ab, jenen Weg, der zunächst den Landwehrkanal entlang und später am Zusammenfluss der Spree folgend, bis zum Schloss Charlottenburg führt, auch wenn ab der Mündung in die Spree, die parallele Straße nicht mehr so heißt, wechselnde Namen führt, ist es doch für den Flaneur ein gleicher immer weiterführender Weg am Ufer bis in den Garten des Schlosses Charlottenburg, den ich in der Erinnerung immer als Ganzes das Einsteinufer nannte, bis mich Google eines besseren belehrte. Wer schaut schon auf Straßennamen oben, wenn er unten die Spree hat und im Ohr die Liebste?
Als ich dort ankam war die Sonne leider bereits verschwunden aber der Park zum Glück noch geöffnet. Das Schloss wie Schinkels Neuer Pavillon waren angestrahlt und boten so genug Gelegenheit zu schönen Bildern, in denen sogar die zauberhafte herbstliche Färbung sichtbar wurde. Das Schloss oder der ursprünglich Landsitz von Sophie Charlotte von Hannover, der Gattin von König Friedrich I sind Namensgeber des späteren Ortsteils von Berlin geworden. Nachdem Sophie Charlotte ihrem Gatten, dem damals noch Kurfürsten von Brandenburg, ihren Landsitz Caputh zurückgegeben hatte, schenkte er ihr 1695 das Dorf Lietze oder Lützow, etwa 7 km vor Berlin mit einem Grundstück.
Noch im gleichen Jahr beauftragte Sophie Charlotte den kurfürstlich brandenburgischen Baumeister Nering mit der Planung einer Sommerresidenz. Als dieser wenige Monate darauf starb übernahm Martin Grünberg die Ausführung. Der erste Bau war noch relativ bescheiden und umfasste nur den mittleren Teil. Außerdem aber wurde, der großen Opernliebe der Königin wegen noch ein kleines Opernhaus errichtet, aus dem später ein Museum wurde, dort war die Vor- und Frühgeschichte wie der sagenhafte Goldhelm zu sehen, bis die Sammlung nach der Restaurierung ins Neue Museum auf die Museumsinsel umzog und das künftig vermutlich zum Hohenzollernmuseum wird, das vor dem Krieg noch im Schloss Monbijou untergebracht war,was aber ja leider in der Schlacht um Berlin verloren ging, wie so vieles hier.
Von der Oper rührt auch der erste Spitzname des Schlosses her, dass auch Charlottes Musenhof genannt wurde. Die hochmusikalische spätere Königin hatte viele Künstler nach Berlin geholt und eine Menge für die kulturelle Entwicklung der märkischen Provinzstadt getan. Am 11. Juni 1699 wurde das kleine Schloss eingeweiht und seither von Sophie Charlotte als Residenz genutzt. Es hieß zunächst nach dem benachbarten Dorf die Lietzenburg oder Lützenburg.
Da Architekt Grünberg von seinem Amt 1698/99 zurücktrat, hat vermutlich der spätere Schlossbaumeister Andrea Schlüter die Ausführung und Erweiterung übernommen. Als Friedrich I. sich schließlich 1701 in Königsberg selbst zum König in Preußen krönte und Sophie Charlotte zur Königin wurde Eosander von Göthe der nächste Architekt des Königspaares, die nicht mehr nur Kurfürsten waren. Er erweiterte das Schloss bis zu den Hofgebäuden und ließ sie mit dem Schloss verbinden, so dass der Bau imposanter, eben königlicher wirkte. Dabei war Friedrich in Brandenburg weiterhin nur Kurfürst, denn König wurde er nur in Preußen, also dem Teil des ehemaligen Deutschordenslandes, der den Hohenzollern nach der Auflösung des Ordens im Wege der Erbschaft zufiel, also in Ostpreußen und damit außerhalb des Deutschen Reiches eigentlich, in dem es nur einen König gab, den von Böhmen und einen gewählten Kaiser, der über viele Jahrhunderte auch mit dem böhmischen König identisch war im Hause Habsburg, die Winterkönigsausnahme und die Wahl des Bayern nach Maria Theresias Krönung mal eben ignoriert.
Viel später erst, nachdem sein Enkel, Friedrich der Große, sich Polen das erste mal mit Zarin Katharina und Maria Theresia teilte und es eine Landverbindung zwischen der Mark und Ostpreußen gab, nannten sich die Könige in Preußen auch Könige von Preußen, sogar nachdem die Wiedererrichtung Polens auf dem Wiener Kongreß, das sogenannte Kongesspolen, die Landbrücke längst wieder gekappt hatte. Einmal Könige von Preußen blieben sie es und plötzlich waren die Berliner Preußen und gaben sich preußisch, auch wenn die stolzen Märker früher eher nichts mit den östlichen Pruzzen am Hut hatten, die nicht zum Reich gehörten und sie die gleichen schlechtgelaunten märkischen Großmäuler blieben wie vorher auch, taten sie nun so als seien sie Preußen.
Am 1. Februar 1705 starb dann die schöne kulturbeflissene Königin Sophie Charlotte und der König nahm das zum Anlass das Schloss und die angrenzende Siedlung in Charlottenburg umzubenennen, statt dem ursprünglich namensgebenden Lietzensee. Auch jetzt beauftragte er Göthe mit dem weiteren Ausbau des Schlosses, wie der imposanten Schlosskuppel ab 1709. Außerdem wurde der Bau auf der Westseite noch um eine große Orangerie und eine Kapelle erweitert, erstere diente der Überwinterung der über 500 Zitronen-, Pomeranzen und Apfelsinenbäume aus dem Barockgarten, letztere vermutlich dem Aberglauben, der die Herrschaft von Gottes Gnaden auch rechtfertigte, welchen Hokuspokus auch immer andere dort betrieben.
Eine typisch berlinerische Anekdote zu dem Barockgarten, der nach dem Krieg wiederhergestellt wurde, allerdings vom Original abweichen in einer etwas anderen Form, ist, dass inzwischen dieser aus damals Sparsamkeitsgründen so errichtete Garten heute selbständig unter Denkmalschutz steht und eine Wiederherstellung des Originalzustandes so verhindert, womit wir uns nun weiter mit einem etwas fragwürdigen Gartendenkmal aus den 50er Jahren herumschlagen müssen, weil auch nicht ganz gelungenes so historisch werden kann, dass es Schutz genießt. Da denke ich nur, wie gut, dass der aufgrund Asbestbelastung völlig entkernte Palast der Republik schon abgerissen ist für das Humboldt Forum genannte Schloss und nicht der Denkmalschutz das Grauen erhielt. Aber vermutlich gilt auch der völlig deplatzierte und verunglückte Berliner Dom längst als geschützt, statt, dass er endlich wie schon von den Zeitgenossen seiner Errichtung Hessel und Kessler gewünscht, abgerissen würde als wilhelminische Peinlichkeit um den bewahrungswürdigen Zustand zu Schinkels Zeit wieder herzustellen. Wer schützt die Schönheit vor solchen Beschützern?
Aber der wunderbare Garten, an dem viele große Gärtner wie auch Lenné noch wirkten in seiner Weite wird durch diesen Ausrutscher an der Rückfront des Schlosses nur wenig beeinträchtigt, auch wenn dieser nicht viel schöner wird dadurch. Die nur gestutzte Natur bleibt eben fragwürdig.
Unter dem Soldatenkönig, nach dem Tod Friedrichs I. 1713, fristete das Lustschloss ein Schattendasein. Den interessierten bekanntlich seine Langen Kerls mehr als jede Kultur, von der er ohnehin nichts verstand. Doch seine Sparsamkeit andererseits führte zumindest dazu, dass der Bestand erhalten wurde. Das Opernhaus jedoch, mit dem er nun gar nichts anfangen konnte, schenkte Friedrich Wilhelm I. seinen Bürgern, auf dass sie eine Schule daraus bauen sollten, ein zumindest ehrenwerter Zweck, wenn auch typisch. Er nutzte den schönen Bau jedoch zu repräsentativen Zwecken. So etwa zur Unterzeichung des Charlottenburger Vertrages mit dem englischen König Georg I., über den Preußen in den Besitz der Grafschaft Jülich-Kleve gelangte und für das Fest als sein Nachbar August der Starke von Sachsen ihm 1728 einen Gegenbesuch abstattete. Berühmter aber ist der vorige erste Besuch auch deshalb, weil Gerüchten zufolge er dort eine seiner Geliebten vor den Augen des jungen Kronprinzen Friedrich nackt auf einem Diwan präsentierte, was den Knaben angeblich genug reizte, sich auf eine wilde Nacht mit ihr einzulassen, auch wenn sein prüder Vater ihm sofort die Augen zugehalten haben soll. Es gibt Vermutungen,
dass Friedrich, der später der Große wurde, sich dort die Syphilis holte und die folgende Quecksilberbehandlung zu einer dauerhaften Impotenz führte, was zumindest erklärte, warum er auch in seiner Rheinsberger Zeit kinderlos blieb, als er seine ihm aufgezwungene Gattin Elisabeth Christine noch relativ häufig auch mal nächtens besuchte.
Ob Friedrich nun schwul oder ein bisschen bi war, weiß ich nicht zu beantworten, spielt aber für die Betrachtung des Schlosses Charlottenburg keine Rolle. Ob er darum so viele Kriege führte am Anfang oder nur, weil er es konnte, da sein Vater ihm volle Kassen hinterließ, bleibt offen. Friedrich II. jedenfalls machte sofort nach dem Tod seines Vaters 1740 Charlottenburg zu seiner Residenz, da er das Berliner Schloss ohnehin nicht ausstehen konnte und er dies seiner Frau gemeinsam mit dem in Pankow quasi allein überließ. Er hielt im Schloss die Tempelarbeiten seiner Freimaurerloge ab, aus der die Großloge ‘Zu den drei Weltkugeln’ entstand, die es als eine Splittergruppe der eher konservativen und überalterten deutschen Freimaurerei bis heute besteht. Der Ort, an dem noch der Geist seiner schöngeistigen Großmutter Sophie Charlotte wehte, die er nie kennenlernte, zog ihn magisch an.
Friedrich ließ nun das Schloss durch seinen Baumeister Knobelsdorff seinen Bedürfnissen entsprechend im Stil des Rokoko, der auch seine spätere Sommerresidenz Sanssouci prägte, erweitern und umbauen. Dabei entstand statt der eigentlich geplanten östlichen Orangerie nun der Neue Flügel. Jedoch war das Charlottenburger Glück mit Friedrich von kurzer Dauer. So begann er bald das Stadtschloss Potsdam umzubauen und sein Lustschloss Sanssouci zu errichten und ab da wurde Schloss Charlottenburg im damals noch Vorort Berlins, Teil Großberlins wurde es erst 1920, nur noch für Familienfeste genutzt.
Was ich heute von dem schönen Schloss sah, auch wenn es diesmal außen blieb, erhielt seine Form mit dem Schlosstheater am Ende des westlichen Flügels und der kleinen Orangerie von Langhans unter dem Dicken, wie die Berliner den Neffen Friedrichs II., Friedrich Wilhelm II., liebevoll spöttisch nennen. Dieser kunstsinnige Monarch, der seiner Liebhaberinnen und Nebenfrauen und geringer militärischer Leistunge in Preußen eher verspottet wurde, auch seiner fülligen Figur wegen, hat vermutlich mehr für die Kulturgeschichte Berlins getan als sein so berühmter Onkel, der Berlin eher nichts ausstehen konnte. Dies auch unter Berücksichtigung der Friedrichstadt und des Neuen Palais in Potsdam, jenem etwas groß geratenen Protzpalast, der die ökonomische Krise nach dem Siebenjährigen Krieg überwinden half und vom Bauherren selbst völlig ignoriert wurde.
Das Theater in Charlottenburg wurde zu einem Spielort für deutsche Literatur, die sein Onkel Fritz noch so sehr vernachlässigte, weil er in der Kunst nur das Französische zu schätzen wusste. Damit wurde es zu einem bedeutenden Ort auch in der deutschen Literaturgeschichte. Ab 1795 gab es sogar freie Karten für Bürgerliche. Der Dicke ließ sich im 1. Stock des Schlosses eine Winterwohnung und im Erdgeschoss mit der Terrasse zum Garten einen Sommerwohnsitz einbauen, was die Entfernungen des Umzugs überschaubar machten.
Eine wichtige Rolle bei der kulturellen Entwicklung Charlottenburgs und Preußens, zumindest Berlins spielte Wilhelmine Enke, die Geliebte des Königs, die schon sein Onkel Fritz toleriert hatte und die der Dicke später zur Gräfin Lichtenau machte: Sie hatte ein Palais neben Schloss Charlottenburg und Unter den Linden. Manche nennen sie die preußische Pompadour - doch wird ihr Einfluss auf den König weniger groß gewesen sein als jener der Pompadour auf Ludwig XV., zumal sie sich offiziell überhaupt nicht für Politik interessierte, während die Pompadour zu einer der wichtigsten Unterstützerinnen der Enzyklopädisten am französischen Hof wurde und damit den Kern der späteren Revolution zu säen half, zumindest bewusst die Freiheit des Wortes unterstützte gegen die Kirche. Die Enke oder Gräfin Lichtenau hatte dafür fünf Kinder mit dem König, von der allerdings nur eine Tochter die Kindheit überlebte. Besonders tragisch für den König war der Tod des Sohnes, des sogenannten Grafen von der Mark, was bei einer nur Geliebten zumindest nicht dagegen spricht, dass sie Spaß daran hatten. Tragisch dagegen war ihr weiteres Schicksal nach dem Tode ihres Mannes. Es wurde nicht ihr kultureller Einfluss gewürdigt sondern ihr ein Verfahren gemacht und das Vermögen beschlagnahmt, so dass diese kluge und kulturell einflussreiche große Frau eine längere Zeit aus der Erinnerung vertrieben wurde - die beiden Söhne Luises, erst Friedrich Wilhelm IV. und dann Wilhelm II. regierten bis 1888 und würdigten die Enke nicht. Die Spuren ihres Einflusses sind bis heute auch im Schlossgarten Charlottenburg sichtbar und werden zum Glück nicht mehr verschwiegen und so ist ein Teil des adeligen Glanzes in Charlottenburg doch der kunstsinnigen einer bürgerlichen zu verdanken. Wilhelmines Vater war Tambour in einem Regiment des Alten Fritz gewesen.
Sein Sohn, Friedrich Wilhelm III., Könige gehen ja immer gern in Serie irgendwie, wohnte mit seiner Gattin, der besonders später berühmten und verklärten Königin Luise, die ich allerdings für ein überschätztes Opferlamm halte, und den Kindern in Charlottenburg. Nach der Rückkehr aus Königsberg 1810, wohin sie vor Napoleon geflohen waren, wurde nur Luises Schlafzimmer nach Entwürfen von Schinkel neu gestaltet. Da sie noch im selben Jahr starb, hatte sie nicht mehr viel davon.
Nach 14 Trauerjahren heiratete der im Gegensatz zu seinem Vater hochmoralische Friedrich Wilhelm III. nochmal - diesmal war es die eigentlich nicht standesgemäße Gräfin Auguste von Harrach, die er in der Kur in Böhmen kennenlernte, sein südlicher Kurschatten also nach der blonden aus Mecklenburg-Streelitz, die so schön hessisch schwätzte, da Luise bei ihrer Großmutter in Darmstadt aufwuchs. Zwar waren die Vorfahren von Auguste irgendwie Reichsgrafen aber da nicht regierend, genügte dies dem strengen preußischen Hausgesetz eigentlich nicht, warum die Ehe als morganatisch betrachtet wurde von offizieller Seite. Er ließ das gelten, da an eine Luise ohnehin nichts heranreiche. Frage nicht wie Auguste sich dabei gefühlt haben mag als katholische Österreicherin im protestantischen Berlin.
Dafür kam die Gräfin Harras und damit die Nachwelt in den Genuss des Neuen Palais, das FW III. für seine morganatische Ehefrau und sich im Garten noch östlichen des Neuen Flügels von Schinkel im Stile einer schlichten italienischn Villa errichten ließ. Der streng symmetrische weiße Kubus, typisch Schinkel und sein moderner Geist, dessen Fassade lediglich durch eine Säulenloggia und dunkelgrüne Femsterläden aufgelockert wurden, ist bis heute von klassischer Schönheit neben dem bloß barocken Schloss.. Auch bei der Innenarchitektur verwirkliche Schinkel seinen äußerst schlichten typischen Stil, der Preußen berühmt machte.
Die Gräfin Harras musste auch mit dem pompös romantischen Mausoleum im SchlossparK für ihre Vorgängerin, die preußische Heilige Luise, leben. Dies durch eine Tannenallee vom Park separierte Grabmal, in dem später auch FW III. beerdigt wurde, neben seiner Luise, während ihr nur ein Platz ohne Namen am Rand zugestand, steht für tief dunkle Romantik, die keiner mehr schön finden muss, ist aber vielleicht dem trauernden Witwer nachzusehen, der leider König war und die Möglichkeit seiner Frau ein Monument für die Ewigkeit zu schaffen, aber keinen Geschmack oder Stil hatte wie ihn Großmogul Shah Jahan bewies, als er das wunderbare Taj Mahal für seine verstorbene Liebste bauen ließ. Der so deutsche Piefke noch dazu im Geist der Romantik gefangen, trauerte düster, statt die Königin seines Herzens durch Schönheit noch zu erheben aber es ist ja auch nur Charlottenburg und nicht Indien, dieser Stadtteil in dem viele gern mehr wären als sie je sein werden und darauf auch noch stolz sind mit der schon von Fontane frech belächelten märkischen Dreistigkeit, die sich gerne selbst lobt, die nur noch von der peinlichen Hamburger Selbstliebe übertroffen wird, die so gar nicht hanseatisch sondern schlicht gewöhnlich bleibt - vielleicht ein Preis zu langer SPD Regierung die vornehme Zurückhaltung, wie sie alte Bremer Familien noch schätzten, nicht mehr kennt, für die noch Schmidt und von Dohnany standen, aber das ist alles längst Geschichte.
Unter Friedrich Wilhelm IV., dem Sohn der als Toter zur besonderen Kultfigur in Preußen gewordenen Königin Luise, wurden die Wohnräume im Stil des Spätklassizismus und Neorokoko umgestaltet, was zumindest von außen zum Glück unsichtbar blieb. Nach seinem Tod nutzte noch seine bayerische Witwe Elisabeth einige Zeit die Räume.
Der letzte Nutzer war für ganz kurze Zeit der 99 Tage Kaiser Friedrich III., der lange warten musste, bis sein Vater, der andere Sohn von Königin Luise, Wilhelm I., der erbte weil sein Bruder kinderlos blieb, 1888 endlich starb. Er zog dann jedoch bald zum Sterben ins Neue Palais nach Potsdam umzog, was nicht unbedingt schöner aber zumindest viel größer ist.
Ab diesem Zeitpunkt war Schloss Charlottenburg nur noch ein Museum und blieb es bis heute. Wilhelm II., der ohnehin keinen Geschmack hatte und eine der gräßlichsten deutschen Bauepochen mit seinem Namen prägte, wusste das Kleinod an der Spree nicht zu schätzen, protzte lieber im Stadtschloss mit neuer Kuppel und ähnlichen Geschmacklosigkeiten oder im Neuen Palais auch, dem Trotzbau Friedrichs nach dem Siebenjährigen Krieg, errichtet nach dem Motto, Hurra wir leben noch, den der feinsinnige Friedrich nie bewohnte oder betrat.
Das berühmte Bernsteinzimmer, das nach dem 2. Weltkrieg auf ominösen Wegen verschwand, war ursprünglich auch für Schloss Charlottenburg bestimmt. Jedoch wurde dieses auch als achtes Weltwunder bezeichnete Kabinett, das noch Schlüter entwarf, vom Soldatenkönig, der wenig Sinn für extravagante Kunst hatte, an den Zaren Peter den Großen verschenkt.
Gegenüber dem Museum, das ich nach einem kleinen Picknick bei Brot und Tee am See im Dunkeln noch umrundete befinden sich in den beiden Stüler Bauten, die zum Schlossensemble gehören, zwei der schönsten Kunstsammlungen Berlin. Das Museum Berggruen, mit der Sammlung des aus Berlin stammenden Kunsthändlers Heinz Berggruen, als wunderbare Kollektion der klassischen Moderne um Klee und Picasso und gegenüber die Sammlung Scharf-Gerstenberg, die sich bis in die Moderne hinein mehr auf den surrealen Bereich konzentrierte und so eine prächtige Ergänzung der Sammlung Berggruen ist. Die beiden Häuser, über die ich an anderer Stelle ja schon einiges erzählte, auch von der letzten Begegnung mit Heinz Berggruen und seinen Geschichten im Vorübergehen, zwischen Bildern und Leben, sind eine wunderbare Ergänzung des etwas gravitätischen Schlosses Charlottenburg, das natürlich nett ist, aber eben eine alte Eichengalerie als Ausweis seiner Schönheit hat, was viel über tumbes deutsches Kunstverständnis und wenig über Eleganz verrät, die in dem zauberhaften Garten teilweise durch geniale Sichtachsen Wirklichkeit wird. Doch Berlin hat nun eben zwei geniale Sammlungen dem etwas bescheideneren Kunstgeschmack seines Herrscherhauses gegenübergestellt und das ist auch gut so und typisch für diese Stadt, die nicht immer alles falsch macht.
In dem schönen Schlossgarten befindet sich auch noch das zauberhafte Teehaus Belvedere, das 1788 von Langhans gebaut wurde, der auch das gotische Angelhaus an der Spree errichtete, das sich jedoch als zu anfällig erwies und 1884 mit dem Korbhaus abgerissen werden musste.
Der Schlossgarten ist immer noch das Naherholungsgebiet der Anwohner, die sich gegen Pläne der Schlösserverwaltung wehren, ein Eintrittsgeld zu erheben, was zu erbitterten Streitigkeiten führt, wie die Potsdamer für die Gärten um Sanssouci und Neues Palais gerade bewiesen und natürlich eine Bürgerinitiative gründen ließ.
Ob in Schlösser und Museen nicht ohnehin immer freier Eintritt gewährt werden sollte, ist sehr wohl die Frage, die der Gründungsdirektor des Humboldtforums Neil McGregor, der vom British Museum nach Berlin kam, aus guten Gründen stellte und die nun zu diskutieren sein wird. Wird mehr geschätzt, für was wir bezahlen oder macht es eine Demokratie aus, ihren Bürgern Bildung und Kultur möglichst kostenlos zur Verfügung zu stellen, was angesichts teurer englischer Universitäten und Schulen schon sehr fragwürdig erscheint?
Zurück folgte ich wieder der Spree durch die inzwischen Dunkelheit am Ufer entlang, das ab dem Landwehrkanal nach dem berühmten auch Berliner Physiker Einstein hieß, den die in vieler Hinsicht dumm primitiven Nazis als Juden vergraulten. Durch das Charlottenburger Tor wieder in den Tiergarten, am Großen Stern in Richtung Schloss Bellevue, vor dem ich dann nach rechts Richtung Reichstag abbog, wie ich gekommen war, wollte ich zurück, entschied mich jedoch an dem Schwangere Auster genannten Haus der Kulturen der Welt für einen kleinen Umweg und folgte ab hier der Spree, am Kanzleramt entlang, unter der Moltkebrücke hindurch, gegenüber dem Bahnhof weiter, bis zum Kindergarten des Bundestages, auf dessen Höhe ich die Spree Richtung Reinhardtstraße überquerte - in Richtung Charité, wie passend, ließ ich mich noch beinahe von einem Berliner Bus überfahren, entkam aber gerade noch durch einen etwas ungeplanten Salto - auch datt ist Berlin, besonders das danach der Busfahrer ausstieg und mich anschnauzte, was mir denn einfiele, er hätte schließlich Fahrgäste im Bus, die hätten fallen können, statt zu fragen, wie es mir ginge, der tatsächlich gefallen war. Das musste lieben oder drüber lachen, wenn du in Berlin glücklich werden willst, denke ich manchmal. Hätte er mich erwischt, dächte er vermutlich, was looft der Kerl auch da, wo ich fahren will.
Humpelte mit dem Trost der besorgten Liebsten im Ohr weiter gen Prenzlauer Berg durch Mitte und kam über Linienstraße, Choriner Straße und Kollwitzstraße schließlich nach 28 km wieder zum heimatlichen Helmholtzplatz, reich an Eindrücken vom königlichen Charlottenburg und seiner manchmal sogar spannenden Geschichte, was heute fast unglaublich scheint beim Blick gen Westen, in der sich die Geschichte des königlichen Preußens wiederspiegelt.
jens tuengerthal 17./18.10.2017
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