Mittwoch, 4. Oktober 2017

Interregnum

Was passiert in der Zeit dazwischen?

Gerade wurde der Physik Nobelpreis für den Nachweis von Gravitationswellen vergeben, mit denen Spuren des Urknalls oder der natürlich logisch existenten Energie davor nachgewiesen werden können, weil von nichts, nichts kommt. Sie gehen auf Einstein zurück, der sie als mit Lichtgeschwindigkeit sich bewegende Spuren aller Materie im Raum vermutete.

Es geht dabei auch um Raumzeit. Die Zeit krümmt den Raum heißt, der Raum verändert sich mit der Zeit, ist uns verständlich und kennen wir, mit der Zeit verändern sich die Dinge eben. Wo der Raum die Zeit krümmt, kann dies je nach Geschwindigkeit aber seltsame Folgen haben. Wir altern bei einem bestimmten Tempo weniger schnell auf atomarer Ebene, was in Zerfallsprozessen nachweisbar ist.

Nehmen wir noch den Welle-Teilchen-Dualismus auf subatomarer Ebene hinzu, wird die Frage, was bin ich eigentlich, nie wirklich zu beantworten sein, außer mit einem entschiedenen, es kommt drauf an. Die für viele Menschen dank gezüchteter Illusionen vermeintlich so wichtige Sinnfrage, wäre für eine unklare Existenz noch weniger zu beantworten und stürzte viele so vermutlich in eine existenzielle Krise, wenn sie sich der Tragweite für unsere einzig reale Existenz bewusst wären. Es ist unklar, was wir wann sind. Auf die Frage nach dem Warum gibt es keine Antwort und braucht es keine.

Wir sind, mehr wissen wir nicht. Dies können wir so sehr wie möglich genießen, mehr ist nicht. Was wir wann sind, ist so ungewiss wie aller Sinn in einem einfach natürlichem Universum. Was ist, ist, mehr wird es nicht. Dies können wir genießen oder nicht und zwischen Geburt und Tod sind wir. Eigentlich zwischen Zeugung und Tod doch um die darauf folgende komplexe ethische Diskussion möchte ich mich an dieser Stelle einfach mal  drücken, weil es ja um etwas ganz anderes geht.

Das Interregnum ist die Zeit zwischen zwei Regierungen. Es gibt historisch berühmte, wie das nach dem Tod des letzten großen Staufers Friedrichs II., der das Staunen der Welt noch genannt wurde,und der Kaiserkrönung Rudolfs von Habsburg, der eine lange Dynastie des Hauses Habsburg begründete, die bis zum Untergang des Reiches 1806 nur noch selten unterbrochen wurde oder jene im römischen Reich gegen Ende.

Gerade erleben wir mal wieder eine solche Zeit, weil die alte Bundesregierung nur noch ihr Amt verwaltet, bis die neue vom Bundestag gewählt wurde. Merkel wird vorher und nachher Kanzlerin sein, wenn nicht etwas völlig unerwartetes geschieht. Bis dahin führen Parteien Gespräche darüber, wer welche Macht bekommt. Dies ist der normale Ablauf nach einer Wahl, diesmal noch ein wenig gestört weil eine Partei ganz schnell die Zusammenarbeit verweigerte und alle sich einig waren mit einer anderen nie zusammenarbeiten zu wollen. Ob die Parier-Partei Partner sein will oder genau das nie, weil ihre Aufgabe nur im gut bezahlten Mäkeln besteht und die andere sich verweigernde Partei die Demokratie genausowenig verstand, wird nicht diskutiert, wie alle Gespräche bisher nicht weiter ernst zu nehmen sind, da es noch die Zeit des Interregnums vor der Landtagswahl in Niedersachsen ist.

Nach Stimmen und Vertrauensverlust des regierenden Ministerpräsidenten hatte dessen Koalition die bloß einstimmige Mehrheit im Landtag verloren und musste sich also der Vertrauensfrage und infolge Neuwahlen stellen. Effektiv und sinnvoll wäre gewesen, diese mit der Bundestagswahl zusammenzulegen. Tatsächlich wurde die Niedersachsen-Wahl um drei Wochen verschoben, weil sich der Amtierende dann bessere Chancen versprach, auch wenn dies über den Willen des Verfassungsgerichts gut getarnt wurde.

Bis diese Wahl vorbei ist, geht der Wahlkampf in Niedersachsen weiter wie zuvor und können in Berlin keine vernünftigen Verhandlungen geführt werden, damit sich keiner vorab etwas vergibt. Eine Zeitverschwendung von 3 Wochen, in denen logisch nichts geschieht als Schattengefechte, kein Parteivoritzender zurücktritt, keiner schmerzhafte Entscheidungen einer Koalition verkündet, um bloß das eigene Klientel nicht zu verprellen.

Zustandegekommen durch den fliegenden Wechsel einer Grünen, die von ihrer Partei und deren linken Flügel persönlich frustriert, zur CDU ging und damit die Mehrheitsverhältnisse entscheidend verschob, zeigt sich plötzlich zu stark die Macht des Bürgers und die Freiheit des Mandats. Stärker als erwünscht, weil es den geordneten Ablauf stört

Es gibt Gründe dafür, die Wahl in Niedersachsen von der Bundestagswahl zu trennen, damit die Wähler bewusst entscheiden, die Dinge nicht vermengt werden und anderes mehr. Rechtlich halten diese Gründe mit Sicherheit einer Überprüfung stand, auch wenn sie faktisch nur der politischen Taktik eines bis dahin unterlegenen Ministerpräsidenten dienen, der sich nach den Wahlen noch einen Aufschwung erhoffte, weil er mit Recht glaubte, tiefer als mit Schulz könne die SPD nicht fallen, es kann also nur noch aufwärts gehen.

Umgekehrt profitiert Merkel noch nicht von der letzten Wahl, weil sie sich aufgrund der anstehenden Wahl noch sehr bedeckt halten muss, während ein mehr als angeschlagener SPD Vorsitzender noch einmal alles ins letzte Gefecht werfen kann.

Wir sind in einer Zeit, in der politisch nichts entschieden wird, alle mehr oder weniger abwarten, bis es wieder an die pragmatische Arbeit des Regierens geht. Das Leben läuft jeden Tag weiter, auch wenn noch keiner weiß, wie künftig regiert wird. Gesetze treten fristgemäß in Kraft wie das jüngste zur Ehe für Schwule. So läuft das Leben halt weiter, auch wenn noch keiner weiß, wie es wo endet. Die Bundesregierung ist nur der austauschbare Kopf einer riesigen Verwaltung, die ihre Arbeit unabhängig von Wahlen einfach erledigt, wie es Vorschrift ist.

Da wir die Zeit nicht anhalten können, die Beschleunigung auf Lichtgeschwindigkeit oder gar darüber kein Mensch übersteht, läuft die Arbeit in den Ämtern auch weiter, völlig unabhängig davon, wer ihnen eines Tages vielleicht vorstehen will. Ob es darum nahe liegt im effektiv verwalteten Interregnum zu fragen, wozu wir überhaupt noch eine Regierung brauchen, fragt der überzeugte Demokrat lieber nicht - die höheren Beamten raunen es ohnehin immer und so mancher Ministerialrat denkt, ihm sei doch egal, wer unter ihm Minister ist, er hat schließlich seinen Job auf Lebenszeit.

Die Gewaltenteilung hebt sich in der Zeit dazwischen ein wenig auf, weil ja immer alles funktionieren muss. Ob das gut oder schlecht ist, weiß ich nicht zu sagen, will ich zumindest an dieser Stelle nicht bewerten. Wie es einleitend um Gravitationswellen noch ging, die einfach immer da sind, auch wenn wir sie nur unter besonderen Umständen messen oder wahrnehmen können, zeigt sich auch beim Interregnum, dass alles relativ ist. Eine gute und effektive Verwaltung sorgt für einen gesunden Staat. Dieser funktioniert im Rechtsstaat auch mal ohne Regierung oder ist es vielleicht umgekehrt, stören Regierungen nur die Verwaltung bei ihrer Arbeit?

Das Interregnum stellt Fragen, die wir aus Gewohnheit selten stellen. In der Zeit dazwischen geht alles weiter wie immer. Ausgetauscht werden nur irgendwann die Köpfe, was die Verwaltung selten wirklich stört, den gleichmäßigen Ablauf nicht beeinflussen darf. Was bleibt und was wechselt, wer entscheidet am Ende, was wirklich im Land passiert? Wäre ein Interregnum auf Dauer effektiver als viele populistische Debatten?

jens tuengerthal 4.10.2017

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