Eigentlich wollte ich ja nicht
Laufen oder doch nur eben
Zu Dussmann vor Ostern
Wie ein wenig einkaufen
Am Ende als ich kurz nach
Mitternacht wieder am Platz
Ankam waren es doch 60 km
Ohne größere Anstrengung
Erstaunlich finde ich dabei wie weit
Wir uns auch ohne Absicht bewegen
Wenn der Lauf wieder Natur wurde
Statt erschöpfendes Ziel zu sein
Nur ein wenig über den Berg
Wie durch Mitte und über die
Dort Insel genügten ohne
Jede größere Anstrengung
Ob dies so war weil ich nichts wollte
Als zu Dussmann und wieder in die
Nahe Böse Buben Bar weiß ich nicht
Es blieb dabei auch viel Zeit zu lesen
Bei Dussmann las ich Stefan Zweigs
Lob des Erasmus von Rotterdam aus
Der Anderen Bibliothek dabei infiziert
Vom toleranten Geist des Nachgebens
Der Zweig wie Wezels großer Roman
Der Aufklärung Hermann und Ulrike
Wurden dort meine Ostereier für heute
Sonst gönnt sich ja der Wanderer nichts
Bei Pfeife und Rotwein wieder in der
Böse Buben Bar las ich weiter Marion
Dönhoffs Kindheit in Ostpreußen die
Ideale Lektüre für unterwegs eben
Mit der Gräfin die ich einmal noch traf
Durch ihre verlorene Heimat zu reisen
Ist auch eine Wanderung durch die Zeit
Auf eine vorindustrielle östliche Insel
Wie wunderbar das Leben sein kann
Könne doch gar nicht beurteilen wer
Nie über ostpreußische Felder noch
Mit einem Trakehner galoppierte
Nach ihrem Urteil also wohl unfähig
Zum umfassenden Urteil kann mich
Die immer noch kindliche Begeisterung
Der großen alten Dame mitreißen
Viel preußischer Geist fließt dort noch
Im positivsten Sinne zwischen Zeilen
Der liebevollen Erinnerung an eine
Geliebte untergegangene Welt mit
Vielleicht sind Liebe und Untergang
Verlust und Haltung dazu gerade
Zentrale Themen auch für mich
Was die Gräfin neu sehen lässt
Zuletzt las ich sie noch in der Zeit
Vor über 25 Jahren doch lese ich
Sie heute gänzlich anders bereits
Ferner der Jugend die sie erinnert
Verloren ist dies wunderbare Ostpreußen
An Russen und Polen endgültig was sie
Früh unter dem Wahnsinnigen ahnten
Der den großen Krieg einst begann
Seltsam nahe ist mir die große Dame
Des deutschen Journalismus wieder
In ihren Erinnerungen an ihre verlorene
Heimat ihre spürbar große Liebe
Wie sie dennoch ohne zu klagen
Zurückblickt und Haltung bewahrt
Ihre Liebe für das Verlorene wahrt
Scheint mir mehr als vorbildlich
Nach einem feinen Wein wie etwas
Dampf aus der elektrischen Pfeife
Ging es mit hohem Tempo zurück
Auf den zufällig heimatlichen Berg
Als wäre das Wandern nun mein
Galopp über ostpreußische Felder
Genoss ich den schnellen Gang
Den Berg hinauf wie zu sich
Heimat sind mir weniger die Orte
Als die großen Lieben meines Lebens
Von denen auch selten mehr blieb als
Verwischte Spuren der Erinnerung
Während die letzte noch schmerzt
Weil sie so vollkommen viel teilte
Wird mir bewusst wie sehr die Liebe
Immer mein Traum von Heimat war
Ankommen beieinander wie auch
Miteinander im Leben ist für mich
Heimat neben den Büchern meiner
Kleinen bescheidenen Bibliothek
Wanderte mit diesen Gedanken
Auch bei der verlorenen Liebe
Unter immer noch schönen Mond
Wieder zu meinem Helmholtzplatz
Freundlich liebevoll grüßte dort die
Bedienung aus dem Misirlou vertraut
Fragte lachend wie es denn ginge
Und ich antwortete irgendwas
Den Schmerz nicht zeigen predigte
Die Dönhoff noch in Erinnerung
An Reitunfälle und ähnliche große
Katastrophen hilft alles überstehen
Wie schön scheint die Sonne nun
Österlich bis auf mein Bett hier
Was Heimat bleibt auch ungeteilt
Weil jeder Traum ein Ende hat
jens tuengerthal 21.4.2019
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