003c Wann bleibe ich glücklich
Glück gibt es als dauerhaften Genuss und als kurzzeitigen Höhepunkt. An Höhepunkte haben wir eine Erinnerung, mehr bleibt selten davon. Der dauerhafte Genuss dagegen kommt, um zu bleiben.
Vielleicht ließe sich der Zustand frisch verliebt und völlig kopflos mit dem Gefühl in einer alten Ehe vergleichen, wo diese von den Beteiligten noch als Glück und nicht nur als Pflicht empfunden wird. Es gibt dann selten nur noch den ganz aufregenden Sex und die wilde Euphorie, beide kennen sich und haben sich aneinander gewöhnt, wissen aber auch genau das zu schätzen.
Etwas wertschätzen können, ist der Schlüssel zum dauerhaften Glück, denke ich, sowohl in so kompliziert komplexen Dingen wie einer Partnerschaft, als auch in nahezu allen Fragen des glücklichen Lebens. So ist es bei der Dauer wie beim Weg zum Glück, es kommt auf unsere Haltung zum Glück an.
Glücklich bleibt eher, wessen Glück nicht nur an einer Sache hängt, sondern wer sich an viel erfreuen kann. Die Sache kann auch eine Person oder ein Zustand sein. Bei Personen kann die Vielfalt des Glücks manchmal zu Schwierigkeiten führen, weil einige es nur für sich haben wollen und für unteilbar halten. Besonders in Fragen der Liebe und des Sex ist diese Sicht relativ weit verbreitet, ohne damit logisch richtiger zu werden oder mehr Glück zu bringen.
Im Leistungssport sind solche beliebt, die all ihre Kraft auf den einen Sieg setzen, wie etwa der mal wieder Weltfußballer Ronaldo, der enttäuscht ist, wenn er nicht der schönste und beste der Welt ist und der seine Eitelkeit mit großer Geste pflegt, was die einen lästern lässt, während die anderen ins Schwärmen geraten. So sehen wir es auch in der Formel 1, warum einer, der gehen kann, wenn er ganz oben steht, wie es Rosberg tat, um so mehr Bewunderung verdient, weil Leben und Glück eben mehr ist, als ein Auto möglichst schnell im Kreis zu fahren.
Die Bayern sind Deutschlands beliebteste und meistgehasste Mannschaft, weil sie die meisten Titel gewinnen, bis auf wenige Ausnahmen, das beste Team haben und am reichsten sind. Hier verbindet sich die Euphorie des Glücks über den Sieg im Sport mit einem relativ dauerhaften Glück. So müssen sich Bayernfans seltener über Niederlagen ärgern, erleben aber auch nicht die emotionale Aufregung der Fans von Werder, HSV oder BVB, die zwischen Untergang und großen Siegen oder gerade noch gerettet schwanken. Die Bayern sind für Fußballfans eine relativ sichere Bank. Wie jemand, der auf Bundesanleihen als Wertpapier setzt, weniger spekulieren möchte, als die Kontinuität liebt.
Viele die heiraten, tun dies in der Hoffnung auf dauerhaftes Glück. Ob diese Hoffnung sich je erfüllen kann oder die Ehe schon von ihrer Natur her dagegen spricht, braucht hier nicht, diskutiert zu werden. Es gibt welche, die, aus welchen Gründen auch immer, in der Ehe dauerhaftes Glück finden und viele verfolgen diese Absicht bei der Eheschließung.
Vermutlich sind die glücklichsten Ehen jene mit der geringsten Erwartung aneinander, an das eheliche Glück und das eigene darin. Dagegen sprechen viele, deren Ehen scheiterten von den enttäuschten Erwartungen, die sich nicht miteinander erfüllten. Vertrete seit längerem die Überzeugung, dass Erwartungen immer der Tod der Liebe sind und frage mich gerade, ob sich dies hier bestätigt oder die Liebe immer auch eine Erwartung hat in der Hoffnung auf Erfüllung und von daher was teilweise nicht stimmte, eigentlich gar nicht stimmt.
Voller Erwartungen in die Liebe gehen, kann nur zu Enttäuschungen führen und alle Erfahrung bestätigt das, da kein Mensch die Erwartungen eines anderen, die nur in seinem Kopf sind, erfüllen kann. Wer sich ein bestimmtes Bild von einem anderen macht, wird dies nie erfüllt finden, sondern immer entweder positiv überrascht oder eher häufiger enttäuscht werden. Je höher die Erwartung, desto wahrscheinlicher ist auch die Enttäuschung und je geringer, umso eher kann sie positiv übertroffen werden.
So werden alle, die weitgehend ohne Absicht oder Erwartung in die Liebe gehen, viel höhere Chancen haben, darin ihr Glück zu finden, als jene, die ein festes Ziel dabei verfolgen. Genauso ging es mir bisher immer, wenn ich ohne jede Absicht im Café saß, war die Wahrscheinlichkeit am höchsten, dort eine Frau kennenzulernen. Wenn ich dagegen mit dem Wunsch jemanden kennenzulernen irgendwohin ging, mir die Bedürftigkeit schon aus den Augen tropfte, konnte ich sicher sein, nie jemanden zufällig kennenzulernen.
Beim Onlinedating, bei dem sich die Suchenden zuvor schon virtuell auf Interesse abtasteten, wäre es nach der Natur vermutlich genauso, doch sind vermutlich beide eigentlich so beschämt, dass sie sich nur darüber treffen konnten, dass sie eine Art Solidargemeinschaft bilden, welche dann doch wieder eine Annäherung trotz Absicht dazu ermöglicht.
Nicht scheint abschreckender in Liebe und Lust als diejenigen, die was wollen, denen nur ausnahmsweise Gnade gewährt wird, wenn das gegenseitige Bedürfnis eine Gemeinschaft aus eigentlich Scham bildet. Daraus sind die ungeschriebenen Regeln vieler Frauen beim Onlinedating entstanden, nie mit einem Mann beim ersten mal ins Bett zu gehen, was noch den Anschein anderer Absichten aufrecht erhält und scheinbar den eigenen Wert erhöht.
Nach meiner bescheidenen Erfahrung jedoch, hat warten nie gelohnt, auch wenn ich es zu oft tat, weill, wenn es passt, das Bedürfnis natürlich da sein sollte und wo nicht, weitere Versuche ohnehin entbehrlich sind. Eine Frau, die keine eigene Lust hat, sondern nur konformen Spielregeln gehorcht, lässt auch beim 10. mal nicht mehr erwarten und wird kaum je voller Leidenschaft über sich hinaus wachsen. Warten ist also eigentlich entbehrlich beim Onlinedating. Wer es will, will etwas anderes und spielt lieber als der Natur zu folgen, die er für sich vermutlich kaum mit echter Leidenschaft kennt, warum die Ersatzformeln so willig befolgt werden.
Wie oft habe ich inzwischen diese ein wenig peinlichen Paare beobachtet, die sich in netter Konversation versuchen und nichts ist leichter, als mit einer Frau zu flirten, die sich online datete und sich aber wie so viele eigentlich dafür ein wenig schämt. Habe es nur wenige male getan und dabei festgestellt, es gibt schon Gründe, warum manche sich lieber virtuell vorstellen - jedoch fällt die sonst formelle Hemmschwelle beim realen Kennenlernen einfach weg, dann gibt es keine Verabredung der Frauen nie beim ersten mal mehr, sondern die gleiche Frau, die ihr online Date tagelang warten lässt, verschwindet mit den zufälligen Typen aus der Bar noch in der ersten Nacht zueinander und plauscht mit anderen Frauen dann darüber, was es bei dem oder dem zum Frühstück gibt. Der Genießer schweigt lieber.
Wer also den schnellen Kick und das kurze Glück sucht, schmeißt sich am besten an einen Teil eines Online-Dates heran, was nicht ganz fair eigentlich ist, aber wo ist die Natur schon gerecht und wer es tut, muss mit der Realität wieder leben lernen, gut, wenn es so schnell geht. Es siegt in der Natur ganz natürlich derjenige, der seine Vorteile nutzt und auslebt. Das Spiel nennen wir sonst Evolution, die ja auch beim Geschlechtsakt eine gewisse Rolle spielt.
Das Spiel der Verzögerung ist bei vielen, eigentlich nahezu allen Frauen zu beobachten und Männer mögen es scheinbar auch. Eine, die sich schnell hingibt und uns sagt, was sie will, bevor wir uns darum überhaupt mit Erobererabsicht bemüht haben, schreckt uns ab. Zum einen weil Männer eben auch von der Evolution simpel gestrickte Tiere sind, die einfach nach Schema funktionieren, besonders, wenn der Trieb auch im Spiel ist, zum anderen weil jeder Markt nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage funktioniert.
Was breitbeinig vor uns liegt und darum winselt, ist keine Eroberung mehr. Die sich wehren, können so hässlich sein wie die Nacht, wenn sie sich nur geschickt zieren, werden sie durch die bloße Show zum reizvollen Ziel nahezu aller Männer. Es geht also nicht um ästhetische Maßstäbe dabei, auch nur scheinbar um Gefühl, was zur Realisierung logisch dauert, so wenig wie hehre ethische Maßstäbe dabei noch griffen, sondern schlicht um evolutionäres Marketing.
Aber jenseits der schlichten Begattung und dem Balzverhalten, mit dem sich mehr oder weniger erwachsene Zweibeiner immer begegnen, fragt sich, ob es auch beim Glück und der Frage seiner Dauer dies dialektische Element gibt.
Wer allein ist, träumt stets von der Zweisamkeit
Die in der Ehe leiden, wünschten mehr Einsamkeit
Können wir das eingetretene Glück wirklich schätzen oder braucht es immer mehr der Sehnsucht nach diesem, um es reizvoll und erstrebenswert zu halten?
Wenn Glück wirklich dialektisch ist, inwieweit kann es dann, seiner Natur nach von Dauer sein?
Was immer auch den Gegensatz braucht, um sich gewürdigt zu fühlen, bleibt auf Dauer nur bei hohem Seegang.
Im Gegensatz dazu steht, was Lukrez als Glück mit einem Brot, einem Käse und etwas Wasser und Wein beschreibt. Dabei geht es um die Freude am bescheidenen Glück, das auf Dauer ohne große Bewegung, kommt um zu bleiben.
Was wer sucht, scheint je nach Typ unterschiedlich. Dies aber auch nicht absolut sondern meist in irgendwie Mischformen. Der eine braucht in einer Beziehung die ständige Spannung und das auf und ab, um sein Glück zu spüren. Andere, wie ich zum Beispiel haben es da lieber ruhiger und suchen die Abwechslung lieber geistig. Manchmal ziehen sich auch Gegensätze an, meist aber ist es schwierig, solche auf Dauer zu vereinbaren.
Aber so wenig es dafür eine Regel gibt, so sehr hilft uns die Natur dabei, wenn wir bei uns bleiben. Mit sich dabei in Harmonie zu sein, hilft, glücklich zu bleiben. Wer dauerhaftes Glück erstrebt, ist gut beraten, sich darüber klar zu werden.
Wie wir am ehesten auf Dauer glücklich bleiben, hängt also davon ab, ob uns in dieser Frage eher die Abwechslung oder die Ruhe und Kontinuität liegt. Wobei Kontinuität auch im ständigen Wechsel liegen kann. Ob bei denen, die stets Wechsel brauchen, Glück von Dauer sein kann, weil sie immer die Wogen des Gegenteils brauchen, um ihr Glück spüren zu können, in der schlichten Ruhe nichts spüren.
Dabei seiner natürlichen Lust zu folgen, würden die Epikuräer empfehlen, auch wenn sowohl Lukrez wie der Meister Epikur sich für das kleine Glück als großes aus der ruhigen Haltung zu den Dingen aussprächen. Genau das läge auch mir eher, als sich in die Wogen zu stürzen mit dann meist ungewissem Ausgang.
Ein Brot und ein Käse, ein wenig Wasser und Wein mit einem Garten voller Freunde, was braucht es mehr zum Glück? Auch wenn ehrlich gesagt eine gut bestückte Bibliothek für mich jeden Garten ersetzt.
Vielleicht ist es so, wie Cicero einst sagte, wenn du einen Garten hast und dazu eine Bibliothek, wird es dir an nichts fehlen. Auch wenn der eher gläubige Cicero mit Lukrez, der sein Zeitgenosse war, nicht immer einer Meinung war, könnte er doch der Herausgeber seiner Schriften gewesen sein, insbesondere des de rerum natura, Von den Dingen der Natur, was schon für eine vielleicht nicht öffentlich gemachte Nähe der beiden spricht, wie sie in diesem Zitat anklingt - warum sonst sollte Lukrez einem Gegner die Herausgabe seiner Schriften anvertrauen?
Den Garten überlasse ich gerne denen, die es lieben mit den Händen im Grünen zu wühlen und bin ansonsten mit meiner Bibliothek vollkommen zufrieden. Das Leben ist schön, wenn wir es genießen wollen. Es zu tun, würdigt, was ist, nur angemessen.
jens tuengerthal 21.12.2016
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