Mittwoch, 28. Dezember 2016

Gretasophie 005

005 Wie alles wurde - Geschichte im Überblick

Über die Lust an der Geschichte

Geschichte scheint ein riesiges, unendlich weites Feld zu sein, in dem Mensch sich völlig verlieren kann, wenn keine Orientierung gefunden wird. Viele kapitulieren schon bevor sie nach einer solchen suchen vor den Unmengen an Stoff, die den Neugierigen hier erwarten und den Experten  vom Laien unterscheiden.

Andere rutschen über historische Romane plötzlich in die Welt der Geschichte und einzelne Personen, mit denen sie sich identifizieren können, die dann zur Brücke ihrer Neugier werden und ihnen damit eine Orientierung geben.

Habe wenig Ahnung von historischen Daten, bringe mit meiner lückenhaften Erinnerung immer wieder Zeiten durcheinander, springe nach Ideen zwischen den Zeiten, ohne mich an eine strenge Chronologie dabei noch zu halten. Trotzdem fragen mich erstaunlicherweise immer wieder Menschen, wie ich mir das alles merken kann und woher ich die Namen alle kenne.

Bin dabei immer ganz perplex, weil ich weiß, wie wenig Faktenwissen ich habe, auf wie dünnem historischen Eis ich stehe und das nicht nur weil ich in den 70ern in Hessen in der Schule war. Verdrehe manches und es gibt mehr Gebiete, die für mich ein völlig blinder Fleck sind als jene, von denen ich zumindest ein wenig Ahnung habe. Dennoch schaffe ich es irgendwie den Eindruck zu erwecken, ich verstünde was vom Thema, was mir  zwar rätselhaft erscheint aber zumindest meiner Eitelkeit schmeichelt.

Schreibe und rede nur von wenigen vermutlich häufig wiederholten Geschichten, die ich kenne und vergesse das meiste, was ich lese sehr bald wieder. Viele meiner Freunde und Bekannten, die von sich sagen, sie haben keine Ahnung von Geschichte, haben meist ein besseres historisches Wissen in Fakten als ich, der die Geschichte einfach liebt und eher eine bloß emotionale Bindung zu diesem Thema hat.

Daten haben mich schon immer gelangweilt und wenn ich höre, welche Schlachten und Geburtstage einer meiner besten Freunde neben allen Figuren der griechischen Mythologie dazu kennt, merke ich bei jedem Besuch im Museum mit ihm, wie wenig Ahnung ich in der Sache habe. Ihm fällt das wohl leichter, weil er im Gegensatz zu mir ein hervorragendes auch durch die Musik trainiertes Gedächtnis hat, vom Bridge Spiel ganz zu schweigen, dass seine Aufmerksamkeit wohl auch von früh an zusätzlich trainierte. Dagegen scheiterten meine Versuche mit ihm Bridge zu lernen, obwohl ich es sehr vornehm fand, bald an meinem schlechten Gedächtnis  und ich war zu faul in ein Kartenspiel Energie zu investieren, wie ich überhaupt wohl sehr faul und bequem bin, es mir gern gut gehen lasse.

Meinem Freund fällt es noch leichter, weil er mit vielen derer aus der Geschichte auch noch irgendwie verwandt ist -  nicht nur über Adam und Eva wie wir alle, sondern relativ nah und konkret. Ihn bewunderte ich für sein enormes Wissen immer und die Gänge mit ihm durchs Museum wurden mir immer wieder zur  Lehrstunde, bei der meine Lust an der Geschichte wuchs. Er plauderte über Familiengeschichte quasi, so wie meinereiner von Tante Erna erzählte und während ich bei den ersten malen ständig nachfragte, wuchs mit der Zeit auch mein Netz, in dem ich mich bewegte und ich begann, seine Anspielungen zumindest teilweie zu verstehen.

Er hat eine klassische humanistische Bildung genossen, ist mit einem sagenhaften Gedächtnis gesegnet und dazu noch, auch als Erbe der alten Familie,



 mit einem weit überdurchschnittlichen strategischen Denken gesegnet, was Zusammenhänge erkannte, von denen ich zunächst nicht mal etwas ahnte.

Durch ihn lernte ich Schauen und begann Brücken zu bauen zwischen dem, was ich in der Schule lernte und was er an klassischer Bildung spielerisch nutzen konnte. Auch sein Vater spielte immer wunderbar mit historischen Anekdoten, mit denen sie aber auch als Familie groß wurden, erzählte sogar noch mit über achtzig immer wieder lange Verse auswendig dazu - von Fontanes Preußengedichten bis zu Morgenstern, der das ganze noch mit Humor versah. Früher verstand ich viele seiner klugen Witze kaum, dann begann ich, dahinter zu  schauen und zum Glück neigen auch so kluge und gebildete Menschen im Alter zu Wiederholungen, was mir die Chance gab, wenn nicht beim zweiten, so doch beim dritten mal über einen Witz herzlich zu lachen.

Bin also etwas langsam, nicht überdurchschnittlich begabt, egal, was welche Zahlen nun sagen, die ich für eher zufällig halte, sehr faul und mit relativ wenig Ahnung in der Sache, über die ich nun fabulieren will, wovor ich die Leserin hiermit nur eindringlich warnen wollte. Möchte kein Geschichtsreferat halten, in dem ich Fakten herunterbete sondern nur über meinen Blick darauf erzählen und wie ich darin Orientierung fand.

Verglichen mit Historikern oder wirklich gebildeten Menschen habe ich immer noch keine Ahnung, möchte auch meiner Tochter gegenüber gar nicht so tun, als wäre es anders, denn sich als Kenner blamieren, ist immer peinlicher, denn als Dilettant überraschen erfolgreich zu sein, womit ich nicht mal rechne, nur vermeidet es die größte Blamage von vornherein klarzustellen, ich habe keine Ahnung, bin nicht verwandt, habe keine klassische Bildung genossen, die ich nur bewundern kann, sondern manche hessische Schulexperimente bis zur 9. Klasse erfahren und bin danach im Ländle mehr oder weniger erfolglos dem rasenden Schulzug hinterher gerast, der auch im Leistungskurs Geschichte im Abitur noch auf sehr überschaubar niedrigem Niveau blieb.

Im Gegensatz zur Elterngeneration oder meinem hochbegabten Freund, lernte ich in der Schule und auch sonst nahezu nichts mehr auswendig, was als altmodisch galt, sondern sollte es mir im sozialen Kontext erschließen lernen, was sich mir mit nichts als Gerüst so wenig erschloss wie die vorher üblichen nur stumpf auswendig gelernten Daten. Betrachte ich mein schlechtes Gedächtnis, kann ich von Glück reden in den 70ern teilweise reformpädagogisch geprägt die Schule durchritten zu haben, ohne von einer größeren Ahnung tiefer getrübt zu werden.

Da ich wenig so gut kann, wie vergessen, behielt ich fast nichts vom gelernten sondern baute vorsätzlich auf Lücke, die ich mit der Zeit durch Phrasen zu füllen lernte, wie ich es auch hier schon wieder völlig faktenfrei tue. Warum aber kann ich dennoch den Eindruck erwecken, ich würde mich in Geschichte auskennen und hätte meinem schwachen Gedächtnis zum Trotz ein großes Wissen?

Will hier ganz ehrlich sein, es geht ja um nichts als meine Sicht und ich möchte meiner Tochter nicht wie in der Schule Fakten vermitteln, sondern den Blick auf die Geschichte öffnen. Es braucht kein großes Wissen dazu sondern allein ein Verständnis für Zusammenhänge, um zu verstehen, worum es geht. Natürlich ist manches dabei immer Show, was heißt bestimmte Begriffe und wenige Codewörter zu verwenden, die klingen als hättest du Ahnung, auch wenn du wenig mehr als diese Worte kennst.

Auch wenn in der Schule oder später an der Uni Wissen abgefragt und überprüft wird, geht es meist nur um wenige Fakten, die auswendig gelernt werden können und dann einfach nur im richtigen Kontext wiedergekäut werden. Dahinter steckt wenig Zauberei und es braucht keines überragenden Gedächtnisses, um in Geschichte mit Einsen zu glänzen, sonst wäre es ja mir auch völlig unmöglich gewesen, auch in Anbetracht meiner großen Faulheit beim Lernen.

Habe mich in den letzten zwei Jahren in der Schule, den einzigen in denen ich in meiner viel zu langen Schulkarriere jemals gut war, immer auf ein Minimum an Aufwand beschränkt, habe glaube ich nie so wenig für die Schule getan, wie zu dieser Zeit. Nur gefehlt habe ich selten und zum etwas Unwillen der Klassenkameraden immer aktiv mitgemacht, um nicht Gefahr zu laufen, sonst einzuschlafen. Nebenbei habe ich viel Zeitung gelesen, vielleicht um mich wichtig machen zu können, aber auch um gebildet und interessant mit Schlagwörtern wirken zu  können, die dann so ganz nebenbei im Gedächtnis blieben.

Vermute heute diese Lektüre der Zeit, hat die Basis geschaffen, aus der sich dann spielerisch der Rest ergab. Auch in Mathe, wo ich früher  immer eher zur 5 tendiert hatte, machte ich einfach mit und so erledigten sich die Dinge von alleine - nicht dass ich vom Thema sonderlich begeistert gewesen wäre, nur sich dabei mit etwas anderem beschäftigen und es dann in der letzten Minute vor der Klausur nachzuarbeiten, um es doch noch zu verstehen, war viel zeitaufwendiger. Da ich die Stunden ohnehin absitzen musste, konnte ich sie auch nutzen - null Mehraufwand, war ja eh da, führte zu viel geringerem Eigenaufwand vor den Klausuren, für die ich fast nichts mehr tat.

Für Geschichte war das ganze noch einfacher durch die Lektüre der Zeit, die half alles in einen Kontext zu stellen und eigentlich dachte ich schon immer, es wirke gebildet, in diesem Gebiet eine Ahnung zu haben und da ich aus einer Familie voller Besserwisser komme, erleichterte mir wenig Lernarbeit, auch noch im privaten Kreis den dicken Max zu machen.

Damals hatte ich allerdings nur Inselwissen über die gerade aktuellen Themen. Der Zusammenhang fehlte völlig und trotz der angeblichen Hochschulreife, noch dazu aus dem Ländle, was als anspruchsvoll galt, war mein Wissen über die in der Schule gefragten Gebiete noch weit unterdurchschnittlich.

Vom Mittelalter hatte ich nahezu keine Ahnung, die römische und griechische Geschichte kenne ich nur sehr lückenhaft, die Ägypter hatten halt Pyramiden und Pharaonen und balsamierten ihre Leichen ein, aber viel mehr war auch da nicht. Die Renaissance kannte ich nur als Wort und vielleicht Kunststil, der Dreißigjährige Krieg fand statt, klar, aber wann und wo oder warum, außer um den Glauben, hatte ich keine Ahnung. Preußen hatte ich mal vom Großvater gehört, Ostpreußen gab es nicht mehr, der Deutsche Orden war eine unbekannte Größe. Babylon hatte ich mal gehört, des Turmes wegen - aber sonst war da nicht viel und die Germanen gab es halt früher mal.

Über meinen Freund, mit dem ich so gern ins Museum gehe, wurde mir klar, es gibt da unendlich viel zu wissen und wie schön viele Kunsthistorikerinnen waren, die das alles lernten, konnte ich nicht übersehen - wollte es also nicht länger ignorieren, um an den richtigen Stellen nicht zu dumm zu wirken, Eindruck durch die richtige Bemerkung machen zu können, da auch meine sonstigen körperlichen Unzulänglichkeiten mir Erfolge auf diesem Gebiet eher unmöglich machten.

Bin zu blind, einen Ball richtig zu fangen oder zu schießen, zu faul, mehr als nötig für die körperliche Ertüchtigung noch zu tun und die kurze Zeit in der ich schnell schwamm ist so viele Jahrzehnte her, dass ich es besser verschweige und so blieb mir nur der Geist, wenn ich im Gebiet der Minne Eindruck schinden wollte auch jenseits romantischer Verse, die bei falscher Gelegenheit auch nur noch komisch wirken können.

So war die Erkenntnis über die eigenen Grenzen und die daraus resultierenden geringeren Erfolgschancen am Markt der erste Grund, sich zu überlegen, mit möglichst wenig zumindest intellektuell den Anschein von Glanz wecken zu können, vielleicht sogar Frauen zu beeindrucken. Wobei sich mit den Jahren bei mir der Eindruck verfestigt, dass Besserwisserei nicht unbedingt das erfolgreichste Rezept ist Frauen zu beeindrucken, sie gar zur Lust zu bewegen, wenn diese Erkenntnis auch keine Folgen hatte.

Dennoch schadet der unbegründete Eindruck einer gewissen Bildung nicht, mit dem im Gespräch auch immer schnell ein historischer Kontext hergestellt werden kann, dachte ich und versuchte mir mit geringst möglichem Aufwand und mit dem, was ich ohnehin tat, einen solchen Rahmen zu schaffen. Zeitung lesen ist das sicherste Mittel dabei, mitreden zu können und gebildet auch ohne sachliche Ahnung zu wirken.

Mehr war es nie und doch hat es erstaunlich gut gewirkt über die Jahre. Konnte über Bücher professionell reden und urteilen, auch wenn ich nur im Perlentaucher online die Zusammenfassung der Rezensionen gelesen hatte und nie das Buch in die Hand nahm. Wie überhaupt der Perlentaucher kurz gefasst die richtigen Stichworte für alle, die wie ich gerne mal Eindruck mit Bildung machen wollen, weil sie sonst nicht viel zu bieten haben, die beste Basis liefert, überall mitreden zu können, was auch bei allen Empfängen immer weiterhilft.

Zurück von meinen niederen Methoden meiner Eitelkeit zu schmeicheln, die immer gern mit Täuschung mehr sein will, als sie ist, auch wenn zugegeben aufgrund schlechten Gedächtnisses wenig da ist, was gelehrtes Schweigen immer am ungefährlichsten kaschiert, zur Geschichte und meinem Rezept dort eine Ahnung vorzutäuschen, die ich nicht wirklich habe.

Wer einfach nur täuscht und blendet im Stile eines Felix Krull, lebt gefährlich, weil er auffliegen könnte, was noch peinlicher ist, als jeder Gewinn der vorigen Täuschung lohnend war. Auch steht meine Natur, die sich gerne in Gesprächen engagiert, dem gelehrten Schweigen entgegen, so musste ich mit geringstem Aufwand, der natürlichen Faulheit und dem schlechten Gedächtnis geschuldet, eine Methode entwickeln, mit der ich den Anschein von Bildung oder historischem Wissen geben konnte, ohne dies wirklich zu haben aber gleichzeitig nicht Gefahr zu laufen, dabei  aufzufliegen.

Es gibt einen wunderbaren Band für solche Fälle, der sich das synchronoptische Lexikon nennt, in dem historische Ereignisse über Kulturen und Epochen hinweg parallel aufgezeigt und die wichtigsten Personen vermerkt werden. Darüber und durch die Museumsbesuche mit meinem Freund bekam ich langsam und erstmals überhaupt so etwas wie einen Überblick.

Überblick ist das Stichwort zur Geschichte, sie wird leicht, wenn wir uns einen Überblick verschaffen, statt uns gleich ins Detail zu stürzen. Wer alles wissen will, kann sicher leicht an der Geschichte verzweifeln, die dort einen unendlichen Fundus bietet.

Als leidenschaftlicher Büchersammler konnte ich mir einfach die nötigen Bände hinstellen und mich von den Einbänden anwehen lassen, las sie nur immer bei Bedarf ausschnittsweise, weil es mir weniger um Spezialwissen als den großen Überblick ging.

Sich wie auf einem Zeitstrahl die Geschichte der Menschheit ansehen oder einen solchen aufmalen und dann die Ereignisse dort zu platzieren, wo sie hingehören, erst in ganz groben Schritten und falls nötig auch mal en Detail, hilft für den Überblick, der erstmal völlig genügt, um mitreden zu können. Dann verstehst du einfach, was ungefähr wann war und schreibst oder malst dir dazu, was wann erfunden wurde und so wächst dies Ding mit der Zeit immer weiter zusammen und du kannst zwischen den Epochen springen. Irgendwann ist er im Kopf und ermöglicht freies Surfen zwischen den Zeiten.

So tut es auch das großartige Buch ‘Die Wende - wie die Renaissance begann’ von Stephen Greenblatt, der auch die berühmte Shakespear Biografie ‘Will’s Welt’ schrieb, dass von der Wiederentdeckung eines Textes des römischen Dichters Lukrez aus dem Rom vor der Kaiserzeit erzählt, der im ausgehenden Mittelalter, nach dem Konzil von Konstanz, also zwischen Mittelalter und Renaissance, wieder entdeckt wurde. Die Wirkung dieses Buches, de rerum natura oder von den Dingen der Natur, reicht bis in die Gegenwart und baut so Brücken, die verstehen lassen, warum nichts einfach alte Geschichte ist, sondern durch Lukrez, der sich wiederum als Schüler des noch  200 Jahre vorher noch lebenden Epikur sah, bis in die griechische Antike reichen, auf der durch diesen berühmten Text die amerikanische Verfassung der Gegenwart noch genauso ruht, weil die Väter der Verfassung als Leser des Lukrez in ganz vielem von seinen Gedanken beeinflusst wurde, den auch, nun kommen wir noch näher an die Gegenwart, Albert Einstein liebte und der heute wieder neu aufgelegt wird, weil durch das Buch von Greenblatt Neugier und Nachfrage riesig wurden.

Lange Zeit in der Geschichte Europas wirkte nur ein Buch als allmächtig, die Bibel, deren Text, bis Luther kam, von kaum einem gelesen, geschweige denn verstanden werden konnte. Auch wenn ein Sagenschatz voller Aberglauben, in ziemlich vielem völlig unvernünftig und bloße Stammesgeschichte, ist sie bis heute ein wichtiger Teil unserer Kultur, die gerade in der Kunst nur durch die Bezugnahme zu diesem esoterischen Werk verständlich wird. Eine ähnliche Rolle spielen die griechischen Sagen, die bis heute fortwirken in Sprichwörtern oder Redensarten und damit Teil unserer Kulturgeschichte sind, völlig unabhängig vom sachlichen Gehalt, allein durch ihre Präsenz im Geist.

Dies scheint nun wie eine wilde Odyssee durch die Zeiten und ohne praktische Relevanz heute?

Schon das Wort Odyssee belegt das Gegenteil. Es meint die Reise des Odysseus, der nach dem Krieg um Troja aus der heutigen Türkei heim nach Griechenland segeln wollte und sich ein wenig für viele  Jahre verfährt.. Aus dem Krieg kennen wir heute noch das trojanische Pferd, mit dem die Griechen die Trojaner überlisteten und das als Trojaner, der unsere Computer und Netzwerke angreift, bis in die Gegenwart präsent ist.

Einer der wichtigsten Romane der anbrechenden Moderne ist James Joyce Ulysses, der englische Odysseus. Europa selbst hat ihren Namen von einer wunderschönen Geliebten des Zeus, die dieser als Stier verwandelt gen Kreta entführte, um mit ihr einige Kinder noch zu zeugen, glücklichen Sex neben seiner Frau Hera zu haben.

Die Römer haben die griechischen Sagen übernommen und ihrem Sprachgebrauch entsprechend umbenannt, doch blieb es die stets gleiche Geschichte, ähnelten sich die Eigenschaften der Götter und der Sagen um sie, mit denen auch Dante im Mittelalter in seiner göttlichen Komödie spielt.

Die Geschichten der Sagen verstehen wir auch ohne ihren historischen Kontext, weil sie zeitlos gut vom alten Homer erzählt wurden. Doch steckt hinter vielen Sagen auch ein wahrer Kern, wie etwa der Hobbyarchäologe Schliemann glaubte, der sich auf eigene Faust und Kosten ins damals osmanische Reich aufmachte, um den Schatz des Priamos zu finden, von dem schon Homer erzählte, zumindest Trojas Ruinen als Beweis des wahren Charakters hinter den Sagen fand und den Schatz noch nebenbei entdeckte, der heute zwischen Petersburg und Berlin verteilt liegt. Nach Russland kam er als sowjetisches Raubgut nach dem 2. Weltkrieg, nach Berlin hatte ihn Schliemann schon verschleppt - wem er gehörte und wohin vor allem, wäre eine andere Frage.

Dieses und anderes Raubgut belastete teilweise auch die heutigen russisch-deutschen Beziehungen noch. Geschichte ist so in ganz vielen Dingen immer gegenwärtig, wie auch der vermeintlich heilige Krieg des IS in Syrien der ganzen Welt zeigt, da es keine Grenzen mehr gibt im Kampf gegen den Terror, der überall zuhause ist, wo er vernichten und schädigen kann. Warum ist der Kampf der fanatischen Gläubigen aber Terror und der Einsatz unserer Drohnen in ihrer Heimat nicht? Geht es um die Zahl der Toten?

Millionen Muslime starben seit Ausbruch des Krieges gegen den Terror 2001. Müssen erst Millionen auch hier sterben, damit die Terroristen als Krieger anerkannt werden?

Wer den Heiligen Krieg und die islamische Welt verstehen will, auch die Sonderrolle Spaniens, wird in der Geschichte zurückgehen müssen bis zu den Anfängen unter Mohamed, der sich als Straßenräuber wie als Hohepriester verdingte. Ein Urteil kann sich nur bilden, wer die Zusammenhänge versteht, die immer auch historisch sind. Alles und jeder hat seine Geschichte, die es wert ist, erzählt zu werden, vor allem aber verstanden werden sollte, wozu eben gehört, in die Zeit zu schauen.

Der Zeitstrahl als Gerüst macht es am einfachsten, sich in der Zeit zurechtzufinden. Ob dieser zuerst gemalt oder geschrieben wird, ist dabei Geschmackssache. Wichtig ist nur, ein Gerüst als Rahmen zu finden, von dem aus locker zwischen den Zeiten gesprungen werden kann, sobald Zusammenhänge erkannt werden. Geschichte ist nicht ein einseitiger Fluss, der einfach fließt und das alte Wasser war vorher ein Stück stromaufwärts, sondern gleicht eher einem weiten Meer auf dem Strömungen die Wasser viele weite Wege tragen, wenn sie nicht gerade als Schaumkrone ans Land klatschen und dort in der Sonne trocknen, geht es immer weiter im Kontext. Auch das von der Sonne verdampfte Wasser kehrt als Wolke mit Regen zum Meer zurück um weiter seine Kreise zu ziehen.

Was nun widersprüchlich klingt, weil ein Zeitstrahl ja eine lineare Strecke ist, die einfach vom Anfang zum Ende führt, auch wenn wir beides nur in Teilen bisher erkennen können oder noch nicht so genau wissen wollen, wird wieder schlüssig durch die Wechselwirkung der Geschichte mit der Gegenwart.

Die Geschichte ist Vergangenheit und bleibt es ewig, egal wie weit wir zurückschauen. Auch die Sekunde über die ich hier nun schreibe, ist längst Geschichte, wenn sie gelesen wird. Ob die Gegenwart nur eine Illusion zwischen jüngster Vergangenheit und noch Zukunft ist, wäre hier eine spannende Frage, wie die Zeit überhaupt ein Rätsel ist, das uns viele neue Wege weist.

Auch die Zeit ist eine relative Größe und nicht das Kontinuum, das einfach abläuft, sie hängt wie wir seit Einstein wissen an der Geschwindigkeit auch mit der wir uns durch den Raum bewegen und das Ganze nennen wir dann schon fast Relativitätstheorie in der Physik. Jenes E=mc², das Einstein fand, hat auch physikalisch belegt, was Dichter vorher nur in Versen träumten. Der Augenblick kann verweilen, wenn wir uns nur hoch genug beschleunigen.

Ob darum auch Zeitreisen, in die mathematisch negative Zeit, nur berechenbar bleiben oder konkret umsetzbar werden, ist wie so vieles dabei noch offen und während mancher noch die Mechanik des Welle-Teilchen-Dualismus zu verstehen sucht, sind andere sicher, es funktioniert im Kleinen wie im Großen und die große Geschichte der Zeit wird erst geschrieben, wenn wir ihre Grenzen zu überschreiten.

Wenig ist gewiss und der Zeitstrahl könnte genauso ein Zeitkreis wohl sein, wüssten wir von Anfang und Ende. Doch gibt das lineare Denken Menschen mit schlichterem Geist als modernen Teilchenphysikern, also solchen wie mir, der nichts von dem versteht, worüber er gerade schrieb, auch wenn es anders scheinen sollte, eine Perspektive, mit Halt im Ungewissen.

Nichts anderes ist Geschichte als ein Rahmen, an dem sich Unwissende wie ich durch den Rahmen ihres Nichts hangeln können, ohne unangenehm aufzufallen. Dies geht also nur alle die an, die sich nicht für klüger halten und einen Halt brauchen.
jens tuengerthal 28.12.2016

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