002b Warum es keine Seele gibt
Gibt es wirklich keine Seele oder sag ich das nur so?
Wiki meint dazu, dass der “Ausdruck Seele vielfältige Bedeutungen hat, je nach den unterschiedlichen mythischen, religiösen, philosophischen oder psychologischen Traditionen und Lehren, in denen er vorkommt. Im heutigen Sprachgebrauch ist oft die Gesamtheit aller Gefühlsregungen und geistigen Vorgänge beim Menschen gemeint. In diesem Sinne ist „Seele“ weitgehend mit dem Begriff Psyche (altgriechisch ψυχή, psychḗ) synonym. „Seele“ kann aber auch ein Prinzip bezeichnen, von dem angenommen wird, dass es diesen Regungen und Vorgängen zugrunde liegt, sie ordnet und auch körperliche Vorgänge herbeiführt oder beeinflusst.”
Für sehr viele Menschen gibt es selbstverständlich eine Seele und wenn ich nicht sagen will, die lögen alle, muss ich wohl erstmal sagen, warum ich meine, es gibt sie nicht, was es aber dann doch gibt und worum es dabei geht.
Die Existenz einer Psyche als Teil unseres Gehirns würde ich nie bezweifeln und das verstehen viele unter dem, was sie Seele nennen, so gesehen gäbe es eine und es wäre einfach nur der Ausdruck für das, was in unserem Hirn im Zusammenspiel mit allen Funktionen unseres Körpers abläuft. Dagegen gibt es nichts zu sagen und keine Gründe, so etwas als existent zu bezweifeln. Dennoch existierte es nicht sondern wäre nur ein Sammelbegriff für die komplexen Ursachen der Reaktionen im Gehirn, seien sie neuronal oder hormonell oder was auch immer, was wir vielleicht noch nicht wissen.
Aber, Seele ist auch ein Ausdruck der Religionen und aus dem Glauben erst ist er in die Sprache auch des Alltags übergegangen. Im Aberglauben aber, worunter ich alle Religionen und jeden Glauben an etwas außer der Natur zusammenfasse, ist die Seele etwas eigenes, existiert unabhängig von unserer Natur. Was das sein soll und woher es kommt, ist eine Frage des Glaubens und was so Seele genannt wird, hat keinen Ort in unserem Körper, muss einfach geglaubt werden.
Warum etwas außer unserem Körper sein sollte, bleibt dabei unklar und darüber regte sich schon Lukrez auf, der in seinem wunderbaren Buch Von den Dingen der Natur, von dem wir es ja schon hatten, der Seele und ihrer natürlichen Sterblichkeit ein ganzes großes Kapitel widmet. Er erklärt darin mit sehr logischen Gründen, warum natürlich nichts außerhalb unseres Körpers existieren kann und dieser so endlich ist wie alles von uns.
Die Furcht vor dem Tod hat die Menschen schon so lange wir es zurückverfolgen können, dazu gebracht, sich über ein Leben nach dem Tod Gedanken zu machen und was aus uns danach wird oder ob wir schon waren, bevor wir rein biologisch gezeugt wurden durch die Vereinigung von Eizelle und Samenzelle, wie das eben so funktioniert mit dem Kindermachen.
Viele Menschen glauben an ein Leben danach, wo immer sie das auch hin verlegen, Himmel oder Hölle, Wiedergeburt oder als Ziel das Nichts. Wenn sie das glauben, sind sie meist der Überzeugung, ihre Seele lebe weiter, nur ihr Körper wäre halt irgendwann verbraucht und würde dann sterben.
Ist dieser Gedanke tröstlich oder eher schrecklich?
Gläubige Menschen finden in ihrem Leid eine Erlösung, wenn sie auf ein besseres Leben nach dem Tod hoffen, dass sie für all ihre Leiden hier entschädigt. Für sie ist der Gedanke an die unsterbliche Seele, die Erlösung findet, tröstlich.
Trotzdem fürchten diese Menschen den Tod wie die meisten, teils ob der bevorstehenden Prüfungen oder weil sie sich nicht sicher sind in ihrem Glauben. Eigentlich ist das ein Widerspruch in sich, den Tod zu fürchten, aber auf ein Himmelreich hoffen. Der Glaube gibt dann verschiedene Krücken die Angst, die er den Menschen vorher einredet, ihnen wieder zu nehmen.
Warum aber fürchten so viele den Tod?
Zur Unsicherheit, ob es das nur geaberglaubte Paradies oder doch die Hölle wirklich gibt, kommt scheinbar der menschliche Instinkt, leben zu wollen, weil es doch so schön sein könnte, wenn wir nicht so viel Angst hätten, auch vor dem Tod.
Lukrez, und da bin ich mal wieder ganz seiner Meinung, sagte, ich fürchte den Tod nicht, weil solange er da ist, dieser nicht da wäre und sobald der Tod käme, er nicht mehr da wäre. In seiner ganz auf den Menschen als Wesen in der Natur beschränkten Sicht heißt das, wie auch schon sein geistiges Vorbild Epikur es sagte, das Leben ist endlich und nach dem Tod kommt nichts. Es gibt keinen Grund etwas zu fürchten, wer nicht mehr ist, kennt keine Schmerzen, hat keine Sorgen, muss sich um nichts mehr Gedanken machen, weil er einfach nicht mehr da ist.
Unsterblichkeit gibt es für Lukrez nicht, im Gegenteil ist sterben können, auch darüber selbst entscheiden zu dürfen, für ihn Ausdruck der absoluten menschlichen Freiheit. Was damit auch für die zu seiner Zeit noch normalen Sklaven galt und jedes andere Wesen. Wer tot ist, ist nicht mehr und hat keinen Grund zu Sorge oder Furcht. Der Aberglaube an Unsterblichkeit ist für einen Epikuräer der Schritt in die Unfreiheit und damit zum Unglück, den zu betreten, es keinen vernünftigen Grund gibt.
Natürlich gibt es dann vielleicht welche, die ihn vermissen, was ihm aber auch keine Sorgen machen muss, da er ja nicht mehr ist und Trauer über das, was nicht mehr ist, scheint ihm absurd. Vielleicht könnten wir uns lieber an der Erinnerung freuen an das was war, statt uns zu grämen, weil es das Leben viel schöner noch machte, als unter Verlusten, die wir nicht ändern können, zu leiden.
Das ist vielleicht eine grundsätzliche Frage zur Haltung zum Leben überhaupt. Worum geht es uns und was ist uns wichtig dabei?
Für die Epikuräer war ziemlich klar, es geht nur um Lustgewinn im Leben, alles andere wäre Unsinn. Was also nach reiflicher Überlegung unser Glück unserem Wesen entsprechend vermehrt, ist für sie gut, was unschön ist und die Lust mindert eben nicht. Eine logische und einfache Sicht, die jeder für sich umsetzen kann und die viele Menschen glücklicher machte, als sie es mit ständigem Zweifel und ihrem Hadern, mit dem was ist, je werden können.
Menschen die nach Glück streben, werden alles tun, Unglück zu vermeiden und lieber bescheiden glücklich leben, als sich in Kriegen für ihr Land aufzuopfern. Auch darum hatte diese Sicht auf das Leben viele Gegner. Besonders der Kirche passte diese Sicht auf das nur weltliche Glück überhaupt nicht und sie taten alles, um die Epikuräer schlecht zu reden. Sie behaupteten im Garten des Epikur würden wilde Orgien gefeiert, es ging diesen Philosophen nur um die schnelle Lust und darum ignorierten sie die harten aber nötigen Prüfungen der Götter, wären völlig undiszipliniert und wendeten sich nur der Lust zu.
Weil ihnen diese Glücks- und Lustlehre so gefährlich vorkam, taten sie alles, sie tot zu schweigen, überschrieben, als sie die Macht hatten, alle Bücher mit ihren Lehren oder vernichteten sie und damit lange für das ganze Mittelalter auch die Erinnerung an Epikur und Lukrez und einige Kirchenlehrer, die sich dann doch noch zu Epikur und Lukrez äußerten, die im alten Rom sehr beliebt waren, verbreiteten bösartige Gerüchte über sie.
So wissen wir von Lukrez angeblichen Freitod nur von einem Kirchenlehrer, was darum wieder genauso infrage zu stellen ist, auch wenn es für Lukrez in Ordnung gewesen wäre, sich das Leben zu nehmen, wenn er keine schönere Perspektive mehr sähe. Der gleiche Kirchenlehrer erzählt dann auch noch Lukrez sei durch den Genuss eines Liebestrankes wahnsinnig geworden, hätte seine, wie auch der Kirchenmann zugeben musste, wunderschön geschriebenen Verse, nur in kurzen lichten Momenten verfasst. Insgesamt aber zeuge der ganze Text vom Wahnsinn des Lukrez und dem egozentrischen und nicht gottesfürchtigen Leben eines Epikuräers, der dafür sicher in der Hölle schmore.
Gottesfurcht, darin steckt sich fürchten und also Angst auch vor dem Allmächtigen, der auch geschafften wurde, um die Menschen diszipliniert zu halten und an die abgesegnete Ordnung zu binden. Es ist typisch für das Spiel nahezu aller Religionen mit der Angst als Drohung, um das gewünschte Verhalten der Gläubigen zu erreichen.
All dies funktioniert nur so lange wie die Menschen an die Existenz einer Seele glauben und sich für das Wohl ihrer Seele entsprechend der Regeln ihres Aberglaubens zur Ordnung rufen lassen. Es gibt dann durch die erdachte Seele eine Methode Menschen zu beherrschen und sie nicht länger frei nach ihrem Glück streben zu lassen, wie es ihrer Natur eben gerade entspräche, sondern den Regeln zu folgen, egal wie abstrus diese auch waren.
So ist der Glaube an eine Seele immer schon ein Mittel die Unfreiheit zu begründen und das Streben nach persönlichem Glück abzuwerten. Wer den Menschen aber als seiner Natur nach frei begreift, wie es auch unser Grundgesetz ja tut, muss ein solches Streben absurd finden. Warum sollte sich Mensch so etwas unterwerfen, was wäre der Gewinn davon?
Die versprochene aber nur für Wohlverhalten eventuell gewährte Erlösung ist ein bloß mögliches Vergnügen im Jenseits, dass es nach aller Vernunft nicht geben kann, weil nach dem Tod nichts mehr ist, keiner je zurückkehrte und das Gegenteil beweisen könnte.
Für diejenigen, die im Leben glücklich sind, könnte es aber leichter sein, sich vom Glauben und der mit ihm verbundenen Angst zu lösen, als für jene, denen es schlecht ergeht und die an Krankheiten leiden, im Aberglauben Trost und Erlösung finden.
Warum ein erfundenes Himmelreich aber mehr Trost spenden sollte als ein reales Nichts, ohne Sorgen oder Schmerzen, wird daraus nicht klar.
Die über die Epikuräer als reine Lustmenschen verbreiteten Gerüchte lagen zum einen an ihrer nur der Lust als Realisierung des Glücks zugewandten Philosophie, die keine Götter fürchtete, also auch keine höhere Strafe, zum anderen daran, dass sie die erste und einzige philosophische Schule der Antike waren, die Frauen in ihren Kreis zuließen und so reagierten die anderen Männerrunden eben auch eifersüchtig und mit Spott, weil es diejenigen, die sich ganz natürlich für Gleichheit einsetzten, schon immer schwerer hatten, als diejenigen, die sich mit den absurdesten Argumenten dagegen postieren.
Auch im heutigen Europa merken wir das gerade, am Zulauf den Islamkritiker und Populisten haben, die von der Hetze über andere leben. Einfache dumme Vorurteile werden unbewiesen geglaubt und komplexe Erklärungen einer schwierigen Situation werden als nur Vertuschung und Geschwätz gerne mit dem Wort Lügenpresse von Menschen abgetan, die vermutlich Schwierigkeiten hätten, den Begriff der Freiheit zu erklären.
Eine nur geglaubte Sache als Maßstab zur Beurteilung des Wohlverhaltens von Menschen klingt absurd, weil es ja nicht um Tatsachen geht. Dennoch sind Gebete für das Seelenheil eines Verstorbenen bei uns noch etwas völlig normales, als sei es nicht nur alberner Aberglaube, der bloß der Beschäftigung und Ablenkung der Trauernden dient, die sonst vielleicht erkennen könnten, wie wenig schlimm alles wäre, wenn sie das Nichts als Folge des Todes annähmen und die erfundene Seele als abstrus leugneten.
Was die Seele heute genau ist, wird sicher eine Definitionsfrage sein. Mit der von Psychologie und Medizin verwendeten Form zur Bezeichnung komplexer geistiger Vorgänge könnte ich vielleicht noch konform gehen, wäre da nicht die gleichzeitige Verwendung dieses Wortes im religiösen Zusammenhang. Doch auch in der Psychologie und Medizin frage ich mich, warum sie einen belegten Begriff nutzen um ein vielfältiges Phänomen zu einfach zu benennen.
Die Neurologie arbeitet sich gerade an das weite Feld heran, wie das Gehirn funktioniert und welche biochemischen und elektrischen Reaktionen bei bestimmten Gedanken ablaufen, durch was die Gedanken stimuliert werden können, in welche Richtung auch immer. Viele dieser Erkenntnisse der Hirnforschung fließen auch in die Werbung, die ein ganz natürliches Interesse daran hat, ihre Adressaten in eine bestimmte Richtung zu manipulieren. Ob und wie wir solche Manipulation bewerten, hängt von unserer Sicht auf die Freiheit des Menschen ab. Das fängt mit dem Schönsprech an, der auch NLP oder Neuro Linguale Programmierung genannt wird und endet noch lange nicht mit der Berieselung mit schönen Klängen beim Einkaufen.
Auch der Kult um Marken und Produkte ist so ein Ding, dass mit unserer Funktionalität am Markt zusammenhängt und inwieweit wir manipulierbar sind. Zwar lernen wir, gibt es auch immer gute Gründe uns für dieses oder jenes Objekt zu entscheiden, aber ich frage mich bei vielen Teenagern, auch in Erinnerung an meine Zeit, wie frei sind wir wirklich noch im Urteil, warum machen uns bestimmte Dinge an und sind andere ein totales no go?
Wenn wir also von geschickten Marketingstrategen manipulierbar sind und der Bundesverband Marketing ist nicht umsonst der reichste Lobbyverband in Berlin, fragt sich doch, wie frei sind wir wirklich und welche Rolle spielt dabei die sogenannte Seele?
Hilft sie uns den Prozess sozialer Anpassung zu ertragen, auch wenn dieser vielleicht gegen unsere Natur geht oder spielt sie dabei gar keine Rolle?
Warum die religiöse Variante von Seele nur der Anpassung und Konformität dient, auch wenn es je nach Sekte da auch Varianten und Ausnahmen gibt, die gern alles ins Gegenteil verkehren, wurde schon ausreichend oben erläutert. Diese Form der Seele hilft sicher bei der konformen Anpassung und sicher weniger beim individuellen Glücksstreben, dem sie immer wieder Hindernisse in den Weg legt, zu denen auch die teilweise Tabuisierung und genaue Regulierung des Sex gehört.
Aber auch die nichtreligiöse medizinisch-psychologische Variante von Seele ist eigentlich nur ein gutes Instrument der Anpassung, insofern sie alles nicht konforme Verhalte als krank einstuft und wer will schon krank sein. Sicher gibt es psychische Krankheiten, die den Betroffenen das Leben schwer machen und unter denen sie leiden. Sich dabei aber häufiger zu fragen, ob dieses Leiden mehr am sozialen Anpassungsdruck liegt, könnte den Horizont erweitern und manche Krankheit infrage stellen, vor allem, was am Ende entscheidend sein sollte, viele Menschen glücklicher machen.
Als Epikur gefragt wurde, was es zum Glück bräuchte, was er sich wünsche, war seine Antwort, ein Brot und einen Käse, ein Schluck Wasser oder vielleicht Wein, mehr bräuchte es nicht.
Geht alles Glück durch den Magen und reduziert das nicht unser Komplexes Sein auf nur tierische Bedürfnisse?
Wichtig ist dieser Ausspruch vor allem zum Verständnis der Bescheidenheit der Epikuräer bei ihrem Streben nach Lust und Glück. Es geht nicht um totale Exzesse sondern eine ruhige Bescheidenheit, die mit dem zufrieden sein lässt, was möglich ist, statt sich irreal hohe Ziele zu stecken, die niemanden real glücklich machen.
Wessen Seele nach Höherem strebt, dem wird das kleine irdische Glück der Zufriedenheit im bescheidenen Rahmen, nie genügen können, es wartet ja noch das Himmelreich als Erfüllung aller Träume, auch wenn die für uns logisch nie anders als irdisch sein können, was uns ja nach Verlust des Körpers als seelische Existenz nicht mehr existieren dürfte, wären die Lehren des Aberglauben auch nur irgendwie konsistent.
Das absurde Ziel der vielen Jungfrauen für Märtyrer, die ihr Leben der Religion opfern, was immer daran toll sein soll, wo es doch Erfüllung immer nur mit Konzentration im Einzelfall gibt, ist so ein zutiefst körperlich irdisches, was uns die ganze Absurdität des Aberglaubens gut vor Augen führt, weil wir momentan fast täglich von neuen Märtyrern hören müssen, die sich und am besten noch viele andere mit, in den Tod schicken. Es ähnelt aber allen anderen Zielen im Jenseits immer, ist nur so schön deutlich in seiner Absurdität. So beten auch die katholischen Christen noch zu ihren Märtyrern, die etwas besonders ehrenvolles taten, als sie ihr Leben für die Religion opferten.
Nur wer hofft, es gäbe mehr als die Natur und sein Sein hier, wird sich für solchen Unsinn manipulieren lassen. Auch wenn wir alle ständig irgendwie von irgendwem manipuliert werden sollen - von rührenden Bettelbriefen über die Werbung zu den berühmten Blut und Boden Reden der Politik - stellt sich die Frage, ob es uns besser geht, wenn wir noch etwas dazu erfinden, was diese Manipulation systematisch leichter macht und vor allem, was der Gewinn davon für uns ist.
Es lässt sich nicht feststellen, wie die Erfindung der religiösen Seele die Welt oder die Menschen auf ihr verbessert hätte. Dennoch findet sich solches und ähnliches, vom Ahnenkult bis zur Magie in allen Kulturen. Liegt das daran weil solches der Herrschaft nur willige Untertanen schuf, die sich im Glauben freiwillig unterwarfen?
Wird etwas gut, weil alle es tun?
Warum begehren so wenige gegen solch absurden Unsinn dann auf, wenn es uns doch nichts nützt und uns nicht glücklicher macht?
Die Disziplin im Unsinn liegt auch an der den allwissenden Wesen innewohnenden Allmacht, gegen die wir wenig unternehmen können, als uns willig zu unterwerfen und den Regeln zu gehorchen oder zu beichten, wo wir sündigten. Betrachten wir die geistliche Ordnung nach weltlich rationalen Gesichtspunkten, muss es uns noch absurder vorkommen. Ein Staat der solches fordert ist für uns ein Unrechtsstaat, mit dem wir nichts zu tun haben wollen, außer er verspricht gute Geschäfte wie in Saudi Arabien, das durch sein Öl reich wurde und naiv im mittelalterlichen Glauben bleiben konnte.
Warum die Muslime ihrem Aberglauben weltweit noch folgen ist mir vernünftigerweise genauso ein Rätsel wie katholische Pilgerfahrten und ähnlicher weit verbreiteter Unsinn. Es spielt die Hoffnung auf ein Jenseits und die Angst vor Strafen dabei eine große Rolle und die Bindung an eine Tradition, die stärker ist als der Einzelne in seinem Drang nach Glück, in die sie hineingeboren werden und die sie nicht verändern wollen und können, weil sie auch ihre Heimat ist.
Wie in arabischen Ländern die muslimischen Fundamentalisten sind auch in den USA die christlichen Fundis relativ stark und dürfen trotz ihrer teils absurden politischen und sonstigen Sichten öffentlich mitreden und das Geschehen in einer Demokratie mitbestimmen. Es werden in einem Land, dessen Gründerväter bei der Boston Tea Party liberale Freidenker größtenteils waren, deren Verfassung von Verehrern des Lukrez im Geist des Atheismus geschrieben wurde, öffentliche Segenswünsche gesprochen und Gottes eigenes Land ist dort mehr als nur eine dumme Floskel. Die Amis glauben zu noch relativ großen Teilen immer noch und stehen darin fest verwurzelt, auch wenn das epikuräische persönliche Glücksstreben bei ihnen obersten Verfassungsrang hat, leugnen sie dessen Wurzeln und deuten es protestantisch puritanisch um, statt die laizistische Freiheit, laut zu verteidigen. Unter dem geistig besonders schwachen Präsidenten Bush jr. zogen sie in einen Heiligen Krieg, den er noch dazu Kreuzzug nannte, um als trockener Alki Gottes Segen für seine Blitzkriege zu erflehen, die dann doch bis heute kein Ende fanden.
Für die meisten Amerikaner hat der Mensch natürlich eine Seele, die auf das Himmelreich wartet, auch wenn es dort zumindest eine laute Gruppe freiheitlicher Atheisten gibt, die Macht im Land haben meist andere und die moralische amerikanische Zensur zog über Facebook auch wieder in Europa ein. Diese Bigotterie, die nackte weibliche Brüste öffentlich verbietet, Schamhaar zum Schutz der Kinder zensiert und Sexualität tabuisiert, bei gleichzeitig öffentlichen Hinrichtungen und der größten Pornoindustrie der Welt ist genau das Gegenteil der Freiheit, die von den Vätern der Verfassung vorgesehen war und wie sie die Verehrer des Lukrez noch niederschrieben.
Ob sie freier wieder würden, wenn sie den albernen Aberglauben endlich ablegten, den Mensch nähmen, wie er seiner Natur nach ist, weiß ich nicht, zumindest böte eine epikuräische Weltsicht eine Chance für eine friedlichere Welt als dieser Segensmentalismus einer Supermacht um ihre Dollarheiligen, die gerade ihren wirklichen Papst zum Präsidenten wählten und damit genau das bekommen, was sie aus Sicht des kritisch denkenden Europäers schon lange sind, ein unfreier Staat, der populistischen Forderungen gerne folgt, wie blöd sie auch sind, solange es dem neuen Heiligen gelingt, seine Gegnerin als Ausgeburt des Teufels darzustellen.
Aber hier soll es ja nicht um Politik sondern um die Seele gehen und die Fragen, die sich dazu stellen, nur zum Verständnis der durch ständigen TV-Konsum aufgeklärten amerikanischen Seele, was immer das nun ist, konnte der Ausflug helfen, der wieder zu den Wurzeln führt, der Frage von der Sterblichkeit der Seele oder ihrer besser Nichtexistenz aus Gründen der Freiheit. Doch zeigte der Ausflug wie präsent der Aberglaube auch in einem eigentlich aufgeklärten Staat ist, der von radikalen Aufklärern gegründet wurde und von denen einige auch im berühmten Salon des Baron d’Holbach verkehrten mit den Enzyklopädisten, die zwar noch anonym aber doch deutlich und weit verbreitet erstmals nach Lukrez wieder den radikalen Atheismus dachten, der die Absurdität des Aberglaubens für die Ordnung der Gesellschaft hinterfragte.
Gerne führen die Verteidiger des Abendlandes die 10 Gebote an, die aus der jüdischen Tradition stammen, wie das christliche Weltbild, um gegen den bösen Islam und seine Grausamkeit zu wettern, ohne zu bedenken oder zu wissen, dass der Islam all diese Gebote auch kennt. Die Werte Europas aber, die es heute vom Morgenland unterscheidet, in denen vielfach noch knechtische Gottesherrschaft die Menschen unterdrückt, sind ein Produkt der Aufklärung und wurden mühsam im Kampf gegen die Kirche errungen. Von Menschen, welche die Existenz einer Seele leugneten, um dafür Menschlichkeit menschlich zu definieren, gutes Handeln aus dem nur menschlichen Gewissen zu begründen.
Auch Kant kannte und schätzte den Lukrez sehr. Er war zwar auch preußischer Hochschullehrer und lehnte sich darum nicht gegen die gottgewollte Obrigkeit direkt auf, doch sein kategorischer Imperativ ist immer noch der überall und jederzeit gültige Maßstab moralischen und also guten Handelns, der erstmals keinerlei Gott mehr braucht.
Gut handelt danach, wer stets so handelt, dass sein Handeln allgemeines Gesetz für jedermann sein könnte. Dies ist nur ein theoretischer Näherungswert, der in der Realität nie ganz erreichbar war. Aber wichtiger als die Strenge dieses Maßstabes sittlichen Handelns ist, dass er nur dem Gewissen unterworfen ist in dem Sinne wie Kant Aufklärung definiert. Hier braucht es keinen Gott mehr für moralisches Handeln sondern allein eine menschliche Entscheidung dafür.
Wir sind dafür verantwortlich, ob wir aufgeklärt handeln, also aus der, wie Kant es sagte, selbstverschuldeten Unmündigkeit befreit, die nichts als ihrem Gewissen verantwortlich ist, an dem jede Norm zu messen ist, ob ihr gefolgt werden soll oder nicht. Diese philosophische Feststellung ist die eigentliche Basis des Rechtsstaates, der aus heutiger Sicht im klaren Gegensatz zum Unrechtsstaat mit göttlichem Regime steht, weil es den einzelnen verantwortlich macht und nicht nur als bloßen Befehlsempfänger gehorsam, auch wenn das manche im politischen Spektrum nicht ganz verstanden haben.
Auch das Strafrecht ist so eine Gratwanderung, die auf dieser Gewissensfreiheit aufbaut, die Strafe erst möglich macht, weil sie den einzelnen für verantwortlich und also frei erklärt, andererseits eine Methode anwendet, die ethisch nichts bringt, faktisch nur ein kriminelles Umfeld meist schafft, das Gegenteil des kategorischen Imperativs institutionalisiert, also eigentlich Blödsinn ist, der nur aus der Hilflosigkeit geboren wurde, denn was sonst sollen wir noch tun, Gewalt und Kriminalität Herr zu werden?
Max Stirner, der seine Welt ohne alle Götter nur auf sich stellte, wird darauf anders geantwortet haben als sein Kommilitone Karl Marx, dessen dogmatische Lehre von der Diktatur des Proletariats zur neuen Religion wurde, nachdem Kant Gott zur Begründung der Moral vorher überflüssig machte. Der spätere Sozialismus und auch der abartige Nationalsozialismus als eine Mischform reaktionärer Sichten mit sozialistischen Träumen, der so viele Deutsche tief im Herzen leider ansprach, waren nur neue Religionen, auch wenn sie dies leugneten und bauten auf dem an eine Seele und die Macht über sie gewohnten Denken auf.
Warum die Seele sterblich ist, wenn es denn eine geben soll, hat Lukrez besser als alle begründet, schöner zumindest in seinen Versen, denn wie sollte etwas sein, was nicht stirbt, wenn es so wäre, könnte es nicht menschlich oder Teil der Natur sein, außer der aber real nichts ist.
Warum sie kein Gewinn ist für uns sondern nur mehr Unfreiheit bedeutet, wurde ausführlich begründet. Bleibt nur die Frage, was mit der wortgleichen Verwendung im Alltag auch in Medizin und Psychologie ist. In der Psychologie schätzt insbesondere auch die Psychoanalyse diesen Ausdruck, die mit ihrer Glaubenshypothese vom Unterbewusstsein aber auch nichts anderes als eine postreligiöse Glaubensgemeinschaft in manchem ist, warum eine kritische Sicht auch auf diese teilweise Wissenschaft angebracht wäre, die der Natur teilweise mehr unterstellt als sie an Erkenntnis sucht und durch die Normierung der Krankheit der Psyche auch zu mehr Unfreiheit führte. In der Medizin hat der Begriff aus dem Aberglauben auch nichts verloren und so sollte dieser Terminus vermutlich wie das Wort Neger künftig gestrichen werden, weil es nur für eine Epoche der Sklaverei und Unfreiheit steht, die mit demokratischen Grundsätzen schwer zu vereinbaren ist.
Die Seele mag für einige nichts schlimmes sein, für die meisten aber ist sie noch mit dem Aberglauben verbunden und sollte darum auch so verwendet werden, als ein Glaube, der kein reales Gegenstück hat, unfrei macht und darum besser hinterfragt würde, als gewohnheitsmäßig nachgeplappert.
Klar kann jeder Seele sagen und nutzen, wenn es ihm gefällt, in Süddeutschland gibt es solche sogar zu essen aber wer sein Tun reflektiert sollte diesen Ausdruck, der von den Religionen vergewaltigt, auf ewig für die Unfreiheit steht, nicht mehr benutzen, um der Freiheit willen und aus Respekt vor der Natur oder zumindest mal herzlich darüber lachen, was schon hilft die Angst vor dem Unsinn zu verlieren.
jens tuengerthal 15.12.2016
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