Donnerstag, 24. Dezember 2015

Frauenliebe 017

Bilderliebe

Die Kunst als Brücke zur Lust ist vermutlich so alt wie diese selbst und doch immer wieder verführerisch, sei es in der Betrachtung oder, wem die Gnade verliehen, in der Schöpfung als Gabe der Minne, bei der sich Künstler von ihren weiblichen oder männlichen Musen inspirieren lassen.

Wie gerne währe ich ein begnadeter Maler oder Fotograf geworden und hätte sodann meine Holden gemalt oder abgelichtet, doch werden die Talente nicht gleichmäßig verteilt und so ließ ich das malen, wie das musizieren zum Wohle meiner Umgebung lieber sein, beschränkte mich auf das Dichten, nachdem ich feststellte, dass meine nur Verse Wirkung auf die holden Damen hatten, ich mit den so angebeteten ins Gespräch oder sogar noch weiter den verführerischen Worten folgend kam.

Als geschah, was ich hier erzählen möchte, hatte ich die Worte noch nicht als mein Metier entdeckt, hätte es eher peinlich gefunden, meine Muse zu bedichten und da ich auch weder Malen noch sie in einer kurzlebigen Band besingen konnte, jedenfalls nicht so, dass mit Erfolg zu rechnen war, probierte ich mich im Fotografieren.

Zur Konfirmation, einige Kapitel zuvor, noch in der anderen Kleinstadt, hatte ich eine Kamera bekommen, von meiner Tante ein Fotolabor geerbt, das wir bei meinem gleichnamigen Freund eingerichtet hatten, um unsere ersten Schwarzweiß-Filme zu entwickeln. So lag es nahe, sich im fotografieren zu probieren. Und, oh Wunder, ich konnte meinen alten Schwarm, die bildschöne Schwimmerin mit dem langen Zopf und der schlanken Figur auf einem langen Hundespaziergang überreden, sich von mir nackt fotografieren zu lassen.

Konnte es kaum abwarten, einen Termin zu finden, was, da ich ja in einer Beziehung noch war mit jener, die ich im Bus kennenlernte, logisch etwas dauerte, doch irgendwann, oh Wunder, passte es und wir fuhren in die Wohnung meiner Freundin, die abwesend war, um ein, wie wir heute sagen würden, Fotoshooting zu machen. Hatte sie mit meinem Kleinwagen abgeholt und dorthin kutschiert - wir hätten auch laufen oder mit dem Rad fahren können, aber es wirkte doch etwas professioneller noch, wenn der Fotograf vorfuhr.

Hatte den Ort vorbereitet, vor zu neugierigen Blicken der Nachbarn geschützt, Lampen ausgerichtet, ein weißes Laken über ein Bild und auf dem Boden ausgebreitet, um eine Fotoatmosphäre zu schaffen. Nicht überlegt hatte ich mir, wie ich den Ort geheimhalten wollte, da, was ich tat, ja offensichtlich ein Betrug war und so meldete sich gleich zu Anfang wieder das schlechte Gewissen, was ich mit dem Argument verdrängte, es ginge ja nur um Kunst und nicht um Sex, also Kunst und nicht Erotik.

Gab mich professionell, fingerte an meiner Kamera und bat sie sich auszuziehen, was sie zögernd und widerspenstig dann doch tat, zumindest halb. Sie zog Pulli, Unterhemd und BH aus, präsentierte mir ihren schönen Busen. Mein Widerspruch, wir wollten doch schöne Aktfotos machen und sie bekäme ja auch, wenn sie wolle, die Negative, müsse sich keine Sorgen machen, wir kennen uns doch schon so lange und es ginge doch um Kunst, nichts unsittliches sondern etwas wertvolles, traf auf taube Ohren.

Die Situation wurde peinlich, ich wollte Aktfotos machen und hatte da ein nur halbnacktes Modell, das noch nicht einmal bereit war, seine Jeans auszuziehen, sondern sich etwas steif auf mein drapiertes Bettlaken kniete und meinte, ich könne ja Oberkörper und Gesicht fotografieren und ich war sehr frustriert, denn eigentlich waren mir die Fotos völlig egal, auch wenn sie fraglos reizvoll und kostbar gewesen wären, sie war eine von vielen umschwärmte Schönheit eigener Art, auch wenn ich sie nie an diese weitergegeben hätte, wäre doch der Schatz dieser Bilder unvorstellbar wertvoll allein für mich und ich wollte endlich wissen, wie ihr Schoß aussah, den ich noch nie gesehen hatte. Auch den Busen hatte ich noch nie so bloß gesehen, was Aufregung in mir und meiner Hose genug verursachte, aber wer das eine sieht, möchte natürlich auch das andere, drängt von Lust geführt nach mehr.

Sie blieb standhaft und keusch, ihre Hose blieb zu und beiden verging schnell die Lust am fotografieren, ein wenig frustriert, setzte ich mich auf das Sofa meiner Freundin und sie kam, noch oben ohne zu mir, wollte mich trösten und bat mich um Verständnis für ihre Scheu. Sie war rührend süß und ich ein Idiot., der längst ganz anderes im Kopf hatte als die Kunst, wobei ich mir nicht ganz sicher bin, was sie in diesem Moment dachte. Sie war so halbnackt, wie sie war, zu mir gekommen, ich schmollte ein wenig, bis ich ihren nackten sportlich zarten Oberkörper im Arm innig genoß und sie zu streicheln begann.

Das war keine Kunst mehr, außer die der Verführung, die eines Casanovas, zu der mir in diesem Moment emotionalen Sturms, die nötige Gelassenheit fehlte mit der Situation klug zu spielen. Sie hatte ein schlechtes Gewissen - wir wollten wohl beide und ich musste nun vom Schmollen des beleidigten Künstlers rasend schnell zur Leidenschaft wechseln, bei der ich mich aus ebenso schlechten Gewissen und tiefem Gefühl ihr gegenüber wieder zerrissen fühlte. Darum tat ich erstmal nichts, als sie im Arm zu halten und um ihren Busen herum zu streicheln.

Als wir lange genug so gesessen hatten, auf dem Sofa meiner Freundin in ihrer Wohnung, wo ich es mit meiner Freundin oft genug getan hatte, ich mich auch darum zu nichts wirklich durchringen konnte, weil ich sie zwar als Frau begehrte, zugleich aber als Helige irgendwie anbetete und nicht beschmutzen wollte, durch meine längst gierige Lust, die Ausdruck in der Enge meiner Hose fand, auf der noch dazu ihr Kopf lag, als wir redeten, meinte sie, es würde kühl, sie wolle sich nun anziehen, wir würden ja wohl nicht mehr fotografieren und noch ein fragendes oder hinerherschickte, wusste ich, nun musste ich etwas tun, sonst würde nie etwas passieren und auch diese Situation vorbei gehen, wie so viele andere an uns zuvor.

Nahm mir ein Herz und küsste sie, erst gegen einen leichten Widerstand, das ginge doch nicht, den sie aber schnell aufgab, um meine Küsse mit gleicher Leidenschaft zu beantworten und nun griff ich nach ihrem wunderbaren, zwar kleinen aber wohl trainierten und für sie genau perfekt richtigen Busen, streichelte ihn zum ersten mal im Leben nach über zwei Jahren erfolgloser, keuscher Anbetung und sie ließ es geschehen.

Etwas wehrte sie sich noch, das ginge doch nicht und nicht hier, als ich ihre Hose öffnete - als ich schließlich meine Hand an ihrem behaarten feuchten Schoß hatte, gab sie sich der Lust hin, atmete, während ich sie mit noch relativ geringer Sachkunde aber doch ausreichend Erfahrung, zu streicheln begann, immer schneller, gab sich den Küssen hin und stöhnte ein wenig. Sie wand sich unter meinen Fingern, wurde immer heißer, was vielleicht auch eine Art Kunst war, bei der ich dann aber das entscheidende verpasste. So schien es mir zumindest, sie war dabei für einen Moment hoch erregt und plötzlich legte sich die Erregung genauso schnell wieder, wie sie zuvor kam und sie wollte sich anziehen und ganz schnell weg von hier.

Sie hatte ja Recht, es wäre unpassend gewesen, dort miteinander zu schlafen, aber das ich nun völlig mit meiner ungestillten Lust allein gelassen wurde, war schon frustrierend - doch sie schaffte es mit ihrer Reaktion mein schlechtes Gewissen noch zu verstärken, das nun ein doppeltes war - zum einen meiner abwesenden Freundin gegenüber, deren Wohnung ich wieder mißbraucht hatte, meiner Lust nachzugehen, auch wenn es ja eigentlich nur um Kunst gehen sollte, war sich mein Gewissen hinterher sicher, dass ich immer nur das eine wollte, wie Männer eben so sind, auch wenn ich mich ganz anders fühlte eigentlich, ich meine Heilige verehrte, hatte ich ein schlechtes Gewissen, als wäre es so, weil ich es eben auch wollte, zum anderen meiner Heiligen gegenüber an der ich mich ungefragt vergriffen hatte, wofür ich mich schlecht fühlte und sie schaffte es auch dieses Gefühl, bei mir zu verstärken, statt es zu entspannen.

Entschuldigte mich vielfach, dass ich es gewagt hatte und sprach von alter Liebe und ähnlichen Unsinn mehr, hätte sie sofort geheiratet nach dieser Schändung, wie ich fast katholisch dachte, statt mir zu überlegen, dass wir es beide genossen haben, sie noch mehr als ich, der ich mich ja einzig um sie gekümmert hatte und es egal war, ob es mit der anfänglich geplanten Aktfotografie zu tun hatte oder nicht. Sie nutzte diese Chance des unterwürfigen Mannes, gab das verführte unschuldige Ding, rügte mich ein wenig, als hätte ich etwas böses getan, mich nicht nur um ihre Lust und deren Befriedigung gekümmert und bat mich, sie nun nach Hause zu fahren, wo sie mich mit einem nur schnellen Kuss verabschiedete.

Fuhr mit einem Gefühl zwischen großer Verführer und geprügelter Hund von ihr wieder weg. Sie war oben ohne zu mir gekommen, hatte sich in meinen Schoß gelegt, das Küssen genossen und sich der Lust voller Leidenschaft hingegeben, während ich nur liebevoll an sie dachte, nicht mich sondern sie befriedigen wollte, aber sie ging als stolz verehrte Heilige und ich als reuiger Sünder.

Es dauerte noch viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, bis mir innerlich klar wurde, dass beim Sex keiner ein schlechtes Gewissen haben sollte, er nur stattfindet, wenn beide es auch wollen, ich die Frauen liebe und beglücken will, auch in der Lust und meine Annäherung keine billige Anmache war, sondern eine Art Gottesdienst an die Liebe, ein Akt höchster Verehrung zu der, ganzheitlich gedacht, eben auch die Lust zählt und wer das nicht erkennt oder zu würdigen weiß, nie meiner Zuneigung und ihrer körperlichen Folgen wert ist.

Doch scheint dies schlechte Gewissen im vorauseilenden Gehorsam nicht so selten zu sein, sondern ist in der Generation der postemmatraumatischen Männer relativ verbreitet, die amerikanische Hysterie im Bereich sexueller Belästigung tut dazu ein übriges, den freien und natürlichen Umgang damit heute noch weiter zu erschweren. Immer wieder gelingt es Frauen uns Männern ein schlechtes Gewissen für Gedanken und ein Verhalten einzureden, das sie einseitig formal interpretieren und dabei unsere Gefühle völlig ignorieren.

Ist das Wollen eine Kränkung oder ein Kompliment könnte hier gefragt werden und wann soll der Widerstand überwunden werden, wann darf nicht daran gerührt werden, gibt es dafür ein generelles Rezept oder muss es immer im Einzelfall entschieden werden, fragt sich der liebende Mann. Habe dafür kein Rezept gefunden, manche fühlten sich auf den nicht vorhandenen Schlips getreten und andere fanden das Nichthandeln zu langsam, dachten, wie ich hinterher erfuhr, sie seien nicht attraktiv genug oder ich wollte sie nicht, als ich eine zeitlang, der herrschenden Sitte der Vorsicht gehorchend, zu zögerlich war.

Vermutlich entscheidet es sich immer nur im Einzelfall und die Erfahrung lehrt, dass um so weniger wir erwarten, desto größer der Genuss sein kann, während es bei großer Erwartung oft um so größere Enttäuschungen gibt. Fast scheint es da eine Gesetzmäßigkeit zu geben, dass Erwartungen enttäuscht werden wollen und wir erst da wirklich frei genießen können, wo wir all dies hinter uns ließen.

Spannend wäre darum zu fragen, ob die Ehe als Institut mit gesichertem Beischlafanspruch diesen nicht ad absurdum führt und wir darum die kirchliche Sündenmoral mit dem erfundenen Jenseits brauchten als quasi Antipode, die uns alles, was wir natürlich täten und dürften mit schlechtem Gewissen erst genießen läßt, das Verbot dem ganzen erst den Reiz gibt und Liebe und Sex auf Dauer nur dialektisch ihren Reiz behalten.

Das immer zahlreichere Scheitern der Ehen wie die Ausbruchsversuche derjenigen, die sich im Ehegefängnis eingesperrt fühlen, könnte die Vermutung belegen, dass es der Dialektik bedarf, den Reiz zu erhalten und die heutige postideologische Gesellschaft, wenn sie ausnahmsweise ehrlich zu sich ist, wenig Grund hat, diese überholten Institute weiter zu führen, die der Liebe selten gut tun, ihr nur einen lediglich sehr aufwendig und teuer zu ändernden Rahmen geben. Dann schüfe die Ehe als Rechtsinstitut nur einen lästigeren Hinderungsgrund für eine Trennung aber nichts, was die Liebe förderte.

Vorliegend war keine Ehe sondern nur eine Beziehung und noch eine ältere Beziehung betroffen, die Trennung wäre unaufwendig gewesen. Dennoch führte eher schlechtes Gewissen bei beiden als aufrichtiges Gefühl uns in überkommenen Moralvorstellungen verhaftet zu einem Verhalten, das irgendwo zwischen allem lag, gegen unser Gefühl ging, mit dem wir uns nicht wohl fühlten, was uns daran hinderte, was war zu genießen, mir ein schlechtes Gewissen und ihr, ich weiß nicht was, bescherte, vielleicht einen Höhepunkt, den sie aber auch nur halb genoss und ein vermutlich noch schlechteres Gewissen danach - dahingestellt, ob dies mit ihrem katholischen Glauben noch zusätzlich gut korrespondierte.

Hier stellte sich zuerst die Frage, ob der Reiz gerade aus dem moralischen Verbot entstand, was aber ja nur mich hätte betreffen müssen, mein schlechtes Gewissen begründete oder in der Natur der Sache lag. Wenn zwei aber eine natürliche Anziehung haben, sich sehr mögen und begehren, fragte sich, welche Sitte ein Gebot aufstellen dürfte, das sich gegen unsere Natur richtet und welchen Zweck dies befolgt.

Soziologisch lässt sich dies wohl einfach aus den Folgen des Sex, dem Zeugungsakt eben, und der damit verbundenen Gründung einer Familie erklären. Die Gemeinschaft hat ein Interesse am Bestand funktionierender Familien, da sie den Fortbestand sichern und die Ordnung erhalten. Dies scheint logisch und schlüssig, vernünftig im Sinne der sozialen Strukturen. Die Möglichkeit die Zeugung zu verhindern, mechanisch, chemisch oder natürlich, in dem eben auf den einen Tag geachtet wird, an dem solch ein Risiko besteht, relativieren die ursprüngliche Begründung völlig. Wo es nicht mehr auf die Fortpflanzung ankommt, kann nur der Bestand der Familie als Wert an sich ein solches Handeln begründen.

Fraglich, ob es dazu geeignet ist. Ein Handeln wider die eigene Natur und natürliche Bedürfnisse führt selten zu guten Ergebnissen, sondern entfernt uns von dieser und damit verlieren wir schnell den Kontakt zu unseren Gefühlen und dem, auf was es ankommt, um glücklich zu sein. Wir werden unglücklich, weil wir wider unsere Natur handeln und ertragen das andere, um seines höheren Wertes wegen, zu dem wir immer mehr die Bindung verlieren.

Bindungsloser Gehorsam, der auch blind genannt werden kann, aber ist noch gefährlicher für die Suche nach Glück und raubt der Liebe ihre Grundlage: die Freiheit. Gehorsame Liebe ist dem Wesen nach keine Liebe mehr sondern nur Vollzug von etwas anderem.

Dennoch könnte das dauerhafte Institut der Ehe als Wert an sich, der uns im Leben glücklicher macht, diesen Nachteil kompensieren - Menschen leben in Partnerschaften gesünder und meist länger. Unklar nur ist, ob sie damit glücklicher sind. Sollte dies der Fall sein, müsste erwogen werden, ob der Verlust der Liebe durch ihre Normierung damit kompensiert wird.

Vielleicht aber ist das Institut der Ehe mit moralischem und rechtlichem Rahmen auch nur die Bühne auf der jeder sein Stück inszenieren kann, wie es ihm entspricht und sich dazu eben einigen kann oder wie meist stillschweigend tut. Sichtbar aber wurde, dass die Normierung der Liebe und die damit verknüpften Erwartungen dem Gefühl eher entgegenstehen, es an der Entstehung hindern, beziehungsweise wohl noch häufiger es langsam verschwinden lassen, da heute doch die meisten Ehen noch aus der Überzeugung geschlossen werden, es ginge um Liebe und darum sei das dauerhaft garantierte Miteinander mehr wert als die Folge des logischen Verlustes der Liebe als natürlich freies Gefühl gefährlich scheint.

Setze ich nun die Beziehung und die mit ihr meist verknüpfte Erwartung der Treue der Ehe gleich, fragt sich, warum wir Menschen dazu neigen, dem was uns wertvoll ist, einen Rahmen zu geben, der die Sache seiner Basis beraubt.

Die Erwartung ist der Tod der Liebe und also sollte ich als einer, der von sich sagt, er liebt die Frauen, auch wenn es dann nur noch die eine ist, weil Konzentration ja ihren Reiz hat, wenn sie uns der Zufall schenkt, ein vehementer Gegner geordneter Beziehungen und der Ehe sein, allein um der Liebe willen.

Emotional verhält es sich aber genau umgekehrt, weil ich liebe, möchte ich mich konventionell binden, träume vom Glück der Ehe, glaube eine Verlobung als Eheversprechen, sei das romantischste, was ich mir nur vorstellen kann und bin bereit für dessen Bestand, viel zu ertragen, weil der bloße Bestand mir ein Wert an sich ist. In einer Ehe der Eltern, die trotz mancher gelegentlicher Verständigungsschwierigkeiten im Alltag Bestand hatte, aufgewachsen, scheint mir dieses konventionelle Institut, wo es von Liebe getragen ist, wie ich sie bei meinen Eltern immer wieder sehen kann, gerade mit fortschreitenden Alter, als ein hohes Ideal. Dies zu finden strebe und suche ich, dies gefunden zu haben macht mich zutiefst glücklich.

Es entspricht dieses konventionelle Ideal noch meinen Träumen von einem glücklichen Leben und darum ist, was es gefährdet, für mich schädlich. So suche ich die Liebe mit einer Methode von der mir der Verstand und alle Erfahrung sagen, sie tut eigentlich das Gegenteil, da die Liebe Freiheit braucht, um zu leben, wo wir sie aber einsperren, sie sicher irgendwann stirbt.

Bin ich darum schizophren, weil ich das Gegenteil von dem erstrebe, was ich möchte und also die Liebe unnötig gefährde, in dem ich ihr einen konventionellen Rahmen voller Erwartung gebe?

Oder liegt es in der Natur der Liebe, immer nach dem Gegenteil zu streben, um sich auf die Probe zu stellen, ob diese ihrer Natur nach noch stärker ist als das, was wir vorgeblich zu ihrem Erhalt tun, tatsächlich aber eher um ein trotzdem zu gewährleisten?

Viel ist sicher Konvention und Gewohnheit, die uns in unserem Streben nach Glück in gewohnte Bahnen lenkt, weil wir das ungewohnte fürchten. Was wir als gut kennengelernt haben, trotz aller sichtbaren Mängel, werden wir nicht aufgeben, wenn sich erste kleine Widerstände zeigen, warum immer noch manche Ehe trotz ihres kontraindizierten Charakters Bestand hat. Die staatlichen Hürden zur Aufgabe stellen ein Hindernis für den sonst eher schwachen Willen dar, auch gegen die Natur sich diese Prüfung aufzuerlegen, um zu beweisen, unsere Liebe überlebt sogar eine Ehe.

So ist die Treue als Gebot völliger Unsinn, da sie einzig den Reiz erhöht und damit erst schafft, was wir vorgeblich durch sie verhindern wollen. Die Treue als Wunsch ist wunderschön, institutionalisiert, wie es gerade die monotheistischen Religionen festschrieben, ist sie das größte Hindernis für ihren Bestand, womit die Gebote wieder nur als Probe gesehen werden können, die denen, die sie dennoch halten aus Liebe oder Gehorsam das Gefühl vermitteln noch wertvoller zu sein und sind somit eher ein Akt geistiger Onanie als der Liebe.

Wir leben in einer Zeit, die ihre Bindung an alte Werte, die nur autoritär diktiert wurden, glücklicherweise weitgehend verloren hat, dafür aber ihre Beziehungen gerne mit um so mehr echtem Gefühl aufladen möchte und sich wundert, warum die Ehe als stete Prüfung soviele romantische Lieben relativ schnell zerstört.

Das Bedürfnis auszubrechen, kann ein Grund sein, eine Beziehung zu beenden, weil was verband nicht mehr bindet. Es kann aber genau wie das überkommene Institut der Ehe als eine Art Probe für die Liebe gesehen werden, die wir damit hinsichtlich ihres Bestandes überprüfen und immer wieder auf die Probe stellen. Eine Liebe auf die Probe stellen aber ist eher der Beweis von Misstrauen als von Vertrauen in die Liebe.

Drum prüfe, wer sich ewig bindet, heißt es in alten Sprüchen, die eingestickt oder aufgemalt manche Hochzeitsgeschenke zieren. Sollten wir die Liebe prüfen wollen oder nur unsere Fähigkeit auch Krisen zu überstehen, bevor wir uns ewig binden?

Ist der erklärte Wille, sich ewig binden zu wollen, zwar konventionell schön und romantisch nett aber real eher das Gegenteil des erstrebten. Zunächst ist nichts ewig, am wenigsten das Leben, das nunmal endlich ist und oft auch unterschiedlich lang dabei. Wollen wir darum einen Teil über unsere Existenz hinaus binden, weil es der Liebe ein Gefühl von Allmacht gibt?

Bis das der Tod uns scheidet, sagen die Eheleute und die Wiederheirat der verwitweten nach angemessener Karrenzzeit gilt auch sittlich als völlig in Ordnung, Diese Formel lag innerlich all meinen längeren Beziehungen zu Grunde und ein wenig davon schwebte auch bei jeder Frau mit, mit der ich in meinem Leben schlief - das Gefühl nicht auf Probe etwas zu tun, sondern es für die Ewigkeit zu wagen, etwas Absolutes zu tun, das gravierende Folgen haben kann, die dann als Kinder über unsere Existenz hinausreichen können.

Dennoch wurde es mehr als eine, wie wir hier im 16. Kapitel schon mit gerade 18 Jahren sehen können, was zeigt, wie fern sich Wunsch und Wirklichkeit sind, wieviel mehr als des einverständlichen Beischlafes es bedarf, um dauerhaft glücklich zu sein. Auf bisher längstens neuneinhalb Jahren bin ich bei meinen Versuchen gekommen und alle praktische Erfahrung gäbe guten Anlass sowohl an der Fähigkeit zur dauerhaften Bindung, wie der Tauglichkeit dieses Ideals zu zweifeln.

Dass ich nicht daran verzweifelte, sondern weitersuchte, bis es passte, um dann wieder daran zu glauben, die Liebe würde ewig währen, weil der Zauber des Gefühls einen schweben lässt, spricht dafür, dass die Idee der Liebe stärker als alle Vernunft und Erfahrung sein kann und auch jedem logischen Beweis der Untauglichkeit seltsam genug unbeschadet übersteht.

Ob es darum klüger wäre, die für ideal gehaltene Liebe von allen Proben und Konventionen zu verschonen, um das Glück einfach zu genießen, weiß ich nicht. Alle Logik und Vernunft sprechen dafür, dass es besser ist, die Liebe nicht zu prüfen, ihr den besten und freiesten Rahmen jenseits aller Konventionen zu geben, damit sie einfach sein kann.

Darum wissend strebe ich dennoch innerlich nach wenig mehr, als mich konventionell dauerhaft voller Liebe zu binden. Dies einerseits vermutlich seiner Natur nach, um sich sicher zu sein, andererseits aber auch aus dem Gefühl heraus, es sei gut und richtig so und wenn es andere tun, sollte meine ideale Liebe dies allemal überstehen.

Ob wir uns dabei der Dialektik bewusst sind oder eher unbewusst solchen Unsinn machen, weil es alle tun und wir uns gerne anpassen, könnte für die analytische Selbstsicht interessant sein, die ich aber für komplett irrelevant hier und im übrigen auch halte. Entscheidend ist vielmehr, was mich glücklich macht und welcher Weg dazu mehr beiträgt - diese Reduktion auf das nur Glück erleichtert es, einen klaren Blick zu finden, statt sich im Nebel von Gefühl, Konvention und Verstand hier zu verirren.

Wenn nichts anderes als das größtmögliche Glück übrigbleibt, erledigen sich viele andere Fragen. Aufklärung ist immer noch die Befreiung aus selbstverschuldeter Unmündigkeit und damit das vernünftigeweise größtmöglich denkbare Glück. Liebe ist das emotional größte Glück und wie Goethe schon in Willkommen und Abschied schrieb, zu lieben, welch ein Glück, geliebt zu werden, ich verdient es nicht, auch wenn wir uns logisch nichts anderes wünschen, wenn wir lieben, als auch geliebt zu werden, kann die Dankbarkeit für die Erkenntnis zu lieben, auch an sich das größte Glück werden, wie in das größte Unglück uns stürzen, gerade wenn es um nichts als nur ein Gefühl geht. Wo wir dies bewusst tun im Sinne von mündig, könnte sich das größtmögliche Glück aus beiden Teilen finden, auch wenn seine Bedingungen so unsinnig sind, wie wir sie uns nur vorstellen können.
jens tuengerthal 23.12.15

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