Samstag, 4. Juni 2016

Kulturgeschichten 0245

Die armen Weber.

Im düstern Auge keine Thräne,
Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
„Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch!
     Wir weben! Wir weben!

„Ein Fluch dem Gotte, dem blinden, dem tauben,
Zu dem wir gebetet mit kindlichem Glauben;
Wir haben vergebens gehofft und geharrt,
Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt.
     Wir weben! Wir weben!

„Ein Fluch dem König’, dem König’ der Reichen,
Den unser Elend nicht konnte erweichen,
Der uns den letzten Groschen erpreßt,
Und uns wie Hunde erschießen läßt!
     Wir weben! Wir weben!

„Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
Wo nur gedeihen Lüg’ und Schande,
Wo nur Verwesung und Todtengeruch –
Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch!
     Wir weben! Wir weben!
 Heinrich Heine

Weberaufständig

Worüber der größte Düsseldorfer in Paris dichtete
Tief im Westen hatte noch seinerzeit den Osten
Aufgewühlt doch was hatte es mit den Webern
Einst auf sich und wohin führte es wo stehen wir

Wenn die ganz unten aufstehen
Wird denen ganz oben mulmig
Ob sie die Verhältnisse ändern
In denen sie sich gut einrichteten

Während einige ganz oben immer
Mächtiger und reicher werden in einer
Virtuellen Welt voller Werbepräsenzen
Arbeiten viele unten dafür immer mehr

Wie lange es noch dauern wird bis sich
Die Mehrheit derer mit ganz wenig
Gegen die winzige Minderheit derer
Mit ganz viel wehrt bleibt fraglich

Auch ob dies gerecht sein muss
Vom Grund des Habens abhängt
Oder es nur um Soll und Haben geht
Verliert sich in der Vielfalt unklar

Die Unklarheit in der Vielfalt aber
Auf dem Markt an dem theoretisch
Jeder Erfolg haben könnte zumindest
Macht Widerstand heute so uneinig

Am 4. Juni 1844 kam es im schlesischen
Eulergebirge zu einem Weberaufstand
Der das politische Geschehen in Preußen
Wie im ganzen Reich im Vormärz prägte

Der Weberaufstände gab es einige noch
Im Reich deren erster bekannter der Kölner
Von 1369 bis 1371 wohl war und deren viele
Unbekanntere im 18. und 19. Jahrhundert

Sie waren ein vorindustrieller Widerstand
Bei dem sowohl die Zünfte wie auch die
Hausgewerbetreibenden noch aufstanden
Meist jedoch unpolitische Hungerrevolten

Der schlesische Weberaufstand von 1844
War weder der erste im Eulergebirge noch
Der heftigste gar wichtiger war dagegen die
Diesmal Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit

Er wurde in vielen Publikationen breit
Diskutiert war das Thema seiner Zeit
Die durch ihn politisiert wurde bis die
Aufstände in der Revolution mündeten

Schlesien erst 1742 von Preußen annektiert
Nach Friedrichs erstem Schlesischen Krieg
Warum die Bauernbefreiung dort weitgehend
Unvollständig noch blieb die Herren mächtig

Noch ⅔ der Schlesier waren einem Grundherren
Unterworfen dem sie Feudalabgaben schuldeten
Doch ging es den dort Baumwollwebern besser
Als den andernorts hungernden Leinwebern

Am 3. Juni 1844 hatten sich 20 Weber getroffen
Um den Widerstand gegen die dort Fabrikanten
Zu beraten worauf sie das Spottlied Blutgericht
Singend zur Firma Gebrüder Zwanziger zogen

Die Zwanzigers ließen den kleinen Trupp sodann
Von ihren Dienern mit Steinen und Knüppeln vertreiben
Einer wurde schon vom Ortspolizisten verhaftet
Was Anlass für den nächsten Protestzug gab

Am 4. Juni zog also dieser Protestzug mit allen
Heimwebern vereint die Freilassung zu erreichen
Jedoch blieben alle Verhandlungen ergebnislos
Worauf wütende Menge Zwanzigers Haus stürmte

Am nächsten Tag konnten sich einige Fabrikanten
Durch Geldzahlung Brot und Speck noch freikaufen
Anwesen verhasster Fabrikanten wurden verwüstet
Darauf griff preußisches Militär ein zu stoppen

Elf Weber wurden erschossen 24 weitere verletzt
Dies schürte die Wut und es wurde geplündert
Zunächst wichen die Einheiten darauf zurück
Doch am 6. Juni kam Verstärkung gerade noch

Der Aufstand ward endgültig niedergeschlagen
Zahlreiche Weber kamen lange in Haft womit
Die Familien völlig verarmten oder wurden
Zur Erniedrigung öffentlich noch ausgepeitscht

Es lag hier weder eine reine Hungerrevolte
Noch ein Maschinensturm als Klassenkampf
Vor sondern eine frühindustrielle Arbeiterunruh
Denen es noch besser ging als anderen dort

Der Aufstand der kurz und erfolglos nur war
Für alle die sich an ihm beteiligten setzte doch
Den revolutionären Geist in den Köpfen in Gang
Der so nötig war nach dem Wiener Kongress

Während Deutschland wohlig biedermeierte
Noch ohne Bionade aber mit viel Desinteresse
Der Besitzenden für das Leben der Ärmsten
Standen diese kurz auf und zeigten ihre Wut

Noch entfaltete es sich nicht als Macht die
Eine Revolution im Lande tragen konnte
Doch vier Jahre später wurde es zumindest
Versucht auf Berliner Barrikaden zu zwingen

Heute bauen nur noch Autonome Barrikaden
Die alle Besitzenden nerven voll Unverständnis
Im biedermerkel Zeitalter mit Bionade anstatt
Der Deutschen liebste deutsche Limonade

Der Aufstand ist wenig angesagt gerade
Wir helfen lieber freiwillig den Flüchtlingen
Engagieren uns sozial und enstpannen im
Cluburlaub in der Türkei vor Kinderleichen

Die werden am Morgen still eingesammelt
Damit keiner die Urlauber damit stört die
Dort sich wohlverdiente Ruhe gönnen wollen
Wer sollte sich wehren wo alle so gut sind

Weberaufstände drohen in Deutschland kaum
Es sind die Menschen zu sehr mit Wohlstand
Beschäftigt als dass sie kritisch noch dächten
Über die Zustände und ihre Rolle dabei

Alle sind ja irgendwie beteiligt am System
Von dem sie profitieren warum keiner dies
Was ihn füttert aber arm hält verrät doch
Fragt sich warum Satte aufstehen sollten
jens tuengerthal 4.6.2016

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