Sonntag, 20. Dezember 2015

Frauenliebe 014

Nahverkehr

Schaue ich auf mein Leben zurück, kann ich die Zahl der Frauen, die ich in Bars, beim Tanzen oder auf Partys kennenlernte und woraus sich etwas entwickelte, vermutlich noch an zwei Händen gut abzählen, es sind nicht viele, keine 10% vermutlich. Wobei eine der längsten, seltsam genug, dort ihren Anfang nahm und all die nicht mitgezählt wurden, die wie auch immer virtuell begannen und sich dort zum Kennenlernen trafen.

Auch meine erste längere Beziehung begann in keiner Kneipe sondern im Bus. Nichts romantisches sondern schlicht der öffentliche Bus, mit dem ich von der Schule nach Hause fuhr.

Sie saß hinter mir, hochkonzentriert mit etwas beschäftigt, was ich auf den laienhaften ersten Blick für simple Mathematik für Berufsschüler hielt - tatsächlich war es höchst komplexes - Mathematik auf Abiturniveau, wovon ich noch keine Ahnung hatte, was mich vermutlich vor Ehrfurcht hätte erstarren lassen, so aber, quatschte ich sie an und sie antwortete mit einem Lächeln unter langer blonder Mähne, leicht gelockt.

Hin und weg war ich schon von der Stimme, die mir ganz uneitel und locker erzählte, das seien halt so blöde Abi-Aufgaben und schon waren wir im Gespräch, sprachen über Schulen in der Stadt, aus der wir ins Dorf fuhren, das die Kleinstadt war, in der wir beide wohnten.

Fuhr eine Station weiter, um mit ihr auszusteigen, der Umweg wäre verkraftbar und sie fragte mich, ob ich mit zu ihr kommen wolle und wie ich das wollte, gerne sagte ich zu und überlegte gleich, wie lange ich wohl bleiben könnte, ohne durch mein Fernbleiben größere Unruhe auszulösen, hätte ja einfach anrufen können, verzichtete aber darauf, um das süße Geheimnis noch ein wenig auszukosten.

Sie hatte das große Dachzimmer im Reihenhaus ihrer Eltern, wir waren also für uns. Zwei Jahre älter als ich, blond und, wie ich bald entdecken durfte, sehr volbusig, war sie ein Traum von einer Frau für mich, die ich grenzenlos bewunderte.

Die wollte ich haben, auch wenn sie noch nicht ganz so sicher schien, ob es mehr als Spaß sein sollte, genossen wir diesen doch sogleich ganz.

Ein wenig hatte ich ein schlechtes Gewissen dabei, aber eine neunzehnjährige Abiturientin, das war einfach um Klassen besser als die knapp sechzehnjährige Realschülerin, die ich hatte und sie war nicht nur größer und belesener, hundertmal cooler, es war logisch und ich verdrängte das schlechte Gewissen schnell wieder, ihre physische Gegenwart genügte, alle Skrupel zu vertreiben.

Wir hatten schönen Sex, ich war nicht besonders vorsichtig sondern ging bei der ja älteren und deutlich erfahreneren, wie ich meinte, zügig voran. Sie hatte nichts dagegen und ließ mich machen. Bald schon lagen wir nackt auf ihrem Bett ich war in ihr, sie über mir und es wurde großartig, besser als alles, was ich bisher erlebt hatte, dachte ich und zeigte es nicht, genoß einfach, um nicht meine noch relativ geringe Erfahrung zu offenbaren, dann kam ich das erste mal und war danach zwar völlig erfüllt und doch zugleich ein wenig ernüchtert, wie es wohl nach dem sexuellen Rausch relativ normal ist. das schlechte Gewissen meldete sich wieder und vor allem fiel mir auf, wie dunkel es draußen, es war Februar, längst geworden war und dachte, nun müsste ich aber dringend nach hause gehen, wollte ich meine Mutter nicht in größte Besorgnis stürzen, die nach meinem Unfall logisch etwas besorgter war, wenn ihr Sohn nicht wie erwartet kam.

Erzählte ihr die Geschichte, die sie spannend fand - schon mal tot, das konnte ja nicht jeder von sich behaupten und sie hatte etwas übrig für magisches und Geschichten um den Tod - sie verstand jedenfalls meine Sorge, wir zogen uns an und sie meinte, sie bringe mich noch eben um die Ecke, war ja ganz nah. Da hatte sie mir schon erzählt, dass der Vater ihrer besten Freundin auch Chefarzt an der Klinik meines Vaters war und es gab noch eine vertraute Brücke.

Wir gingen zu mir und ich beruhigte meine Mutter, stellte ihr meine Freundin vor, denn sie war doch noch auf einen Sprung mitgekommen und meinte wir gingen nochmal zu mir und verschwanden in meinem Zimmer im Anbau des Hauses und hielten uns auch für ungestört und machten dort weiter, wo wir bei ihr aufgehört hatten, ohne langes Vorspiel zogen wir uns auf meinem Hochbett hinter dem Vorhang aus und genossen unsere kompartible Natur vor allem mittig.

Was wohl die ganze Nacht so weiter gegangen wäre, wurde unterbrochen durch die Rückkehr meines Vaters, der es gar nicht lustig fand, dass sein Sohn mit einer Unbekannten verschwunden war und sich um eine Zeit noch vergnügte zu der andere siebzehnjährige in der Schulwoche vermutlich längst im Bett waren. Er tat, was keiner der beiden je wieder tat, noch zuvor getan hatte, er platzte in mein Zimmer, das leichtsinnig unabgeschlossen war und fragte, wer denn hier zu Besuch sei und was das solle.

Dachte, ich müsse vor Scham sterben und wurde sehr wütend über diese Dreistigkeit, an eine coole Reaktion war nicht mehr zu denken, dennoch hatte ich zumindest ein wenig ein schlechtes Gewissen, reagierte nicht ganz so patzig und wütend, wie es meinem Gefühl entsprach, sondern noch, von heute mit weitem Abstand betrachtet, relativ cool, verteidigte die Schöne in meinem Bett und versuchte sie dadurch zu legitimieren, dass ich sie ihm nicht als eine Bekannte aus dem Bus und quasi Nachbarin vorstellte, sondern sagte, sie sei die beste Freundin der Tochter seines Kollegens und er solle uns doch jetzt bitte nicht weiter stören.

Es war peinlich und auch ihr, aber irgendwie überstanden wir die Situation ganz gut, als der Vater sich wieder entfernt hatte, schmusten wir noch ein wenig, die große Leidenschaft war logisch verschwunden, der vorher noch stolze Krieger in meiner Mitte, glich auch eher einem Schrumpfgermanen und so waren wir beide damit einverstanden, es für dieses mal zu beenden.

Brachte sie noch um die Ecke nach Hause, wollte meinen Vater wütend zur Rede stellen, was das solle, dachte, es käme jetzt zum großen Streit, aber scheinbar fand er sein Verhalten auch nicht mehr so nötig, die Situation eher lustig, meinte nur, ich hoffe ihr hattet euren Spaß und er dürfe ja wohl fragen, wer bei seinem minderjährigen Sohn Nachts im Bett liege, er häte da ja eine Sorgfaltspflicht, aber nun wäre ja alles geklärt und sie wirke ja nett. Er freue sich für mich und mahnte nur noch zur Vorsicht bei der Verhütung und wechselte dann zum medizinischen dieser Frage, wurde damit professionell und formal, das Thema war eledigt und ich ging beruhigt und ziemlich verliebt ins Bett.

Als er mich am Morgen an der Schule absetzte, machte er noch Witzchen, fragte nochmal nach ihrem Namen, aber es war kein Vorwurf mehr da, hatte eher das Niveau von Herrenwitzen und eine schöne Vertrautheit, die mich beruhigte. Dabei ahnte ich nicht, dass er sogleich in der Chefarztkonferenz seinem Kollegen die Geschichte brühwarm erzählte, mit Namen und der sie natürlich sofort seiner Tochter am Abend erzählte, warum ich wenig später einen Anruf von einer ziemlich empörten Liebsten erhielt, die das ganze wohl eher als Spaß gesehen hatte und nicht ahnte, dass es solche Kreise noch zog.

Dieser kleine Skandal am Anfang unserer Beziehung hat uns vermutlich enger zusammengeschweißt als es alle sexuellen Experimente davor getan hätten und so machte ich mir zwar Sorgen, sie könnte mich darum wieder verlassen, weil es zu peinlich war, doch scheinbar fand sie auch etwas an mir und wir verabredeten uns wieder - diesmal bei ihr, das müsse sie nicht nochmal erleben, meinte sie. Es kam nie wieder vor und sie schlief später noch oft bei uns, wir waren soviel wie irgendmöglich zusammen und die neue tolle Freundin, die einen Führerschein hatte und gerne in Clubs ging, unternahm vieles mit mir, von dem ich vorher nicht mal geträumt hatte.

Stolz stellte ich sie meinen Freunden vor und der eine meiner besten Freunde wurde sogleich mit ihrer anderen besten Freundin verkuppelt und die beiden wurden für eine Zeit ein Paar, wir trafen uns als Paare und machten Touren auch mit dem Wagen meines Freundes, der ja ein dreiviertel Jahr älter als ich, bereits seinen Führerschein hatte und ein Auto, besuchten die Verwandtschaft und anderes mehr.

Auch abenteuerlich wurde es zwischendurch als wir, damals leicht kleptoman das Eigentum und seine Grenzen nicht so genau achtend nach einer nächtlichen Tour über Friedhöfe und zum Sprayen an der örtlichen Stadtmauer noch beim versuchten Blumendiebstahl dummerweise erwischt wurden und der doch nicht beklaute dennoch Anzeige erstatte und sich leider die Nummer ihrer des Wagens ihrer Eltern auf schrieb. Es drohte ein Strafverfahren, aus dem sie, die als einzige bekannt war und die einzig Volljährige dabei, mein Patenonkel als Anwalt dann spurlos rettete, wobei ich nicht sicher bin, ob auch ohne seine anwaltliche Intervention das Verfahren nicht wegen Geringfügigkeit eingestellt worden wäre, wir kamen mit einem blauen Auge davon, auch wenn es noch ein wenig dauerte, bis wir unser etwas gespaltenes Verhältnis zu fremden Eigentum ablegten.

Aufregend war es mit meiner neuen Beziehung, die immer fester wurde, Abenteuer schweißen ja bekanntlich zusammen - wir fuhren in den ersten gemeinsamen Urlaub ins Haus ihrer Großmutter am See im Süden und waren ein richtiges Paar, das seine Leidenschaft vielfältig auslebte und sich gerne die unmöglchsten Orte dafür suchte, vom Garten meiner Eltern, in deren Abwesenheit vorsichtshalber bis in den Wald und auf Zugtoilletten. Mit der Zeit stellten wir fest, dass die unmöglichen Orte zwar ihren Reiz hatten, aber der Sex dort nicht unbedingt genüßlicher war als im Bett ohne Käfer und Ameisen oder die Sorge, entdeckt zu werden, die natürlich ihren besonderen Reiz hatte.

Es wurde eine lange Beziehung mit Höhen und Tiefen und nach der anfänglichen Begeisterung meines Freundeskreises, reagierten diese zunehmend genervt auf uns beide zusammen, was nach einem gemeinsamen Urlaub mit meinem besten Freund, mit dem ich auch im Wald war, dann nach zweieinhalb Jahren zur Trennung führte, die ich manchmal noch bedauert habe - sie zog irgendwann weg gen Norden und wir sahen uns nur noch sehr selten - dass sich dann die Freundschaft zwischen unseren Kindern erneuern solle, freute mich sehr.

Habe diese Frau sehr geliebt und auch wenn wir uns am Ende etwas auseinanderlebten, sie studierte längst Jura, während ich mich noch vier Jahre auf mein Abitur vorbereitete, haben wir viel miteinander die Lust gelernt und kennengelernt - sie hatte erst im Sommer zuvor beim Cluburlaub in Griechenland mit ihren Freundinnen vom Mädchengymnasium die ersten sexuellen Erfahrungen gesammelt und diese waren dort wohl reihenweise von den angeblich nicht nur zu diesem Zweck angestellten Animateuren defloriert worden. Diese Erinnerung hat nichts an meiner tiefen Abneigung gegen Cluburlaube geändert und so sind mir alle, die davon schwärmen ähnlich verdächtig wie begeisterte Kreuzfahrer, wenn auch die sexuelle Motivation bei ersteren wohl größer ist.

Nicht das ich etwas gegen Sex hätte oder mir südliche Regionen prinzipiell unsympathisch wären, die Lust und Leichtigkeit, wie sie auch Goethe in Italien liebte, schätze ich sehr, doch finde ich die Vorstellung viel Geld dafür auszugeben, um mit anderen Urlaubern gemeinsam in einem Reservat, dem Homeland der Besitzenden, eingesperrt zu sein, um Spaß zu haben, ähnlich reizvoll wie einen Besuch im Bordell, es ist käufliches Vergnügen, das durch die zentrale Organisation für diesen Zweck eher Oktoberfestniveau hat, was bei mir mehr Aversionen als Begeisterung auslöst, aber die Leidenschaften sollen ja verschieden sein und so ist manche Leidenschaft ein gutes Scheidungsmittel, das hilft zu verstehen, was passt und was nie passen kann.

Während die einen mit strahlenden Augen in Antiquariaten versinken, vor Gemäldesammlungen glücklich erfüllt flanieren, sind für andere wilde Schaumparties im Club, der Traum eines erfüllten Lebens und so scheiden sich die Geister einfacher und viele Dinge werden entbehrlich, die Konzentration auf das, was uns glücklich macht, ermöglicht leichter, es auch zu sein, als alle Gefühle oder Träume uns vorgauckeln und wer weiß, was kompatibel ist oder eben nicht, kann leichter ohne erwartbare Enttäuschungen genießen, statt sich im falschen Leben am richtigen Platz zu grämen, lieber im richtigen Leben auch mal falsche Plätze aushalten.

Abgesehen jedoch von der Mädchenschulendeflorationstour war ihre Leidenschaft für Cluburlaub nicht ausgeprägt und wir teilten auch auf diesem Gebiet viele Leidenschaften und Vorlieben - auch der kulturelle Marathon durch die Stadt der Liebe schon gegen Ende unserer Beziehung an einem sommerheißen Tag wird immer wunderschön in Erinnerung bleiben - sogar wenn die Lust danach im überhitzten Hotelzimmer ihrerseits eher ein Ertragen und meinerseits nur ein verzweifeltes Bemühen war. Das der Sex in Paris nicht besser oder anders ist als andernorts, sollte ich später noch einigemale bestätigt bekommen und abgesehen von der vorhergehenden Lektüre von Nin und Miller, die den Ort gehörig aufluden, war es dort auch nicht leidenschaftlicher als andernorts nur irgendwie erschöpfend ohne den Lohn der Gelassenheit in dieser immer hektischen und etwas grimmigen Stadt, die ich eher historisch als real liebe und die ich im übrigen im Gegensatz zum wesentlich gelasseneren Berlin für eher unsexy halte.

Durch meine neue spannende Freundin lernte ich auch ihre Freundinnen kenne, natürlich die Tochter des Kollegen meines Vaters, eine sehr schlanke, bildschöne Blondine, die immer im Rock und mit Absätzen erschien, mochte die Witterung sein, wie sie wollte, ganz Dame war und die ich geistig eigentlich sehr spannend fand, die aber ja als Freundin tabu war und dies auch ausdrücklich so sagte, als wir uns das eine oder andere mal doch näher kamen, als es vielleicht angemessen war, da mein Drang zu den Schönen sicher ein Kontinuum in meinem Leben war und wo sie noch Geist hatten und von Familie waren, wären sie meist jede Sünde wert, dachte ich noch, nicht erfahren genug, dass der Zauber der Eroberung mit dieser sich verliert, Männer wesentlich weniger erobern als sie meinen, guter Sex meist auf Erfahrung und Vertrauen fußt, Zeit braucht und so zum größten Glück erst wird, wenn wir dafür uns konzentrieren und der Rest dagegen vernachlässigenswert ist.

Die eine, die so damenhaft war, verhielt sich völlig korrekt, eine andere, die nicht mit im Deflorationsurlaub war, tat dies weniger, was schön für uns wurde aber Thema des nächsten Kapitels wird.
jens tuengerthal 19.12.15

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