009g Menschenzeit
Was ist die Zeit und was davon ist unsere Zeit?
Dafür nehme ich mir ganz viel Zeit, ist ein typischer Satz, soweit es um Dinge geht, die uns wichtig oder lieb sind. Mit unseren Lieben wollen wir ohnehin ganz viel Zeit verbringen, um zu genießen, was ist. Goethe wünschte sich, der Augenblick möge verweilen, wenn es gerade besonders schön war und diese Verse wurden im Deutschen sprichwörtlich. So wollen wir gerne manchmal die Zeit anhalten, gerade dann, wenn es am schönsten ist. Hoffen immer wieder, dies würde ewig dauern oder nie ein Ende finden und drücken damit keinen Alptraum aus, wie die Reise des Fliegenden Holländers, die erst durch die Liebe ein Ende findet und erlöst wird, weil eine Jungfrau so für ihn entbrannte, dass sie freiwillig in den Tod ging. So ist ein Leben ohne Ende auch in den alten Sagen uns kein Glück. Ähnliches ist auch vom Ring der Nibelungen zu hören, wo der arme Drache unendlich reich den Schatz ewig hütet und kein Glück mehr findet, auch nicht in Wagners gedroschenen Reimen, die nur zu seiner Musik zu gut passen.
Eigentlich ist die Zeit nur eine physikalische Größe, die mit t ausgedrückt wird, deren Maßeinheit die Sekunde s ist und die den Ablauf bestimmter Ereignisse im Verhältnis zu anderen physikalischen Größen beschreibt. Sie ist physikalisch unumkehrbar und beschreibt nach den Grundsätzen der Thermodynamik den Grad der Zunahme der Unordnung in einem geschlossenen System. Komplizierter wird es nach der Relativitätstheorie, der zufolge gilt e=mc², oder in Worten Energie ist Masse mal Lichtgeschwindigkeit zum Quadrat. Danach wird eine auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigte Masse zu Energie und es fragt sich, was sie dann noch wesentlich wäre und wie nah wir an Lichtgeschwindigkeit kommen können, ohne aufzuhören als Körper zu sein.
Noch spannender wird es in der Physik, wenn wir auf der subatomaren Ebene den Welle-Teilchen-Dualismus betrachten, der nur teilweise quantendynamischen Grundsätzen gehorcht und eine Quantenrelativitätstheorie bräuchte. Sind wir ein Teilchen oder eine Welle, was sind wir überhaupt wann, worauf kommt es für unser Sein an und weist uns die Krümmung der Zeit im Raum daraufhin, dass unser Denken über Kontinuität eine lineare Illusion nur war?
Könnte danach die Zeit, wenn sie rechnerisch negativ werden kann, dies auch tatsächlich werden, könnten geträumte Zeitmaschinen im Wege der Quantenphysik Realität werden und was bedeutete das für unsere Gegenwart und Zukunft?
Würde ich etwa das Attentat von Georg Elser zum Erfolg führen und damit Hitler vor dem Krieg töten, könnte ich ex post den Holocaust verhindern und Millionen Menschen das Leben retten, die Attentäter vom 11. September würde ich vorher identifizieren und verhaften und hätte Millionen Tote im islamischen Raum verhindert und einige hundert in den USA gerettet - wäre ich ein Retter der Welt und des Guten oder ein gefährlicher Zeit-Terrorist?
Oder wären wir bei Zeitreisen, wie es heutige Modelle eher annehmen in Parallelwelten, die unabhängig von den anderen existieren?
Noch können wir das physikalisch nicht realisieren, aber die Teilchenbeschleuniger nähern sich dem langsam und stellen fest, wie stark die Zerfallszeiten etwa radioaktiver Teilchen ab einem bestimmten Tempo abnehmen - die Zeit wird also unter bestimmten Umständen nicht nur lyrisch sondern auch physikalisch wohl zu einer relativen Größe. Wie weit dies alles mit schwarzen Löchern und Welten in verschiedenen Dimensionen zusammenhängt, die nebeneinander existieren sollen, können Physiker bestimmt viel besser erklären als ich es je verstand, warum ich mir auch gar nicht anmaßen will so zu tun, als hätte ich Ahnung davon.
Es gibt da jedenfalls eine Relativierung des bisher bekannten linearen Prinzips, nach dem Zeit eben abläuft. Nicht nur die Zeit krümmt also den Raum, was heißt, sie verändert ihn, sondern auch der Raum krümmt je nach Geschwindigkeit wohl die Zeit verschieden stark wahrnehmbar, was in manchem unserem sehnsüchtigen Empfinden entspricht und doch wieder nicht vorstellbar erschien in der Enge des linearen Horizontes.
Philosophisch betrachtet ist Zeit das Fortschreiten der Gegenwart von der Vergangenheit ausgehend zur Zukunft hin. Dabei wird auch nach dem Wesen der Zeit gefragt und wie weit wir von ihr abhängig sind. Dagegen schaut die Psychologie auf das Zeitgefühl und die Zeitwahrnehmung, während es für die Ökonomie ein Wertgegenstand ist, bleibt es den Sprachwissenschaftlern als Tempus der Verben deren grammatische Form und Beugung.
In der Philosophie gab es durch die Zeiten auch entsprechend dem fortschreitenden Wissen unterschiedliche Betrachtungen der Zeit. Dies geht von der Antike bis in die Gegenwart.
Heraklit etwa nutzte gern die Flussbilder, wonach über dem gleichbleibenden Flußbett alles fließt, jenes berühmte panta rhei, so stehen die Dynamik des Fließens und die Kontinuität des Flussbettes in einem gegensätzlichen Verhältnis.
Nach Platon haben Raum und Zeit kein eigenes Wesen sondern seien nur Abbilder des eigentlich Seienden, was hinter seiner Ideenlehre steckt und sich gern in den Aberglauben rettet, um Lücken zu schließen. Dagegen meinte Aristoteles der Zeitbegriff sei untrennbar mit der Veränderung verbunden. So sei Zeit das Maß jeder Bewegung und kann nur durch diese gemessen werden, ließe sich aber dabei in unendliche Intervalle einteilen, was für das Kontinuum der Zeit steht.
Augustinus, der christliche Lehrer, der auch gern von seinen Sünden sprach und aus Nordafrika kam, unterschied erstmal die physikalisch exakt messbare Zeit von dem subjektiven Zeitempfinden. Nach seiner Überzeugung entstanden Raum und Zeit erst durch Gottes Schöpfung, für den alles eine Gegenwart ist. So fasst er das Geheimnis der Zeit in folgendem Ausspruch zusammen:
„Was also ist ‚Zeit‘? Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es; will ich es einem Fragenden erklären, weiß ich es nicht.“ (Confessiones XI, 14)
Der große Physiker und Philosoph Isaac Newton sah Zeit und Raum als Behälter für Objekte, die genauso real seien wie gegenständliche Objekte. Nach seiner Auffassung gilt: „Zeit ist, und sie tickt gleichmäßig von Moment zu Moment.“ Darum dominiert in der Naturphilosophie Newtons Auffassung, die es ermöglicht, Zeit und Raum unabhängig vom Bezugspunkt oder Beobachter zu beschreiben.
Dagegen meinte Gottfried Wilhelm Leibniz, dass Zeit und Raum nur gedankliche Konstruktionen seien, die Beziehungen zwischen Ereignissen zu beschreiben. Da sie kein Wesen hätten, gäbe es auch keinen Fluss der Zeit. Nach seiner Definition gilt: „Die Zeit ist die Ordnung des nicht zugleich Existierenden. Sie ist somit die allgemeine Ordnung der Veränderungen, in der nämlich nicht auf die bestimmte Art der Veränderungen gesehen wird.“
Imanuel Kant der große Königsberger Philosoph meint dagegen, Zeit sei genau wie der Raum eine reine Anschauungsform des inneren Sinns der Dinge. Diese seien unser Zugang zur Welt und gehören zu den subjektiven Bedingungen menschlicher Welterkenntnis. Da wir sie aus unserer Erfahrung nicht wegdenken können und auch nicht wissen, ob sie einer Welt an sich zukommt, schreibt er ihr eine Art empirische Qualität zu für Zeitmessungen und entferntere Ereignisse.
Ganz ähnlich beschreibt es Martin Heidegger in seinem Werk “Sein und Zeit”, der sie als eine Wirklichkeit sieht, die als eine Wirklichkeit das Menschsein zutiefst prägt.
Dagegen kommt die vergleichende Kulturwissenschaft immer mehr zu der Erkenntnis, dass es die Zeit als anthropologische Konstante, die allen Menschen zugleich zukommt, gar nicht gibt. Es gäbe vielmehr viele verschiedene kulturspezifische Zeitauffassungen, die zu unterschiedlichen Strukturen führen. So gibt es zyklische wie bei den Vorsokratikern und Naturvölkern oder eine kontinuierliche, die von der Vergangenheit über die Gegenwart zur Zukunft gelangt. Daneben existiert noch eine die von Anfang und Ende in der Art eines Ziels in der Geschichte ausgeht und die neue Sicht aus der Quantenphysik, die sich quasi aufspreizt in jedem Moment und die Folgen dieser Theorie erklären kann, die unser kontinuierliches Zeitempfinden völlig durcheinanderbringt.
Einige Soziologen meinen, die Setzung von Zeitstrukturen entstresse die Menschen, weil sie helfe, ihr Leben zu ordnen und sich zurechtzufinden. Andere meinen dies solle lieber der Natur folgen und nicht von außen gesetzt werden. Damit hängt auch die Einteilung ins Lebenszeitalter zusammen, denen bestimmte Ereignisse zugeordnet werden.
In der Literatur spielt die Zeit auch in zwei der größten Romanwerke eine Rolle. In Thomas Manns “Zauberberg” als Kontinuum gegen dessen Relativierung sich nur anfänglich noch gewehrt wird, während im Schatten des Todes, der überall lauert im Lungensanatorium, wenn er auch keine Rolle spielt, außer als Unterbrechung der Monotonie, die Leere nur künstlich unterbrochen wird, vergehen Jahre und Monate in wenigen Seiten, während zuvor Tage das hundertfache einnahmen, als Hans Castorp, der Ingenieur aus Hamburg noch alles als Neuling erlebt. In “Auf der Suche nach der verlorenen Zeit” bemerkt der Erzähler von Marcel Prousts großartigem Werk am Ende, dass er nur noch indem er über die Vergangenheit schreibt das große Kunstwerk schaffen kann, von dem er immer träumte und so endet la recherche damit, dass der Erzähler zu schreiben beginnt. Dies nachdem sich der Leser durch viele Bücher der kunstvollen und detailreichen Beschreibung der nun als Kunstwerk zu beschreibenden Zeit verloren hat und so Teil der verlorenen wie der wiedergefundenen Zeit wurde.
In seinem Roman, Die Entdeckung der Langsamkeit, hat Sten Nadolny am Beispiel des Entdeckers und Forschungsreisenden Sir John Franklin die unterschiedliche Zeitwahrnehmung aus der Sicht eines seinem Wesen nach ganz langsamen Menschen dargestellt, der, da er nicht schnell reagieren konnte, alles auswendig lernen musste, um in der Situation noch reagieren zu können, wie es nötig ist, was als Kapitän auf einem Schiff immer wieder so ist. Nadolny lässt dabei am Beispiel Franklins über unser Zeitgefühl nachdenken und erzählt dabei wunderbar die Geschichten aus der Kindheit des Protagonisten, in der er immer das Netz beim Ballspielen halten musste, weil er zu langsam war, im Spiel zu reagieren. Wie sich einer mit einer anderen Zeitwahrnehmung dazu zwingt in der anderen Zeit zu funktionieren und als Kapitän sogar wichtige Führungsverantwortung übernimmt.
Ein anderes großartiges Buch über die Zeit ist Michael Endes Roman für Kinder und Jugendliche Momo, in dem die Zeitdiebe auftauchen, die den Menschen die Zeit abkaufen, die sie in der Zeitsparkasse sparen können, um ein Vermögen auf ihrem Zeitkonto anzusammeln. Die grauen Männer leben von der gestohlenen Zeit, die sie in ihren Zigarren verrauchen und bieten den Menschen Versprechungen auf Konsumgütern für die eingesparte Zeit. Das Mädchen Momo, die ohne Eltern im Amphitheater lebt und anfänglich noch wunderbar mit den Kindern spielt und Phantasiereisen unternimmt, bemerkt die sich ändernde Zeit dadurch, dass plötzlich keiner mehr Zeit hat. Sie macht sich schließlich auf den Weg, die Zeit anzuhalten, um die Macht der grauen Herren zu brechen. Diese wunderbare Beschreibung und Kritik unserer Zeit und der Art wie wir wirtschaften öffnet den Blick für die wirklich kostbaren Momente im Leben, für die wir uns besser Zeit nehmen.
Wie real ist die Zeit wirklich, frage ich mich und denke daran, was ich noch zu tun habe außer über die Zeit nachzudenken und versuche das übrige nun eine zeitlang weiter auszublenden, um mich ganz auf den Augenblick in der Beschäftigung mit der Zeit zu konzentrieren. Diese Haltung zeugt von einem sehr klassisch linearen Bild von der Zeit, das uns auch unser tägliches Leben in der Gesellschaft aufzwingt.
Das Verständnis von Zeit und dem Wert etwa der Pünktlichkeit verändert sich schon in Deutschland. So wird im Norden mehr Wert darauf gelegt als im Süden, wo es lockerer betrachtet wird. Um so weiter wir dann in Europa oder darüber hinaus gen Süden gehen, desto lockerer ist das natürliche Verständnis der Zeit und der Umgang mit ihr auch. Afrikaner haben für europäische Verhältnisse teilweise ewig Zeit und halten die Einhaltung exakter Reaktionszeiten eher für überflüssig. Es gibt für dieses verschiedene Verständnis unterschiedliche Theorien. Die wahrscheinlichste ist jene, die an den geografischen Bedingungen anknüpft, wonach in den nördlichen Regionen mit ihren starken klimatischen Schwankungen zwischen den Jahreszeiten eine exaktere Einhaltung der Zeiten lebensnotwendig sein kann. Wer nicht pünktlich kommt, kann den anderen am verabredeten Ort sonst glatt erfrieren lassen, was in wärmeren Regionen gelassener gesehen werden kann.
Im internationalen Handel und Flugverkehr aber sind exakte Zeiten wieder sehr wichtig. So legen Kapitäne auf eine Einhaltung der exakten Zeiten zur Be- und Entladung großen Wert, da es dabei immer auch um viel Geld geht. Aus dem Handel kommt auch der berühmte Spruch Zeit ist Geld. Was bei Termingeschäften etwa an der Börse noch wichtiger sein kann, wo Sekunden des richtigen Kaufs oder Verkaufs über Gewinn oder Verlust entscheiden können.
Ist eine solche Behandlung der Zeit noch natürlich oder entfremdet sie uns von unserer Natur?
Diese Frage lässt sich wohl nicht so allgemein beantworten, weil die Natur dabei sehr unterschiedlich ist. Wer es gewohnt ist exakt nach Termin zu arbeiten, wird es normal finden, dies in seinem sonstigen Tagesablauf zu tun. Andere, die immer in den Tag hineinleben und sich nach nichts richten müssen, werden von einem Termin sehr unter Druck gesetzt, empfinden dies als Stress und völlig unnatürlich. So können zwei völlig gegensätzliche Auffassungen der Zeit nebeneinander existieren, auch wenn sie sozial manchmal schwierig zu vereinbaren sind.
Gehen Menschen aus Liebe eine Partnerschaft ein und wollen dann möglichst viel Zeit miteinander verbringen, zeigt sich, ob die unterschiedliche Wahrnehmung und Nutzung der Zeit, sich vereinbaren lässt oder sie sich nicht gut tun können, weil sie zu verschieden sind. Trotz anfänglicher Anziehung und Lust, vielleicht sogar gefühlter Liebe, kann ein unterschiedliches Zeitempfinden manche Beziehung scheitern lassen, die so hoffnungsvoll begann. Dann heißt es oft, sie hätten sich auseinandergelebt oder die Liebe verloren, manchmal auch erstaunlich ehrlich, sie hätten keine Zeit füreinander gefunden.
Habe dies selbst gerade mit einer eigentlich wunderbaren Liebe erlebt, in der wir es nicht schafften, die Zeit miteinander zu genießen, weil wir keine gemeinsame Zeit fanden. Habe diese Frau immer bewundert und geliebt, doch schafften wir es nicht mehr unsere Zeiträume zu finden und der Liebe alle Zeit zu geben, die sie braucht, um frei fliegen zu können. So kann eine bloße unterschiedliche Wahrnehmung der Zeit, eine große Liebe zerstören. Gewiß gab es auch andere Faktoren, die wichtig waren und die ich weniger sehe, aber mir scheint die Zeit in diesem Fall der wichtigste Faktor gewesen zu sein.
Der eine wird unruhig, wenn er nichts tut, muss und will immer etwas machen, der andere ist glücklich über das Sein an sich und damit zufrieden, muss nirgendwohin und hat eher das Gefühl, nun etwas zu unternehmen, würde die schöne Zweisamkeit stören, die mit Lesen, Schreiben und Zärtlichkeiten doch genug für ein Leben gefüllt werden kann, was die andere Seite, die ihr Leben nicht verträumen will, nicht verstehen kann.
So führt die unterschiedliche Wahrnehmung der Zeit zu einer entgegengesetzten Auffassung dessen, was Glück ist und beide werden, in meinem Fall wurden, miteinander unglücklich, der eine hat das Gefühl, nicht genug zu sein in dem, was glücklich macht, die andere fühlt sich nicht genug gewürdigt und wertgeschätzt. Während ich lieber die Langsamkeit entdecke, um meinen Gedanken genug Raum zu geben, hätte sie lieber was unternommen und jeder hatte das Gefühl vom anderen, in dem was ihm wichtig ist, nicht gesehen zu werden und so entfernten wir uns, auch wenn wir uns täglich oder zumindest nächtlich sahen, immer weiter voneinander und aus Unverständnis wurde Wut, die, wie sie das immer wieder gerne tut, völlig unpassend ausbrach.
Vielleicht hätten wir es ändern können, wenn wir über unsere unterschiedliche Wahrnehmung der Zeit und dessen, was uns wichtig ist, gesprochen hätten. Aber es ist auch möglich, dass wir dann nur entdeckt hätten, dass alles eine Illusion war und wir gar nicht zusammenpassten, weil sich unser je Tempo nicht vereinbaren ließ und wir, was wir schön finden, so nicht gemeinsam genießen konnten. Weiß nicht, ob es nur an der Zeit lag, die sie immer nur beschränkt an Land verbrachte und deshalb nutzen wollte, aber es scheint mir ein wesentlicher Grund der Missverständnisse und der Verwandlung von großer Liebe in kühle Abneigung und starke Entfremdung, auch wenn es eine irgendwie gefühlte große Nähe und schöne Pläne gab.
Ob sich das je ändern ließe oder wir uns einfach damit abfinden müssen, dass unterschiedliche Wahrnehmung der Zeit nicht zusammenpasst, weiß ich nicht. Auch nicht, was wer tun könnte, um sich dabei zu verstehen - das Unverständnis könnte auch ausdrücken, was wir unserer Natur nach empfinden, weil wir trotz starker Gefühle der Natur nach zu verschieden sind, es sich nie vereinbaren ließe.
Zumindest zeigt dieses Beispiel, wie unterschiedlich die gleiche Zeit wahrgenommen werden kann und wie fern sich Menschen sein können, obwohl sie sich doch gefühlt ganz nah sind und sich auch sagen, dass sie genau das wollen. Zeit ist also, auch wenn objektiv messbar und für uns alle gleich, völlig unterschiedlich für jeden und wo der eine einen vollen Tag als Befriedigung empfindet, sieht der andere es als Belastung, weil er mehr Zeit für sich auch braucht, um glücklich zu sein.
Bin in der Nacht ungern allein, liebe es diese Stunden aneinandergekuschelt zu verbringen und habe das Gefühl, eine schönere und größere Nähe könne es gar nicht geben. Alle andere ist da nachrangig und kann sich den nötigen Bedingungen anpassen. Aber verbringen wir im Schlaf überhaupt Zeit miteinander?
Rein tatsächlich tun wir es. Sind eng beieinander, fühlen den anderen und können diese Nähe genießen. Bewusst ist uns das aber nur davor und danach. Im Schlaf fallen wir sozusagen aus der Zeit oder halten sie an, das Denken beginnt wieder, wenn wir aufwachen. Dennoch ist mir, der ich ständig denke und über irgendwas nachdenke, diese Zeit am wichtigsten, in der sich zwei ganz nah sein können, ohne darüber zu reden oder dabei zu reden. So habe ich eine zeitlang für das wichtigste Kriterium gehalten, wie ich neben jemand schlafen konnte, was mir noch wichtiger war, als miteinander zu schlafen.
Diese unbewusste Zeit, in der ich mir nur im Traum Fragen oder Aufgaben stelle, schien mir näher zu kommen und so war mir die Zeit, die eigentlich gar keine war, da wir sie ja verschliefen, fast wichtiger als die bewusste Zeit. Wer sich hier nah war und sich ganz fühlte, schien mir natürlich zusammen zu passen und das Gefühl nach dem Aufwachen sagte mir mehr als viele meiner wirren Gedanken, die von allem möglichen beeinflusst waren. Frage mich, ob das dann eine Gefühlsentscheidung war oder nicht mal das, weil auch ein Gefühl ja eine uns bewusste Sache ist, wir fühlen es ja, auch wenn uns über alle Ursachen dessen, selten ganz im klaren sind.
Neben wem ich nicht gut schlafe, dessen bin ich mir ganz sicher, mit dem kann ich auch wach nicht auf Dauer glücklich werden. Bezüglich des Umkerhschlusses bin ich mir nicht so ganz sicher, ob ich also mit jemandem glücklich werden kann, allein wenn ich gut neben ihr schlafe, spielen dabei doch immer zahlreiche andere Faktoren noch eine Rolle.
Warum ich mir in einer Sache sicher bin, bei der ich nicht weiß, was geschieht und wie es geschieht, also ohne jedes Wissen eine Entscheidung treffe, als ginge sie von sicherem Wissen aus, weiß ich nicht und staune darüber noch. Sicher ist guter Sex schön und wichtig, um eine glückliche Beziehung zu führen, doch mehr scheint es mir auf diesen intuitiven Faktor anzukommen, den ich im Schlaf erspüre und so kann mir das Glück gut beieinander zu schlafen schon alles sein und es braucht nicht mehr, um zufrieden sein eigentlich. Dass es dann doch immer wieder praktisch mehr braucht und wir dann an der je Unzufriedenheit scheitern, habe ich oft genug erlebt. Mal war die eine über zu wenig unzufrieden, dann die andere über zu viel von etwas, was ihr nicht lag oder ich oft genug über zu wenig von dem, wonach ich mich sehnte, dabei war für das Glück und seine Kontinuität eigentlich mir das unbewusste beieinander viel wichtiger als die aktiv geteilte Zeit.
Nie verbingen zwei Menschen mehr Zeit ganz nah, als wenn sie beieinander schlafen, umarmt und angelöffelt ganz dicht beieinander liegen, ohne zu denken, genießen, was ist. Heute, viele Jahre nachdem ich meine erste Nacht mit einer Frau zärtlich verbracht habe, würde ich ganz klar sagen, nichts ist mir wichtiger, als dieses Glück zu teilen und wenig macht mich zufriedener und ausgeglichener im Leben als gut beieinander zu schlafen. Brauche diese Nähe, auch wenn ich sie gerade mal wieder entbehre und frage mich inzwischen, welche Kompromisse dieses einfache Glück wert wäre, einzugehen.
Vielleicht ist aus diesem Glück der Schlafenszeit die Institution der Ehe entstanden mit ihren vielen schlechten und wenigen guten Kompromissen, frage ich mich, den Prozess der Schlafenszeit kulturhistorisch betrachtend. Schlafe ich zu zweit, genügen mir ganz wenige Stunden, um völlig erholt und selig gestärkt zu erwachen. Entbehre ich es, kann ich mich mit Büchern gut allein glücklich machen, aber irgendwo habe ich das Gefühl, ein wichtiger Teil von mir fehlt und ich schlafe für mich nur halb, wenn ich nicht den anderen im Arm halte. Ob dies Formen wie in der Ehe erfordert, Treue nötig ist, weil sie auch Vertrauen heißt, weiß ich nicht. Doch selten nur haben wir die Wahl dabei auf Dauer.
Doch wollte ich, die, neben der ich so gut schlafe, neben einem anderen wissen, frage ich mich und denke spontan, solange ich es nicht weiß, ist es eigentlich egal aber irgendwo ganz tief wohnt vermutlich in jedem Menschen das Gefühl, was ihn glücklich macht, für sich haben und behalten zu wollen und die Angst, es zu verlieren, falls die Nähe beliebig austauschbar wäre, liegt relativ nahe und scheint mir natürlich, auch wenn sie das Gegenteil von Liebe eigentlich ist, die schenken möchte und dem anderen gut will. Ob die Liebe so ihrer Art nach ein Paradoxon ist, das in seinem Sein zwischen Freiheit und Besitz immer auch ein Schwanken ist, frage ich an dieser Stelle nicht, wo es doch um die Zeit geht, doch könnte es helfen, zum Glück zu finden, sich, jenseits aller Normen, darüber klar zu werden, was es ausmacht und was es behindert.
Die Zeit glücklich zu verbringen, wie es uns entspricht, scheint mir die wichtigste Aufgabe im Leben. Dazu gehört natürlich auch zu wissen, was mich glücklich macht und wo ich daran gehindert bin, weil andere Gefühle mit der Zeit stärker werden. Mit der Liebe, die wir beide für groß hielten, was immer sie nun tatsächlich war, teilte ich einen Traum vom Glück in der Liebe. Für mich war dabei wohl die Traumzeit wichtiger als die wache, dennoch haben wir es nicht geschafft, uns darauf zu verständigen und dies Glück, was alles hätte sein können, zu würdigen.
Neben einer anderen schlief ich traumhaft und immer wunderbar, alles übrige spielt eher keine Rolle und gäbe keinen Grund, es fortzusetzen, kritisch bedacht vermutlich, dennoch genügte mir dies bereits nach dem Instinkt, sie heiraten zu wollen und mich mit ihr zu verloben, was dann endete, weil sie sich nicht genug unterhalten fühlte und ich ansonsten eher gelangweilt war. Dennoch blieb dies wunderbare Gefühl neben ihr zu schlafen in mir zurück und würde ich mich immer wieder danach sehnen, auch wenn ich auf den Rest, ohne etwas schlechtes sagen zu können oder zu wollen, sie war ein sehr anständiger und liebevoller Mensch, bestimmt zuverlässig, wäre nicht wach die Vernunft stärker, die klar sagt, euch verbindet nichts als geteilte Nächte.
So gesehen wird Sex und gemeinsame Unternehmungen für den Wert einer Partnerschaft meist völlig überschätzt, denke ich manchmal, kommt es doch viel mehr auf die gemeinsamen Nächte, also das nichts Tun an, als auf egal welche Unternehmungen und all dies nehme ich nur dafür mit in Kauf, auch wenn ich Sex mag und wichtig und gesund finde, halte ich ihn für das Glück auf Dauer für überschätzt. Dazu kommt auch, dass der anfängliche Reiz irgendwann ganz natürlich nachlässt. Vielleicht ist darum die in unserer Gesellschaft übliche Konstellation, wenn zwei sich lieben, gut miteinander klar kommen, heiraten sie , um sich einander zu versprechen und den Rest des Lebens miteinander zu verbringen, eine unserer Natur völlig fremde Art und Weise.
Ob wir wohl glücklicher wären, wenn wir den Sex wechselnd aufregend hielten aber dieser keine Rolle in der Partnerschaft auf Dauer spielte, außer es ist gerade so und fühlt sich danach an, dann ist es auch gut so, frage ich mich und sehe den Besitzinstinkt, mit dem Wunsch zu gönnen im steten Widerstreit und frage mich, was dabei Natur ist und was nur eine sozial erzwungene Konvention. Weiß nicht, ob ich diese Frage je für alle befriedigend lösen kann, oder jede Beziehung immer nur der gerade bestmögliche Kompromiss ist, bei dem zwei versuchen, Leben bewusst und schlafend miteinander zu teilen.
Sicher verbringen wir normalerweise im erwachsenen Leben die meiste Zeit noch schlafend miteinander und also im unbewussten Zustand, darum scheint mir, darauf zu achten, doch ein relativ ökonomisches Verhalten. Wo das geht, wird der Rest schon klappen oder weniger wichtig. Wo es daran mangelt, bleibt wenig schöne Zeit miteinander, so toll die sonst aktiven Erlebnisse miteinander sind. Dennoch würde jeder einen anderen für verrückt erklären, der die Partnerwahl vom Gefühl einer unbewusst miteinander verbrachten Zeit abhängig machte, es kommt doch auf so viel mehr an als den Zufall des guten Schlafes und was bliebe, wenn daneben das andere vernachlässigt würde an glücklicher Zeit noch?
Auch ich bin nicht nur blind und stürze mich darum auch gerne auf viele andere Kriterien, obwohl mein Instinkt mir sagt, genau das ist es, was letztlich zählt. Der Instinkt scheint mir wiiederum ganz natürlich zu wählen und frei zu sein von allen sonstigen Gedanken, in die Berechnung, Triebe, Wünsche, Enttäuschungen, Ängste und Hoffnungen mit hineinspielen, auch wenn das vielleicht eine Illusion ist, denn ich höre ja auch im Schlaf nicht auf zu sein. Bin immer noch der gleiche Mensch, mit den selben Träumen, nur eben nicht bewusst. Nicht umsonst beschäftigt uns im Traum ja auch häufig, was uns tagsüber Sorgen machte, ob wir uns nun dessen bewusst waren oder nicht.
Gebe nicht viel auf Träume mehr, außer sie scheinen mir gerade nützlich auf meiner Suche nach dem Glück. Hatte lange von Ängsten geplagte Alpträume, nicht genug zum Leben zu haben, zu versagen oder sonst völlig unterzugehen und habe irgendwann beschlossen, diesen Unsinn abzustellen. Genieße das Leben, wie es ist, mehr kann ich ohnehin nicht und etwas wichtigeres gibt es auch nicht. Fürchte weder den Tod, noch etwas zu verpassen. Habe genug geliebt, um zu sagen es reicht für ein Leben und alles, was jetzt noch kommt, ist nur noch das Sahnehäubchen. Werde es genießen, wie den größten Zauber, aber fürchte nicht, etwas zu verpassen, mit eine Gelegenheit entgehen zu lassen oder ins Unglück zu stürzen, weil ich ja schon alles Glück hatte, was einem Mann nur widerfahren kann.
Diese Änderung der Haltung hat mich von einem Tag auf den anderen von allen Alpträumen und Ängsten befreit, für die andere in meiner Lage vermutlich ständig viele Gründe sähen, denn sicher ist bei mir nichts, als dass alles Leben endlich ist. Sich damit abzufinden, war ein bewusster Akt, der auf die Lektüre des Lukrez folgte, der mit die Lehre Epikurs und dessen Haltung zum Leben nahe brachte. So habe ich mein, was die, die daran glauben, Unterbewusstsein nennen, bewusst und wach beeinflusst, indem ich mir das Glück zu leben, bewusst machte.
Habe auf diese Art meine Freiheit wiedergewonnen und mein Glück selbst in die Hand genommen, statt mich von meinen Ängsten treiben zu lassen. Damit bin Herr meiner Zeit geworden und lasse mich auch nicht mehr von Träumen beherrschen, die ein geglaubtes Unterbewusstsein angeblich spiegeln.
Wir können also nur durch unseren Willen und das wenige, was uns überhaupt bewusst ist, auch die große Welt der Träume mit lenken und beeinflussen, indem wir uns Mut machen und die Dinge in die Hand nehmen. So wird das gut beieinander schlafen etwas aus dem Bereich des nur Gefühls herausgeholt. Es ist eine Zeit, die wir auch mitbestimmen durch die Haltung, die wir dazu haben und wo wir sie also bewusst genießen wollen, kann sie das schönste Glück uns sein.
Wenn mir eine Geliebte nach der Lust selig im Arm einschläft, bin ich so glücklich über diesen innigen Moment, dass alles andere klein wird und ich daraus, auch wenn ich nicht schlafe, ungeheuer viel Kraft gewinne. Dann liegen wir manchmal eine halbe Stunde oder etwas mehr oder weniger so innig befriedigt beieinander und ich habe das Gefühl, dass die Erholung weniger solcher Stunden intensiver sein kann als zu viele Stunden Schlaf, dessen ich eigentlich sehr wenig brauche.
Nach meinem Gefühl halbiert sich mein Schlafbedürfnis noch, wenn Nähe und Zärtlichkeit geteilt beieinander geschlafen wird, als schliefe ich so nah für zwei. Dies klappt nicht immer und ich kann nicht genau sagen, warum es mal so gut ist und mal das genaue Gegenteil, dann wache ich auf und habe das Gefühl, der andere hätte mich über Nacht wie ein Vampir ausgesaugt und werde gar nicht wach. In all diesen Fällen schlafe ich lieber allein. So zeigt sich auch beim Schlaf die Relativität der Zeit, die wir noch durch Übungen wie Yoga oder Autogenes Training weiter führen können. Eine halbe Stunde völlige Entspannung kann besser tun als viele Stunden Schlaf.
Auch das Empfinden der Lebenszeit ändert sich völlig im Laufe der Jahre. Berlin, der Ort an dem ich nun die längste Zeit meines Lebens lebe, scheint mir manchmal noch gänzlich fremd und neu. Der Platz, der mein Kiez ist und um den ich die Kneipen Restaurants und Bars fast alle kenne, es sind nur rund 20 verschiedene einmal um den Platz, ist mir noch fremder als der Wohnort meiner Eltern, obwohl ich da nie wohnen wollte, weniger Jahre am Stück dort gelebt habe als an meinem Platz nun und doch scheint mir der Ort an dem ich seit 2010 lebe und liebe immer noch und immer wieder neu. Die Jahre vergehen, seit ich vierzig wurde wie im Flug, die Zeit begann sich schon in dem Moment zu beschleunigen, als ich Vater wurde. Während meiner Tochter die Zeit bis zum nächsten Geburtstag oder dem nächsten Sommer ewig schien, kommt es mir manchmal wie ein Augenblick nur vor.
Sah im Sommer vor meinem Café eine Geliebte vom Sommer vor bald drei Jahren wieder und es war mir, als wäre es gestern gewesen und zugleich war es auch irreal weit weg. Als sie mit ihren Schatz dann drei Tische weiter trurtelte, störte es mich überhaupt nicht. Freute mich für sie und doch hörte ich aus ihrem Mund und mit dem Klang ihrer Stimme das gleiche, was ich Jahre zuvor dort an nahezu gleicher Stelle erlebt hatte. Als hätte sich nichts verändert, sah ich sie mit ihm turteln und es war als sähe ich uns im Film zu und die Zeiten verschoben sich seltsam.
Dieses Erlebnis kenne ich nun schon und wenn du am und um den Ort mehr als eine Freundin hattest, passiert es eben, dass du dich gelegentlich wieder hörst oder siehst. Jedesmal, wenn mit so etwas passiert, scheint es mir ein wenig, als schaute ich mir und meinem Leben zu, wäre in der Zeit versetzt.
Andere haben ihren einen Ort, an dem sie mit ihrer Geliebten waren, wo sie mit der, die vielleicht später ihre Frau wird, schöne Erinnerungen haben, wo der Zauber begann und so flaniere ich heute gerne in der Nacht alleine um den Platz, schaue in die Cafés und erinnere mich, wen ich an diesem Tisch zum ersten mal küsste und mit welcher es dort anfing und so haben alle Orte ihre kleinen Geschichten und ich könnte vielleicht irgendwann einmal eine Liebesgeschichte um den Platz schreiben, über die Orte, die es noch gibt wie jene, die wieder verschwanden.
Habe um den Platz herum dreimal mehr Frauen geliebt als in den vierzig Jahren zuvor und eigentlich ist die Liebe zu den Frauen mein Kriterium für Heimat und zugleich denke ich daran, wie nah es mir ging, als meine Mutter mir erzählte, wie sie neulich eine frühere Flamme von mir traf, die nun Lehrerin ist und zweifache Mutter, mit der ich nie wirklich was hatte, geschweige denn geschlafen hätte und doch schien mir, so abwegig es klingt, diese Ferne plötzlich ganz gegenwärtig nah, auch wenn es dreißig Jahre her ist inzwischen, dass ich um sie buhlte, ich damals nur wenig älter war als meine Tochter jetzt, und 28 Jahre mindestens, dass ich sie zum letzten und einzigen mal küsste, weit weg und in der Ferne der Vergangenheit also wohl ruhend.
Doch denke ich daran, spüre ich den Duft ihrer Haut, sehe ihre dunklen Haare vor mir, weiß wie sie schmeckte und sie ist mir ganz nah, als wäre keine Zeit vergangen. So ist es mit manchen, während andere, mit denen ich länger oder kürzer zusammen war, jedenfalls meist körperlich viel näher und auch Nächte verbrachte, verschwimmen im Fluss der Zeit, ohne eine Erinnerung in mir zu hinterlassen.
Würde sie heute noch am Geschmack erkennen, bin ich sicher, nicht weil er mir so gut gefiel, es war mir eher fremd ein wenig, aber irgendwas hat sich eingeprägt und so hinterlassen manche Liebe tiefe Spuren für ein Leben und andere verschwinden spurlos wieder, völlig unabhängig davon, wieviel Zeit ich mit ihnen verbrachte oder nicht.
Es scheint als ob die Liebe jenseits der Zeit steht und alle Grenzen überwinden kann. Dennoch scheitert auch die vermeintlich große Liebe, was weiß ich schon, was sie wirklich war, es fühlte sich zumindest so an, manchmal an fehlender Gleichzeitigkeit und dem zuwenig und zuviel an Zeit, als wäre schlafen nicht das größte Glück, wenn es sich so anfühlt.
Die natürliche Zeit scheint es nicht zu geben sondern nur viele Zeiten und welche natürlich ist, weiß ich auch nicht so genau, der ich immer mit gemessenen Zeiten lebte und der eine präzise innere Uhr hat, immer etwa eine fünf Minuten vor dem Wecker aufwacht.
Ist diese innere Uhr, die mich pünktlich weckt, wenn ich es mir vornehme nun meine natürliche Zeit oder doch eher die erfolgreich dressierte, weil ich es lange gewohnt war, mit dem Wecker aufzustehen, den ich nicht mehr brauche. Seit dem aber, seit ich mit 17 begann immer um 5.45h aufzustehen, wenn ich in die Schule musste, scheint mir diese Weckzeit, der ich nur vielleicht vier Jahre von meinen 46 kontinuierlich folgen musste, mir zur natürlichen Zeit geworden zu sein und ich habe innerlich daran nichts mehr geändert, auch wenn ich nicht mehr immer um diese Zeit aufstehe, sicher nicht etwa, wenn ich dann erst eine Stunde zuvor mit Schreiben aufgehört hatte.
Andere haben ganz andere Zeiten und fänden die Vorstellung absurd morgens um viertel vor sechs, laufen zu gehen oder bis zur Morgendämmerung zu schreiben, wenn gerade die Gedanken dazu passen. Finden es dafür ganz normal zum Badeurlaub auf die andere Seite der Welt in eine völlig andere Zeitzone zu fliegen und sich dort schnell einzuleben.
Die Kapitänin, die eine unglaublich willensstarke Frau war, konnte, wenn es nötig war 24h am Stück hart und präzise arbeiten und funktionierte dann einfach. Kenne solche Einsatzzeiten auch aus meiner Zeit im Krankenhaus, wenn es nötig war und ich auch mal über 16h im OP stand und irgendwelche Häkchen hielt oder Zeugs anreichte, nächtelang durcharbeitete, um zu verdienen und am nächsten Tag um 8h in der Vorlesung saß, weil es nötig war. Manchmal verschieben sich auch alle Zeiten und dann bleibt nichts als sich in den Augenblick zu fügen und zu funktionieren, wie es Nadolny von Franklin erzählt, der im Roman auch nicht mit der wirklichen Zeit konnte, heute würden wir das vermutlich eine langsame ADS nennen und als Krankheit behandeln, vielleicht sogar mit Medikamenten.
Am Ende bleibt, ich weiß nicht, welche Zeit für wen natürlich ist, nur welche sich für mich richtig anfühlt, kann ich manchmal erspüren und dann scheint alles ganz natürlich zu fließen. So es im Leben nur darum geht, glücklich zu sein, was ich immer noch am vernünftigsten finde und was sehr stark meinem Gefühl entspricht, könnte der eigenen Zeit zu folgen, ein guter Weg dazu sein. Wenn Zweisamkeit Glück miteinander zu teilen, um es zu vermehren, heißt, kann es nur darum gehen, die Zeit zusammen zu genießen - ob wir dabei mehr schlafen oder wachen, entscheiden die Umstände und vieles mehr, solange es uns gut tut, wird es gut sein. Die verlorene Zeit zu suchen ist unsinnig, die wiedergefundene dagegen zu genießen, scheint mir relativ weise, ansonsten verstehe ich nichts von der Zeit, ich hab sie.
jens tuengerthal 23.1.2017
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