Geheimnistod
Der Tod aller Geheimnisse machte das Leben einfacher und friedlicher. Die Abschaffung der Geheimdienste wäre der erste Schritt dahin, deren Aufgabe nur in unsauberer Spionage besteht, um Dinge zu erfahren, von denen andere nicht wollen, dass wir sie erfahren und um sie zu erfahren erlauben wir den Geheimen illegale Praktiken. So sind alle Geheimnisträger und Geheimbünde von Demokraten kritisch zu sehen. Wer etwas zu verbergen hat, macht sich unglaubwürdig.
Bekannte oder unbekannte Geheimschriften führten vieltausendfachen Tod herbei in zu vielen Kriegen in denen die Dienste immer erstarken, deren kein friedlicher Mensch bedarf und deren ein demokratischer Staat sich schämen sollte. Dies gilt für den Dienst nach außen, den BND, die alte Nazi-Organisation, wie für die nach Innen, die sogenannten Verfassungsschützer, deren bloße Existenz schon den Bestand der demokratischen Grundordnung gefährdet, die sie zu sichern vorgeben. Sie sind und bleiben ein Instrument geheimer Macht auch im Rechtsstaat, systemimmanent undemokratisch, auch wenn mit einer irgendwie rechtsstaatlichen Hülle versehen, wird ihre Existenz und ihr Ausbau mit dem mehr an Sicherheit gerechtfertigt, um die es immer geht, wenn sich sonst keine Gründe finden, die Freiheit einzuschränken. Als sei der Staat logisch ein Wert an sich, der für seinen Bestand alle bürgerlichen Rechte aufheben darf und wäre es nicht umgekehrt so, dass die Bürger erst den Staat bilden und ihm nur beschränkt Rechte verleihen, die auch im übrigen in der Verfassung geschützt werden, über deren Auslegung weiter gestritten wird.
Was bewirkten die Geheimgesellschaften in Europa bereits?
Wohin führte ihre Tolerierung?
Am 9. Mai 1911 gründeten in Belgrad serbische Offiziere den Geheimbund Uledinjenje ili Smrt, Vereinigung oder Tod, die besser unter dem Namen Schwarze Hand bekannt wurde, mit dem Ziel ein Großserbien zu errichten. Das spätere Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gattin in Sarajewo, das den ersten Weltkrieg auslöste, war das Werk dieser Gruppe.
Der terroristische Geheimbund kämpfte für ein mit Bosnien und der Herzegowina vereinigtes Großserbien. Die Schwarze Hand war eine Verbindung von Offizieren, der ganz mehrheitlich Serben und einige wenige Kroaten und Bosniaken angehörten. Sie galt als geheime Organisation, auch wenn ihre Existenz und ihre Mitglieder öffentlich bekannt waren - Balkan-Show halt. Mitglieder der Schwarzen Hand waren an der Ermordung des serbischen Königs und seiner Gattin wie dem Attentat von Sarajewo beteiligt, das über die Julikrise schlafwandlerisch in den ersten Weltkrieg führte.
Die Ursprünge der Schwarzen Hand gehen auf die Verschwörung der serbischen Offiziere zur Ermordung von König Aleksandar, dem letzten der Obrenovic Dynastie, zurück. Der König hatte sich durch seine Ehe, seinen autoritären und an Österreich sich anlehnenden Regierunsstil unbeliebt gemacht. Der vor allem gegen Österreich gerichtete groß-serbische Nationalismus zielte auf ein Bündnis mit Frankreich und Russland und versuchte diese Politik aggressiv durchzusetzen. Ziel der Organisation war dabei die Verwirklichung des völkischen Ideals der Vereinigung aller Serben in einem Nationalstaat.
Als oberstes Organ wurde eine Zentralverwaltung in Belgrad eingerichtet, deren Entscheidungen für alle Mitglieder verbindlich waren. Sie verfügte über deren Leben und Vermögen. Die Organisation stand über allem und ihre Mitglieder mussten alles, was sie dienstlich oder privat erfuhren weitermelden, soweit es von Interesse für die Organisation war, was diese selbst totalitär logisch entschied. Die Zentralverwaltung durfte auch Todesurteile aussprechen, die von besonders vertrauenswürdigen Mitgliedern vollstreckt wurden. Wer einmal Mitglied geworden war, durfte nie mehr zurücktreten, kein Mitglied durfte einen Rücktritt annehmen, es war ein Lebensbund auf Leben und Tod. Die Mitglieder wurden aus Gründen der Geheimhaltung als Nummern nicht als Namen geführt. Nur die oberste Zentralverwaltung kannte alle Mitglieder, die sich, obwohl sie weder die Organisation noch ihre Mitglieder wirklich kannten, bei ihrem Eintritt zu absolutem Gehorsam und absoluter Geheimhaltung verpflichteten.
Der lächerlich pathetische Eid dieser typisch balkanisch übersteigerten Organisation lautete:
Ich, der in die Organisation „Vereinigung oder Tod“ eintrete, schwöre bei der Sonne, die mich erwärmt, bei der Erde, die mich ernährt, vor Gott, beim Blut meiner Väter, bei meiner Ehre und bei meinem Leben, dass ich von diesem Augenblick an bis zu meinem Tode die Satzung dieser Organisation treu befolgen und stets bereit sein werde, ihr alle Opfer zu bringen.
Ich schwöre vor Gott, bei meiner Ehre und bei meinem Leben, dass ich allen Weisungen und Befehlen widerspruchslos folgen werde.
Ich schwöre vor Gott, bei meiner Ehre und bei meinem Leben, dass ich alle Geheimnisse dieser Organisation mit ins Grab nehmen werde.
Mögen Gott und meine Kameraden in dieser Organisation über mich zu Gericht sitzen, wenn ich wissentlich diesen Eid breche oder umgehe.
Entsprechend diesem auf Ehre und Gefühl setzenden Eid war diese totalitäre Geheimorganisation an zahlreichen Attentaten und deren Versuchen beteiligt, von denen das auf Kronprinz Franz Ferdinand das folgenreichste war. Das der preußische Kronprinzensohn Louis-Ferdinand hieß, könnte dazu eine nette Anekdote werden, gäbe es nicht die wesentlich ältere Geschichte von diesem gegen Napoleon gefallenen Preußenprinzen, die hier aber keine geheime Rolle spielt.
Nicht alle Beteiligten des Putsches von 1903 aus dessen Mitgliedern sich die Schwarze Hand gründete, teilten den atavistisch beschränkten serbischen Nationalismus. Einer von ihnen gründete darum die Weiße Hand, um der Schwarzen Hand entgegenzuwirken. Mitglieder der Weißen Hand gewannen vor allem nach 1917 an Einfluss. Ihr Gründer amtierte von 1929-32 als Premierminister Jugoslawiens.
Obwohl die Schwarze Hand und ihre Aktionen die Politik der serbischen Regierung bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges unterstützten, erkannte die Regierung die Gefährlichkeit einer solchen Geheimorganisation. Insbesondere wollte die Schwarze Hand keine jugoslawische Föderation sondern einen serbischen Nationalstaat. Ab 1917 wurden alle Mitglieder verhaftet und der geplanten Ermordung des Prinzregenten beschuldigt. Bei einem Mitglied der Obersten Zentralverwaltung wurde die Namensliste aller Mitglieder gefunden. Bei einem anderen die geheimen Statuten des Bundes. In einem Schauprozess wurden sie zum Tode verurteilt. Die anderen Angeklagten bekamen erst sehr hohe Haftstrafen und wurden später amnestiert.
Serbien möchte heute Teil der EU werden. Der Jugoslawienkrieg hat uns gezeigt, wie tief der Hass und die Missgunst in den Menschen sitzen und wie fern eine Versöhnung noch scheint. Doch galt zwischen Deutschland und Frankreich auch über Jahrhunderte, fast seit das Frankenreich unter Karls Erben zufiel, eine Erbfeindschaft, die in wenigen Jahrzehnten seit Ende des letzten Weltkrieges einer engen Freundschaft wich, auch wenn der Weg dahin dornig und steinig zwischendurch war, sind doch die beiden Teile des alten Frankenreiches gute Partner inzwischen.
Albanien will auch Teil der EU werden wie Bosnien-Herzegowina und vielleicht ist dies die Brücke in eine gemeinsame Zukunft, mehr über das nachzudenken, was verbindet, als was trennt und problematisch ist. Denken wir an das Fußballspiel zwischen Serbien und Albanien und den nationalistischen Zwischenfall dort mit dem Zeppelin mit der alten Fahne, hat sich noch einmal die gefährliche Seite gezeigt, die nationaler Wahn in triebhaften Menschen auslöst.
Die Schwarze Hand zeigt die doppelte Gefahr geheimer und nationalistischer Organisationen. Diese sind ein größeres Risiko für jede Gemeinschaft als abstruse Parteien oder sächsische Spaziergänger, so schlimm diese Brandstifter sind, doch brauchen wir zum Schutz davor nicht mehr Verfassungsschutz und Geheimdienst mit fragwürdiger Zuverlässigkeit immer, da nur bedingt kontrollierbar im Geheimen, sondern mehr rechtsstaatlich arbeitende Polizei, die dort aufpasst, wo es nötig ist und schützt, wo Gefahr vorliegt, ermittelt wie es der Rechtsstaat gestattet. Die Gefahr, die von Geheimdiensten für die Freiheit ausgeht, ist immer größer als der Schutz, den wir uns von ihnen versprechen, ihr Einsatz ist nur ein Zeichen der Macht, keine Verteidigung dessen, was der Name vorgibt.
Zur Gefahr der trügerischen Sicherheit, die Geheimdienste geben, sei noch an eine andere Geschichte erinnert, die am 9. Mai 1941 begann, als das britische Kriegsschiff HMS Bulldog gemeinsam mit zwei anderen Schiffen das deutsche U-Boot U 110 kaperte und dabei die Chiffriermaschine Enigma erbeutete. Damit konnten die Engländer ab diesem Zeitpunkt den gesamten Funkverkehr der deutschen Kriegsmarine entschlüsseln. U 110 hatte mit schweren Schäden auftauchen müssen. Die Mannschaft versuchte noch, nachdem sie sich gerettet hatte, das U-Boot zu versenken. Da das Boot nicht schnell genug sank, schwamm der hochdekorierte Kapitänleutnant Fritz Julius Lemp noch einmal zum Unterseeboot zurück.
Bei diesem Versuch kam er angeblich ums Leben, jedoch gibt es über seinen Tod mehrere Versionen. Einerseits wird behauptet, er sei vom Enterkommando schwimmend erschossen worden, andererseits wird gesagt, er soll aufgrund totaler Erschöpfung einfach im Meer ertrunken sein. Die gefangengenommene Mannschaft erfuhr davon nichts. Sie war der Meinung, das Boot sei untergegangen und ihr Kommandant ertrunken.
Die Geschichte ist auch Gegenstand des Buches Das Boot von Lothar Günter Buchheim, das später auch verfilmt wurde. Dabei lässt der Autor den Alten den Verdacht äußern, Lemp sei ein Agent der Alliierten gewesen und die Erbeutung von U 110 sei abgesprochen gewesen. Dafür finden sich keine weiteren Belege.
Die Eroberung der Enigma-Maschine und der dazugehörigen Verschlüsselungsbücher veränderte den Kriegsverlauf entscheidend, besonders die Schlacht im Atlantik ging infolge verloren, weil sich die so abgehörte Marine in falscher Sicherheit wiegte und leicht überführt werden konnte.
Es zeigt sich wieder mal, das Vertrauen auf Geheimdienste und ihre Tricks keine Sicherheit bietet, so wenig wie Verschlüsselung dauerhaft sicher sein kann. Im Gegenteil fielen diesem Vertrauen noch viele Menschen und Schiffe der Marine zum Opfer, während diejenigen, die sie lesen konnten, ihr überlegenes Wissen zielgerichtet nutzten. Im Ergebnis war das Vertrauen in die Verschlüsselungsanlage und ihren Bestand wichtiger für den Sieg auf See als sie je Schutz bringen konnte.
Nur für fragwürdige und also illegale Ziele lohnt sich Verschlüsselung und Geheimhaltung alles andere ist nur ein wichtigtuerisches Kasperletheater, was die offene Gesellschaft jenseits der rechtstaatlichen Ziele polizeilicher Ermittlungen nicht braucht. Agenten retten weder das Königreich noch die Republik, sie sind Helden, die nicht nur halbseiden arbeiten sondern mehr schaden als nutzen. Trauten wir uns endlich, dies zuzugeben, könnten wir viele Probleme günstiger lösen als mit Fortdauer des Agentenunwesens. Kein demokratischer Staat braucht Geheimdienste, keiner sollte sie haben, nach Innen verbietet es sich schon systematisch, nichts als Polizei in den Grenzen des Rechtsstaates darf erlaubt sein, nach außen ist der Gewinn der alten Nazi-Organisation legal gering und illegal steht er dem demokratischen Rechtsstaat nicht zu. Einzig Armeen im Kampf brauchen gewisse geheimdienstliche Aktivitäten, die aber relativ überschaubar sind, ansonsten können wir diese Milliarden sparen und in die Polizei stecken.
jens tuengerthal 9.5.2016
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