Montag, 13. Juni 2016

Kulturgeschichten 0254

Deutschklassik

Es dreht sich was noch Klasse hat
In Deutschland um eine Kleinstadt
In Thüringen mit Namen Weimar
Und ist damit vielleicht typisch

Ziemlich in der Mitte gelegen
Von Wäldern umgeben mit vielen
Gut sanierten alten Gebäuden mehr
Schein als Sein aber sehr nett

Sicher hat auch Berlin seine Klasse
Einzelne große Autoren die jene Stadt
Im Leben und Sterben beschrieben
Doch bleibt Brecht immer ein Prolet

So beschrieb ihn einst Graf Kessler
Genau die Physiognomie betrachtend
Des unter der Diktatur des Proletariats
So hochgejubelten Schwarzwalddichters

Doch in Weimar hatte auch Kessler schon
Große Pläne für die vereinigte Kultur
Auch wenn die am lokalen Kleingeist
Damals noch scheiterte wie so vieles

Wo Goethe und Schiller um die Ecke
Beieinander wohnten in fußnähe noch
Ist nach des Herzogs Mutter Anna Amalia
Deutschlands schönste Bibliothek genannt

Abgebrannt und wieder aufgebaut im
Strahlend weißen Kleid eben wie neu
Freute mehr was Kulturdeutschland
Bewegte damit sie wieder erstand

Die erweiterten Archive im Keller
In denen eben auch die Geschichte
Der Weimarer Klassik zu Teilen liegt
Wurde eher Bibliothek unserer Zeit

Wer jemals durch Weimar flanierte
Und ich meine flanieren als Flaneur
Nicht gehetzt sondern in Ruhe um
Es zu erspüren versteht was war

Auf einem Raum kleiner fast als die
Nur Museumsinsel in Berlin lebte
Was zur literarischen Klassik wurde
Beisammen von Herzogs Gnaden

Umgeben von Hügeln wie schönsten
Thüringer Wäldern voller Wild auch
Hat sich dort alles konzentriert durch
Den Geist der Mutter Anna Amalia

Am 13. Juni 1794 forderte Schiller
Goethe zur Mitarbeit an den Horen auf
Und erhielt oh Wunder eine Zusage
Nachdem die Zuneigung anfangs gering

Mit dieser Verbindung die weiter wuchs
Bis zu Schillers Tod 1805 beginnt die Zeit
Der Weimarer Klassik die Epoche wurde
Bis heute Literaturgeschichte schrieb

Zur Weimarer Klassik dem Viergestirn
Zählen neben Goethe und Schiller
Noch Herder und Wieland sie begann
Nach Goethes erster Italienreise

Manche meinen sie dauerte bis zu
Goethes Tod andere sahen sie schon
Mit Schiller wieder sterben und den
Alten Goethe romantisch infiziert

Der Begriff selbst wurde erst später
Im 19. Jahrhundert geprägt in der dann
Gern schwülstig unpräzisen Romantik
Keiner der Dichter nannte sich Klassiker

Eine weit gefasste Sicht betrachtet nur
Ort und Zeit des gemeinsamen Wirkens
Der vier Dichter und Denker der sonst
Sich nur von der Frühromantik abgrenzt

Die engere Definition der Klassik dagegen
Beschränkt sich auf die elf Jahre in denen
Goethe und Schiller gemeinsam schufen
Was als ästhetische Allianz ihnen galt

Goethe führte diese Allianz nach dem Tod
Seines engen Freundes Schiller weiter
Auch lebte Schiller bis 1799 als Dozent
Noch in Jena die Allianz war brieflich also

So blieben letztlich sechs Jahre nur um
Zu formen vor Ort was als Weimarer Klassik
Dann Geschichte wurde als Dichterfreundschaft
Zwischen zweien die Klassiker wurden

Die Französische Klassik war der weltweite
Höhepunkt des Strebens seit der Renaissance
Die Dichtung der Antike aufleben zu lassen
Nach Ludwig XIV. 1715 Tod änderte sich dies

Es wurde bald mittelalterlich märchenhaft
Bis sagenhaft kitschig und überladen
Daher rührte das Bemühen die Antike zu retten
Dazu wurde Reiseliteratur und Archäologie genutzt

Johann Heinrich Winkelmann schrieb in seinen
Gedanken über die Nachahmung griechischer Kunst
Dazu ohne zu ahnen welch durchschlagende Wirkung
Seine ästhetischen Betrachtungen haben sollten

Edle Einfalt stille Größe war der Wahlspruch seiner
Bewunderung der antiken Kunst damit wurde die
Kunst und Ästhetik anders als französischer Prunk
Vermittelnd zu bürgerlich Schlichten gebracht

Dieser Vermittlung zwischen Bürgertum und Adel
Blieb auch die Weimarer Klassik prinzipiell treu
Die Günstlinge des Herzogs bauten lieber noch
Brücken als weiter zu polarisieren ohne Grund

So war Schiller und besonders seine Frau
Später wesentlich adelsstolzer und rigider
Als Goethe der früher vom Herzog schon
Erhoben worden war und dennoch frei blieb

Eine Geschichte dazu ist die Aufregung
Wie die Lästereien der Schillers über
Goethes unverheiratetes Zusammenleben
Mit der Mutter seines Sohnes Chistiane Vulpius

Das konnte der Adel um die Stein oder Schillers
Kaum dulden der Hof schimpfte ohnehin über
Die Sitten des Dichters des Werther der früher
Mit dem Herzog durch die Wälder zog

So waren manche Situationen zwischen
Dem vermeintlich einigen Paar die doch
Auf den zweiten Blick die Entfernung andeuten
Schiller der schwäbische Aufsteiger war bemüht

Goethe warf vieles einfach hin aus Genie
Wenn Schiller wissenschaftlich oft exakter
Als Arzt erfolgreich studiert während Goethe
Sein Jurastudium nur mühsam beendete

Schiller reizte den arrivierten Geheimrat
Mit der Aufforderung zur Mitarbeit an den
Horen als neuartigem Werk mit Bezug
Zur hingebungsvoll verehrten Antike

Ihren Anfang nahm die Weimarer Klassik
Als die gerade Herzogenwitwe gewordene
Anna Amalia den Dichter Wieland zur
Erziehung der Söhne nach Weimar rief

Als Goethe 1775 nach Weimar auch als
Erzieher gerufen wurde war er vor allem
Durch die Leiden des jungen Werther
Als Sturm und Drang Verführer bekannt

Danach wurden die Werke kontinuierlich
Reifer und näherten sich dem klassischen
Ideal langsam an im ästhetischen Ideal
Das suchte er auf der Reise nach Italien

Als sich Goethe und Schiller nach Goethes
Rückkehr aus Italien erstmals in Rudolstadt
Trafen waren beide ernüchtert bis enttäuscht
Schätzten sich eher falsch gegenseitig  ein

Beide sahen im anderen den der durch Werke
Die längst hinter beiden lagen berühmt wurde
Nahmen weniger das aktuelle Gegenüber wahr
Die Erwartungen wurden also enttäuscht

Noch 1776 holte Goethe Herder aus Bückeburg
Als Generalsuperintendenten nach Weimar
Worauf sich deren Verhältnis bald abkühlte
Der eine war Günstling der andere Angestellter

Nach seiner Italienreise hatte Goethe seine vorher
Amtsgeschäfte kaum wieder aufgenommen um
Sich lieber ganz der Kunst zu widmen was auch
Schillers absolutem Wesen näher kam

Die frustrierende Erfahrung mit der Realität
Im revolutionären Fankreich das unter den
Jakobinern einfach nur mörderisch wurde
Verband sich mit vorigen Katastrophen

Die Welle von Selbstmorden im Sturm und Drang
Die Dichtung und Realität verwechselten gern
Führte auch bei den Autoren zur Hinwendung
Zur nach klassischem Ideal Suche nach Ausgleich

Während Goethe den universellen Zusammenhang
In der Natur zu erkennen versuchte nach antikem Ideal
Wandte sich Schiller der Geschichtsschreibung zu
Fordert eine evolutionäre Entwicklung statt Revolution

Der revolutionären Unruhe der Zeit wurde das Ideal
Einer ästhetischen Erziehung gegenübergestellt
Durch die Menschen zur Humanität gelangen sollen
Nach dem Erziehungsideal der schönen Seele

Die Epoche wurde zeitlos indem sie Ideale wählte
Die als menschliche Werte über alle Zeit erhaben
Sind wie sich im Streben nach Harmonie in der
Gesellschaft auch zeigt statt vorigem Egoismus

Zu den wichtigsten Motiven der Klassik gehören
Menschlichkeit und Toleranz im Sinne eines
Gelebten Humanismus schreibend nähern sich
Goethe und Schiller dem klassischen Aufbau

Der Name Klassik  bezog sich nicht nur auf
Die klassische Antike sondern machte sie
Auch zu einer klassischen Epoche selbst
Vor allem die Romantik wertete es ab

Getrieben ist die Klassik von einer Mischung
Aus Abgrenzung vom eigenen Sturm und Drang
Wie Hinwendung zum Geist der Aufklärung
Wozu die Antike vernünftig idealisiert wurde

Die Weimarer Klassik versuchte Kunst mit
Dem Geist der Zeit zu versöhnen ein auch
Ganzheitliches ästhetisches Konzept soll
Die Menschen miteinander versöhnen

Die Zusammenarbeit begann mit der
Gründung der Zeitschrift Horen 1795
Durch Friedrich Schiller die als das
Gründungselement der Klassik gilt

Der Verleger Cotta aus Tübingen plante
Noch 1794 eine politische Zeitschrift
Doch Schiller hatte nach der Revolution
Genug von Politik wollte ein Weltbürgerjournal

Sie einigten sich auf zwei Projekte dazu
Die Allgemeine Zeitung wurde dann zur
Bedeutendsten Zeitung des 19. Jahrhunderts
Obwohl oder weil sich Schiller bald zurückzog

Das andere Projekt waren die Horen
Als Mitarbeiter gewann Schiller neben Goethe
Auch Fichte und Wihelm von Humboldt
Zu den Themen Philosophie und Kunst

Die Publikation wurde nach drei Jahren
Wieder eingestellt auch wenn sie vielen
Immer noch als ideale Zeitschrift gelten
Die sich Musen und Schönheit widmete

Schiller wollte sich hehren Ideale widmen
Dem rein menschlichen über alle Zweifel
Erhabenen um die wahre Humanität
Wieder ans Licht zu bringen

Die Rückbesinnung auf die Ideale noch
Der Antike brächten den guten Kern des
Menschen von alleine ins Licht förderten
So die menschliche Entwicklung besser

Die Zeitschrift sollte dem Leser helfen
Sich auf die Ideale aus Philosophie
Wie Geschichte zu besinnen und sie
Für sich anzuwenden um zu wachsen

Schiller glaubte der Mensch würde
Seiner Natur nach diesem Ideal dann
Wenn einmal geweckt nachstreben
Um höheres in sich zu erkennen

Der Wandel der Gesellschaft durch
Die Besinnung auf die Ideale der
Antike schien ihm logisch sollte
Den Leser von der Masse wegleiten

Die Horen wollten die Schönheit mit der
Gelehrten Welt vereinen den Leser von
Den Gedanken der Masse wegleiten
Kunst und Wissenschaft zu vereinen

Die Horen sind als Töchter des Zeus
Wie der Termis Figuren antiker Sagen
Sie sind die Göttinnen der Jahreszeiten
Des Schönen und der Ordnung

Wohlgesinnt wachen sie über das
Menschenwerk und bewachen wie
Homer in der Illias berichtet auch die
Himmelstore mittels verschobener Wolken

Goethes Propyläen steht programmatisch
Wie mythologish in der Tradition von
Schillers Horen der sich trotz aller Ideale
Ein regelmäßiges Einkommen erhoffte

Goethe verdiente bereits zehnmal mehr
Als Geheimrat verfolgte mehr das ideelle
Ziel der Kulturnation ohne Hauptstadt eine
Hauptzeitschrift endlich zu geben

Schiller träumte von der kulturellen Vereinigung
Der Deutschen in einer literarischen Assoziation
So sah sich die Zeitschrift als die Verbindung
Der schönen und der gelehrten Welt

Es sollte lediglich Beiträge von allgemeinem
Interesse geben die mehr als Unterhaltung boten
Sie sollten nicht entzweien oder die Kulturnation
Zerreißen womit Politik und Religion tabu waren

Philosophie und Geschichte wurden dort viel
Debattiert unter Aussparung der Gegenwart
Es ging den Machern um die wahre Humanität
Womit sie antirevolutionäre Akzente betonten

Die Horen sahen sich als weiterhaltende Ordnung
Aus der alles Gute fließt sie sind als Göttinnen
Antirevolutionär voll von schöner Menschlichkeit
Doch zeigten sie die Flucht der Geister aus der Welt

So wurde die überzeitliche Ordnung zur Hypothek
Der deutschen Klassik das hehre Ideal wurde nach
Vier Jahren auch aus verlergerischen Gründen
Wieder eingestellt noch suchen wir nach ihm

Bräuchte es wieder neue Horen für die Schönheit
Eine Konzentration auf die schönen Künste mehr
Als auf den nur politischen Alltag um bleibendes
Zu schaffen statt nur Lärm zu machen

Heute gibt es wieder Die Horen als Zeitschrift
Die viemals jährlich zur Literatur erscheint
Mit dem Ziel junge Autoren zu entdecken wie
Alte dem Vergessen zu entreißen

Elfenbeintürme gibt es heute genug für jeden
Ob es die Welt besser macht wenn wir die
Grausame politische Realität ausblenden
Wäre wohl der Frage wert gerade jetzt

Vielleicht ist Ausschließlichkeit immer
Zu wenig zumindest aber gibt es uns
Einen ästhetischen Blick der im Alltag
Zu leicht verloren geht was ein Wert ist

Ob die reine geistige Schönheit nach dem
Antiken Ideal im Zeitalter von Internet wie
Reality TV ein großes Publikum findet wäre
Vielleicht schon zu ökonomisch gefragt

Natürlich muss sich alles erstmal rechnen
Denken wir und vergessen dabei schnell
Was eigentlich wirklich wertvoll ist denn
Die Horen schufen bleibende Werte

Der Blick auf die Schönheit als Ganzes
Im Geist von Antike und Aufklärung
Könnte den Blick weiter öffnen noch
Als viele Zeitungen es heute tun
jens tuengerthal 13.6.2016

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