Wie alles anfing
Glaube jeder Vater träumt einmal davon seiner Tochter, die Welt zu erklären, zumindest heimlich, denn wer will heute schon, noch was erklärt bekommen. Traut sich noch einer, Besserwisser zu sein oder ist schon der Anspruch dazu verfehlt?
Was weiß ich schon, hätte ich mit Michel de Montaigne auch vorne dran schreiben können, aber den Spruch kennt meine Tochter schon gut genug von mir, muss nicht das Motto sein aber es ist doch so wichtig, dass ich vorher noch sagen möchte, ich habe von nichts wirklich Ahnung, von manchen ein wenig, in wenigem vielleicht mehr als der Durchschnitt, fast überall jedenfalls weniger als Wiki an Fakten uns liefern kann. Was ich hier schreibe ist also weder von einer großen Ahnung geprägt, noch wird es neue Fakten offenbaren, es ist einfach nur meine Sicht auf die Welt und warum es ist, wie es ist.
Weiß nicht, ob diese Gedanken für meine Tochter, die sich schon im Titel versteckt hat, irgendjemand interessieren, noch nicht einmal bei ihr weiß ich das gerade wirklich, was nicht nur kleine Tiefstapelei wie bei obigem Montaigne ist, sondern eine schlichte Warnung für alle, die hier nun neugierig Fakten erwarten, die ich nicht liefern werde. Es geht nur um meine Sicht auf die Dinge und wie ich sie meiner Tochter weitergeben möchte. Bin weder so belesen wie obiger Michel in den Klassikern noch ein studierter Philosoph sondern hier nur ein Vater, der seiner Tochter schreibt, was er für wichtig hält, ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder sonstige wissenschaftliche Ansätze.
Es soll mir Spaß machen beim Schreiben und vielleicht meine Tochter erfreuen, wer es sonst noch lesen mag, soll es halt tun, nur bitte nichts erwarten oder sich über die damit verschwendete Zeit beschweren. Genau den Luxus gönne ich mir, weil ich es will und wichtig finde.
Mein Vater hat mir noch die Welt erklärt und wusste alles oder zumindest zu allem, was zu sagen, was irgendwie klug klang. Von Fossilien und Steinen über Pflanzen, Autos, Bilder, Kirchen, was mich früher am wenigsten interessierte, bis zu Eisenbahnen und Werkzeug - eigentlich wusster er alles und Arzt war er auch noch, konnte mit profesionellen Blick eine Diagnose abgeben, die so lateinisch echt immer klang, dass mir sein Wissen noch fast den Brockhaus zu überholen schien.
Der Brockhaus war früher, was heute Wiki ist und wenn einer, was nicht wusste, wurde nachgeschlagen und laut vorgelesen, damit es danach alle besser wussten. Manchmal fanden sich dann noch Worte oder interessante Sachen daneben und wir starteten neue Brockhaus-Expeditionen, bei denen wir seitenweise die Welt erforschten. Damit mein Vater wieder aufhörte, musste meine Mutter ihm schon manchmal den Brockhaus wegziehen, weil er sich einfach für alles begeistern konnte.
Vielleicht darum reise ich bis heute lieber und leidenschaftlicher in Büchern als real, was ich eher um jeden Preis, zu vermeiden suche, wenn es geht, auch wenn ich es dann doch meist irgendwie mag, wenn ich irgendwo bin und mich für alle sogar Kirchen so begeistern kann wie mein Papi früher.
Mit etwas beschränkterem Horizont habe ich schon früh versucht, mich auf einiges zu konzentrieren, wer kann schon mit allem glänzen. Literatur, Geschichte, Philosophie, ein wenig Kunst, etwas von der Jurispudenz, nichts desto weniger träumte ich davon, meiner Tochter, die Welt zu erklären, was sie, wie es faustisch so treffend heißt, im Innersten zusammenhält. Eine zeitlang fand sie es auch ganz nett, als ich ihr Sofies Welt vorlas oder wir von den 5 Freunden dann noch historische Ausflüge machten, aber auch sie rief mich, wie ich meinen Vater, immer wieder zur Ordnung und zum Thema zurück, denn die Welt erklären wollen, ist ja ein unendliches Thema und ein riesiger Auftrag.
Heute kann sie mir schon viele Dinge erklären, von denen ich nichts weiß, welche Youtuber angesagt sind, wie ich Snapchat Videos drehte und vieles mehr, was sie spielend kann, welche Musik gerade hipp ist und warum bestimmte Sachen so und nicht anders getragen werden müssen.
Weil ich ihr heute nicht mehr einfach die Welt erklären kann, die ich ja selbst manchmal kaum verstehe, schreibe ich es ihr einfach, was außer Schreiben kann ich schon, dann muss sie mir auch nicht zuhören, sondern kann es lesen, wenn sie gerade Lust dazu hat und es in ihren eng getakteten Terminplan passt.
Dachte an Sofies Welt und wenn es um die Welt erklären ging und nicht nur die Natur, wie sie ist, geht, was Wiki schneller und besser kann, wie wir dabei anfingen über Philosophie zu diskutieren und so beide viel von der Sicht auf die Welt lernten. Dachte auch an Montaigne und streue damit wieder alle Hinweise so dezent wie eine Neonleuchtreklame. Seine Essays, Lukrez Verse über die Sachen der Natur und noch so einige Bücher haben mich, glaube ich heute, ziemlich geprägt, die werden irgendwie immer wieder vorkommen, denn wer so kluge Vordenker schon hatte, muss ja nicht alles mit seinen beschränkten Mitteln neu erfinden. Aber, ich bin auch zu faul meist wie Montaigne, der sie vermutlich auswendig noch kannte, sie als exakte Zitate spielerisch einfließen zu lassen, sondern werde nur meine Gedanken dazu, so wie ich sie in Erinnerung habe, zum Besten geben.
Fußnoten würden langweilen und Wissenschaft unterhält selten wirklich gut sondern ist harte Arbeit auch für den Schreiber, der dies hier nur aus Vergnügen macht und um seiner Tochter, aufzudrängen, was er für wichtig hält. Dabei möchte ich ihr die Wahl lassen, es zu lesen oder nicht, oder das jetzt und dieses später, manches vielleicht erst, wenn ich längst nicht mehr bin, wer weiß schon, was für fünfzehnjährige Mädchen gerade Priorität hat - traute mir nicht mal zu gleichaltrige Frauen zu verstehen. Nur ich gönne mir, es hier mal abzulegen und damit über das Leben und meine Sicht in Worten nachzudenken, was ich eigentlich schon immer am liebsten tue.
Ist das nun ein Geschenk für meine Tochter oder eher ein Vergnügen für mich?
Letzteres auf jeden Fall, ersteres von mir aus auch, ob es eine gute Idee ist und besser als ein neuer Shopping-Gutschein, weiß ich nicht, sie kann es dann lesen, wann es ihr gefällt, zumindest gibt es dann irgendwann mal ein Buch für sie.
Kinder schauen anders auf die alten Philosophen, wenn sie noch nicht von allen Theorien verbogen sind, sondern ihrem Instinkt folgen, der die Welt und was ist, natürlich wahrnimmt. Für diese Sicht offen sein, kann einem mehr zeigen, als in allen Büchern steht und so habe ich beim Vorlesen auch viel gelernt, konnte es nur vermutlich nicht so zeigen, weil ja jeder Papi seiner Tochter die Welt erklären will und nicht von ihr sie neu sehen lernen will.
Fand Babys schon immer langweilig, bedenke ich, wie aufregend der Weg zum Kind ist, sind diese erstmal schlafenden, trinkenden oder brüllenden Frischlinge zunächst keine große geistige Bereicherung. Aber zum Glück sehen sie so süß aus, dass sofort das Kindchenschema greift und wir uns in diese kleinen Dinger verlieben. Noch mehr, wenn es dein eigenes ist, zumindest zur Hälfte der Chromosomen irgendwie, mit all dem was unsere
Gesellschaft noch an dieses Gefühl dranhängt.
Sobald ich sie auf dem Arm hatte, installierte sich auf meiner Festplatte das Papi-Programm - nun hatte ich etwas, was von mir war und blieb, nicht wie die Worte zwischen den Zeilen sich wieder verlieren und von denen der sie schrieb, kaum weiß, was einmal aus ihnen wird.
Im Titel finden sich zwei ihrer Namen und das Thema dieses Versuches meiner Tochter die Welt zu erklären, denn was außer philosophisch irgendwie sollte es auch werden. Von dem wenigen, was ich weiß und für wichtig halte, will ich ihr schreiben, um das, was ich hatte, weiterzugeben - egal, ob es nun praktisch sehr nützlich ist oder meine Karriere, fragt sich nur welche in was, je gefördert hätte, dies für unwichtig zu halten mit Epikur, ist mir wichtiger und genießen zu können, was ist, warum ich mehr mit Büchern lebe und was mir wirklich wichtig ist im Leben.
Ob sie das wirklich liest oder nach den ersten Zeilen lieber weglegt, weil sie den Typen ja kennt, weiß wie er schreibt, auch wenn er es sonst meist in Versen tut, sehr viel anders wird es kaum werden, bin und bleibe ja der gleiche, folge nur dem egoistischen Streben meiner geliebten Tochter nochmal die Welt zu erklären.
Der Vorteil beim Schreiben ist, es unterbricht mich keiner, wenn ich es nicht will. Der Nachteil ist, reflektiere immer nur meine eigenen Ideen und statt wirklich was zu erklären, was verstanden werden muss, schreibe ich so vor mich hin, ohne zu wissen, ob es wen interessiert und was daraus wird.
Sich die Zeit zu nehmen genau das aber zu tun, finde ich einen traumhaften Reichtum, glaube nichts könnte mir je so kostbar sein, keine Berufung mehr Ehre bringen, die das Glück aufwöge, sich einfach die Zeit nehmen zu können, über das Leben zu schreiben, wie ich es verstehe und was ich davon gern weitergeben möchte an meine Tochter.
Verstehen und Verständnis sind Dinge, die zusammenhängen. Viel Verständnis haben klingt immer irgendwie mitleidig, volles Verständnis vielleicht noch anteilnehmend aber mein Verständnis der Dinge ist der Kern des Verstehens.
Der olle Kant, den meine Tochter damals bei Sofies Welt noch irgendwie schwierig fand,
der aber in diese Geschichte unbedingt rein gehört, sie ist ja auch längst viel größer, kein Kind mehr sondern eine sehr große junge Dame, auch wenn immer noch mein Kind, weil die Natur es eben so wollte und manches hat sie auch von mir, manche meinen sogar, dass zu sehen, naja, bevor ich mich nun verzettel zurück zu Imanuel aus Königsberg. Der hat mal erklärt als Antwort auf einen Leserbrief, der über die Aufklärung spottete, was Aufklärung sei und dieser Kommentar zu genau dem Leserbrief, wie heute ein Facebook oder Twitterkommentar nur etwas länger halt, veränderte die Welt und das Denken über sie bis heute. Der Satz wurde so wichtig für die Demokratie und ist heute im postfaktischen Zeitalter, wie manche es schon nennen, noch wichtiger, dass ich ihn sogar wenn chronologisch hier völlig falsch an den Anfang und über alles hier stelle, so als Klammer um meine Gedanken.
Danach ist Aufklärung die Befreiung des Menschen aus selbstverschuldeter Unmündigkeit. Selbst schuld sind wir, wenn wir nicht einfach zu blöd sind, kritisch zu denken, sondern nur zu faul und wer es unterlässt, zu denken und blöd und unkritisch bleibt, ist halt selbst schuld, wie Kant es viel treffender noch formulierte. Unmündigkeit, die es ja nach deutschem Recht gar nicht mehr gibt, weil sich Entmündigung nicht mit der Würde des Menschen in Artikel 1 Grundgesetz vereinbaren lässt, ist für den Philosophen Kant weniger was rechtliches als die Unfähigkeit sich seines Verstandes ohne Hilfe anderer zu bedienen, wie Immanuel aus Königsberg es sagte, heißt, nicht alleine vernünftig und kritisch denken zu können.
Es geht also dem Papi, der die Welt erklären will, zuerst um die Freiheit seiner Tochter, also selbständig sich ein kritisches Urteil zu bilden, nicht nur nachzuplappern, sondern nachzudenken, weil es auf ihre Meinung und ihre Gedanken dazu gerade ankommt. Diese Freiheit, sich ein eigenes Urteil zu bilden, auch gegen die Meinung anderer, finde ich wichtiger als jedes Gesetz, die nach Kant ja ohnehin immer nur so weit gelten, wie wir sie mit unserem Gewissen vereinbarten, weil sie sonst moralisch völlig wertloser Schrott wären.
Habe damit nicht gesagt, dass 99% der Gesetze Schrott wären und überflüssig sind, darüber so nachzudenken, könnte zwar klug sein, wäre aber ein anderes Thema und dazu kommen ich später, sondern nur, dass wenn wir nicht über sie nachdenken und sie als unsere irgendwie sehen und aus Überzeugung entsprechend handeln, sie ethisch also für die hohe Moral völlig wertlos sind.
Was schon wieder ganz schön viel Kant für den Anfang eigentlich ist, aber irgendwie gehört der kategorische Imperativ zur Erklärung was Aufklärung sei ja dazu. Ob dieses Geschreibe hier den Anspruch erheben kann mal Aufklärung zu sein, weiß ich nicht, es sind ja nur meine Gedanken und was ich halt meiner Tochter mitgeben möchte, jetzt, wo sie schon ganz schön groß ist. Aber zumindest ist der, der all dies schreibt ziemlich überzeugt von der Aufklärung denkt wir bräuchten dringend wieder eine radikale Aufklärung, wie es sie in Paris um so freie Geister wie Diderot, die Enzyklopädisten, Baron d’Holbach und seinen Salon gab. Menschen die sich trauten jeden Glauben und jeden Gott infrage zu stellen, als in Frankreich einen das noch den Kopf kosten konnte, oder zumindest für eine Ewigkeit in der Bastille verschwinden ließ.
Als einer der Geschichte mag und gern Geschichte erzählt, werde ich auch meinen Versuch, meiner Tochter die Welt zu erklären, wie ich sie sehe, historisch beginnen und chronologisch fortsetzen, was den armen Leser aber nicht davor schützt, dass ich meinen manchmal vermutlich verwirrenden Gedanken frei folgend, noch Ausflüge jenseits aller Zeiten und zwischen den Zeiten unternehme, weil ich nicht die hundertste Geschichte der Philosophie erzählen will, hat Jostein Gaarder schon gut genug gemacht als Geschichte für eine Tochter sondern einfach nur frei dem historischen Gerüst in mir folgend über die Welt nachdenke und heute darum damit beginne, wie alles anfing.
Mit meiner Tochter fing es so an wie mit den meisten Kindern und es war sehr schön, danach dauerte es nicht ganz neun Monate und dann war sie da, so ist das ja meistens und bedarf keiner weiteren Erläuterung, aufgeklärt ist sie wohl längst.
Wer über den Anfang nachdenkt stößt dabei meist auf Gott oder Geschichten von Göttern mit denen alle alten Geschichten irgendwie anfangen. War bei den Babyloniern so, bei den Ägyptern, den Stämmen Israels und den Griechen, die wir immer noch als Stammväter Europas sehen. Heißt doch unser Kontinent nach einer Geliebten des griechischen Göttervaters Zeus, die er als Stier verwandelt nach Kreta entführte, damit ihn seine Hera nicht beim Fremdgehen erwischte.
Mit Europa hat Zeus dann drei Kinder, die erfolgreiche Könige von Kreta und auch einer Beherrscher der Unterwelt werden. Die griechischen Sagen sind ein Anfang unseres Denkens und ich habe sie zuerst über Fasching in Erinnerung, als mein Vater sie riesig auf alte Tapeten malte, mit denen er den Keller im Haus meiner Großeltern verkleidete zu den berühmten Faschingsfesten meiner Familie, die immer unter einem bestimmten Motto standen und die wochenlang vorbereitet wurden. So lernte ich die Figuren aus den Sagen kennen, die mein Vater auch teilweise erzählt oder vorgelesen hat - aber ich glaube sie galten damals Anfang der 70er als zu grausam in vielem und doch sind sie gemeinsam mit der Weihnachtsgeschichte, die immer die älteste Kusine vorlesen durfte an Weihnachten zu meinen frühesten literarischen Erinnerungen außer den Kinderbüchern, die mir meine Mutter vorlas, wie ich später meiner Tochter auch wieder.
Lese gerne vor, weil es ein schöner Akt des sich zuhörens und wertschätzens bei gleichzeitigem Reisens in andere Welten ist. Die Weihnachtsgeschichte also, die mit “Und es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt sich schätzen ließe, so ging auch Josef mit seinem Weib Maria und die war schwanger” beginnt, zumindest in meiner tiefen Erinnerung.
Geschichten die sich vor 2000 Jahren abspielten sind uralt einerseits, andererseits jung gegen die griechischen Sagen, die ägyptischen Hieroglyphen, den Codex Hamurabi und andere Texte, die alle nicht allzuweit von Syrien entstanden, wo heute Krieg ist und eigentlich die Wurzeln unserer Kultur liegen. Zumindest die Wurzeln der christlichen Kultur, weil das Christentum wie der Islam quasi auch als Sekten des Judentums entstanden jedenfall meinen sich auf Propheten zu berufen auf die jene schon lange warten.
Die Germanen, von dem wenigen, was wir wirklich über sie wissen und wenn wir den Tacitus nicht zu wörtlich nehmen, der nur die Römer wachrütteln und zur Disziplin rufen wollte mit diesem Beispiel eines gesunden Naturvolkes, als klänge in dem Römer schon ein inkontinenter Rousseau durch, der fälschlich für einen echten Aufklärer gehalten wird, hatten viele Götter noch und waren auch noch stark an der Natur orientiert - in einigen mehr oder weniger gut wieder aufgefrischten Sagen tauchen sie noch auf, von der Edda bis zum nie ganz gelungenen Nibelungenlied.
Aber gerade springen wir über den Globus und durch die Jahrtausende als gäbe es keinen
Ablauf der Geschichte, doch der Missbrauch des Germanenkultes durch die sozial behinderten Nationalsozialisten hat diesen Teil der Geschichte eben auch etwas belastet, was zu verdrängen nur von Ignoranz zeugt, die unserer Geschichte nicht gerecht wird. So muss manchmal die tiefste Vergangenheit auch aus Respekt vor der jüngsten Geschichte mit der gebührenden Vorsicht behandelt werden, was zumindest zeigt, die Zeiten überschneiden sich in ihrer Bedeutung und nichts steht ganz für sich.
Viel Glaube oder wie ich sage Aberglaube steht am Anfang der Geschichte - vielleicht weil die Menschen immer wissen wollten, woher sie kommen, warum sie sind und wohin sie gehen, wenn sie nicht mehr sind.
Es gab schon sehr früh unter den Atomisten in Griechenland einige, die allen Göttern spotteten, manche auch die es wie Epikur sehr weise taten, der sagte, es möge sie geben die Götter und ihren Himmel, aber warum sollten sie sich, so es sie gäbe, um uns kümmern. Das war vor ungefähr 2500 Jahren.
Oder nehmen wir Echnaton, der Gatte der klugen wie schönen Nofretete, was letzteres wir Berliner nun immer umme Ecke in Mitte im wunderbaren Neuen Museum mit den alten Schätzen prüfen können, der mit Aton der Sonnenscheibe quasi den Monotheismus einführte vor rund 3300 Jahren. Ist dies der Anfang des Abendlandes oder der Beginn seines Untergangs, weil wer nur noch einen Gott braucht irgendwann auch logisch feststellt, eigentlich brauche ich gar keinen Gott mehr.
Die nach der diese Geschichten heißen wurde im Gegensatz zu ihren Eltern beiden nicht mehr getauft. Weil ich es richtig finde, dass Menschen sich erst wenn sie mündig sind entscheiden sollen, ob sie einer Sekte angehören wollen oder nicht und es ihre Mutter genauso sah zum Glück. Aber hätte ich es einer gläubigen Frau, die in Traditionen lebt so streng verwehrt unser Kind taufen zu lassen, wenn es ihr denn wichtig wäre?
Im Prinzip ja, weil ich die Kindstaufe fürchterlich finde, eine Entmündigung, die wehrlose Kinder schon Teil einer sektiererischen Glaubengemeinschaft werden lässt, die so viel Blut an den Fingern hat wie ihr zentrales Symbol ein grausames Folterwerkzeug ist.
Doch bin ich, der keine Götter kennt, bis heute nicht aus dem Verein ausgetreten, weil ich dabei immer an den alten jüdischen Witz über König Salomon denken muss, der als ihn der Rabbi fragt, was er denn im Tempel mache, wenn er doch gar nicht an Gott glaube, antwortete, weiß ich, ob ich Recht habe oder mit Montaigne wie oben schon zitiert sagte, was weiß ich schon?
So wurde mein Kind nicht getauft wuchs wie so viele hier als Heidenkind auf, was gut ist,
Bekam Sofies Welt vorgelesen bevor sie die Bibel kennenlernte, fast zumindest. Doch hätte ich mich darum gestritten, wenn es jemand anderem ein Bedürfnis gewesen wäre - warum habe ausgerechnet ich, meiner Tochter die drei frömmsten Menschen aus meinem Verwandten- und Freundeskreis zu Paten gegeben, ist das nicht absurd?
Halte die Auseinandersetzung mit dem Glauben, der unsere Kultur prägte, weil die Christen, als sie sich durchsetzten, alles vorige entweder verdrängten und zerstörten wie der IS oder absorbierten, wie Weihnachten und St. Johanni zu den Sonnenwenden, für ziemlich wichtig, um zu verstehen, wie wurde, was ist.
Glaube steht jedenfalls bei vielen Versuchen, sich die Welt zu erklären ganz am Anfang. Es gibt auch andere Beispiele, wie Epikur und Lukrez, denen es um ihr irdisches Wohlergehen allein ging, weil es für sie natürlich nichts sonst gab, was relevant wäre. Wie es Lukrez in seinen Dingen der Natur so treffend sagt, geht uns der Tod nichts an, weil solange wir da sind, ist er nicht da und wenn er da ist, sind wir es nicht mehr.
Anfang und Ende gehören zusammen. Gegen Ende werden die Alten den Babys immer ähnlicher nur leider ohne Kindchenschema, warum wir es nicht so süß finden, sie zu füttern. Dies sage ich nicht, weil ich wie abergläubige Buddhisten von einem ewigen Rad ausgehe, sondern, weil ich beobachte, wie Anfang und Ende unserer eben nur endlichen Existenz sich in vielem ähneln.
Als ich knapp zwei Jahre älter war als meine Tochter jetzt ist, verunglückte ich mal tödlich und es dauerte einige Minuten, bis sich mein Herz unter massiver ärztlicher und elektronischer Hilfe wieder entschloss zu schlagen und dann Monate bis ich wieder einigermaßen klar denken, laufen und alles übrige konnte, wie etwa auch sprechen.
Dann gäbe es die nicht, der ich jetzt diese Essays schreibe und den der schreibt, gäbe es auch nicht, er wäre mit Sechzehneinhalb Jahren nicht mehr da gewesen. Irgendwie erschreckt mich das nicht und erschütterte mich auch nicht sonderlich. So ist Leben halt, es kommt und geht und wer kein richtiges räumliches Sehen hat verschätzt sich eben mal mit Abständen und wird entsprechend angefahren, wenn zu hektisch oder eilig.
Glaube nicht an ein weiterleben nach dem Tod, noch an die Existenz einer Seele, als ich klinisch tot war, passierte nichts, ich habe keinerlei Erinnerung und das gefällt mir gut. Wenn das Hirn nicht mehr mit frischem Sauerstoff versorgt wird, denken wir nicht mehr viel sondern sind weg, dann passiert nichts mehr. Wir haben eine beschränkte Zeit nach der Natur auf Erden, die gilt es bestmöglich zu nutzen.
Wen es glücklich und zufrieden macht, an Götter zu glauben, soll das tun, wer sich dabei frei fühlt, es zu tun oder zu lassen, kann überhaupt immer alles tun, was gefällt ist meine Überzeugung, der ich Freiheit für wichtiger halte als den richtigen Glauben, warum ich es auch in keiner Partei lange aushielt, bei der Schüler Union einen Tag und bei der SPD immerhin einige Jahre und doch blieb es mir im Wesen fremd, parteiisch zu sein, auch wenn diese für die Funktion der Demokratie sicher unentbehrlich sind, muss ich doch in keiner sein und weiß warum. Dennoch fiel es mir leichter unter dem noch amtierenden Vorsitzenden aus der mit immer wesensfremden Arbeiterpartei auszutreten als aus der Kirche, in die ich nicht mal freiwillig eingetreten bin und in der ich seit meiner Konfirmation vor über 30 Jahren keine aktive Teilnahme mehr hatte.
So sind wir eben auch Teile der Tradition, in die wir hineingeboren wurden und mit der wir aufwachsen. Dazu gehörte eben Taufe und Konfirmation wie im Osten die Jugendweihe, die ich aber meiner Tochter auch nicht zumuten möchte für den Eintritt ins Leben als ein Überbleibsel des Sozialismus, den ich so tief verachte als totalitäres System engstirniger Spießigkeit, das Mauern baute, einen Stasi-Staat brauchte und sich heute als kulturaffin gibt um alte Stasi-Kader und verdiente Parteimitglieder weiter staatlich zu versorgen, auch wenn der humanistische Verband, der dies veranstaltet eigentlich gute Ziele verfolgt, fremdelte ich mit dieser absurden Idee doch sehr.
Eine Freundin erlebte auf Wunsch des Kindsvaters eine solche Jugendweihe mit bei ihrem Sohn, beide hatten eine DDR-Biografie, sie fand es nicht toll aber normal, war halt so. Vielleicht wäre es nicht schlecht, wenn Europa oder die Bundesrepublik so etwas mit den Idealen von Aufklärung und Freiheit aufstellte, statt mit dem noch immer schmuddeligen Stallgeruch des Sozialismus, der seine alten Kader pflegt.
Nach meinem Unfall als ich langsam wieder bewusst wurde und ich kapierte, was ich für ein Glück hatte, noch am Leben zu sein, habe ich mich noch mal nach Gott gefragt und ob ich ihm danken sollte - aber so sehr ich mich auch befragte, da war einfach nichts und ich fände den Gedanken, es gäbe etwas Allwissendes oder einen Schöpfer äußerst lästig und eine sehr unangenehme Freiheitsberaubung, auch wenn ich Respekt vor der Tradition meiner Familie habe in der es zahlreiche Pastoren noch in Thüringen gab.
So wie ich an Weihnachten mit der Familie so laut wie falsch und leidenschaftlich gerne Weihnachtslieder singe, weil es eben dazugehört, seit ich Denken kann, wenn ich es je konnte und bei uns Weihnachten wie bei den Buddenbrooks gefeiert wird, mit großem Baum, festlicher Tafel, Gesang und gutem Wein, auch wenn ich die angebliche Geburt dieses Propheten für Unsinn halte, die nur die Wintersonnenwende mit ihrer Lichtsymbolik nutzt, die zum mystischen Johannes Evangelium passt.
In vielem Anfang steckt Glaube - so wird auch die rund 25.000 Jahre alte Venus von Willendorf gern als religiöses Fruchtbarkeitssymbol einer Naturreligion gesehen - von den sehr weiblichen Figuren wurden ja noch weitere in einem Gebiet von rund 3000km Umkreis gefunden, was für einen relativ einheitlichen Kult zu dieser Zeit spräche - vielleicht war e auch nur ein Schönheitsideal der Jäger, das sie in Erinnerung an die Gattin mit auf ihre Touren nahmen, eine Art haptischer Playboy und hatte mehr mit Trieb als mit Glaube zu tun und nur heute denken wir, weil das Christentum wie der Islam einfach alle erfasst, alles müsse religiös gewesen sein, auch wenn es vielleicht nur um Sex ging dabei.
Mit der Natur beschäftigten sich auch die Vorfahren im weiteren Umfeld von Berlin damals - als sie vor über 6000 Jahren mit exakter Beobachtung des Himmels eine Himmelsscheibe erstellten, die als die von Nebra in Sachsen-Anhalt heute bekannt und ausgestellt wird. Sie wussten besser was am Himmel vor sich ging als die katholische Kirche lange glauben ließ, die predigte die Erde sei der Mittelpunkt des Universums und ähnlichen Unsinn als sie noch wörtlich an das alte Märchenbuch Bibel glaubten.
Andererseits wissen wir um viele Geschlechter, Könige und Naturereignisse nur durch die Bibel, von der Sintflut bis zum Turmbau zu Babel, die unser eigene Art zu denken prägte, viele Kulturen auf der Welt in der einen oder anderen christlichen, muslimischen oder jüdischen Adaption prägten.
Irgendwo dazwischen fing wohl alles mal an. Sicherlich ohne einen Schöpfer mit langem Bart, der sich von der Wolke aus nach einer Woche sein Werk ansah und zufrieden war, bis er auf die glorreiche Idee kam Adam aus seiner Rippe eine Gefährtin zu machen, womit der Mann aus dem Paradie vertrieben wurde, eine plötzlich verschämte Frau an der Seite hatte und der ganze Ärger auch mit dem immer wieder interaktiven Gott anfing.
Doch für die meisten Menschen in Europa war das die längste Zeit der letzten 2000 Jahren völlig normal, der aufgeklärte Atheismus eines Lukrez wurde verpönt vom Vatikan, was für gebildete Römer vor Augustus noch normal war, eine Seele außerhalb des Körpers und Götter für völlig absurden Kinderkram zu halten, was es auch jedem kritisch denkenden Menschen mit Abstand heute noch scheinen muss, wurde lange im ganzen Norden wie über den Islam auch weit im Osten normal.
Es gibt Menschen, die gerne Phantasy und Rollenspiele mögen, auch meine Tochter liest inzwischen gerne solche Sachen, die mir immer eher fremd blieben der Herr der Ringe etwa langweilte mich irgendwann so sehr, dass ich ihn einfach nicht mehr weiterlesen konnte, es war zu vorhersehbar und langweilig und so scheinen mir Erwachsene mit eingebildeten höheren Freunden oder Wesen schon immer etwas gestört, aber es gibt noch viele kluge Leute, die das anders sehen.
Gerade war ich auf der Taufe des ersten Kindes meines besten Freundes und in seinen Kreisen wird alles gern traditionell und auch mit Kirche gefeiert, wie es auf den Gütern eben üblich war, deren gottgewollte Herrschaft sie einst waren. Es war mir zuwider das arme Baby ohne eigenen Willen in die Kirche gedrängt zu sehen, aber es war auch wunderschön, die Bischöfin hat klug geredet, es war ein schönes Familienfest bei schönstem Wetter im Garten und es passte alles gut so - fragte mich zwischenzeitlich ob wir nicht damals mit meiner Tochter was verpasst haben. Dieser leichte Anflug von Traditionalismus verflog schnell wieder und der kritische Geist blieb wach genug, aber dennoch ist da etwas bei diesen alten Traditionen und Spielen, das auch in mir Atheisten eine Seite zum Klingen bringt.
Wie ich auch Bach liebe, die weltlichen Kantaten zwar mehr als die geistlichen aber doch beide auch auf ihre Art und ein Requiem wie das von Mozart oder jenes protestantische von Brahms kann mich sehr rühren, obwohl das alles natürlich vernünftig betrachtet Unsinn ist. Die traditionelle Ästhetik liegt mir, ihr fühle ich mich noch verbunden, auch wenn mir der Verein nicht gefällt und das Glaubensbekenntnis ein Graus ist, das Vaterunser nicht mehr ohne rot zu werden mitgesprochen werden könnte.
So weiß ich manches nicht so ganz genau und gehe auch Wege irgendwo dazwischen, mit denen ich mich wohlfühle, statt um radikale Positionen um jeden Preis immer zu kämpfen - dies nicht weil die größten Verbrecher des vergangenen Jahrhunderts alles Atheisten waren - Hitler, Stalin, Mao. Pol Pot - sondern weil ich es nicht so ganz genau weiß und manchmal auch Gefühl und Gewohnheit noch lieber folge als in jedem Moment für die Vernunft zu kämpfen.
Wie es anfing gibt es sehr weitgehende Berechnungen, viel spricht für den Urknall, der die Materie im Universum verteilte - was davor war und was diesen auslöste, da Energie ja nicht verloren geht und nicht aus dem Nichts kommt, wissen wir noch nicht. Nichts kommt aus dem Nichts aber nichts braucht einen Grund, vor allem hat Leben keinen Grund oder Sinn, es ist, was manche Fragen nach dem Anfang für mich entbehrlich macht und mit dem was ist, warum immer es genau so gerade jetzt ist, sollten wir so genussreich wie möglich umgehen.
jens tuengerthal 13.12.2016
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