Samstag, 12. Dezember 2015

Frauenliebe 008

Liebesgewissen

Habe ich das Casanova-Gen meines Großvaters geerbt oder binich ein treuer liebender Mann, wie Frau es sich wünscht und es meinem Traum von Familie entsprach, fragte ich mich, als wir in der neunten auf Klassenfahrt waren. Es war eine andere Klasse von einer Realschule im Schullandheim und wir hatten zusammen eine Party gemacht - bald fanden sich Paare und es wurde getanzt und gekuschelt, manche knutschten sogar.

Hatte mich mit einer gut unterhalten, wir hatten ein wenig getanzt und ich spürte genau, wenn ich wollte, würde hier mehr passieren - aber ich hatte ja eine Freundin und das ging ja nicht, was wenn sie es ihr erzählen würden, und ein wenig beneidete ich meine freien Klassenkameraden, die sich irgendwann mit welchen von denen und unseren Mädchen auf eines der Mädchenzimmer verzogen. Sie würden vermutlich Wahrheit oder Pflicht spielen während ich noch mit der anderen redete und sich längst unsere Hände berührten, ich nur noch vor einem Kuss zurückschreckte, was denn, wenn es einer sehen würde oder galten auf Klassenfahren andere Regeln?

Meine Freundin war ja auf einer anderen Schule und wirklich befreundet war sie mit keiner aus meiner Klasse, aber schon, dass ich darüber nachdachte, hieß, ich wollte eigentlich, wenn ich könnte. Gleichzeitig wurde ich mir bewußt, auch die Lehrer konnten ja die Mutter meiner Freundin aus dem Buchladen kennen, viele kannten sie und was wäre das peinlich, dachte ich mit mehr Sorge vor der Peinlichkeit als schlechtem Gewissen. Als die Betreiber schon den Partykeller anfingen aufzuräumen, merkte ich, es war Zeit zu gehen und ich fasste mir ein Herz und fragte sie, ob wir oben weiter quatschen wollten.

Sie wollte gern und ihre Augen sagten mir klar, sie wollte nicht nur quatschen, ich übrigens auch nicht und hoffte die anderen wären noch im Mädchenzimmer zugange. Und tatsächlich, unser Zimmer war dunkel und das ließen wir auch so, setzten uns unten auf mein Bett, es war das untere von drei Stockbetten in dem Raum und ich hoffte die anderen würden noch lange weiter miteinander spielen.

Was dann geschah, weiß ich nicht mehr so ganz genau, nur geküsst haben wir uns gleich als wir im dunklen Raum endlich unbeoachtet saßen und ich fragte mich dabei, ob ich ihr erzählen musste, dass ich eigentlich Zuhause eine Freundin habe. Vermutlich habe ich es ihr erzählt, wie ich überhaupt manchmal dazu neige, Frauen viel zuviel zu erzählen, was sie gar nicht wissen wollen und worauf es in dem Moment eigentlich überhaupt nicht ankam.

Meine, sie sagte einfach, ist schon ok, ich hab ja auch einen Freund und merkt ja keiner aber vermutlich sagte sie nicht mal das - am nächsten Tag würden wir in verschiedene Himmelsrichtungen in unsere je Heimat fahren und uns dann wahrscheinlich, allen Beteuerungen zum Trotz, nie wieder sehen. Es ging nur um die Lust einer Nacht und die galt es, zu genießen, sagte ich mir und kämpfte ein wenig mit meinem schon irgendwie schlechten Gewissen, weil, was ich hier tat, das wusste ich genau, war nicht ok.

Gewissen und Natur rangen in mir ein wenig und die Natur erwies sich als stärker, wie so oft, ich folgte ihr, wie nicht ganz so oft, und machte weiter, wollte probieren, wie weit sie mich wohl ließ, die meißten Mädchen sagten ja schnell, wo Schluss war und was gar nicht ging. Sie sagte gar nichts, meist redete ich, was sie mit Küssen unterbrach, die auch mein Denken gut beschäftigten und als sich dann noch meine Finger auf die Suche an ihr machten, hatten sich die Skrupel bald erledigt.

Sie mochte wohl, was ich tat, half mir dabei, sie auszuziehen und legte auch bei mir kundig Hand an, sie wusste, was sie tat und vielleicht konnte ich ja noch was lernen, rechtfertigte ich mich ein wenig, davon würden ja auch andere profitieren. Die Situation, dass wir jederzeit hätten erwischt werden können, tat ein übriges dazu bei, dass die Spannung ins unermeßliche stieg. Irgendwann waren wir ziemlich nackt und sie schlug vor doch lieber unter die Bettdecke zu kriechen, glaube weniger der Temperatur wegen, als um vor plötzlichen Überraschungen gefeit zu sein.

Was unter der Decke genau geschah, erinnere ich, ehrlich gesagt nicht mehr, wir schliefen zusammen, irgendwann war ich in ihr und sie fand es gut so. Meine besorgte Frage, ob wir aufpassen müssten, beantwortete sie mit, mach dir keine Sorgen, ich nehm die Pille, glaube ich, aber genau weiß ich das nicht mehr, geprüft habe ich es natürlich auch nicht und so wurde jene auch 15jährige aus irgendwo in Mittelhessen mein erster One-night-stand und es war wohl schön. Gekommen bin ich und dann ging sie irgendwann bevor die anderen kamen. Ein flüchtiger Kuss zum Abschied und das war es.

Gerade noch weiß ich, dass sie dunkle Haare hatte, eher zierlich mit wenig Busen, weniger als meine Freundin aber sehr schön geformt, was nun aber auch schon dem Reich der Phantasie entspringen könnte oder der Kontrapunkt zu meiner Sicht auf meine Freundin sein könnte, mehr erinnere ich nicht, keinen Namen noch sonst irgendetwas, was noch zu berichten wäre. Es blieb, wie meist nach solchen One-night-stands nur die Leere und dazu das schlechte Gewissen. Hätte gern, als ich noch zu den Mädchen und Knaben meiner Klasse stieß, die Wahrheit oder Pflicht mit Flaschendrehen spielten, ein wenig darüber geredet, mich dezent mit meiner Liebschaft gebrüstet, denn was ist die schönste Lust wert, wo wir nicht über sie reden können, aber mein Gewissen verbot mir das, es war unser kleines Geheimnis von dem niemand je erfahren sollte.

Später fragte ich mich, was wäre, wenn ich sie da geschwängert hätte, nun, ohne es zu wissen oder zu wollen, Vater würde - sie hatte ja auch nicht meinen Namen, vermutete ich, vielleicht konnte sie es herausfinden und wie stünde ich dann da. Schlechtes Gewissen und Heldenstolz rangen in mir und gaben der Erinnerung einen komischen Beigeschmack, vermutlich darum habe ich auch das meiste davon verdrängt - zwischen bürgerlichem Gewissen und Freiheit der Lust gefolgt und das mögliche genossen. Wieder hatte ich einfach die Lust genossen, ohne große Liebe dabei zu empfinden, und doch war in mir etwas, was mir sagte, wenn du mit einer Frau schläfst, ist das etwas besonderes und da sollte etwas bleiben, wie auch ganz natürlich etwas daraus wachsen kann und der Familienmensch rang mit dem, der die Frauen liebt, in mir.

Mit einer Frau schlafen war aufregend und schön, aber irgendwie, dachte ich, übernehme ich damit eine Pflicht, eine Verantwortung, wie es mir meine Mutter beigebracht hatte - sie lässt mich ein und ich übernehme dafür nötigenfalls eine lebenslange Verantwortung, auch wenn mir die Vorstellung mit 15 ein Kind zu zeugen noch reichlich abstrus vorkam, ich hatte ein Gewissen, was mich über das schlechte meiner Freundin gegenüber, mit der Sex immer seltener und noch seltener gemeinsam vergnüglich geworden war, hinaus umtrieb. So eine Lust nur für eine Nacht, ein dunkles Geheimnis, konnte ich nicht wirklich verantworten, es war doch etwas besonderes, was wir dabei taten, sollte die Krönung der Liebe sein, das durfte doch nicht einfach nur zum Spaß gemacht werden. Später half auch der Alkohol, solche schweren Gewissensfragen zu lösen, indem er dem ohnehin Überhang des Triebes ohne Gewissen freien Raum ließ, es geschehen ließ, auch wenn Potenz und Alkoholkonsum nicht unbedingt kompatibel sind, zumal bei einem, der eigentlich die Frauen glücklich machen will, ständig am Denken ist und also wohl geistig behindert beim Sex wäre, wovor irgendwann die Erfahrung schützte.

Handlung, von Trieb geführt und Gewissen unterschieden schon damals sehr fein, ich schob die weiteren Überlegungen dazu dann weg, weil ich es auf mein schlechtes Gewissen gegenüber meiner Freundin schob, aber eigentlich ging es mir schon damals um etwas anderes, was ich als solches zwar fühlte aber nicht präzise benennen konnte, was noch Jahre dauerte in denen mich nach jedem One-night-stand das schlechte Gewissen quälte auch wenn ich gerade keine Partnerin hatte und es völlig legitim war - dieser Akt der Lust war etwas Heiliges, auch wenn ich an nichts wirklich glaubte, so doch an die Heiligkeit der Liebe, der wir uns in der Lust völlig weihen.

Diese Gewissensqualen wurden noch verstärkt dadurch, dass ich wenig später meine Konfirmation hatte, die ich sehr ernst nahm, ohne davon überzeugt zu sein, wollte ich doch preußisch korrekt die Erwartungen der Familie erfüllen und dies Fest mit reinem Gewissen begehen, meine zwar katholische Freundin würde dabei sein, konnte ich da mit reinem Gewissen zum ersten mal am Abendmahl teilnehmen, den Leib Christi zu mir nehmen und damals war ich noch nicht so ganz sicher, ob es nicht doch diesen Gott gäbe, der alles wüsste, also auch mein Vergehen und eine Beichte gab es ja bei uns Protestanten nicht, ich musste all dies mit meinem Gewissen ausmachen, was mir schwer fiel.

Das Ereignis blieb folgenlos wie so viele andere, soweit ich weiß, aber es weckte mein ethisches Gewissen dabei und nicht nur der anderen gegenüber, diese Kleinigkeiten wurden in ein wenig großbürgerlichen Familien wie meine sich gerne gab, einfach weggelächelt, davon ging die Welt nicht unter und ich war schließlich ein Mann und musste meine Erfahrungen sammeln, war nicht toll, aber konnte moralisch belächelt werden. Wichtiger war dabei, dass ich das Gefühl für die Liebe zu den Frauen entdeckte, ich sie beschenken und glücklich machen wollte, was mich bis heute umtreibt und selbst in größter Armut mich dazu trieb meinen Liebsten die großzügigsten Geschenke als Ausdruck meiner großen Liebe zu geben.

Lust war nur wirklich befriedigend, wenn ich liebte, alles für diejenige tun wollte und ihr zumindest meine Welt zu Füßen legte, was manche Anwärterin nur einer Nacht später doch ein wenig überforderte wie ich Formen dafür fand, damit mit der erwarteten Gelassenheit umzugehen, wenn es auch nie meinem Gefühl oder Gewissen entsprach. Als Liebender möchte ich mich schenken und glücklich machen, warum es mich fast zur Verzweiflung trieb, wenn das sexuell nicht gelang, das Vergnügen einseitig blieb oder anderweitiger Erledigung noch harrte.

Ich liebe die Frauen wirklich und irgendwie nahezu alle mit denen ich irgendwann schlief und immer trieb mich dieses Gefühl um. mit ihnen eine Welt aufbauen zu wollen, wenn ich in sie eindringen durfte, ich ihnen diese Hingabe für ihre Öffnung schuldig war, was mich später dazu trieb manche Knutscherei oder Lust einer Nacht lange noch mit Liebeerklärungen zu bedrängen, die ich nicht so ausschließlich meinte, die aber dem Gewissen Ruhe gaben, bis sie mir deutlich machten, ich würde sie nerven - ich hatte alles mir mögliche getan, um sie glücklich zu machen, wenn sie es nicht wollte, konnte ich mich ja ruhigen Gewissens wieder anderen zuwenden, zumindest theoretisch.

Praktisch wurde es ein ständiges Drängen und völliges Unverständnis für Zurückweisungen, weil ich es doch eigentlich so gut meinte, auch wenn ich mich schon nach der nächsten vielleicht umsah, ich ihr das Gefühl vermitteln wollte, ich bin ein Guter und immer für dich da, wir teilen nun eine Welt, was selten wirklich von großen Erfolg gekrönt war, weil das Spiel der Liebe eben dialektisch immer ist und so wirkte es auch umgekehrt auf mich eher abschreckend, wenn mich eine Frau so klammerte und bedrängte, wie ich es für den einzig wahren Weg hielt, was meist das Gegenteil des Erhofften bewirkte. Aber zeigt, dass Erkenntnis und Erfahrung nicht notwendig zu einem logischen Schluss führen, wenn die Natur es anders will.

Umgekehrt war ich am erfolgreichsten, wenn ich keine Absichten verfolgte, gebunden war oder sonst anderweitig eigentlich beschäftigt, erobert werden musste. Nach einem langen wunderbaren Gespräch mit einer lieben Freundin, mit der ich auch mal den Versuch einer Nacht geteilt hatte, sagte sie zu mir, nach einigen Litern Wein, wir hatten da keinen Sex und auch später nicht mehr aber das ist eine andere Geschichte, ich sei eigentlich so ein Guter, was sich jede Frau insgeheim träumt, noch dazu so ein guter Liebhaber, ich solle den Mädels nur Zeit lassen, damit sie kommen könnten, dann passiere der Rest von alleine und ich versprach ihr, dass ich es mir merken würde, was auch geschah aber keine weitere Wirkung hatte als mir beim nächsten mal wieder eine Ausnahme zu gestatten, weil dies doch einfach die große Liebe sei, um die ich nun ringen müsste.

Diese Minne war nie so erfolgreich wie gewünscht, während ich umgekehrt immer dann besonders erfolgreich war, wenn ich eigentlich nichts wollte und so fragte ich mich manchmal, ob ich es nicht aufgeben sollte mit der Suche, um mich finden zu lassen, doch vor das Glück wurde die Geduld gelegt und immer wieder glaubte ich mit Worten begnadet genug zu sein, mir die Welt erschreiben zu können, was ja auch immer wieder gelang aber Glück in der Liebe fand sich immer am ehesten, wenn ich nichts suchte und es einfach irgendwie passierte, während die Versuche besonders intensiv um die Angebetete mit Worten zu werben, zwar gelegentlich Bewunderung erregte, aber selten von Erfolg gekrönt war für mehr als eine Nacht.

So nehme ich mir nun, dies schreibend, wieder vor doch auf den Rat der Freundin, den eine andere Liebhaberin einer Nacht inzwischen wiederholte, zu hören und lieber darüber zu schreiben, wie ich die Frauen liebe, statt sie zu umwerben, dann wird sich das Glück schon einfinden, wenn dies nicht gerade in der Vielzahl schon lag und im Rück0blick auf ein Leben für die Liebe glücklich sein lässt, aber wer weiß, was noch kommt, wenn wir wagen, die Dinge geschehen zu lassen, es könnte überraschend anders werden zu genießen, statt immer beglücken zu wollen.
jens tuengerthal 11.12.15

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