Mittwoch, 15. Juni 2016

Kulturgeschichten 0256

Strandkorbliebesgeschichte

Sag es lieber gleich vorweg damit sich
Keiner beschwert dem Chronisten fehle
Beim Berichten jegliche Objektivität denn
Ich liebe Strandkörbe schon immer

Jetzt ist es raus und nun könnte wieder
Zur Sache gegangen werden nämlich
Der Geschichte des Strandkorbes die
Am 15. Juni 1882 in Warnemünde begann

Auch wenn das aufgestellte noch Strandstuhl hieß
War es doch schon was es bis heute blieb
Ein beschützter Ort am Meer nahe den Wellen
Direkt am Strand und doch ganz für sich

Schon im Beschreiben merke ich es doch
Bricht wieder das Gefühl hindurch und wenn
Mich jemand fragte was mein Traum vom Leben
Wäre antwortete ich verliebt lesend im Strandkorb

Vielleicht noch eine Tasse feinen Tee dazu
Das Ziel der Liebe am liebsten neben mir
Die Beine auf herausgezogenen Fußstützen
Hochgelegt das Meer im Blick oder nicht

Eigentlich kommt es mir gar nicht mehr
Auf den Strand und das Meer dabei an
Was zählt ist das Gefühl im Korb dabei
Draußen und drinnen zugleich zu sein

Ein Picknick im Grünen ist sehr schön
Wäre es nicht irgendwann so unbequem
Im Strandkorb dagegen liegen wir quasi
Ungestört und doch in der Natur gut

Ein Strandkorb um wieder sachlich zu werden
Besteht aus einem zweiteiligen Holzgestell mit
Korbgeflecht dessen oberes Ende die gewölbte
Verstellbare Sitznische mit Dach bildet

Durch Auskleidung mit wetterfestem Stoff
Schützt er vor Sonne Wind Regen und sogar
Sandstürmen gelegentlich die Markise wie
Klapptische und Fußkästen sind der Luxus

Sie gelten als Kultobjekte deutscher Gemütlichkeit
Die in nahezu gleichem Design zwei Weltkriege
Wie alle Moden überstanden in Ost und West
Immer beliebt waren weil schlicht und genial

Der Rostocker Hofkorbmacher-Meister Wilhelm Bartelmann
Gilt als der Erfinder des selbigen von 1882 der  damit eine
Deutsche Kultur begründete die viel mit Ferien und Glück
Für die meisten Menschen zu tun hat und Liebe auch wohl

Das Standardmodell ist der Zweisitzer der
Seine Form seit etwa 1910 nur unwesentlich
Veränderte mit einer Höhe von 160cm wie
Der Breite von 120cm ist er eher gedrungen

Der Strandkorb stellt die feine Mischung aus
Bescheidener Dekadenz mit norddeutschem
Pragmatismus dar der am Meer funktioniert
Ist ein sehr deutscher Luxus geworden

Es wird die Ostseeform von der Nordseeform
Unterschieden wobei letztere kantiger noch ist
Die DDR fertigte sie natürlich in plattenbauweise
Sie sind seltener noch in Mecklenburg zu sehen

Geflochtene Weidensessel mit hochgezogenem
Rückenteil sind bereits seit dem 16. Jahrhundert
Überliefert sie wurden vor allem von älteren Damen
In den damals zugigen Häusern gern genutzt

Die ersten Seebäder entstanden an Nord- und Ostsee
Ende des 18. Jahrhunderts in Heiligendamm wie auf
Norderney was eine eigene Badekultur hervorbrachte
Zur Wahrung der Sitte gab es Badehütten oder Karren

In den 1870ern empfahl ein Berliner Arzt die Nutzung
Von Sitzkörben wie auf Norderney zur Erholung
Theodor Fontane berichtet in einem Brief von 1882
Vom Treffen im Strandkorb aus Norderney

Im Auftrag der an Rheuma erkrankten Elfriede von Maltzahn
Die den Sommer geschützt an der See verbringen wollte
Erfand Bartelmann den Einsitzer aus Korbgeflecht
Der er mit Markisenstoff bezog Strandstühlen ähnlich

Als weitere Bestellungen kamen entwickelte er den Prototyp
Der sich bald an Nord- und Ostsee verbreitete wobei wiederum
Der wirtschaftliche Erfolg dabei auf eine Idee seiner Frau
Zurückgeht die verbesserte und eine Vermietung aufbaute

Der Strandkorb boomte in den Seebädern schnell und mehr
Noch nach der Novemberrevolution von 1918 als sich diese
Auch für die Arbeiter öffneten und der Massentourismus als
Volksbewegung in Deutschland rudelweise begann

Manche sehen im typisch deutschen Strandkorb ein Element
Der deutschen Zaun- und Abgrenzungsmentalität die immer
Vom eigenen Schrebergarten träumt wofür manches spricht
Doch solang es um Müßiggang geht schadet es kaum

Vielleicht ist der entspannt müßige Deutsche sogar
Der beliebteste in der Welt da er weder bedroht
Noch etwas besser weiß oder machen will sondern
Ungestört genießen möchte was ist als Wert an sich

Thomas Mann der die Strandkörbe auch liebte schrieb große
Teile von Josef und seine Brüder am Strand von Nidden in
Seinem Strandkorb und so wurden sie auch ein Stück
Literaturgeschichte die Tucholsky noch weiter ergänzte

Das er sich sein Haus im ostpreußischen Nidden
Auf der kuhrischen Nehrung einst vom Nobelpreis
Als mehr als nur kleine Sommerfrische gönnte sei
Dabei nur nebenbei erwäht es ist polnisch heute

Weiß nicht ob es eine typisch deutsche Liebe ist die sich
Von der Natur in Geborgenheit gerne abgrenzt und doch
Auch gerne in ihr sein möchte oder das Höhlenwesen
Eine Typfrage ist egal woher wer stammen mag

Die Vorstellung mit meiner Liebsten lesend einst
Im Strandkorb zu liegen und sich beim Tee am Meer
So nah wie fern und gut geschützt zu erfreuen ist mir
Mehr Traum immer als irgendwo hin zu fahren

Ein Strandkorb ein feiner Tee und ein gutes Buch
Sind mir so die Welt sogar relativ unabhängig vom
Wetter was eben hier ab und an schwankt ist es
Genug an Glück in meiner Vorstellung immer

Erkennen was glücklich macht ist viel mehr Glück
Als die Erfüllung unendlich großer Träume denen
Manche mit hohem Tempo nacheifern im Gegenteil
Scheint mir das wenige wertvolle so als viel mehr

So ist die Geschichte des Strandkorbes nun auch
Eine Geschichte des Glücks und der Wege zu ihm
Als Entschleunigung und Gegenentwurf vielleicht
Zum Massentourismus sucht er Raum nur für sich
jens tuengerthal 15.6.2016

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