Mittwoch, 23. Dezember 2015

Kulturgeschichten 079

Gnadenglück

Gnade lassen wir vor Recht gehen
Erlauben damit den so Gnädigen
Eine Strafe zu erlassen wenn sie
Die Gnade für wichtiger halten

Manchmal rettet solche eine Gnade
Noch Leben in Unrechtsstaaten die
Noch zu töten für gerecht halten
Auch wenn dies absurd wohl ist

Ob die Tötung eines anderen je
Gerecht sein kann was logisch
Absurd ist soll hier nicht weiter
Gefragt werden aus Gründen

Geht es doch mehr um den Akt
Der in der Gnade steckt welche
Sicht diese auf ein Recht wirft
Das solcher Krücken bedarf

Gnade ist eine wohlwollende
Freiwillige Zuwendung die dann
Zur Begnadigung wird wenn damit
Eine Strafe aufgehoben oder verkürzt

Um Gnade vor Recht ergehen zu lassen
Braucht es einer Gnadenbefugnis also
Einer Autorität die rechtmäßige Strafen
In Ausnahmefällen wilkürlich aussetzt

Darin kommt noch mittelalterliches Denken
Zum Ausdruck nach dem es gerecht ist
Wenn Autoritäten auch Recht wilkürlich
Außer Kraft setzen können als Gnade

Dies Denken ist vom Wesen her konträr
Zum Rechtsstaat und in der Demokratie
In der Recht Teil des sozialen Vertrags ist
Passt es gleich doppelt nicht ins System

Dennoch entspricht es einem Empfinden
Von Gerechtigkeit dass ein Staatsoberhaupt
In bestimmten Fällen über dem Recht auch
Stehen darf als gnädiger Herrscher

Absurd wird es wenn einer Gnadenbefugnis
Hat der gar nicht herrscht sondern nur
Noch ein Repräsentant ist der die Gnade
Als staatliche Wilkür rechtswirksam erteilt

So ist es hier wo der Bundespräsident
In Ausnahmefällen wirksam Strafen
Mildern oder erlassen kann auch wenn
Dies keiner rechtlichen Kontrolle unterliegt

Der Bundespräsident entscheidet dabei
Nach freiem politischen Ermessen gegen
Das es keinen Widerspruch gibt und so
Bleibt die Gnade vor und ohne Recht

Damit sollen Härten und Unbilligkeiten
Von strafgesetzlichen Entscheidungen
Möglichst gerecht ausgeglichen werden
Was die Gerechtigkeit ohne Recht lässt

So fragwürdig dies mittelalterliche Denken
Das Gnade vor und ohne Recht sein lässt
Im demokratischen Rechtsstaat fraglos ist
So nützlich und gut war es schon oft

Der große Autor Dostojewski sollte einst im
Rußland der Zaren erschossen werden
Wovor ihn am 22.12.1849 die Begnadigung
Durch Zar Nikolaus I. noch gerade rettete

Das schon angetretene Erschießungspeloton
Wurde so im letzten Moment zurückgerufen
Was eine Geschichte so spannend schafft
Als wäre sie von Dostojewski selbst erzählt

Dostojewski gehörte in den 1840er Jahren
Zum Kreis der Frühsozialisten und nahm
Dabei an Treffen des Petrascheski-Zirkels
Teil was im zaristischen Rußland genügte

Er soll dort Belinskis Brief an Gogol vorgelesen
Haben der sich gegen Autokratie Leibeigenschaft
Wie Religion richtete wofür die dramatische
Scheinhinrichtung grausam inszeniert wurde

Der Gnadenerlass war bereits seit 19.11.
Bekannt jedoch sollte die Inszenierung
Weiter wirken und abschrecken den Wert
Der großen Gnade erhöhen noch

Für die bloße Verlesung des Briefes kam
Dostojewski dann 8 Jahre zur Zwangsarbeit
Sowie vier weitere als Soldat ins ferne Sibirien
Wurde dort zunächt in Ketten gehalten

Dostojewskis weiteres Leben wie auch sein
Literarisches Schaffen geben Ausdruck
Auch von dieser Erfahrung und wären wohl
Vieler Worte wert die wir der Gnade opfern

Später noch gelang es Dostojewski sogar
Die Gnade zu erhalten wieder nach Petersburg
Zurückzukehren wie dort literarisch weiter
Zu arbeiten worüber sich die Literatur freut

Seine Aufzeichnungen aus dem Totenhaus
Beschrieben erstmals das Ringen der dort
Im fernen Sibirien gefagenen um ihre Würde
In menschenverachtender Umgebung

Nach den ersten vier Teilen der Publikation
In der Zeitschrift die er mit seinem Bruder
Gegründet hatte wurde der Rest zensiert
Unmenschlichkeit sollte kein Thema sein

Ob die Gnade eine ist wo sie nur Unrecht
Auf hinterlistig inszenierte Art aufhebt mag
Dahinstehen es war russisches Recht das
Der Zar hier wilkürlich korrigierte

Die Gnade ist ein seltsames Instrument
Sie rettete einen der Großen vor dem Tod
Ist ein Spielzeug staatlicher Wilkür wie es
Schon Dostojewskis Verurteilung wohl war

Es zeigt sich in der Notwendigkeit dieses
Instruments zur Korrektur staatlichen Unrechts
Wieviel Wilkür auch im formalen Recht noch
Steckt wie wenig gerecht es immer ist

Auch die Autorität zu wilkürlichen Urteilen
Nach freiem Befinden ohne rechtliche
Prüfung oder Korrektur zeugt für ein völlig
Überholtes Verständnis vom Staat noch

Es ist dennoch ein Element der Menschlichkeit
Auf das nicht verzichten will wer die Folgen
Unmenschlicher Justiz zur Genüge kennt
Die eben nur formal Gesetze vollzieht

Wichtiger aber wäre es das Recht noch
Zu hinterfragen das dies nötig macht
Um zu menschlich gerechten Urteilen
Zu gelangen das also unmenschlich ist

Auch warum die Gnade ohne Recht steht
Wenn sie doch der Gerechtigkeit dient
Wie wenig also der Rechtsstaat mit dieser
Je zu tun hat und unmenschlich wurde

Warum aber leben wir in einem solch
Unmenschlichen Rechtsstaat halten aber
Was er demokratisch beschließt für das
Produkt des Contrat Social mit Rousseau

Was wäre wünschenswert um die Gnade
Überflüssig zu machen künftig oder ist
Es eine Gnade diese absolutistische Macht
Weiter als hohe Würde zu verleihen

Es ist Zeit sich zu fragen in welchem Staat
Wir leben wollen und warum eben gerade
Ein Rechtsstaat nur schlechter Kompromiss
Weiter ist statt gerechter Lösung für alle

Liegt es am Recht das immer ungerecht ist
Ein eben Kompromiss der Ausgleich braucht
Der jenseits seiner steht was seine immer
Untauglichkeit nur besser beweist

Wäre ein Staat ohne Recht ein Unrechtsstaat
Oder die höchste Form der Gerechtigkeit
Die keiner Gnade bedürfte nur wie würden
Sich Menschen darin frei organisieren

Haben wir mehr Angst vor der Freiheit
Oder fürchten wir den Verlust der Ordnung
An die wir uns gewöhnt haben auch ohne
Jede Gerechtigkeit weil es immer so war

Kann Staat je gerecht sein oder ist er immer
Ungerecht und trägt weil es Recht gibt damit
Das Unrecht bereits in sich dessen Autorität
Wir nur aus Angst naiv anerkennen noch

Warum darf einer über den anderen urteilen
Ist dies gerechter als die Gnade oder nur
Der schlechte Kompromiss ohne den wir
Uns nicht mehr zu leben trauen

Die Antworten auf diese Fragen zur Gnade
Sind gefährlich und denken gefährdet hier
Die gewohnte Ordnung warum es doch
Fraglich scheint wem es wohl nutzt

Hat die Freiheit ohne sie beugendes Recht
Für uns noch einen Wert an sich oder sind
Wir nur dialektisch ganz Mensch der immer
Aufbegehren will gegen Ungerechtigkeit

Alles was es braucht um gerecht immer
Zu urteilen steht im kategorischen Imperativ
Neben und über diesem braucht es kein Recht
Das immer nur ein schlechter Kompromiss ist

Nur wagt es wirklich noch wer heute soweit
Zu denken und den gnädigen Staat infrage
Zu stellen weil er ungerecht ist und jedes
Recht immer Unrecht weiter setzt
jens tuengerthal 22.12.15
 

 

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