Dienstag, 24. Oktober 2017

Motivator

Wenn Du ein Schiff bauen willst,dann rufe nicht die Menschen zusammen,um Holz zu sammeln,Aufgaben zu verteilen und die Arbeit einzuteilen,sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem großen, weiten Meer.

Antoine de Saint-Exupéry (1900-44), frz. Flieger u. Schriftsteller

Motivation ist der Schlüssel zum Erreichen aller Ziele. Wer etwas wirklich will, wird es schaffen, sofern es technisch oder menschenmöglich ist und ihn der Mut nicht verlässt.

Die Grenzen des Möglichen sind eine der stärksten Bremsen der Motivation, warum obiges Zitat von Saint Ex so wichtig wie richtig scheint. Wer sich mit Grenzen nur beschäftigt, wird eher an ihnen scheitern, als diejenigen, die über sie hinaus schauen und sich Ziele in der Ferne suchen, weil ihnen dann die Grenze im Verhältnis zum Ziel klein erscheint, während sonst diese alles überragt und jede Bewegung lähmt.

Binsenweisheiten, die heute jeder Student kennt und die wir doch in der Panik des Moments gerne wieder vergessen, um uns voller Hysterie auf die Lösung kleiner Probleme zu stürzen, die alle Energie auffressen, die wir besser nutzten, um über sie hinaus zu denken.

Vom Schiffbau verstehe ich nichts, so wenig wie ich ein solch schwankendes Ungetüm freiwillig je betreten würde, wenn ich nicht müsste. Aber von der Sehnsucht und dem Wunsch ein Ziel zu erreichen, auch wenn diese für mich nicht in der Ferne liegen müssen, da mir eher das Gute nahe liegt, verstehe ich was, denke ich.

Wenn die Menschen erstmal sehnsüchtig sind, wie es Saint Ex so schön beschreibt, wird sich alles andere von allein ergeben und organisieren, behauptet der Flieger, der irgendwann im Krieg verloren ging über dem Mittelmeer und da nutzte ihm alle Sehnsucht und aller Pathos nicht, er ist schlicht ersoffen.

Ihm hat es also nichts genutzt, er starb einfach trotzdem im Krieg wie so viele vor und nach ihm, der Autor so vieler wunderbarer Bücher von denen der Kleine Prinz noch das schlechteste und langweiligste ist, auch wenn der ja wirklich ganz nett ist aber Flug nach Arras, Südkurier oder Durst haben doch ein ganz anderes Kaliber und sollten eher zum Lesen motivieren als der zu viel und zu kitschig ausgeschlachtete Kleine Prinz, der auch als Kinderbuch heute nicht mehr viel taugt und mehr Erwachsene begeistert, die nirgendwo ganz ankamen.

Aber, ich will hier keine Literatur Rezension über gute und schlechte Bücher schreiben und das zu wenige echte Klasse lesen, weil sie sich zu lang bei schlechter Masse aufhalten, die eigentlich nur verblödet. Wer sich dabei wohl fühlt, soll es doch bitte weiter genießen - was sonst brauchen wir als Genuss?

Oder sage ich das nur, um länger und weiter ungestört zu genießen, während sich tumbe Toren im Schatten grauenvoller Bücher fern von hier amüsieren?

Was immer meine Motivation nun sein mag, sie schwankt ein wenig zwischen dem Aufklärer, der auch den Ehrgeiz der anderen durch eine gewisse Herablassung anstacheln will und der Resignation des erfahrenen Lesers, der einfach seine Ruhe haben will und sich nicht mit bedrucktem Restmüll beschäftigen will, der dem größeren Teil der Menschheit das Paradies ist, während der eigene Elfenbeinturm nur einer kleinen gebildeten Minderheit zugänglich ist.

Bin ich motivierter dort ungestört zu bleiben oder über mich hinaus zu wachsen, mich nach allen Seiten zu öffnen, um auch der Masse eine Motivation zu geben, ihren Geist in hehre Gefilde zu bewegen, in denen die große Literatur zuhause ist?

Beides hat etwas für sich, gegen die Ruhe spricht der Geist der Aufklärung, der Wissen verbreiten und allen Menschen eine Möglichkeit der Teilhabe geben möchte, für Ruhe und Rückzug spricht das Bedürfnis, mein Leben zu genießen - bin ja auch nicht Lehrer geworden, muss niemandem etwas vermitteln.

Überhaupt, folge ich dem obersten Vordenker der Aufklärung, meinem Hausgott Immanuel Kant, ist Aufklärung immer die Befreiung aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit. Befreiung heißt, selbständig zu denken und sich von der Diktatur der Vorurteile zu befreien, denn Unmündigkeit ist eben die Unfähigkeit sich seines Verstandes ohne Hilfe anderer zu bedienen und selbstverschuldet ist diese, wenn sie nicht aus der natürlichen Blödheit sondern bloß aus der Faulheit der Betreffenden resultiert.

Weiß nicht, ob weit über 95% der Menschheit eher blöd oder eher faul ist, muss es auch nicht beurteilen. Es geht mich nichts an, weil sie sich ohnehin nur selbst befreien können, aus ihrem Aberglauben, ihrer Unfreiheit, ihren Konventionen oder was auch immer. Es geht mich alles nichts an. Befreiung ist nur eine, wenn sie frei und aus sich selbst erfolgt, alles andere ist nur eine unfreie Lenkung und ethisch wertlos, konsequent gedacht.

Zumindest kann ich mich von diesem Standpunkt aus, ohne jede weitere Sorge nun zurückziehen und der Menschheit ihre Rettung selbst überlassen wenn sie lieber den irren Geboten eines verrückten Straßenräubers aus Arabien oder dem Wahn eines abtrünnigen Rabbi folgen wollen, sollen sie das tun. Finde es zwar furchtbar und eines jeden vernünftigen Menschen unwürdig, was die großen Schulen des Aberglauben noch auf der Welt als Religionen für einen entmündigenden Unsinn predigen, der Menschen nicht befreit sondern abhängig macht - aber es ist nicht meine Aufgabe, sie zu etwas anderem zu bewegen, es würde auch nichts bringen, weil jeder selbst für sein Glück verantwortlich ist und sich dazu motivieren muss. Alles andere ist nur eine Diktatur der Moral, die, auch wenn sie gut gemeint wäre, so schlecht wird, wie jene die wir schon so lange haben und die nur zu mehr Unmoral führt, weil jedes ethische Handeln ohne inneren Willen dazu nach Kant keines ist, sondern nur hirnloser Gehorsam.

Nun könnte ich mir zwar sagen, dass der größere Teil der Menschheit ohnehin sein Leben lang nur gehorcht, nicht aus sich zum Guten motiviert ist, deren Handeln keinen Wert hat, ich sie also auch aufklärerisch zum Besseren erziehen könnte, um so den Einfluss der antiaufklärerischen Kräfte aus Kirchen und Medien entgegenzuwirken, doch wäre es gegen das Prinzip der Aufklärung, die den Menschen nur dazu motivieren kann, selbständig und kritisch zu denken. Wer antiaufklärerisch handelt, also erzieht, hilft der Aufklärung nicht weiter.

So lehne ich mich zurück, schaue mir das Theater an und lasse die Menschheit sich selbst befreien, nicht weil ich arrogant wäre, den anderen die gute Botschaft der Aufklärung zu bringen, im Gegenteil, weil es mir an Arroganz fehlt, zu glauben, Erziehung führe zu irgendetwas, wenn Menschen sich nicht selbst motivierten und ich bestimmt kein Erzieher oder Guru je sein möchte. Was weiß ich schon, dass ich meinen könnte, alles besser zu wissen?

Wozu fühle ich mich in einer Situation noch motiviert, in der ich sehe, die Menschheit arbeitet relativ konsequent an ihrem Untergang und alles, was ich sagen könnte, führt zu nichts, weil sie es selbst erkennen müssen?

Zu abstrakt gedacht?

Ganz konkret  sehe ich, ein vermutlich psychisch gestörter, jedenfalls völlig ungebildeter und nur geschäftstüchtiger Mann hält den Schlüssel für die Atomwaffen der USA in seinen Händen. Müsste ich zur Rettung der Menschheit diesen Mann nun töten, wenn ich meine, besser zu wissen, was gut und richtig für die Menschheit ist?

Auch hier neige ich, wie mein großes Vorbild Montaigne eher dazu, mich zu enthalten, mich ins Private zurückzuziehen, um das Leben zu genießen, statt den Retter der Menschheit zu spielen. Fühle mich kein bisschen motiviert dazu. Auch weil es nichts zu Vernunft und Aufklärung beitrüge, es den toten Idioten nur zu einem Märtyrer der Narren machte.

Motiviert fühle ich mich dagegen noch viele gute Bücher zu lesen, meine Frau zu lieben, mit ihr die Lust und mehr zu genießen, mich offenen Auges an den Schönheiten der Welt zu erfreuen und nicht zu überlegen, was ich tun muss, um die Welt nochmal eben zu retten oder aus Sicht anderer soll oder darf.

Zwischen Weltenretter und egoistischen Individualisten liegt eine weite Spannbreite an Handlungsmöglichkeiten aus der ich mir dann die raussuchen werden, mit der ich mich am wohlsten fühle. Die Motivation der Menschheit zur Aufklärung und dem mit ihr verbundenen freien Geist der Toleranz muss von Innen kommen, erzwingen kann ich ihn nicht.

Nehme ich Saint Ex ernst, kann ich nur eines tun, mich zurücklehnen, es mir gut gehen lassen und von meiner großen Freiheit schwärmen, in der mir keiner sagt, was ich tun soll oder was richtig wäre, weil ich, wie Max Stirner so treffend schrieb, meine Welt auf mich gestellt habe und darum allein aufgeklärt im Sinne Kants handle, was ich den unfreien Gläubigen logisch absprechen müsste.

Aber nicht mal dazu fühle ich mich berufen als schwärmender Oberlehrer. Es möge jeder nach seiner Fasson glücklich werden. Natürlich sollte Kant Pflichtstoff an den Schulen sein, denke ich - aber bringt es etwas und was machen Schüler die den Grundsatz der Aufklärung wirklich begriffen haben?

So lehne ich mich null motiviert, etwas zu ändern und voller Lust lieber das Leben zu genießen, wie ich es eben kann, zurück und denke es ist gut so. Manchmal ist weniger Motivation mehr Glück, weil sie zu genügender Gelassenheit führt. Halte es dabei für sehr gut möglich, dass so manche, die wie unaufgeklärte Idioten erscheinen könnten, das gleiche denken und es sich in sich total frei einfach gut gehen lassen. Tue nichts als darüber zu schreiben und laut zu denken, was hier genügen soll.

Es lohnt nicht, sich zu motivieren oder andere zu motivieren - wenn es nicht echt ist, taugt es nichts und alle anderen Versuche sind nur lächerliche Krücken einer eben ihrem Wesen nach beschränkten Menschheit. Das ist aber für mich kein -Grund nun depressiv zu werden - es könnte ja wirklich schlimmer kommen, solange ich gute Bücher und feinen Tee habe und es mir gut gehen lassen kann - die Wahrheit, die Motivationstrainer so gerne vermitteln, ist ohnehin die Erfindung eines Lügners - keiner kennt sie, wer es behauptet, lügt, besser wir ziehen uns dezent zurück, weiter zu genießen, was Liebe, Lust und Literatur uns zu bieten haben.

jens tuengerthal 24.10.2017

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