Mittwoch, 30. Dezember 2015

Kulturgeschichten 087

Stillstandsaufbruch

Manchmal braucht es eines Bruchs
Der Konventionen um aufzubrechen
Zu neuen Ufern auch im Krieg dann
Kann der Ungehorsam siegreich sein

Armeen aber leben vom Gehorsam
Wer sich hier widersetzt im tödlichen
Spiel des gegenseitigen Mordens ist
Eine Gefahr für das Funktionieren

Dächten die Einzelnen kritisch oder
Gar vernünftig würden sie nie einen
Anderen totschießen wollen warum
Im Krieg das Denken unerwünscht ist

Wo eine Diktatur herrscht kann der
Gehorsam keine Veränderung bringen
Es dreht sich dann die Spirale der Gewalt
Immer weiter ohne Aussicht auf Frieden

Napoleon hatte Europa unter seinem Diktat
Geeint und seine Regeln aufgezwungen
In den von ihm eroberten Gebieten längst
Was Gutes wie Schlechtes vielen brachte

Mehr Freiheit und bürgerliche Reformen
Standen gegen einen größenwahnsinnigen
Kriegsherren der auch Rußland erobern
Die Welt beherrschen wollte allein

Zu diesen Kriegen zwang er auch die Armeen
Der besiegten Nationen die sich oft erst gegen
Sein Diktat zur Nation bildeten in Deutschland
Das er besiegt noch hatte zuvor auch in Preußen

So nahm der Sieger einst die Quadriga vom
Berliner Brandenburger Tor mit nach Paris
Wo sie bis zu seiner endgültigen Niederlage
Im Jahre 1814 blieb als Blücher sie heimholte

Der Zug Napoleons gen Rußland aber war der
Anfang seines Untergangs er kam bis Moskau
Das er verlassen und brennend vorfand hatte
Der Zar sich doch gen Osten zurückgezogen

Als die Truppen schon auf dem Rückzug waren
Zu denen auch Preußen gehörten schloss
Am 30.12.1812 General Yorck von Wartenburg
Die Konvention von Tauroggen mit Russland

Dieser Waffenstillstand wurde in der Poscheruner
Mühle 3km westlich von Tauroggen unterzeichnet
Das an der russisch preußischen Grenze noch lag
War die Initialzündung erst der Befreiungskriege

Der preußische König Friedrich Wilhelm III.
Missbilligte die Eigenmächtigkeit Yorcks zunächst
Gab Befehl ihn verhaften zu lassen bis auch er
Vom Untergang der Grande Armée erfuhr

Yorck war durch den Briefwechsel mit Marquis Paulucci
Der als russischer Generalgouverneur in Kurland diente
Wie durch Briefe mit Zar Alexander vorab über die
Situation in Russland infomiert als noch keiner es ahnte

Er leitete zwar die Informationen an seinen König weiter
Doch brauchten diese von Ostpreußen bis Berlin zu lang
Ohne Antwort seines Königs verhandelte York dann
Zu Tauroggen mit Clausewitz der in russischem Dienst stand

Das Angebot des Zaren war nicht mehr die Waffen
Niederzulegen bis Preußen wieder in seinen Grenzen
Von 1806 hergestellt war sollte Preußen die Seiten
Wechseln zum Pakt mit Rußland gegen Napoleon

Als Yorck nun militärisch sich abgeschlossen fand
Sprach er sein ‘Ihr habt mich’ was die Konvention
Die Preußens Wechsel ohne König besiegelte
So entstand eigenmächtig der Wechsel

Die wichtigen Bestimmungen im Wortlaut:

Artikel 1. Das preußische Korps besetzt den Landstrich innerhalb des königlichen Territoriums längs der Grenze von Memel [...] nach Tilsit; [...] das kurische Haff schließt an der anderen Seite dieses Territorium, welches während der preußischen Besetzung als völlig neutral erklärt und betrachtet wird.
Artikel 2. In diesem in vorstehendem Artikel bezeichneten Landstrich bleibt das preußische Korps bis zu den eingehenden Befehlen Sr. Majestät des Königs von Preußen stehen, verpflichtet sich aber, wenn Höchstgedachte Se. Majestät den Zurückmarsch des Korps zur französischen Armee befehlen sollte, während eines Zeitraums von zwei Monaten, vom heutigen Tage angerechnet, nicht gegen die kaiserlich=russische Armee zu dienen.
Artikel 3. Sollten sich Se. Majestät der König von Preußen oder Se. Majestät der Kaiser von Rußland die allerhöchste Beistimmung versagen, so soll dem Korps ein freier ungehinderter Marsch auf dem kürzesten Wege, dahin wo Seine Majestät der König bestimmen, freigestellt bleiben.
Artikel 4. [Regelungen zu Eigentum des Korps und Nachschub]
Artikel 5. [Truppen und Administrationen, die sich der Konvention anschliessen wollen, stehen unter Yorcks Kommando]
Artikel 6. [Künftige preußische Gefangene werden in die Konvention mit eingeschlossen]
Artikel 7. [Das preußische Korps kann seine Verpflegung selbst regeln]

Poscherunsche Mühle. den 18./30. Dezember 1812.
Unterzeichner: von Yorck, von Diebitsch

Es schlossen sie jedoch die von beiden
Seiten unzuständigen Yorck und Diebitsch
Zogen sich damit den Ärger Pauluccis der
Beauftragt war und des preußischen Königs zu

Yorck der um seine Eigenmächtigkeit wusste
Legte seinem König brieflich seinen Kopf zu
Füßen weil er sein Handeln für geboten hielt
Überließ sich ganz königlicher Gnade 

Der König setzte Yorck ab und Kleist an seine
Stelle was jedoch dieser verweigerte sowie
Die Russen zu verhindern wussten und so ging
Die Konvention von Tauroggen ihren Weg

Die Geschichtsforschung beurteilt heute den
Angeblichen Ungehorsam Yorcks ganz anders
Er hätte vielmehr für den König gehandelt dem
Diese Reaktion diplomatisch nicht möglich war

Als die Konvention und der Seitenwewchsel
Bekannt wurden bildeten die ostpreußischen
Stände eine Landwehr und eine neue nationale
Bewegung entstand der sich viele anschlossen

Diese mündete schließlich in der Völkerschlacht
Die Napoleons Niederlage und seine Verbannung
Nach Elba zur Folge hatten Preußen wieder seine
Autonomie in alten Grenzen erringen ließ

Napoleon längst seit 18. Dezember in Paris
Erkannte sofort die Bedeutung des Seitenwechsels
Ließ daraufhin noch einmal 300.000 Mann neue
Truppen ausheben die nicht mehr halfen

Die Konvention mit ihrer doppelten Eigenmächtigkeit
Ist auch in dem damals langsamen Informationsfluss
Mitbegründet denn es wusste Berlin nicht was Moskau
Längst wusste die Zustände waren chaotisch

Wie immer wir die Konvention historisch nun 
Beurteilen als eigenmächtig oder wunschgemäß
Riskierte einer in Kenntnis der Lage mutig alles
Um für die Befreiung Preußens aufzustehen

Dass dies nach dem Wiener Kongress der
Auf die endgültige Niederlage von Waterloo folgte
Zu einem Erstarken der Reaktion führte gegen die
Nationale Volksbewegung ist eine andere Geschichte

Auch das Napoleon manchen mehr Freiheit brachte
Als die Fürstentümer und Königreiche im zuvor
Deutschen Reich das mit ihm unterging wurde
Dabei nicht berücksichtigt für diese Geschichte

Wichtig bleibt wie der Mut eines einzelnen Generals
Einen Krieg wendete und einen Alleinherrscher bis
An seine Grenzen brachte weil er der Vernunft
Hier folgte gegen den Befehl den Krieg beendete

Was wohl geschähe wenn mehr Generäle der Welt
Ihrem persönlichen Gewissen folgten statt Befehlen
Das Töten verweigerten wo es keine Perspektive
Mehr gibt um den Aufbruch zum Frieden zu wagen

Wir stehen im Krieg in Syrien wie im Irak der sich
Nach Aussagen der Militärs noch weit über ein
Jahrzehnt hinziehen wird im sinnlosen Töten
Hoffen wir auf den Mut zum Frieden einzelner

Zwar folgten auf die Konvention noch schlimmere
Schlachten bei Leipzig und später Waterloo gegen
Den kleinen genialen Korsen doch war daraus
Etwas neues entstanden als nationales Bewusstsein

Wohin uns nationales Denken führte wissen wir
Leider zur Genüge dies zu beenden trat einst
Europas Union an warum wir in Zeiten der Krise
Diese besser verteidigen sollten künftig

Auch dass sich Europa in seinen Bündnissen mit
Russland stets besser stellte als gegen dieses
Zeigt die Erfahrung und so werden wir wohl
Brücken bauen müssen zueinander wieder

Im Krieg die Seiten wechseln wirkt abstrus
Bezeugt aber die Relativität aller Fronten
Warum es klüger ist lieber zu wechseln
Statt aussichtslos nur weiter zu töten
jens tuengerthal 30.12.15
 


 

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