Montag, 26. Dezember 2016

Gretasophie 004b

004b Von Lust und Liebe

Zur Liebe gehört die Lust. Nicht immer aber irgendwann schon. Eigentlich den größten Teil zwischen Kindheit und greisenhafter Impotenz, wenn sie aber zumindest manchmal noch erinnerte Geschichte ist. Welche Rolle sie spielt im Leben, ändert sich. Zwischen Eltern und Kindern sollte sie außer zur Aufklärung keine Rolle spielen, wobei schon die alten Griechen von Ödipus wussten, der aber ja auch eher ein Irrtum war und so nicht gewollt, sondern dumme Folge der Orakelhörigkeit.

Wären die Menschen weise, würde aus der Geschichte des Ödipus folgen, hör auf keine Orakel, es geht entweder ohnehin schief und nimmt dir alle natürliche Freiheit. Da wir aber alle dumm sind und ich bin mir zumindest sicher, da einer der ersten zu sein, haben wir den Inzest tabuisiert und die Sexualität zwischen Eltern und Kindern, was auch gute genetische Gründe hat. Die Gefahr von Behinderungen ist dabei deutlich erhöht und so passen manche Verbote sogar zum Lauf der Evolution, selbst wenn sie im Aberglauben begründet wurden.

Überhaupt ist Eltern und Sex für Kinder meist eher peinlich, davon wollen sie nichts hören und schweigen lieber dazu, auch wenn es in den 70ern im Zuge der sexuellen Befreiung eine umgekehrte Bewegung mal gab, die aber dafür heute wieder um so mehr pönalisiert wird. Die moralischen Vorwürfe auf diesem Gebiet sind so voller Hass, dass ein nüchterner Diskurs kaum mehr möglich scheint. Aber ich möchte ja nicht über Pädophile, Missbrauch und moralische Hysterie schreiben, auch wenn es dazu viel  zu sagen gäbe, sondern über Lust und Liebe, wie sie zusammengehören und worauf es dabei aus meiner Sicht ankommt.

Der Vorspann ist nur nötig, weil ich ja hier als Vater für meine Tochter schreibe, die da vermutlich genauso drauf reagiert, wie alle Kinder und ich vermutlich es auch hätte, weil es peinlich ist, wenn der eigene Vater über Sex redet - darum schreibt er hier, dann kann sie es lesen, wenn es sie interessiert und sie nicht mehr beim Gedanken, es zu lesen, schon hochrot anläuft und ich muss nichts mehr dazu sagen.

Darum auch formuliere ich diesmal vielleicht vorsichtiger als ich es sonst täte, weniger mit der Sinnlichkeit spielend und nüchtern sachlicher, aber ich will auch kein Schulbuch schreiben, die hat sie selber, sondern über Lust immer auch lustvoll schreiben, weil Sex einfach schön ist und genau so natürlich genossen werden sollte.

Was ist gut und was erlaubt?

Erlaubt ist, was gefällt, schrieb einst schon der auch für anderes berühmte Marquis de Sade, der übrigens auch wunderbare Bücher über atheistische und materialistische Philosophie schrieb aber dank der Kirche hauptsächlich seiner Schriften zur Sexualität wegen bekannt wurde. Dem stimme ich voll zu. Um nichts anderes geht es. Spaß machen soll es, sich gut anfühlen, möglichst befriedigen und glücklich machen und alles andere ist Sache der beiden zwischen denen es stattfindet.

Wann und wie es wer mit wem tut, hat gerade die katholische Kirche immer wieder gern beschäftigt, die ohnehin ein Thema mit der Sexualität hat, sowohl intern wie auch in der Frage der Dogmen. Dadurch ist aber der irgendwie verbotene Sex auch reizvoller geblieben als bei den Protestanten, die zwar durften, sogar die Pfarrer dürfen dort ja seit Luther heiraten, aber im moralischen Korsett meist jede Lust dennoch verlieren, wie es im Film ‘Der Sinn des Lebens’ der englischen Komikertruppe Monty Python so treffend dargestellt wurde.

Über Sex reden ist nett und erwachsen ist der Mensch von dem Moment an, wo er das völlig entspannt und genüsslich tun kann, warum manche es nie werden und andere geradezu frühreif schon sind. Kann mich noch genau erinnern, als ich meine ersten sexuellen Erfahrungen vor weit über 30 Jahren sammelte, habe ja ziemlich früh angefangen, waren wir zwar aufgeklärt aus der Schule aber darüber locker reden konnten wir noch nicht, auch wenn ich mich da immer ganz entspannt gab, schon sehr früh von meinen Eltern aufgeklärt wurde und Sexualität mir als etwas schönes vorgestellt wurde, dass aber der Folgen wegen auch möglichst mit viel Verantwortung begonnen werden sollte. Dass war weniger moralisch gemeint als in Sicht auf die Vorsicht, die geboten war, damit nichts passierte, da im richtigen Moment ohnehin, wie mein Großvater immer sagte, das Hirn im Hintern sitzt und schieben hilft, was meinte, wenn der Trieb stark genug ist, denken wir nicht mehr, sondern treiben es lieber nur noch.

Auch eine für Menschen vor Erwachen ihrer Sexualität undenkbare Vorstellung, wie Menschen zu schlichten Triebwesen werden, dabei sind sie eigentlich in ganz vielem noch viel näher dran an diesem Verhalten als die sonst gern so kontrollierten Erwachsenen, die sich viel seltener nur echte Wutanfälle mit Schreien, Zähneklappern und allem pipapo leisten können. Darum ist die Lust als letztes Ventil der Natur für viele auch so wichtig. Doch ist sie immer noch mit zu vielen Tabus versehen und zu viele Mensch können sie immer noch nicht frei genießen. Zum einen aus seltsamen moralischen Gründen, die den Genuß der angeblichen Sünde teilweise tabuisieren, zum anderen, weil sie es nie gelernt haben.

Von Lust und Liebe habe ich das Kapitel genannt, weil es, wenn es zusammenkommt am schönsten ist, genau wie der Sex am schönsten oder eigentlich nur welcher ist, wenn es beiden zusammen kommt. Das passiert nicht bei allen, viele machen sich ein Problem daraus, obwohl es eigentlich in der Natur des Menschen liegt, sich dabei aufeinander abzustimmen und es voller Gefühl und mit viel Lust, gemeinsam zu genießen.

Die ersten male fällt das der ganzen Aufregung wegen meist noch schwer, da habe ich auch immer nur cool getan und wusste eigentlich nicht so genau wie das funktioniert, ob Frauen auch kommen können, woran ich das merke und was zusammen Kommen überhaupt heißt.

So habe ich mich die ersten Jahre meiner Erfahrungen beim Sex eher in Frauen befriedigt als Sex mit ihnen gehabt, weil ich, trotz aller Aufklärung nie so genau wusste, wie der weibliche Körper funktioniert und ob und wie Frauen Befriedigung dabei finden können.

Auch dabei gibt es kein Patentrezept oder den einen Knopf, den du bei jeder nur drücken musst, damit sie kommen kann, sondern es ist immer anders, bei jeder Frau, Männer sind da meist relativ simpler gestrickt, aber auch da hängt bei sensiblen Typen, die zwar schwierig sind, aber manchmal andere Vorteile haben, sehr viel am Kopf und wie wir sagen Bauch dabei.

Weiß nicht, ob ich sensibel bin, habe das und das genaue Gegenteil von Frauen gehört je nach Situation und Zusammenhang, der, wie ich inzwischen verstanden habe, wichtiger ist, als die Tatsachen, die ihrem Urteil zu Grunde liegen. Während Männer gern nach den Grundsätzen des kategorischen Imperativs ein Prinzip suchen, das allen Fällen zugrunde liegt und mit denen es einfach funktioniert, auch beim Sex, entscheiden Frauen, nach meinem Gefühl eher ganzheitlich und so kann das für mich als Mann selbe Verhalten, was den gleichen Effekt technisch haben sollte, für eine Frau das genaue Gegenteil sein und so bilden sie ihre Urteile auch nicht für alle Fälle und aus schlichter männlicher Sicht zuverlässig, sondern ihrer Natur entsprechend je nach den Umständen. Darum verlasse ich mich da auf kein Urteil mehr dem Wortlaut nach, sondern betrachte es im Kontext der komplexen weiblichen Gedankenwelt, ohne Hoffnung zu haben, die je ganz begreifen zu können und überlasse also auch vieles dem Zufall und versuche dann in der Situation nachzubessern, was gegenseitiges Unverständnis schwierig wieder machte.

Habe das noch nie anders erlebt und gerade Frauen, die behaupteten, sie seien nicht weiblich und meinten genau, was sie sagten, reagierten um so stärker in diese Richtung, die mir nach meinem schlicht männlich logischen Denken völlig unverständlich war, um sich aber entschieden dagegen zu wehren, wenn ich es so sah und zu verstehen versuchte.

Vermutlich haben wir es manchmal einfach schwer miteinander und uns zu verstehen. Übrigens haben mir Frauen, die mit Frauen zusammen waren immer wieder erzählt diese Muster des Unverständnis zeigten sich auch bei gleichgeschlechtlichen Beziehungen genauso, als würden wir, um Sex zu haben, bestimmte Rollen natürlich einnehmen. Auch meine schwulen Freunde berichteten ähnliches, wenn auch die Verständigung zum Thema Sex unter Männern allein leichter sein soll, als wenn Frauen dabei sind oder diese auch unter sich.

Dies mag daran liegen, dass weibliches Denken eben sehr oft ungeheuer komplex ist und vernetzt denkt, während Männer, auch wenn sie über Sex nachdenken, primär linear und ergebnisorientiert denken. So würde ich ganz nüchtern feststellen, dass ich mit keiner meiner Verlobten je befriedigenden Sex hatte, sondern immer nur paarweises Onanieren stattfand, weil wir eben nicht zusammen konnten, was sicher auch Gründe in beiden hat und in ganz vielem an der Haltung dazu liegt. Bin mir aber völlig sicher, dass diese es ganz anders sehen würden, weil es ja nicht nur auf den gemeinsamen Orgasmus ankäme, Sex viel mehr sei als zusammen Kommen, was immer besonders die betonen, die es nicht kennen, ihnen Zärtlichkeit und Nähe viel wichtiger wäre, als die doch irgendwie primitive Lust und das eine Liebe doch nicht darauf reduziert werden kann.

Natürlich kann eine Liebe nie darauf reduziert werden, auch eine Beziehung nicht und ich achte sie alle drei als wunderbare Frauen um nichts weniger, wenn ich schlicht feststelle, beim Sex klappte es nicht so, wie es sollte und so gesehen war es frustrierend für diejenigen, die es anders kennen.

Eigentlich soll Sex beide zur Befriedigung führen und tut dies der Natur nach auch relativ gleichzeitig weil die Kontraktion der Muskeln dabei den jeweiligen Höhepunkt durch Stimulation der Nervenenden mit auslöst. Dachte lange, das sei natürlich und funktioniere von alleine, wie ich es bei den allermeisten meiner Frauen bis zu meinen 3 Verlobten auch kannte. Heute weiß ich, diese Erfahrung war außergewöhnlich und das Verhältnis ist eher umgekehrt. Die reale Abstimmung aufeinander dabei ist die Ausnahme für viele, weil sie sich nicht spüren und nicht gelernt haben, einander zu erfühlen und dann in gewohnten Mustern gerade im Trieb einfach hängen bleiben.

Als ich zum ersten mal las, mindestens 50% der Frauen kämen nicht beim Sex oder spielten ihren Männern nur etwas vor, konnte ich das nicht glauben. Warum sollten sie das tun, fragte ich mich, warum nicht neue Wege suchen, um natürlich zu genießen, bis ich es selbst erlebte und in der wachsenden Menge die Zahlen leider bestätigen musste, sie vermutlich sogar nach oben korrigieren würde. So ist gemeinsame und geteilte Lust für viele die Ausnahme und nicht die Regel.

Die ungeteilte Lust aber finde ich langweilig und entbehrlich. Kannst du machen, ist ok, kannst du aber genauso auch lassen und so betrachtet, wirkt das sexuelle Bemühen schnell in vielem eher lächerlich und wird für mich überflüssig, was zur Frustration führt, was ich immer nur sehr beschränkte Zeit ausgehalten habe.

Lässt sich das ändern oder ist die Natur einfach so, dass sie es manchen ganz natürlich schenkt und andere es einfach nicht haben?

Es muss keiner nicht genießen,  sondern es kann jeder Wege zur Lust finden, zumindest sofern die Hindernisse im Kopf überwunden werden, die den meisten dabei eher im Weg stehen, als die körperlichen Möglichkeiten. Manchen Männern ist relativ egal, was Frau dabei empfindet, ob sie kommt oder nicht, spüren sie nicht, sondern befriedigen sich einfach selbst mit Frau dabei. Andere, wie der Autor selbst, sind da eher behindert und können es nur gemeinsam genießen, finden alles übrige eher entbehrlich.

Auch darum war ich schon immer, wenn auch teilweise sehr erfolglos, auf der Suche nach Wegen zur gemeinsamen Befriedigung. Insofern fand ich auch immer interessant, was die Forschung dazu veröffentlichte.

Dazu gibt es auch eine schöne historische Geschichte. Als die Geliebte von Ludwig XV. irgendwann feststellte, dass ihr beim unehelichen Beischlaf etwas entging, was für andere Frauen ganz natürlich schien, begann sie zu forschen, ob das nur ihr Problem war und woran es liegen könnte.

Sie ließ dazu Bäuerinnen im ganzen Land untersuchen und stellte die These auf, ob Frau beim Beischlaf zum Höhepunkt kommen könnte, läge daran, wie groß der Abstand von Klitoris und Scheideneingang wäre. Dazu führte sie eine Untersuchung durch, die aber außer dem statistischen Wert keine neurologischen Gründe benennen konnte und so wurde diese Untersuchung bald als verrückte Idee wieder vergessen.

Heute nun, scheinen überraschenderweise die neuesten Forschungen, diese bloß statistische These medizinisch zu bestätigen.

Ein Team von italienischen Neurologen hat herausgefunden, dass der weibliche Höhepunkt immer klitoral sei. Sofort ging ein Aufschrei durch die Welt auch der Frauen, die es anders empfanden und sich auf den in den 70ern im Rahmen der sexuellen Befreiung entdeckten G-Punkt beriefen.

Für diesen angeblichen Punkt, gab es jedoch, ähnlich wie für die These der Liebhaberin keinen neurologischen Beleg. Dagegen haben die Forscher aus Italien einen klaren neurologischen Nachweis erbracht, dass der weibliche Höhepunkt immer durch den nervus pudendus ausgelöst wird.

Dieser verläuft von der Klitoris zur Wirbelsäule und von da mit vielen anderen bis ins Hirn, wo die Erregung umgesetzt wird.

Was früher G-Punkt genannt wurde ist nach diesen Erkenntnissen nur die Stelle, wo bei manchen Frauen der nervus pudendus an die Scheidenwand stößt und so von innen stimuliert werden kann.

Bei anderen eben nicht, warum sie beim gewöhnlichen Verkehr nichts empfinden können und dafür nach anderen Wegen suchen sollten, um gemeinsam zu genießen. Manche haben dann überraschenderweise doch die Erfahrung mit sehr prächtig ausgestatteten Männern oder in für sie besser geeigneten Stellungen, andere machen sich darüber weniger Gedanken.

Es gibt vielfältige Wege zum Glück und wir sollten uns nicht auf einen versteifen, wenn es eben nicht einfach natürlich klappt, was nicht selbstverständlich ist, gilt es neue zu suchen und dabei entspannt und offen miteinander umzugehen.

Überhaupt scheint es beim Sex am wichtigsten, was auch passiert, alles entspannt und auf den Genuss gerichtet zu betrachten. Nichts muss und alles kann, erlaubt ist, wie es der Marquis, schon oben zitiert, sagte, was gefällt.

Für wichtig halte ich dabei jedoch, offen zu sein für das große gemeinsame Glück und wenn es auf dem einen Weg nicht klappt, sollten wir entspannt miteinander andere suchen.

So erging es mir einmal bei einer Geliebten aus Äthiopien, die als junges Mädchen Klitorektomie erlitt, bevor sie entdeckt wurde und als Modell für ein großes Pariser Haus lief. Sie lebte mit zwei Kolleginnen zusammen mit deren einer ich vor einer gefühlten Ewigkeit eine irgendwie Liaison hatte, nachdem ich eine Freundin von ihr im Krankenhaus leider zu Tode hatte pflegen müssen.

Damals war die Suche nach geteilter Lust erfolgreich, sie fühlte zum ersten mal im Leben etwas dabei. Dachte nun, wenn es sogar so noch gehen kann, ohne Klitoris, müsste es doch eigentlich immer gehen, was ja eine gewisse Logik für sich hatte.

Doch wie so häufig im Verhältnis von Männern und Frauen ging die männliche Logik kilometerweit an der weiblichen Realität vorbei.

Noch immer zögere ich, darüber zu schreiben, weil ich doch als Mann immer eine männlich logische Perspektive darauf habe, die vermutlich das weibliche Gefühl dazu nicht erfasst.

Glaube, Frau legt meist mehr Wert auf das komplexe Ganze als auf die schlichte Logik der Natur, wie sie dem beschränkteren männlichen Verstand erscheint. Dabei spielt alles eine Rolle für Frau und noch mehr als das, zum berechenbaren kommt zusätzlich noch der unberechenbare Teil des Gefühls, in dem Frau es schafft, was Mann in der Chaostheorie nur mühsam umschreibt, als unbegreiflichen Grund ihrer Lust zu definieren.

In Anbetracht der Komplexität all dieser Dinge, die meinen bescheidenen Verstand bei weitem übersteigt, kapituliere ich meist schnell und gebe mich dem Trieb hin, so weit Frau mich lässt. Das Denken stößt dabei meist ohnehin auf relativ überschaubare Grenzen. Sich der Natur anvertrauen, aber um diese und ihre Wege wissen, scheint mir der beste Weg, um beim Sex glücklich zu werden und um nichts anderes geht es wohl im Leben, denke ich, aber, was weiß ich schon?
jens tuengerthal 25.12.2016

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