Montag, 19. Dezember 2016

Gretasophie 003a

003a Was ist Glück überhaupt

Glück ist so vielschichtig wie der Mensch, als Erfüllung und Ziel menschlichen Strebens und Wünschens, ist es so bunt wie die Menschheit. Es kann ekstatisch und orgiastisch sein oder friedlich und ruhig, sogar für den gleichen Menschen, kann es im Laufe seines Lebens ganz unterschiedliches sein. Manche halten es für eine Wendung des Schicksals, die sie dann sogar höheren Mächten zuschreiben, denen sie dann für ihr jeweiliges Glück danken. Oft wird Glück als eine zufällige Wendung gesehen, die eben am Zufall oder dem geglaubten Schicksal  hänge.

Viele meinen Glück, sei nicht von Dauer sondern immer nur ein glücklicher Moment wie ein Höhepunkt, der Gipfel eines Lebens, der durch harte Arbeit erklommen wird und dann doch letztlich nicht mehr vom Willen des so Beglückten abhängt. Für sie ist Glück der Augenblick, den wir schätzen und von dem Goethe noch sagte, er sei so schön und darum hoffte, er möge doch verweilen.

In die amerikanische Verfassung hat das Streben nach Glück dank Thomas Jefferson gefunden, dem eifrigen Leser von Lukrez, der sich in manchem auch als Epikuräer sah. Dort wurde das sogenannte Pursuit of happiness ein individuelles Freiheitsrecht. Dies war zur Zeit der Gründung der USA als in Europa und an vielen Orten sonst in der Welt noch gottgewollte Monarchen absolutistisch herrschten, eine radikale Neuerung, die den Weg der USA als Land der Freiheit prägen sollte. Zumindest bei den Mitgliedern der damaligen Boston Tea Party, einer Bewegung revolutionär gesinnter, liberaler, vielfach Freimaurer, herrschte noch dieser Geist vor und ihr Streben sich eine möglichst gute Verfassung zu geben, was immer nun daraus wurde und wird.

Das Wort „Glück“ kommt aus dem mittelniederdeutschen von gelucke/lucke oder dem mittelhochdeutschen gelücke/lücke. Es bedeutete  die Art, wie etwas endet oder ob es gut ausgeht. Glück war der günstige Ausgang von etwas, wenn es denn gut ausging. Voraussetzung war weder ein bestimmtes Talent noch eigenes Zutun.

Der Volksmund meint dagegen jeder Einzelne sei auch für die Erlangung seines Lebensglück verantwortlich: „Jeder ist seines Glückes Schmied“. Die Fähigkeit zum Glücklichsein hängt in diesem Sinne außer von äußeren Umständen auch von individuellen Einstellungen und von der Selbstbejahung in einer gegebenen Situation ab. Danach wäre Glück auch eine Frage der Haltung zu den Dingen, wie es auch die Epikuräer und der gute Lukrez sagten, die das Streben nach Lust, was für sie Glück war, als menschliche Natur sahen.

Heute bereits hat die Hirnforschung enorme Fortschritte darin gemacht, zu sagen, was biologisch Glücksgefühle auslöst. Ganz großen Einfluss haben danach die Endorphine und Oxytocin sowie die Neurotransmitter Dopamin und Serotonin, die unser Gehirn bei unterschiedlichen Aktivitäten frei setzt. So etwa beim Essen, beim Sport, bei der völligen Entspannung und beim Sex.

Wir wissen also, dass bloße Chemie unseren Gemütszustand verändern kann, den wir immer eher für eine geistige Frage eher hielten. So meinen wir immer noch, es sei Liebe oder andere große Gefühle, die uns zu etwas bewegten, in einen seligen Zustand brächten, der in seiner Wirkung bloßes Produkt einer nur chemischen Reaktion ist.

Gibt es also eine chemische Formel für Glück, die uns mit dem richtigen Cocktail schon glücklich machen könnte?

Ist eine Welt denkbar, wie sie Stanislaw Lem in seinem genialen Futurologischen Kongress als Zukunftsvision beschreibt, in der Menschen alles ganz toll und schön finden, wenn sie nur die richtige Gasmischung permanent einatmen, die sie auf diesem Trip hält?

Es scheint komplizierter noch zu sein, zwar spielen die ollen Neurotransmitter wohl eine Hauptrolle für unser Glücksempfinden aber alleine wirken sie auch nicht, sondern nur in einem ganz komplexen Gewebe von Reaktionen, die erst zusammen zum großen Glück führen und uns einen Zustand als ganzes Wesen so empfinden lassen.

Die Erkenntnisse der Hirnforschung haben uns Medikamente entwickeln lassen, die gegen Depressionen helfen, sogenannte Psychopharmaka, oder bestimmte Zustände vermeiden können, aber sie greifen nur an einen Teil eines komplexen Gewebes und wirken zwar auch teilweise verändernd auf die Persönlichkeit aber noch sind wir weit davon den ganzen Menschen und all die in ihm wirksamen Einflüsse zu begreifen. So können wir noch nicht sicher sein, ob das eine oder andere nicht noch andere Reaktionen hervorruft, von denen wir noch nichts ahnen, weil die Milliarden Verbindungen zu komplex sind, eine immer einheitliche Aussage zu treffen.

Auch in der Welt der Drogen wird immer wieder versucht an diese Neurotransmitter und andere Glücksstoffe anzugreifen, um Glücksgefühle mit Drogen auszulösen. Dies gelingt auch, warum sie die Konsumenten high fühlen und Glück empfinden, obwohl sie sich eigentlich schaden und vom Glück als Freiheit und Sache ihrer Natur entfernen. Die Sucht ersetzt dann das natürliche Glücksgefühl, das sie nur für einen Moment imitieren sollte und gibt den Konsumenten das Gefühl dadurch befriedigt zu sein.

Ist natürlich Unsinn, weil es keine natürliche Befriedigung ist und auch kein dauerhaftes Glücksgefühl auslösen kann, sondern nur einen künstlichen Abklatsch davon, mit üblen gesundheitlichen Folgen und dem ganzen Rattenschwanz, der an legalen oder illegalen Drogen noch dranhängt.

Wie die Medikamente, gibt es für die Zeit der Wirkung kurze Glücksgefühle, die funktionieren lassen, solange es nötig ist, was in einer Leistungsgesellschaft von Vorteil sein kann, warum in bestimmten Kreisen etwa auch viel Kokain konsumiert wird, weil sich die Leute dabei toll fühlen, solange sie es kriegen und wie irre leistungsfähig brennen, was dann die übliche Spirale der Sucht schnell auslöst.

Am Anfang aber steht auch die Suche nach Glück, dass dadurch künstlich hergestellt und vermehrt werden soll.  Beim Menschen hat  sich die Suche nach Glück, wie Drogen und lustige Varianten beim Sex und in anderen Gebieten zeigen, von der ursprünglichen schlichten Belohnung für Verhaltensweisen gelöst und sich verselbständigt. So können wir uns schon Glücksgefühle für nichts eigentlich verschaffen, ohne Grund völlig euphorisch werden, was an die erste Reihe bei Konzerten von Teenie-Stars denken lässt, in denen eine kreischende Menge schwankt.

Auch im Staat wird danach geforscht, was die Bürger glücklich macht und führende Forscher meinen das Zusammenspiel von Bürgersinn, sozialem Ausgleich und Kontrolle über das eigene Leben seien das magische Dreieck des Wohlbefindens in einer Gesellschaft. Je besser die drei Faktoren erfüllt sind, desto zufriedener sind die Menschen und damit glücklicher.

Die Hirnforschung hat nun festgestellt, dass manche freudige Reaktionen des Körpers, dem bewussten Gefühl im Gehirn vorausgehen. Unser Körper Reaktionen zeigt, bevor  wir wissen warum und so manchmal schneller weiß, was uns glücklich macht als unser Gehirn. So scheint es, als wüsste der Körper manchmal in seinen Reaktionen mehr als der Verstand weiß, als stimmte der Satz von Blaise Pascal, “das Herz hat Gründe, welche die Vernunft nicht kennt”, mit der neuesten Forschung völlig überein.

Spannend könnte hier, wenn wir uns noch mit der unsäglichen Seele beschäftigten, die Frage sein, ob die rein körperliche Glücksreaktion, ohne bewussten Akt im Hirn, dann ist, was manche Seele noch nennen oder das genaue Gegenteil, aber das fiel mir nur gerade so nebenbei ein. Sagen doch manche die Seele stecke im ganzen Körper, nicht nur im Hirn, ist sie dann die bloß physiologische, biochemische Reaktion auf bestimmte Reize oder brauchte sie Bewusstsein und also Hirn?

Manche, wie etwa der Dalai Lama, meinen, Glück sei durch bewusste Hinwendung des Geistes zum Glück erreichbar. Dafür praktizieren sie ihre Meditationen als Weg zum Glück. Solche sind nicht nur bei tibetischen Mönchen beliebt sondern finden sich auch beim Yoga und und anderen Formen der Selbstfindung, wie sie in unserer Kultur gerade so Mode sind, die oft überbezahlten und unterbeschäftigten Mütter in meinem Kiez in Form zu halten, weil sie ein verbreitetes Gefühl und eine Suche ansprechen. Der Dalai Lama ist quasi der Papst der tibetischen Buddhisten, dessen Auswahl schon magischen Ritualen folgt, die einem vernünftigen Menschen die Auswahl für den höchsten Posten im früheren Tibet, bevor es die Chinesen besetzten, als eher reines Glücksspiel erscheinen lassen könnte, auch wenn es für sie eine Demut gegenüber dem höheren Willen, der sich darin zeigt bedeutete.

Auch die Philosophenschulen der Antike entwickelten bei der Suche nach größtmöglicher Gelassenheit, welche für sie das höchste Glück war, Techniken um Affekte wie Eifersucht, Zorn Habgier oder Todesangst zu überwinden. Am konsequentesten auf das eigene Glück und seine Erfüllung ausgerichtet waren die Epikuräer, die auch konsequent weder Tod noch Krankheit fürchteten, sondern den heutigen Konstruktivisten gleich, in jeder Situation das beste zu finden suchten, um glücklich zu sein.

Interessant ist dabei, was Epikur auf die Frage nach dem Glück antwortet, das für ihn ein Käse, ein Brot und Wasser oder Wein wären, also die Stillung der grundlegenden Bedürfnisse und kein übermäßiger Luxus. ‘Slow food’ oder ‘weniger ist mehr’ sind auch Bewegungen, die heute in diese Richtung gehen, auf die seltsame Einsiedler schon seit tausenden von Jahren aufmerksam machen.

Glück ist danach weniger die große Euphorie gerade das eine zu erreichen, wie es Leistungssportler kennen, die auf den Punkt trainieren, sondern eher ein dauerhafter Zustand zufriedener Gelassenheit, der nicht an schwer zu erreichende Ziele geknüpft wird, sondern sich mit wenig im Alltag zufrieden gibt und dabei glücklich in sich ruht.

Dieser Zustand von Glück ist keiner der aufschreit und jubelt, sondern eher einer der zufrieden vor sich hin grinst. Wir Menschen haben aber scheinbar oft beides in uns. Das merken wir schon beim Sex, wo wir nach dem Höhepunkt streben, um glücklich zu sein, für den Bruchteil einer Sekunde, die er dauert und die Zufriedenheit danach.

Guter Sex wirkt auch mal einige Stunden befriedigend in der Erinnerung des Körpers nach, aber auch das, wie ich heute weiß, für die meisten Menschen seltene zusammen Kommen, dauert nur wenige Sekunden, wenn überhaupt so lange und ist auch nur viel Lärm um das Nichts einer temporär eben gleichzeitigen Erschlaffung der Nerven, die auch ich lange völlig überschätzte.

Ist Glück in der Liebe guter Sex oder eine entspannte Beziehung ohne Stress und bei der sich beide gegenseitig so glücklich machen, wie sie es eben können?

Früher hätte ich immer gesagt, es gehört zusammen, heute halte ich Sex immer mehr für eher überschätzt, nett zwar, wenn es funktioniert, aber auch keine notwendige Komponente des Glücks sondern nur eine Variante Glück miteinander zu leben, die desto wahrscheinlicher wird, je weniger wir davon erwarten.

Nähe, Wohlgefühl und erholsamer Schlaf, sowie reger geistiger Austausch ist für mich inzwischen wichtiger als der ultimative Sex, der auf Dauer ohnehin meist viel von seinem Reiz verliert, da viel davon auch logisch der Reiz des Neuen noch ist.

Eine Hochzeit  ist also ein Versprechen auch gegen die Natur, die immer wieder neue Reize sucht, aneinander festhalten zu wollen. Ob dies sinnvoll ist, weiß ich nicht zu sagen, da ich noch nie verheiratet  war. Andererseits war ich lang genug in dauerhaften Beziehungen auch immer wieder, dass ich mir ein Urteil über die natürliche Entwicklung dabei zutraue.

Sich gegen die Natur etwas zu versprechen, ist offensichtlich eigentlich Unsinn. Die Liebe oder zumindest das Versprechen füreinander noch für stärker zu halten, als den Trieb, der ganz natürlich den neuen Reizen immer gerne folgte, zeugt zumindest von hehren Absichten. Die Ehe ist also nicht nur toll sondern immer auch ein sich überwinden gegen die eigene Natur, auch wenn viele Frauen die durchgehende Neigung haben, diese konsequent zu leugnen, vielleicht auch um mit der Macht des schlechten Gewissens ihre moralisch schwächeren Männer zu fesseln.

Ob die Ehe, die manche gern als Hafen des Glück bezeichnen, dies tatsächlich mehrt oder nur eine Krücke der eigenen Feigheit und der Angst vor der Einsamkeit ist, weiß ich nicht klar zu sagen. Vermutlich hat sie von beiden Seiten etwas und damit die Eheleute nicht lange ständig überlegen, ob die Bilanz positiv oder negativ ist, hat sich der Staat hier entschlossen, die Trennung der Ehe kostspielig und aufwändig zu machen.

Ob dies die Dauer und die Stabilität von Beziehungen erhöht oder nur den Verdienst von Anwälten in die Höhe treibt, zu fragen, könnte böswillig als gegen die Ehe gerichtet gewertet werden, allerdings weiß ich auch wirklich nicht mehr, was dafür spricht, sich seine Liebe vom Staat bescheinigen zu lassen, sehen wir von den steuerlichen Vergünstigungen und ähnlichen Fragen einmal ab.

Die Ehe erhöht statistisch die Überlebenschancen der Beteiligten, ob dieses meist auch divergente Zusammenfinden zweier Wesen, die schon hormonell von zwei Planeten zu kommen scheinen, im gegenseitigen Verständnis ohnehin, damit auch das Glück der Beteiligten in Summa erhöht, scheint mir mehr als fraglich.

Als Versorgungsgemeinschaft hat die Ehe leider relativ ausgedient, auch wenn sie dafür das geeignete Modell war und ihre noch heutige rechtliche Konstruktion genau diesem Modell entspricht. Warum heute beide meinen Glück hinge davon ab, sein eigenes Geld zu verdienen und keine Gemeinschaft im ganzen zu bilden, habe ich noch nie verstanden, als sei Geld ein Glücksfaktor an sich und nicht nur Mittel zum Zweck, das im Falle seines Vorhandenseins meist eher ängstlich und viele unglücklich macht. Darüber kann ich gut reden, da ich mich schon seit Jahren relativ erfolgreich darum bemühe, auch ohne glücklich zu sein.

Was noch übrig ist von der Ehe ist die konservative Pflege von Traditionen, die nur aufgrund der fortgesetzten Diskriminierung anderer Lebensformen noch gewisse rechtliche Vorteile hat, die verfassungsrechtlich allerdings schon mehr als fragwürdig wären im Sinne des Gleichheitssatzes.

Ob es neue zeitgemäßere Formen der Liebe braucht, um auf Dauer glücklich zu bleiben als die Ehe, könnte wichtig  werden, wenn wir dazu kommen, dass Hochzeit als Ding überhaupt einen Wert für das Glück darstellt oder nicht nur der natürliche und logische Anfang eines Leidens ist, das mit dem Abnehmen der gegenseitigen sexuellen Attraktion beginnt, was du hast, hast du eben, und der durch die wechselseitige Sorge um den je anderen Versorger aufgrund bestimmter emotionaler oder materieller Bedürfnisse auch noch länger leben und leiden lässt, während andere zeitiger und vor Einsetzen der Verblödung in Ruhe für sich sterben dürfen.

Diese zugegeben etwas zugespitzte Betrachtung der Ehe als Bedrohung nicht nur der Freiheit im Leben sondern auch der im Tod bringt mich im Rahmen Frage nach dem, was Glück ist zu der schönen Geschichte von Solon und Kroisos. Als Solon, der einer der 7 Weisen von Athen war, den sagenhaft reichen König Kroisos besuchte, fragte dieser ihn, wen er für den glücklichsten Menschen halte und ob das nicht er in seinem Reichtum sein müsse. Doch Solon erwirderte, noch glücklicher sei der Athener gewesen, der reich war, wunderbare Kinder hatte, eine Frau, die wunderschön war und ihn liebte und der dann noch als Held für seine Stadt im Kampf fallen durfte, um nun von dieser im Andenken hoch verehrt zu werden.

So zeigt Solon dem unermeßlich Reichen Kroisos, dass auch er nicht alles haben kann, weil das ehrenvolle Andenken der Toten für kein Geld der Welt erworben werden kann, andererseis die Ehre des Helden auch den Nachteil hat, dass wir sie so nicht mehr lebend genießen können.

So bleibt das Glück wohl immer relativ unfassbar nicht nur für jeden ist es anders nach der gerade zufälligen Meinung oder Gesinnung, viel mehr noch ist es, nie von einem vollständig zu erreichen, denn das größte Glück nach seinem Tode als Held des Volkes verehrt zu werden, wie es ja auch Goethe und Schiller, viel mehr noch Heine erging, bekommt keiner lebend geschenkt, so glücklich sein Leben relativ auch war. Wer es hat, ist nicht mehr und was das wert ist, scheint auch mehr als fraglich. So schlecht auch alles gesehen werden könnte, liegt doch darin immer noch mehr als nichts. Wer aber noch ist, hat nie das Glück würdigen Angedenkens und für alle die nicht mehr sind, ist es egal, weil sie ja nicht mehr sind, sie der Tod, der sie ergriff also nichts mehr angeht, solange sie sind und wer nicht ist, den geht ohnehin nichts mehr was an.
jens tuengerthal 19.12.2016

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