Dresdenprotest
Die Sachsen haben schon früher gerne protestiert, auch wenn es nicht immer so zielführend war wie 1989, scheint es dem Völkchen zwischen Böhmen und Brandenburg zu liegen aufzumucken, warum sich fragt, ob der Integrationsversuch, den Merkel gerade startet, nicht sinnvoller ist, als weiteres angewidertes Kopfschütteln, auch wenn dies angesichts des Pegida Rassismus gut begründet ist. Nun werden die Sozialdemokraten um Gabriel zwar bemerken, sehr ihr, dass wollte unser Dicker doch auch nur, aber erstens ist es nicht egal, wer etwas macht, um glaubwürdig zu sein und zweitens ist es noch wichtiger, wann es geschieht, um wirksam zu sein. So wird die Erinnerung an vergangene Verdienste der SPD wieder nichts bringen, weil es keine waren und sie wie üblich nur schrumpfend zu spät kommen oder zu früh, was immer falsch bleibt und nie zum gemeinsamen Höhepunkt führt, eher peinlich am Ende ist. Bachmanns heutige Verurteilung erst ermöglicht es, mit denen, die zurück auf den Boden des Rechts wollen, den Dialog zu suchen. Gabriel kam zu früh und war natürlich der Falsche, dies zu beginnen.
Es darf nie darum gehen, den Pegiden das Gefühl zu geben, sie hätten Recht oder steter Tropfen höhle den Stein, doch kann eine CDU Vorsitzende auf Dauer nicht an der Macht überleben als Mutter der Flüchtlinge, die konservative Ängste überhört - erstaunlich war, wie lange sie dies Spiel spielte und spannender wird, wohin sie nun wendet, nachdem sie öffentlich bemerkte, die fast 20% Idioten die auf den AfD hereinfallen, sollten lieber nicht öffentlich so genannt werden, die hätten es ja schon schwer genug, vielmehr müsse es auch dort um Integration gehen.
In Deutschland muss heute nach zwei Seiten wohl aktive Integrationspolitik betrieben werden, was über Jahre eher ein Fremdwort gerade in der CDU war. Daran, wie weit ihr das gelingt, wird Merkel gemessen werden in Zukunft. Wenn sie dabei einige Linke vor den Kopf stößt oder Sozialdemokraten zum Aufschrei bringt, schadet dies der Demokratie weniger als eine weitere Polarisierung in Gutmenschen und Nazis.
Vielleicht gehört dies aufständische Element zu den Sachsen dazu, auch wenn es gerade die peinlichste Variante ist, scheinen viele den Eindruck zu haben, für eine gute Sache zu kämpfen - denen ständig wieder zu sagen, ihr seid einfach nur blöd, nützt niemandem vermutlich, fraglich bleibt, was helfen könnte. Heute hat zumindest der Rechtsstaat ein klares Wort gesprochen und Lutz Bachmann für seine rassistischen Äußerungen zu einer Geldstrafe verurteilt, was zwar unter der Forderung der Staatsanwaltschaft blieb, die lieber drei Monate Haft hätte, aber zumindest ein deutliches Zeichen ist, wo die Grenzen des Diskurses verlaufen und dass die Demokratie sich auch gegen ihre Feinde wehren muss.
Heute gehen Menschen in Dresden auf die Straße, welche die Grundwerte unserer Demokratie angreifen und diese infragestellen, weil sie sich in ihrem Wohlstand und im übrigen durch Überfremdung bedroht fühlen. Sie verlassen dabei zu einem nicht kleinen Teil die Grenzen des politischen Diskurses, verbreiten Lügen und schüren Hass, der von populistischen Parteien wie dem AfD in ihrem Programm übernommen wird. Damit sind sie Feinde der Republik für die ihre Vorgänger noch in Dresden kämpften, vielleicht ist es darum so wichtig gerade heute auch an diese Dresdner Unruhe einmal zu erinnern.
Am 3. Mai 1849 begann der auf den Sturz von König Friedrich August II. und die Errichtung einer Republik zielende Dresdner Maiaufstand. Ab dem 4. Mai setzte sich der russische Anarchist Michail Bakunin an die Spitze der Revolutionäre zu denen auch Gottfried Semper und Richard Wagner gehörten. Der Aufstand dauerte bis zum 9. Mai.
Nichts scheint Pegida ferner als ein linksnationaler Aufstand, der von einem russischen Anarchisten angeführt wurde. Ist Nation noch revolutionär oder ein bloß reaktionäres Überbleibsel des 19. Jahrhunderts?
Schon im Jahr zuvor war es mit Beginn der Märzrevolution von 1848 in Sachsen zu liberal und demokratisch gesinnten Unruhen gekommen. Neben der Liberalisierung der deutschen Fürstentümer und der Errichtung demokratischer Strukturen war deren Ziel auch die deutsche Einigung in einem einheitlichen deutschen Reich. In diese Richtung zielte auch die gemeinsame Verfassung, die vom Paulskirchenparlament in Frankfurt erarbeitet wurde.
Nach den ersten revolutionären Aufständen 1848 war es zu einem Einlenken der Fürstentümer gekommen, die liberale Reformen begannen wie die Einführung der Pressefreiheit, die Einführung liberaler Märzministerien und die Aufhebung von Feudallasten. Ausgehend von Preußen und Österreich hatte sich jedoch ab Sommer 1848 wieder die Konterrevolution durchgesetzt. Die Frankfurter Nationalversammlung hatte keine Machtmittel, ihre Legitimation durchzusetzen. Friedrich Wilhelm IV. hatte die ihm von der Nationalversammlung angetragene Kaiserkrone für eine kleindeutsche Lösung ohne Österreich als mit dem Sudeldreck der Revolution beschmutzt abgelehnt, obwohl er selbst noch im März 48 unter dem Eindruck der Berliner Aufstände große Zugeständnisse an die Revolutionäre gemacht hatte.
Preußen und Österreich zogen aus der Nationalversammlung aus und auch der sächsische König gehörte zu den Gegnern einer liberalen Verfassung. Verfassung und Einigung Deutschlands waren damit vorerst gescheitert. Zur Rettung der wichtigsten liberalen Fortschritte startete in einigen Staaten nun die Reichsverfassungskampagne, in deren Folge es in einigen Staaten im Mai 1849 zu den radikaldemokratischen Revolutionsschüben kam. Diese Maiaufstände fanden neben Sachsen auch in Baden statt, wo zuletzt in Rastatt die badische Revolution geschlagen wurde. In Sachsen war der Dresdner Maiaufstand der letzte Versuch die liberalen Reformen von 1848 zu retten und fortzusetzen.
In Dresden brach der offene Aufstand am 3. Mai 1849 aus, als sich, wegen des Schleswig-Holsteinischen Krieges nur rund 1800 Soldaten mit 6 bespannten Geschützen in der Stadt befanden. Das Dresdner Zeughaus wurde gestürmt und bewaffnete Angehörige der Turnerbewegung nach Turnvater Jahn besetzten das Landtagsgebäude. Um 4.30h am folgenden 4. Mai verließen der König, die Königin und sämtliche Minister Dresden und verbargen sich auf Festung Königsstein. Damit war das Land ohne Regierung. Die Behörden waren nicht einmal von dieser Nacht und Nebel Aktion in Kenntnis gesetzt worden. Preußische und sächsische Truppen unter Leitung des preußischen Generalleutnants Friedrich von Waldersee warfen dann in seltener Gemeinsamkeit bis zum 9. Mai den Aufstand nieder.
Bakunin und Richard Wagner, der bis dahin Hofkapellmeister war, sowie Gottfried Semper, der Hofbaumeister, konnten zunächst entkommen. Die meisten Gefallenen waren Jugendliche. Dabei stammten von 99 identifizierten Toten 40 nicht aus Dresden, 98 Tote konnten nicht mehr identifiziert werden. Unter den 114 Verwundeten waren nur 67 Dresdner. Insgesamt ist von 250 Toten und bis zu 500 Verwundeten unter den Aufständischen die Rede. Von den beteiligten Soldaten wurden 31 getötet und 94 verwundet.
Bakunin wurde bald darauf in Chemnitz verhaftet, das damals noch nie Karl Marx Stadt hieß. Er wurde zum Tode verurteilt, dann 1851 auf lebenslange Haft begnadigt, schließlich an Russland ausgeliefert, wo er noch weitere 10 Jahre absass. Wagner und Semper retteten sich nach kurzem Aufenthalt in Paris ins Züricher Exil. Erst nach 1864 rettete Wagner dann der junge bayerische König Ludwig II. aus höchster finanzieller Not und errichtete ihm in Bayreuth die Villa Wahnfried und das Festspielhaus auf dem Grünen Hügel, aber das ist eine andere und wengier revolutionäre Geschichte, im Gegenteil stand der Hügel seit dem immer in großer oder zu großer Nähe zu den jeweils herrschenden Regierungen.
Der Dresdner Maiaufstand erreichte nichts bleibendes als heutige Gedenktafeln. Deutschland war scheinbar noch nicht reif für eine Republik und die Einigung auf die kleindeutsche Lösung unter preußischer Führung erfolgte erst nach dem Sieg über Frankreich 1870/71 mit der Kaiserkrönung in Versailles. Es wurden Jugendliche für revolutionäre Ideen verheizt und das Königtum blieb noch bis 1918 an der Macht. Die scheinbar liberalen Reform Bismarcks im späteren Deutschen Reich dienten nur der Durchsetzung seiner politischen Ziele, um eine liberale Verfassung und mehr Freiheit ging es ihm nicht, auch wenn er sie auch mit der Sozialversicherung teilweise weiter realisierte als es viele Revolutionäre noch 1848 träumten. So wurde ein Teil der revolutionären Ziele von 1849 autoritär von oben eingeführt, wenn es half, den Druck zu senken und das System zu stabilisieren.
Erst 1989 beteiligten sich die Sachsen wirksam wieder an einer Revolution vor allem zuerst in Leipzig, wo sie mutig gegen den SED-Staat aufstanden. Dieser Aufstand war vor allem Dank der Fürsprache der Sowjetunion, die vom Einsatz von Militär abriet, so erfolgreich. Auch die immer größere ökonomische Not der Staaten des Ostblocks, die sich im Kalten Krieg tot gerüstet hatten und als totalitäre Systeme sich nicht den Bedingungen des Marktes anpassen konnten, trug zum schnellen Erfolg bei. Doch sollen die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen, die den Erfolg erst sicherten, nicht die Leistung und den Mut der DDR-Bürger schmälern, die für mehr Freiheit auf die Straße gingen, ohne zu wissen, was ihnen drohte. Diese Revolution blieb friedlich, worin wohl auch ein Verdienst der beteiligten Kräfte aus den Kirchen liegt.
Der Erfolg oder Misserfolg einer Revolution hängt immer mit den ökonomischen Rahmenbedingungen zusammen. Gegen die geballte sächsische und preußische Militärmacht hatten die Aufständischen keine Chance. Die Begeisterung für die revolutionären Ideen in der Bevölkerung war nicht so groß, dass die Aufständischen sich in Dresden auf eine breite Basis stützen konnten. Die über die Burschenschaften vor allem in studentischen Kreisen stark verfolgte nationale Idee begeisterte wenige genug, dafür auf die Straße zu gehen. Die nationale Idee hatte in den Befreiungskriegen gegen Napoleon noch viele begeistert, inzwischen hatte sie sich abgeschwächt und war nach dem Wiener Kongress im Geist des Biedermeier mehr dem Wunsch nach Frieden und Wohlstand in Ruhe gewichen. Die erste Begeisterung vom März 1848 war wieder der gewöhnlichen Lethargie gewichen, in dem sich jeder lieber um sein Wohlergehen als das des Staates kümmert, in dem er lebt.
Die Angst um ihre Ruhe treibt auch die Pegiden, deren gerade verurteilter Führer den wahren Geist dieser Bewegung offenbarte. Es sind dies keine Bürger, die für Freiheit und Republik auf die Straße gehen, sondern ängstliche Menschen, die sich vor Fremden fürchten und den Untergang des Abendlandes beschwören, mit dem sie selbst kaum eine persönliche Verbindung haben. Der nackte, asoziale Egoismus dort, der sich fürchtet, zu kurz zu kommen, wenn wir Reichen den Armen helfen, hat nichts vom Geist des christlichen Abendlandes, den es zu verteidigen vorgibt. Vielmehr missbraucht eine national chauvinistische Bewegung die Erinnerung an die friedliche Revolution von 1989, um ihre kleinbürgerlichen Ziele aus beschränktem Horizont zu verfolgen.
Das Klientel der AfD Wähler mit ihrer panischen Angst vor dem Islam, als könne eine mittelalterliche Sekte in Europa Fuß fassen, wenn dieses seine Werte entschlossen verteidigte, ist vom selben Geist getrieben. Es bedarf daher der Aufklärung über die tatsächlichen ökonomischen Auswirkungen einer Krise, die keine ist und wäre, wenn nicht zu lange den Aufrufen zur Gewalt wortlos zugesehen worden wäre von staatlicher Seite. Auch von daher ist die Verurteilung Bachmanns ein gutes Zeichen für einen Rechtsstaat, der sich wehrt und seine Werte verteidigt, Grenzen aufzeigt.
Pegiden und AfD-Wähler sind keine nationalen Revolutionäre sondern meist besorgte Bürger, die sich um ihre biedermeierliche Ruhe und ihren Wohlstand fürchten. Sie haben keine Perspektive, keine Antworten und keine Lösungen, nur führte die bloße Feststellung ihrer Dummheit zu einer immer weiteren Radikalisierung, machte sie Argumenten nicht zugänglicher, sondern sorgte für eine immer größere Leichtgläubigkeit untereinander, die mit dem Stichwort Lügenpresse am besten bezeichnet wird. Stattdessen schenken sie den unfreien Propagandaorganen des Kremls und deren Hetze Glauben, wenn sie vermeintlich journalistisch die Gefahren beschwören.
Wer die Radikalisierung in den sozialen Netzwerken beobachtete, in denen die einen als Gutmenschen und die anderen als Nazis beschimpft werden, die aber ein guter Indikator für die Stimmung in der Gesellschaft sind, sieht die Gefahr, die Deutschland in den 20er Jahren schon einmal bedrohte und mit der damals nicht konstruktiv umgegangen wurde und die infolge einen Hitler mit an die Macht brachte, weil er von der Unruhe, die er selbst stiftete, als dann Ordnungsmacht profitierte.
Was wird heute getan, dieser Gefahr zu begegnen?
Wie wird mit Aufrufen zur Gewalt und rassistischen Äußerungen umgegangen?
Sollte nun lieber beruhigt werden, um zu integrieren oder müssen verbale Täter auch genau so verfolgt werden?
Der Tatbestand der Aufstachelung zum Rassenhass ist eine Konsequenz der Nazizeit, ihn erfüllt die antiislamische Propaganda, die von Moskaus Bütteln in AfD und Pegida hier verbreitet werden, vielfach. § 130 I StGB ist weit genug gefasst, die weitere politische Gefahr für die Demokratie durch diese Gruppen rechtlich klar zu begrenzen. Ob dies auf Dauer dem Bestimmtheitsgebot genügen kann oder einer stärkeren Konkretisierung bedarf, um nicht zum Ideologiestrafrecht zu verkommen, ist eine Frage, die Juristen diskutieren sollen und können, um der Freiheit willen. Wo diese aber durch Putins Vorhut und ihre ideologische Verblendung, die zu immer mehr rassistischen Straftaten auch anstiftet, gefährdet ist, tut der Rechtsstaat gut daran, sich mit den vorhandenen Waffen vehement zu verteidigen.
Ob es bei den 120 Tagessätzen für Bachmann bleibt oder die Staatsanwaltschaft weiter Haft fordert in der nächsten Instanz ist dabei weniger wichtig als das Signal, was schon von dieser Verurteilung ausgeht. Wer Rassenhass auch gegen Religionen fördert, wird im Rechtsstaat bestraft und verfolgt, genau wie islamistische Prediger, die zu Gewalt aufrufen.
Bachmann ist ein bereits mehrfach verurteilter Straftäter, der nur bisher durch Flucht seiner Verhaftung entging. Was er und seine Kumpane von sich geben, wird im Rechtsstaat nicht geduldet. Es ist gut und wichtig, dies festzustellen und nun können wir uns, um diejenigen kümmern, die Angst haben, darum der rassistischen Herde mit den einfachen Antworten folgten und versuchen, uns um Integration zu kümmern, die Sorgen der Bürger ernst nehmen. Nicht weil sie ernsthaft bedroht wären, sondern damit sie sich ernstgenommen fühlen und im Rechtsstaat ein Zuhause wieder finden, statt sich nach Moskau zu wenden.
Es gibt auch vieles an Freiheiten in unserem Staat derzeit dringend zu verteidigen, gegen die Feinde von rechter wie von islamistischer Seite. Keine Toleranz für Intoleranz, damit es dauerhaft friedlich bleibt. Es können nur im Diskurs die Lügen widerlegt und aufgeklärt werden, warum weitere Konfrontation zu nichts führt. Mit der Verurteilung des ersten Pegida-Täters wegen Volksverhetzung sind klare rechtsstaatliche Grenzen endlich gezogen. Dieses Land findet diesen Rassismus nicht normal und wird ihn nicht hinnehmen, das ist gut so. Nun können die anderen wieder auf den Boden des Rechtsstaates zurückgeholt werden, um eine weitere Spaltung zu verhindern.
jens tuengerthal 3.5.2016
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