Vollendeter Betrugsversuch
Es war eigentlich peinlich, irgendwie meinten die anderen, ihre Freundinnen alle, sie müffele, stinke nach Schweiß, weniger vorsichtig formuliert, aber keiner wollte es ihr sagen und wir überlegten, was wir tun könnten, da erbot ich mich, sie aus Spaß mit Deo oder einem Eau de Toilette zu besprühen, sie quasi zu ärgen, dann käme sie nicht darauf und das tat ich gern. Als Helfer in der Not für eine Dame in bedrängter Situation gebot es meine Ritterlichkeit sofort aufzuspringen und ihr möglichst dezent zu Hilfe zu springen.
Kitzelte sie darum, während ich mich ihr näherte und versuchte dann, sie festzuhalten und zu besprühen. Weiß nicht, ob sie es geahnt hat oder ich glaubwürdig spielte, sie nur einfach zu gut mitspielte, als sie laut lachte, sich kurz aus Spaß in dem Parfumstrahl suhlte, als freue sie sich darüber und wir uns zu kitzeln begannen, wie Geschwister. In diesem Spiel zur Rettung ihrer Ehre, wer wollte schon stinkend gemieden werden, kamen wir uns spielerisch näher, was meine Lust weckte, aber ich beruhigte mich zugleich, ob des höheren Zweckes, den ich dort verfolgte. Wir küssten uns das erste mal dabei nur aus Spaß, ein Spiel mit dem Feuer, von dem wir wussten, dass es verboten war.
Sie reizte mich sehr und galt als eine der wildesten der Damen des Abijahrgangs, die ich kennenlernte - hörte gern The Cure, Punk und Souxies, trug Mode, die von der Wave-Szene geprägt war, die Haare wild toupiert, gingen alle davon aus, dass wenn eine Erfahrung mit Männern hatte, dann sie. Cool und sicher wie sie war, in ihren inszenierten Auftritten wie ihrem auch leidenschaftlichen Tanz., das tat doch keine, die keine Ahnung hatte.
So täuscht der Anschein manchmal und auch nicht. Sie hatte keinerlei Erfahrung und doch wieder viel davon - hatte mit mehr als einem Mann die Nacht verbracht und sich küssen lassen an wohl nahezu allen Orten, sie war ja nicht prüde, aber keinen in sich gelassen, je, bis jetzt.
Als wir uns zum Sex verabredeten, ging ich davon aus, eine erfahrene heiße Liebhaberin zu treffen, was einerseits stimmte, andererseits eine völlige Illusion war und zeigte wie weit der Schein reichen kann und auf was es letztlich ankommt. Sie war eine phantastische Liebhaberin, hatte eine schlanke und schöne Figur und verschaffte mir zugleich ein doppelt schlechtes Gewissen - zum einen war ich, der erste Mann in ihrem Leben, naja, gut, der erste mit dem sie schlief, zum anderen war sie die Freundin meiner Freundin, betrogen wir sie beide, wusste ich schon, dass es weder ok noch moralisch irgendwie diskutabel wohl war.
Aber es war mir egal, ich wollte sie und ich wollte keine Rücksicht nehmen, auf niemand und sie wollte mich, vor allem wollte sie ihre Jungfräulichkeit loswerden und die Gelegenheit nutzen, es einfach zu tun. Mein schlechtes Gewissen fand sie eher lächerlich - wir waren doch beide erwachsen und wussten was wir wollten - nun, ich war noch nicht ganz erwachsen, wurde es erst im Laufe unserer Liaison und genoss was war, fühlte mich großartig, die zweite ältere Frau zu verführen, was sogar das eigentlich schlechte Gewissen und die sonst moralische Verantwortung besiegte.
Wir taten es nicht nur einmal, bei Gelegenheit, sondern verabredeten uns noch einige male, bis wir es auslaufen ließen - weiß nicht ob meinem schlechten Gewissen geschuldet oder weil sie dann doch irgendwann etwas besseres ernsthaftes hatte. Später sahen wir uns noch manchmal in der Uni, grüßten uns lächelnd und freundlich in der Mensa mit dem geteilten mehr oder weniger Geheimnis. Am übelsten hat sie mir genommen, dass ich es irgendwann meiner Freundin, weiß nicht ob vor oder nach unserer Trennung, gestand und diese sie entweder ansprach oder ihren Zorn anderweitig erfahren ließ.
Jahrzehnte später mag ich beide gern, auch wenn ich zu keiner mehr wirklich Kontakt habe außer zufällig, frage mich immer noch welches Verhalten moralisch und sittlich verwerflicher war, ihres als Freundin oder meines als Partner und was daraus für künftiges Handeln folgen könnte, ob es sinnvoll ist auf so etwas, besser zu verzichten oder, es eben ist, was es ist, wenn uns die suchende Natur in zarter Jugend treibt. Vielleicht wäre es gut, es sittlich korrekt zu bewerten, vermutlich aber kann es letzlich dahinstehen, weil, das, zu dem uns die Natur treibt eben ist, was uns entspricht und wider die Natur handeln unnatürlich ist.
Wenn es zwei zueinander zieht und sie es fühlen, sollen sie es tun und darauf achten, dass keiner der übrigen, falls noch andere beteiligt sind, dabei verletzt wird. Grenzen dafür sind nie allgemein und als solche für andere gültig sondern immer individuell und eine Frage der Vereinbarung. Eine Liebe ist wichtiger und wertvoller als schneller Sex, dennoch riskieren Menschen für Sex nahezu alles, weil sie sich treiben lassen, wenn die Vernunft in den Hintern rutscht und nur noch schieben eher hilft, statt kritisch zu fragen.
Habe keine Antwort auf das, was richtig und gut ist, weiß nur um mein schlechtes Gewissen, aber genoss doch, was war, ganz. Vielleicht ist es weniger wichtig, was wir tun, als wie wir uns dazu stellen und darüber denken, suche ich eine Legitimation und ahne doch die Antwort der anderen, die sagen, es ist nur der Versuch ein asoziales Verhalten im nachhinein zu legitimieren.
Kann dieser Sicht nicht mit völliger Überzeugung widersprechen, kann nur sagen, ich meinte es gut und versuchte das beste daraus zu machen, wollte niemand weh tun und wusste nicht, was richtig gewesen wäre.
jens tuengerthal 20.12.15
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