Freitag, 6. Mai 2016

Kulturgeschichten 0214

Wiedergeburtsende

Womit die Renaissance begann wird manchmal noch gestritten. Sicher ist, die Wiederentdeckung des Lukrez durch Proggio Braccolini, den ehemaligen Sekretär des gerade auf dem Konzil zu Konstanz abgesetzten Papst, im Jahre 1417 war einer der zündenden Funken, die den Geist des Aufbruchs, der den Menschen in den Mittelpunkt stellte, zünden ließ. Aber wäre Braccolini nicht längst vom Geist der Renaissance getrieben gewesen, nie hätte er sich aufgemacht um im kalten Deutschland nach alten lateinischen Texten zu suchen, für diese Leidenschaft der Entdeckung viel zu riskieren.

Der Text des Lukrez mit dem schlichten Titel de rerum natura findet sich später in einigen der berühmtesten Gemälde und Texte der Renaissance wieder, die nach der dunkel eher religiös geprägten Zeit des Mittelalters wieder zum Licht des Wissens aufbrach, suchte und das Leben lieben lernte, es nicht nur als eine Vorstufe des Himmels verachtete, die wir hinter uns bringen müssen.

Renaissance heißt Wiedergeburt und so ist jene Epoche zwischen dem 15. Und 16. Jahrhundert, die sich von Italien nach Europa verbreitete auch eine der Wiedergeburt der Antike, zu der sich die Kunst und das Denken voller Bewunderung hinwenden, nachdem kluge Köpfe zu erkennen begannen in welch enge Sackgasse sie der christliche Dogmatismus des Mittelalters gebracht haben, der sich in wenig vom heutigen Islamismus  unterscheidet. In der Inquisition ähnliche Methoden anwandte, wie die heute so verurteilten Kämpfer des IS.

Wichtig und neu gegenüber dem Mittelalter, das auch schon teils antike Texte studierte, war die Hinwendung zum Humanismus in der Renaissance, der sich vom Menschen, der plötzlich im Mittelpunkt stand, bis zum Staatswesen erstreckte, das sich an antiken auch demokratischen Vobildern orientierte, statt der christlich schlicht gottgewollten Ordnung, die nur akzeptiert wurde. In Nordeuropa wird der Epochenbegriff der Renaissance von dem der Reformation überlagert, die statt gebildeter freier Geister auf den Spuren der Antike einen fluchenden, antisemitischen Mönch namens Luther in den Mittelpunkt stellte, warum im Norden zwar manche Kirchen lichter wurden aber nur wenige Geister, auch wenn die Reformation wie die Renaissance die Freiheit beförderten und von ihr sprachen.

Als große Künstler der Renaissance gelten Leonardo da Vinci, dessen vermessener Mensch quasi zum Sinnbild der Epoche wurde, Tizian, Donatello sowie der Deutsche Albrecht Dürer besonders nach seiner Reise nach Italien. Auch dazu gehören bedeutende Schriftsteller wie Dante, Shakespeare oder Denker wie Machiavelli und Erasmus von Rotterdam. In der Musik brach Orlando di Lasso in neue Tonwelten auf mit Mehrstimmigkeit und neuen Harmonien.

Erstmals benutzt hat den Begriff Renaissance übrigens der Maler und Künstlerbiograph Giogio Vasari, um die Überwindung der mittelalterlichen Kunst zu bezeichnen. Er unterscheidet drei Zeitalter, die glanzvolle griechisch-römische Antike, deren Verfall im christlichen Mittelalter und schließlich das Wiederaufleben der Antike und ihres Geistes in den Künsten im ausgehenden Mittelalter ab 1250.

Dieses neue freiere Denken entstand auch deshalb in Italien zuerst, weil es von seiner sozialen Struktur her dem Ideal der Antike mehr entsprach. Es gab keinen einheitlichen Staat oder ein Reich, sondern viele mächtige Städte in denen als Republiken relative Freiheit herrschte, auch wenn wir diese Städte unter der Herrschaft der reichsten Familien eher als Oligarchien bezeichnen würden. Nach Italien waren die letzten griechischen Philosophen und byzantinischen Denker mit ihren antiken Texten geflüchtet als Konstantinopel von den Mauren erobert wurde, auch dort lag die Saat des Aufbruchs in den vielen Flüchtlingen, die einen neuen Geist brachten, dem das mittelalterliche Italien zurück  zu seinen Wurzeln folgte.

Manche meinen, die Pest und die durch sie erzwungene Konzentration auf das weltliche Leben und seine Bedürfnisse hätte den Aufbruch im Denken bewirkt. Sicher hat die Pest das Zusammenleben der Menschen verändert, wie sich in Bocaccios Decameron wunderbar nachlesen lässt, doch warum eine Krankheit die Hinwendung zur Antike begründen soll und ihrem freieren Leben, ist nicht ersichtlich. Vor allem wirkte die Pest als Pandemie in ganz Europa und nicht nur oder zuerst in Italien. Doch eine gewisse Auswirkung ist vermutlich auch nicht völlig von der Hand zu weisen. Vermutlich also gab es eine Summe von Gründen, mit denen erst die Renaissance als Epoche begann.

Einer der entscheidenden Vorreiter war der Dichter Francesco Petrarca gewesen, der den Humanismus als Geistesbewegung förderte. Er hat durch seine ausgiebige Beschäftigung mit den Schriftstellern der Antike und seinen Individualismus, den Glauben an den Wert humanistischer Bildung gefördert. Das Studium der Literatur und Philosophie war endlich außerhalb des nur religiösen Zusammenhangs möglich. Das theozentrische Weltbild mit dem erfundenen Gott im Mittelpunkt des Mittelalters wurde durch das anthropozentrische ersetzt.

Es könnte nun noch ewig weiter vom Geist der Renaissance geschwärmt werden und wie er Europa veränderte nach dem düster fundamentalistischen Mittelalter, das zwar auch lichte Momente hatte, aber in der Tendenz gottesfürchtig und unmenschlich blieb. Doch ging es heute weniger um den Anfang als das Ende dieser Epoche, die Europa  wieder zu dem machte, was es heute sein sollte, wenn es sich nicht in nationalen Taumel engstirnig flüchtete und wenn es denn je endete.

Es endete als Epoche, die sich der Freiheit zuwandte, kriegerisch und dieser Ausbruch der Gewalt, dem es heute zu  gedenken gilt, ist so typisch als Gegenbild der Renaissance, nicht wirklich beabsichtigt, halt passiert, weil die  Umstände so waren, wie später der eigentlich verantwortliche Karl  V. erklären lies.

Die Rede ist vom Sacco di Roma, der am 6. Mai 1527 stattfand und bei dem Rom durch kaiserliche Truppen unter Führung von Charles III. de Bourbon-Montpensier geplündert wurde. Darunter waren deutsche Landsknechte und spanische sowie italienische Söldner. Dieses Ereignis wird als das Ende der italienischen Renaissance bewertet, der Wiederaufbau wurde schon manieristisch. Papst Clemens VII. konnte zwar gerade noch über den Passetto di Borgo in die Engelsburg fliehen, wurde jedoch von kaiserlichen Truppen unter Kommando  eines deutschen Söldners wochenlang belagert.

Angefangen hatte es mit dem Streit zwischen Karl V. und Franz I. von Frankreich um die Vorherrschaft in Oberitalien. Papst Clemens versuchte daraus Vorteil für die Kirche zu schlagen und verlangte nach der vernichtenden Niederlage der Franzosen das Herzogtum Mailand für sich, sobald es wieder französich sei, dafür trat Clemens dann aus der Allianz mit Karl V. aus und klagte diesen des ungerechtfertigten Krieges gegen seinen christlichen Mitbruder an, was für den Römischen Kaiser Karl sehr ärgerlich war. Nachdem Karl erfolglos Marseille belagert hatte, drängten ihn die Franzosen bis Pavia zurück, wo es zur Entscheidungsschlacht kam, bei der Franz I. gefangen wurde. Mit wem auch immer der erdachte Gott bei dieser Schlacht war, den Verbündeten seines angemaßten Stellvertreters prüfte er eher als ihn zu unterstützen.

Während seiner Gefangenschaft unterschrieb Franz den Friedensvertrag von Madrid, in dem er auf alle Fürstentümer Norditaliens verzichtete. Nach einem Appell an seine ritterliche Ehre, entließ Karl den Franz wieder aus der Gefangenschaft, auch wenn seine Berater ihm dringend davon abrieten. Und kaum wieder frei verkündete Franz der Vertrag sei ungültig und er habe ihn nur in größter Angst um sein Leben unterzeichnet. Daraufhin erteilte ihm sein Verbündeter Papst Clemens die Absolution, so dass der Friede von Madrid als nichtig galt.

Um die zu große Macht Karl V, dem König Spaniens und Kaiser des Reiches, in dem die Sonne nie unterging, zu beschränken, gründete sich nun Heilige Liga von Cognac, der außer Franz und dem Papst noch Francesco Sforza als Herzog von Mailand und die Republik Venedig angehörten. Bei Karls Truppen sorgten zugleich mehrere Probleme, die sich ergänzten, für Unruhe. Die wegen Ungültigkeit des Vertrages von Madrid nicht erlangten Herzogtümer Oberitaliens, die  zur Finanzierung der Söldner dienen sollten, der Konflikt zwischen Lutheranern und Katholiken innerhalb Deutschlands sorgte für zusätzlichen Zündstoff. Dazu kam der jahrelange Kampf gegen den Papst, der immer indirekt blieb und den sie nicht direkt angreifen durften und der für Unmut bei den Söldnern sorgte.

Diese waren seit der Schlacht von Pavia nicht mehr bezahlt worden, mussten sich selbst versorgen und aufgrund der also brisanten Lage kam es zu einem Söldneraufstand, bei dem dann zusätzlich noch der deutsche Söldnerführer Georg von Frundsberg einen Schlagfall erlitt. Die nun von Charles Bourbon angeführten aber nicht gezügelten Truppen zogen zuerst gen Florenz, um sich dort zu versorgen und zu entschädigen. Florenz aber wurde von einer Armee der Liga gehalten, so dass sich die Söldner statt der schnellen Sättigung und Befriedigung auf die Belagerung verlagern mussten. Der Mangel an Nahrungsmitteln in den umliegenden Landsitzen führte dazu, dass die Unruhe in der Truppe wieder stieg und diese beschlossen, sich nun beim Papst selbst unschädlich zu halten und nach Rom zogen.

Papst Clemens versuchte vergeblich vorab noch Charles Bourbon mit hohen Summen zu bestechen, die dieser jedoch weder annahm, noch hätten sie überhaupt Wirkung gezeigt, da das Söldnerheer auf keinen Anführer mehr hörte, hungernd und unbezahlt. Am 4, Mai 1527 erreichten die Söldner die Ländereien von Rom und setzten am 6. Mai zur Erstürmung an. Die wenigen in Rom befindlichen Truppen konnten dem Ansturm nichts entgegensetzen und so waren die Söldner schon am Vormittag in der Stadt. Der Herzog von Bourbon war beim Ansturm getötet worden und so waren die Truppen vollends führerlos und sich selbst überlassen. Ein Großteil der Schweizer Garde, 147 von 189 Mann stellte sich den Söldnern auf dem Petersplatz entgegen, um den Papst zu schützen, sie fielen bei der Verteidigung alle. Mit den übrigen 42 Schweizern war der Papst in die Engelsburg geflohen, die von den Söldnern belagert wurde.

Ohne einen Anführer geriet die kriegsübliche Plünderung außer Kontrolle und die Söldner raubten, töteten, folterten und vergewaltigten nach Belieben. Es wurden Kirchen, Paläste, Krankenhäuser sowie der Vatikan geplündert. Edelleute und Kleriker mussten enorme Summen an Lösegeld bezahlen und besonders lutheranische Söldner taten sich in der Demütigung kirchlicher Würdenträger hervor. Über 90% der Goldschätze Roms wurden geraubt und mit jedem Erfolg wurden weitere Söldner angestachelt. Der Wert der Beute wird auf über 10 Millionen Dukaten geschätzt.

Nach mehrwöchiger Belagerung kapitulierte auch der Papst und musste 400.000 Dukaten Lösegeld zahlen. Erst am 6. Dezember wurde die belagerte Engelsburg wieder freigegeben. Karl geriet des Verhaltens seiner Söldner wegen in die  Kritik. So warf ihm die Liga vor, die Plünderungen geduldet oder angeordnet zu haben, was er zurückwies. In seinen Erinnerungen schrieb er, dass die Hauptverantwortung dafür nicht bei ihm läge, sondern bei denen, die ihn zwangen eine so große Armee bereit zu halten, die sich eben schwer in Zaum halten ließe. Dennoch war ihm die Besetzung Roms sehr recht, um seine eigenen Machtinteressen wie die Segnung seiner Kaiserwürde durch den Papst durchzusetzen. Im Frieden von Barcelona einigte sich Karl mit dem Papst auf einen Frieden, für den der Papst zahlreiche Herzogtümer und Karl die päpstlich gesegnete Kaiserwürde erhielt. Es dauerte dann noch bis 1529, bis sich Karl und Franz im Damenfrieden einigten. Da beide nicht direkt miteinander verhandeln wollten, taten dies Franz Mutter, Louise von Savoyen und Karls Tante Margarete von Savoyen, da Karls Mutter Johanna ja als eher wahnsinnig galt nach dem Tod  ihres geliebten Mannes des schönen Philipp. Karl wurde sodann an seinem Geburstag am 24. Februar 1530 von Papst Clemens zum Kaiser gekrönt.

Die noch in Rom verbliebene Armee reduzierte sich im Laufe des Jahres wie die Bevökerung durch Seuchen um jeweils die Hälfte. Nach Soldzahlung und Einsetzung neuer Führer zogen sie schließlich im Februar 1528 endlich ab. Noch heute gedenken die Römer der damals gefallenen Schweizer, auch wenn sie zahlenmäßig besser der Hälfte ihrer Bevölkerung gedächten, wäre der Einzelne wichtiger als der Aberglaube.

So endete die Renaissance als Kunstepoche in Rom durch die Brutalität der Söldner. Den einmal freigelassenen Geist konnten sie zum Glück nie wieder einfangen, der sich zu fragen begann, warum es Götter und höhere Wesen geben soll, worum es im Leben geht und was uns glücklich macht, statt, was ist, als gegeben hinzunehmen, wurde nun kritisch gedacht in Europa und so ist, sehen wir von den Wirren der Religionskriege ab, die eben ein kleiner Schritt zurück ins Mittelalter waren, wie wir es in der islamischen Welt derzeit mit dem Islamismus erleben, dem es auch um die wahre Lehre geht, der Weg zur Aufklärung und folgend zum Atheismus nur folgerichtig und logisch, auch wenn manche noch länger brauchen, zu erkennen, was Friedrich der Große schon als Kronprinz vor über 250 Jahren beschrieb. Es braucht der Mensch keine Götter, um glücklich zu sein, seinem Wesen nach, kann er sich frei davon machen. Wer mit Göttern glücklich ist, soll dies sein, wie mit Engeln und Teufeln oder dem Spagettimonster, der Unterschied ist nur ein gradueller, was als wahr gilt, ist nur eine Frage der Macht

Der Weg, den die Renaissance begann und den Kant in der Aufklärung konsequent weiter ging, ist einer zur Freiheit und zum selbstbestimmten Leben, in dem wir nach unserem Gewissen autonom entscheiden, es keine höheren Ratgeber oder Entscheider mehr braucht. Freuen wir uns an dieser Freiheit und würdigen wir sie, so heißt das Abendland in seiner Kultur retten wollen, die Freiheit verteidigen, ohne Götter zu sein und nur seinem Gewissen verantwortlich, wie es in der Renaissance wieder von der Antike gelernt wurde. Der Mensch steht  im Mittelpunkt des Humanismus, nicht weil er über allem wäre, sondern weil er alles ist, was wir erkennen können. Max Stirner schrieb in seinem Einzigen, er habe seine Welt auf sich gestellt, mehr können wir uns ausdenken, wenn es uns gefällt, wir müssen es aber nicht mehr, sondern können einfach genießen, was ist. Glück genug für ein Leben wohl, denke ich und bemühe mich darum, glücklich zu sein, mehr nicht.
jens tuengerthal 6.5.2016

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