Dienstag, 27. Dezember 2016

Gretasophie 004d

004d Von Freiheit und Liebe

Was hat die Liebe mit Freiheit zu tun?

Liebe kann nur in Freiheit sein und verleiht Flügel, war immer meine felsenfeste Überzeugung.

Wie sollte auch das schönste aller Gefühle weniger tun?

Zugleich nimmt die Liebe aber gefangen und fesselt uns. Wenn ich mich verliebe, träume ich von einer Bindung mit dem geliebten Menschen, möchte ihn möglichst nah haben, alles mit ihm teilen, weil mehr Nähe dann glücklicher macht.

Verschenke mich an den geliebten Menschen und gebe mich damit ein Stück weit auf. Natürlich gibt es all die klugen Ratschläge, die uns sagen, dass nur wer sich selbst auch liebt, überhaupt lieben kann. Manchmal denke ich sogar verliebt daran, aber wenn gefühlt das Glück des anderen mein Glück ist, kann es doch nichts schöneres geben, als nach dessen Glück zu streben, sich diesem ganz hinzugeben.

Macht es nicht gerade die Liebe aus, über sich hinaus zu wachsen und alles für den anderen zu wollen, was ihn glücklich macht?

Natürlich sollte sein Glück auch mein Glück sein, damit das gemeinsame Glück genossen werden kann, sich zu  haben. Doch sind die Flügel der Liebe nicht gerade die Fähigkeit das gemeinsame Glück zu genießen und zu wollen, sich darin zueinander fliegend zu  finden?

Darauf gibt es eine pragmatische und eine emotionale Antwort. Wer sich völlig im Gefühl für den anderen verliert, hat schlechte Aussichten, auf Dauer glücklich zu sein. Dagegen werden die, eine glückliche Beziehung führen, die Probleme pragmatisch lösen und beiderseits Erfüllung miteinander finden.

Liebe ist kein Geschäft und es geht nicht um geben und nehmen und einen guten, fairen Preis für gute Ware, der zur beiderseitigen Zufriedenheit ausgehandelt wird. Es geht um Gefühle und das gemeinsame Glück, sagen wir so. Aber gibt es Glück, bei dem nur einer Befriedigung findet und der andere, gefühlt, leer ausgeht?

Wir können aus Liebe auch lange unsere Bedürfnisse zurückstellen, weil es auch schon glücklich machen kann, den anderen glücklich zu sehen und das schon Glück genug zumindest verliebt ist. Doch irgendwann frage ich mich, was habe ich davon und warum geht es nur um das, was dem anderen wichtig ist, wo bleibe ich dabei?

Daran scheitern viele Beziehungen, weil einer das Gefühl hat zu kurz zu kommen. Fraglich nur, was das noch mit Liebe zu tun hat oder ob es dann nur um das Geschäft einer Beziehung geht, die im Alltag eben doch ganz pragmatisch ausgehandelt werden muss, damit beide glücklich werden können.

Ist die Liebe als reines Gefühl darum etwas anderes als eine Beziehung, die eben auch immer ein Geschäft des Alltags sein muss, damit es funktioniert?

Irgendwie schon, denke ich, weil Liebe, die im Alltag nicht funktioniert, eben nur ein hehres Gefühl bleibt, das langfristig unglücklich macht, wenn es nicht auch einen Weg gibt, sie zu leben, wozu ganz logisch die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse gehört.

Das fängt bei der Sehnsucht nach Nähe und Zärtlichkeit an und hört beim Sex noch lange nicht auf, sondern erfasst vielmehr alle Bereiche des Lebens, die uns glücklich machen. Wer in einer Beziehung das Gefühl hat, nicht so sein zu können, wie es der eigenen Natur entspricht, wird kaum auf Dauer glücklich sein können.

Es muss nicht alles geteilt werden, um glücklich zu sein, außer in der Phase erster Verliebtheit vielleicht, vielmehr müssen beide nur das Gefühl haben, der andere macht mich emotional, in dem was wir teilen, glücklicher, als ich es ohne wäre. Gute Beziehungen zeichnet es auch aus, dass der andere alles tun kann, was ihm gefällt und der Partner es ihm ohne Missgunst gönnen kann.

Wenn ich eine Freundin hätte, die gerne tanzt oder in der Natur ist, kann ich ihr das von Herzen gönnen, muss es darum aber nicht teilen wollen, um eine glückliche Beziehung zu führen. Finde sogar, Liebe zeigt sich gerade darin, dem anderen seine Leidenschaften gönnen zu können, ohne sie teilen zu wollen. Schon an diesem Punkt scheitern viele, die enttäuscht darüber sind, dass es nichts gemeinsames gibt, was sie glücklich macht unter den unendlich vielen möglichen Freizeitbeschäftigungen und vergessen dabei völlig, dass die geteilte Liebe und der hoffentlich glückliche Sex schon mehr ist als die meisten Menschen je miteinander teilen und es vollkommen genügen kann, glücklich zu bleiben,  die Sehnsucht nach Nähe in der Nacht, ein Gefühl und Sex miteinander zu teilen.

Was ich gerne tue, ist Lesen und Schreiben und beides tue ich, außer wenn ich mal vorlese, eher völlig für mich. Es ist traumhaft schön, wenn ich das mit einer teilen kann, aber es kommt nicht darauf an für mein Glück, wichtiger wäre mir da, dass der andere respektieren kann, dass ich diese Zeit für mich will, ohne sich dadurch zurückgewiesen zu fühlen.

So wäre mir meine Freiheit sehr wichtig, zu tun und zu lassen, was mir gefällt und nicht ein Leben nach den Wünschen des anderen zu führen. Andere finden es wunderbar, dem anderen in seine Welt zu folgen, um sich auch dort zu finden. Wem das tatsächlich gelingt, der möge es genießen als großes Glück. Nach meinem Gefühl ist das eher die Ausnahme.

So verschieden wie Menschen sind, so unterschiedlich sind auch ihre je Bedürfnisse. Während den einen etwa Sex in einer Beziehung das wichtigste ist, finden andere die nächtliche Nähe viel bedeutender und machen beim ersteren nur mit. Doch gerade bei diesem Punkt ist es oft schwierig, das Glück für sich zu finden, statt gemeinsam.

Wer das Bedürfnis nach großer Nähe oder Sex nicht teilt, wenn etwa nur eine Seite leidenschaftlich ist, die andere zusammen Kommen für unwichtig hält, gibt es keine Perspektive zum geteilten Glück, was schwierig insbesondere dann wird, wenn diejenigen, die es für unwichtiger halten, gleichzeitig Treue für eine Bedingung halten, ohne die gar nichts geht.

Auch hier sind viele pragmatische Lösungen denkbar, die für die meisten aber undenkbar sind, weil sie alles gerne ganz wollen und sich wundern, wenn einer dabei unglücklich wird, wenn sie sich ganz verwirklichen.

Dies soll kein Plädoyer für offene Beziehungen sein, die aufgrund herrschender Konventionen und der Unfreiheit der Beteiligten selten wirklich funktionieren, aber doch eines für die Freiheit, das Glück auf viele Arten zu suchen, um sich an dem zu freuen, was verbindet.

Wenn es im Bett nicht gut miteinander klappt, aber sonst vieles traumhaft ist, muss daran keine Beziehung scheitern, sondern beide könnten sich Wege suchen, mit denen sie  je glücklich werden könnten, um in dem, was sie doch teilen, um so befreiter glücklich zu bleiben.

Sollte meine Partnerin viel Wert auf schönen Sex legen und ich im Alter wie so viele Männer an Problemen mit der Prostata leiden, mit denen oft eine zunehmende Impotenz einhergeht, wünsche ich ihr, dass sie diesen Bereich anderweitig für sich glücklich befriedigen kann und hoffe, sie würde es umgekehrt genauso sehen.

Doch gerade in dem häufig mit viel Gefühl verbundenen Bereich der Sexualität sind die wenigsten dazu fähig, eine pragmatische Lösung zu finden und ob ich praktisch könnte, was ich theoretisch hochhalte, weiß ich auch nicht so genau. Kenne es nur aus dem Fall, wo eine Partnerin von mir noch eine Liebe mit einer Frau teilte, mit der sie auch gelegentlich das Bett teilte. Da war ich erstaunlich gelassen und tolerant. Weiß nicht, ob das eher daran lag, dass ich eine andere Frau nicht als Konkurrenz für meinen Platzhirschanspruch empfand oder eher insgeheim hoffte, irgendwann daran beteiligt zu werden, es zu dritt dann zu tun.

So sehr ich mich dazu auch befrage, eine klare Antwort finde ich bis heute nicht dazu, weiß nur, wie gelassen ich es immer noch betrachte. Ob ich auf einen anderen und damit konkurrenten Schwanz genauso gelassen reagierte, weiß ich praktisch nicht. Habe diese Erfahrung nur mehrfach mit Frauen gemacht, ohne mich irgendwie darüber aufzuregen. Konnte Gönnen und fand es völlig ok so.

Prostitution ist der Bereich in dem dies Bedürfnis professionell erledigt wird, für alle es so mögen. Mag das nicht, finde Sex ohne authentische geteilte Lust langweilig und kann mir dies daher nach ersten Erfahrungen immer sparen. Da bietet die Liebe an und für sich, sprich die Onanie, mehr Freiheiten ohne Zwänge.

Vom Gefühl her, ist es mir wichtig, der Freiheit Priorität zu geben, um das Glück, wo es passt gemeinsam zu genießen. Auch darum ist für mich Eifersucht, die nur Besitzdenken und Verlustangst ausdrückt, ein absolutes Tabu. Wenn ich Angst haben müsste, dass die andere mich verlässt, nur weil sie mal Sex mit jemand anderen hatte oder flirtete oder einfach lustvollen Gedanken nachhing, in denen ich keine Rolle spielte, dann wäre, was uns verbindet nichts und es zeugte mehr für mein geringes Selbstwertgefühl als für Liebe zum anderen, um die ich angeblich fürchtete. Liebe ist doch viel mehr und für mich ist das Glück nebeneinander einzuschlafen und glücklich zu erwachen, viel mehr als aller Sex, der einfach nur ein natürlicher Trieb ist, der sich eben seiner Natur nach Befriedigung sucht und dann bis zur nächsten Lust verfliegt.

Ist Liebe nicht viel mehr das dem anderen gut wollen, gönnen können?

Weiß nicht,  was in der Liebe entscheidend ist und worauf es ankommt, finde es auch nicht wichtig, es festzulegen. Manche Beziehung scheiterte schon am unbefriedigenden Sex. Jedoch weniger am Sex selbst und weil mir dieser so wichtig wäre, als weil die anderen sich schlecht dabei fühlten einerseits und andererseits Treue und Monogamie für unabdingbar erklärten, ohne selbst dabei glücklich zu sein oder mit geteilte Lust schenken zu können.

Sehe es heute pragmatischer. Wenn bestimmte Dinge geteilt werden und das glücklich macht, ist es gut so und der Rest sollte je nach Bedürfnis gelöst werden. Wenn ich liebe, möchte ich gönnen und schenken und nicht den anderen bewachen und ihm Grenzen ziehen. Vielleicht wollte ich nicht alles en Detail dann wissen, weil ich eben auch nur ein Mann mit natürlichen Instinkten bin, der in einer Gesellschaft wie der unseren sozialisiert wurde, aber vom Gefühl her ist mir wichtig, dass jeder sein Glück finden kann und die gemeinsame Zeit von Glück geprägt ist und nicht von Misstrauen und Sorge.

Eine große Liebe übersteht alles und kommt sich immer näher dabei. Auch wenn es bestimmte Bereiche gibt, die beide nie teilen, gerade daran kann sich die Größe der Liebe zeigen oder nicht.

Das wichtigste Geschenk der Liebe ist für mich, den anderen so zu lieben wie sie oder er eben ist und ihm dieses Sein nicht nur zu gönnen, sondern dem anderen mit der Liebe noch Flügel zu verleihen. Fliegen können, heißt frei sein und sich nicht um Grenzen sorgen zu müssen, die wir im Hochgefühl einfach überfliegen.

Was Liebe verbindet, findet sich jenseits aller Grenzen, sorgt sich nicht um diese, sondern begegnet sich im freien Flug, jeder den anderen für seine Art zu fliegen, bewundernd, statt Grenzen zu ziehen. Alles andere, damit wohl, was meistens gelebt wird, hat für mich weniger mit Liebe als mit sozialem Besitzdenken zu tun. Was ok sein kann und verständlich, schließlich will ja auch jeder für sich, was gelten und seinen Bedürfnissen entsprechend Befriedigung finden. Nur von Liebe sollte dann weniger geredet werden, um die Freiheit dieses Gefühls nicht durch zu enge Grenzen zu beschränken.

So bleibe ich am Ende dabei, dass Liebe frei sein muss, wenn sie sein soll. Das hat nichts damit zu tun, ob wir um einer Beziehung wegen, Kompromisse eingehen, die uns unfreier machen. Fragen können wir uns, wie eine den Prinzipien der Liebe gehorchende Beziehung funktionieren soll und warum, dem folgend, auch jede Erwartung der Anfang vom Tod der Liebe ist.

Beziehungen zu anderen Menschen dagegen machen uns immer etwas unfreier und sind damit ein Kompromiss, bei dem wir uns fragen müssen, ob er sich für uns lohnt und eine Abwägung von Aufwand und Nutzen stellen sollten. Wage nicht darüber zu urteilen, worauf es am Ende ankommt, um glücklich zu sein, muss wohl jeder für sich entscheiden, aber vielleicht wären viele glücklicher im Leben, wenn sie konsequenter über die Dinge nachdächten und die Liebe nicht für ihr vermutlich auch natürliches Besitzdenken missbrauchten.

So hoffe ich immer beflügelnd zu lieben und in der Liebe auch Flügel für mich zu finden und wo sie lähmt, lieber pragmatisch rechtzeitig noch zu gehen.
jens tuengerthal 27.9.2016

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