Supermarktcrash
Eigentlich gehe ich gern einkaufen, schlendere durch die Regale, stehe in Ruhe an der Kasse an und beobachte die anderen dort, besonders die Frauen vor oder hinter mir. Der Röntgenblick meiner Phantasie zieht sie dort schon mal aus, vermisst sie und überlegt, was sie wohl drunter tragen, wie und wo sie rasiert sind, wenn ich Lebensmittel einkaufe, stelle ich mir gerne auch vor, wie sie schmecken, die Frauen vor mir, nicht die Lebensmittel, die kenne ich ja meist, weil ich eigentlich fast immer das gleiche kaufe. Manchmal frage ich mich, was die Frauen wohl so denken, wenn sie gestresst an der Kasse stehen und wovon sie wohl träumen.
Viele Frauen träumen davon, ihren Märchenprinzen im Supermarkt kennenzulernen, habe ich oft gehört und lange gehofft mal einer dort zu begegnen, die genau das in mir erkennt. Habe viele Frauen getroffen in den letzten Jahren, denen es eigentlich peinlich war, sich in diesem Online-Portal kennengelernt zu haben und die alle davon sprachen, wie schön es wäre, sich einfach im Supermarkt kennenzulernen und ob wir das nicht lieber sagen wollen.
Im Supermarkt sind sie aber meist hektisch und gestresst, erledigen, was die Superfrau heute alles nebenbei macht und planen schon das Essen mit dem neuen Online-Date in Gedanken, wenn es denn nett wird und sie das erste mal für ihn kochen - aber dann ist es wieder nur so ein veganer Technikfreak, der nie die Augen von seinem Telefon lassen kann und sie kochen wieder nur für sich, obwohl sie ja eigentlich gerne - und ja, da sollte ich einhaken, ich koche auch gerne und gut, bin kein Veganer, will es auch nie werden, weil ich nicht glaube, dass Pflanzen weniger Gefühl als Tiere haben und wir eben immer töten, um zu leben, aber nein, das wird ja schon wieder zu politisch, vergess ich lieber wieder - aber sinnlich zusammen kochen und vielleicht mit den Einkaufswagen zusammenstoßen, denke ich, der selten nur noch einen Wagen nimmt sondern seinen Fahrradkorb am Arm trägt und so viel kaufe ich ja nicht ein, für mich alleine.
Zusammen einkaufen wäre bestimmt auch schön, denke ich. Viele mögen das nicht und haben keine Freude daran, während ich glücklich wäre, solange es noch nicht Alltag wurde und die Erwartungen mir Lesezeit raubten. Naja, ich schränke also schon wieder etwas ein und möchte doch so gern verträumt in die Gesichter der Schönen schauen, die hier im Supermarkt gerade an mir vorbeischieben.
Da fällt mir ein, ich sollte mir doch lieber einen Wagen holen, es macht so gelassen beim Einkaufen und wie soll ich mit einer mit dem Wagen zusammenstoßen, wenn ich keinen habe, sondern nur mit meinem schnell gefüllten Korb durch die Regale eile - nein, die Romantik muss auch eine Chance bekommen, eine echte und nicht nur eine geträumte, denke ich und vielleicht ist ja heute mein Tag.
Gehe zuerst durch die Obst und Gemüse Abteilung, in der die Waren wie auf einem Markt nett angerichtet präsentiert werden, nehme einen Apfel in die Hand und beginne, da es natürlich keine Marktfrauen im Supermarkt gibt, mit ihm zu verhandeln, nicke dem Apfel in meiner Hand freundlich zu. Frage nach, ach wirklich?, und die Kinder oder 1,99,- soso, Danke - gebe vermutlich gerade ein lächerliches Bild ab, denke ich, lege den Apfel lieber wieder zurück ins Regal und schaue mich um welche mich nun zufällig als ihren Märchenprinz entdecken könnte, nachdem wir vor dem Orangenberg zusammenstießen.
Die dort drüben, mit dem geflochtenen Zopf gefällt mir. Edler Öko-Schick, geschmackvoll und vermutlich belesen, denke ich und scanne sie schon mal vor dem inneren Auge, was sie wohl für Wäsche trägt - ist sie eher der Baumwollschlüpfertyp in naturbelassenem Hellbraun oder trägt sie sportliche Strings, weil ihr wichtiger ist, dass es schnell geht und funktioniert, vielleichet am Ende gar Designerwäsche, natürlich vom Öko-Label, weil die erfolgreiche Managerin natürlich ganz bewusst einkauft, träume ich vor mich hin und frage mich, was sie wohl gerade liest und wie so ein verträumter, etwas lebensferner Dichter zu so einer passte.
Auf ihrem schönen Hintern, zeichnete sich keine Unterwäsche ab, was für French Knickers oder String spricht, dachte ich - so wie sie die Haare trug, war die nie und nimmer nackt rasiert, dachte ich erfreut, schaute auf ihre Augenbrauen, die manchmal einen Hinweis auf die Schambehaarung geben, in Farbe oder Buschigkeit, aber auch völlig täuschen können, warum ich wieder davon absah - manchmal liebe ich auch kleine Überraschungen, so lange ich nicht plötzlich mit einer Nacktschnecke im Arm erwache, die mir ihr Arschgeweih entgegenstreckt und von ihrem nächsten Tatoo schwärmt. Bin wohl doch ziemlich langweilig konventionell und beschränkt, dachte ich, bald muss ich schon in der Frauen Union fischen gehen, weil bei den Grünen zu viele Veganer sind, schüttelte es mich und ich grinste zufrieden vor mich hin und wartete, was wohl als nächstes passierte.
Ziemlich zielbewusst ging sie vor, prüfte die Dinge kurz in der Hand, wählte, legte ab und ging weiter - kein hin und her, sie weiß, was sie will und wen, überlege ich und frage mich, wie ich das Gespräch beginne, wenn wir gleich zusammenstoßen würden, was mir unvermeidlich schien, wenn sie zwischen dem Gemüsestand und den Stapeln von Tütensuppen, die vor der ersten Reihe mit Kühlregalen an einem Stand beworben werden, hindurch will, um entweder zur Kasse zu kommen oder im hinteren Bereich, etwa an der Fleischtheke, denke es und schon läuft mir lustvoll das Wasser im Mund zusammen, weitere Einkäufe zu tätigen.
Aber so wie die aussah, kaufte sie bestimmt nur Bio-Fleisch aus regionaler Produktion, war ich mir sicher oder gar eine ethische Veganerin, die mich bekehren wollte, dachte ich mit Grauen und fragte mich, ob die erste Wahl wirklich gut war - überhaupt sollte es nicht alles zufällig geschehen? War so eine inszenierte Carambolage nicht völlig unecht?
Aber wenn sie es war und ich sie nun verpasste, weil ich so lange überlegte, hielt ich mich zur Eile an und drängte zur Entscheidung - sie war es einfach, so elegant und geschmackvoll, ein besonderer Schatz, egal ob Veganerin oder nicht, die wollte ich haben, riet es mir aus der Tiefe meiner Hoden zum zügigen Zugriff, weil aber keiner mich so gut kennt, wie ich, gelang es mir, diesen hormonellen Vorstoß wieder mit ausreichend intellektuellen Zweifeln zum Schweigen zu bringen - stellte mir die ewigen Diskussionen vor, ob die Teewurst sein müsse, warum die Salami so stinke im Kühlschrank und überhaupt wäre roher Schinken doch total ungesund. Dass sie, so gesund, wie sie war, bestimmt Nichtraucherin war, fand ich ja einerseits gut, wenn es im Bett so gut wurde, wie sie elegant war, wofür natürlich noch nichts sprach als meine Phantasie, könnte ich ja endlich aufhören, andererseits fand ich auch die Vorstellung nervig so eine kerngesunde Hippe an meiner Seite zu haben, die mich bei jeder Zigarette vorwurfsvoll ansah oder erstmal nicht mehr küsste.
Nun gab es genug Hinderungsgründe, die gegen diese offensichtlich kluge und elegante Frau sprachen, war vielleicht eine Nummer zu groß und vor allem, war alles jetzt so gewollt - ich stand zwischen den Tütensuppen und den Energy-Drinks, vor dem ersten Wurstregal, um sie abzupassen, von der ich mir die Rettung des heutigen Tages erhoffte und sie kam nicht.
Dann sah ich die Quelle der Verzögerung - die Schöne war Mutti und schleppte noch drei Kinder mit durch den Markt - ok, war gelaufen, die Zweifel hatten gewonnen, ich mag ja Muttis, aber ich mache sie lieber ohne ihre Kinder an, dann gibt es meist noch einen Papi dazu und so perfekt und geordnet wie die Dame aussah, brauchte ich mir da keine weiteren Hoffnungen mehr machen, gab ich resigniert auf. Na, sei doch froh, munterte ich mich auf, willste noch gleich drei Kinder dazu und eine Alte bei der alles immer picobello sein muss?
Wollte ich nicht, aber die war trotzdem einfach toll, grummelten die frustrierten unteren Regionen noch ein wenig triebhaft - aber, was solls, egal wie toll, was nützt mir eine tolle Schwärmerei aus der offensichtlich nichts werden kann. Fand mich nun damit ab, dass der erste Versuch, der sowieso viel zu gewollt war, also scheiterte noch bevor wir zusammenstoßen konnten und dachte schon, na wenn nicht heute, dann eben ein anderes mal und den ollen Spruch andere Mütter haben auch schöne Töchter, der aber angesichts der sonstigen Auswahl gerade nach hinten losging.
Andererseits war sie auffallend gelassen und ruhig mit den Kindern, ließ sie machen und schaute nur, wo sie blieben - war sie am Ende antiautoritär, mit so ganz verwöhnten Gören - wäre auch anstrengend, schien aber nicht so, die Kinder hörten erstaunlich gut, sie erhob nicht mal die Stimme und lachte viel mit ihnen - sie war wirklich ziemlich cool für eine dreifache Mutter, denn dass die Geschwister waren, sah ich sofort und ähnlich waren sie ihr auch.
So eine triffst du nur einmal, sie ist ein Unikat, grummelte es in mir, die passt zu dir, verdient viel Geld und du brauchst dir keine Sorgen mehr machen und unterhältst als Dichter und überhaupt ihre vielen Gäste, kümmerst dich nebenbei um die Kinder, schreibst in Ruhe die besten Bücher und lässt es dir endlich gut gehen. Greif zu, schreit es von unten, lass sie nicht entwischen, doch die Vernunft im Bündnis mit der Trägheit war stärker - welcher vernünftige Mann fängt etwas im Supermarkt mit einer gestressten Mutti mit 3 Kindern an, dachte ich, keiner natürlich, darum bleiben sie so lange bei ihren langweiligen Typen und haben so viel Zeit sich zurecht zu machen. Der Einkauf der Öko-Designer-Mode ist bestimmt auch so eine Ersatzhandlung für fehlenden Sex, ach, soll sie doch machen, geht mich ja nichts an, rief ich mich zur Ordnung und zur Toleranz auf - als ich mir dann aber vorstellte, wie sie nach dem Geigenunterricht der Tochter noch schnell für die Kinder kocht, um dann erst zum Pilates und dann zum Yoga zu gehen, wie die Muttis es hier eben so machen, wollte ich nur noch weglaufen. Nur gestresst wirkte sie eigentlich überhaupt nicht.
Wäre vermutlich auch weggelaufen, hätte ich nicht diesen bescheuerten Wagen - nun war ich eingesperrt und konnte entweder nur rückwärts wieder Richtung Wurstregal abtauchen, was gefährlich schien, da ich dann scharf um die Kurve müsste und Gefahr lief, den Stapel Dosen mit diesem blöden roten Bullen darauf umzuwerfen. Eine Peinlichkeit, die ich mir gern ersparen wollte und so musste ich eben warten, bis die Mutti sich mit ihren drei Bälgern durch die Gemüseabteilung hindurch und an mir vorbei gequält hätte, um ungesehen meinem zurückgezogenen Vorsatz wieder zu entkommen.
Stellte mich darauf ein noch einen Moment zu warten und zählte erst die Dosen auf dem Stapel neben mir, um dann pi mal Daumen zu schätzen, wieviele es wohl waren, las schließlich die Liste der Inhaltsstoffe der neuen Tütensuppe, die mich zu verführen begann. Klang ja wirklich lecker, dachte ich, vielleicht sollte ich mal probieren und alles Bio, war mir zwar egal, konnte aber ja nicht schaden - aß zwar nie Tütensuppe aber mit was sonst sollte ich mich nun beschäftigen, bis die gefährliche Traumfrau endlich vorüberglitt. Die Fachverkäuferin vom Suppenmarketing sah auch ganz nett aus eigentlich, also lieber schnell umdisponieren.
Sie würde gleiten wie eine Elfe dachte ich, elegant wie sie war und geriet schon wieder ins Schwärmen - Elfe mit Einkaufswagen und drei ganz frei erzogenen Kindern, die selbst entscheiden, ob sie sich nun entschuldigen möchten, schoss es mir durch den Kopf und ich schien wieder von der Vernunft gerettet, denn wenn ich ehrlich war, die Frau wollte ich und wenn ich könnte, wie ich wollte, also unter anderen Umständen und überhaupt - naja, aber ist eben so wie es ist und darum muss jetzt nicht weiter lamentiert werden und gleich war sie ja weg, um ihrem super korrekten Gatten die Designer-Loft-Wohnung schön zu machen.
Da plötzlich passierte es. Hatte mit allem gerechnet, aber damit nun gar nicht. Sie bog mit ihrem mit Obst und Gemüse gesund gefüllten Wagen ab Richtung Wurstregal, dorthin wo erst das Junk-Zeugs kommt - es war eigentlich nur eine Art Abkürzung an der ich da stand, wie ein geheimer Weg für Kenner, abseits der sonstigen Routenführung in diesem Supermarkt.
Und da knallte es auch schon. Sie schaute nach ihren Kindern, die um den Dosenstapel herumliefen und ich war völlig verwirrt, weil nun alles anders kam, als ich dachte und so hatte ich mir das doch nicht gedacht.
Unsere Wagen, die sich noch im letzten Moment ausweichen wollten, stießen mit großer Wucht zusammen und verhakten sich. Gerade hatte ich sie in Gedanken aufgegeben, da hing ich auch schon an ihr und kam nicht mehr los, dachte ich für Sekundenbruchteile.
Wir sahen uns an und genau das, muss dieser Superknall sein, von dem alle immer träumen, dachte ich und bekam weiche Knie vor Glück, dass noch keinen Grund hatte. Ihr schien es genauso zu gehen - oder war sie mit dem vierten Schwanger überlegte ich - jedenfalls schwankte sie leicht und stütze sich am Wagen ab. Völlig losgelöst, wie Major Tom einst sang, wollte ich ihr zu Hilfe eilen, ließ meinen Wagen, der mit ihrem verkeilt war in dem engen Gang einen Moment los, um sie aufzufangen, falls sie nun fiele.
Dass tat sie tatsächlich, weil ich Idiot den Wagen losgelassen hatte und daraufhin ihrer den meinigen in den Dosenstapel schob, der sofort zusammenbrach und die Blechungeheuer voller Zuckerenergie durch die Reihen rollen ließ. Wollte zu ihr, die mit dem Mund auf den Griff des Wagens geschlagen war, um sie als Ritter aufzufangen, wie es schöner nicht sein könnte und der Blick, den wir uns Sekunden vor unserem Zusammenstoß zuwarfen, gab wohl Grund zu schönsten Hoffnungen.
Leider rollten die Dosen dazwischen, unter meine Füße und während ich gerade als Retter an ihre Seite hechten wollte unter Einsatz meines Lebens, kostete es mich die letzte Standkraft, ich bekam eine Dose unter die Füße, glitt aus, landete mit dem Hintern im Rest vom Dosenstapel und riß vorne den Fertigsuppenstand vor der entstetzt schauenden Verkäuferin um - es gab eben nirgendwo mehr echten Halt im Leben, dachte ich mit einem Anflug von Selbstironie, während sich der nach Bockshornklee stinkende Inhalt des brodelnden Topfes, der vom Stand fiel, über meinen Schoss ergoss.
Nun sah zumindest keiner mehr, wenn ich mir in die Hose machte, dachte ich vor Grauen über diesen Gewürzgestank in meinem Schritt und fragte mich, ob meine Hose dann wohl auf dem Kilometer bis zu mir nach Hause gefrieren würde und ich mit Bio-Curry-Eis bei mir ankäme. Was für eine Katastrophe, ich treffe die Traumfrau, sie fällt im wahsten Sinne des Wortes auf die Fresse und ich zerstöre bei dem Versuch, sie zu retten, den halben Supermarkt. Und das ohne Haftpflicht dachte ich ein wenig schuldbewusst.
In dem Moment, in dem ich gerade über die mögliche Steifigkeit in meiner feuchten Suppenhose sinierte, rollte mir noch der Einkaufswagen mit der Mutti daran über die Finger und quetschte diese so, dass ich aller vermeintlichen Tapferkeit als hier Superheld zum Trotz aufschrie. Zum Glück blutete es auch ordentlich und sah gefährlicher aus, als es sich anfühlte. Sie blieb schließlich im weitgehend verwüsteten Dosenstapel stecken, blutete ein wenig an der Lippe und würde vermutlich einen blauen Fleck am Kinn bekommen, aber das schien sie nicht weiter zu stören.
Voll schlechtem Gewissen kniete sie sich sofort über die Hand - sie sei Ärztin, ob sie mal sehen dürfte, was nötig wäre - bereitwillig reichte ich ihr die Hand, sie begann sie professionell zu untersuchen und ich sagte, mit ein wenig zusammengebissenen Zähnen, sei alles nicht so schlimm. Da zeigte sie mehr Größe als ich erwartet hätte - sie übernahm die volle Verantwortung für den Unfall, rechtfertigte sich nicht, sondern entschuldigte sich, fragte die Verkäuferin, ob sie den Schaden übernehmen solle, sie hätte nicht aufgepasst und fragte dies auch mich.
Eine Frau, die sich für etwas entschuldigte, für das keiner, was konnte, eigentlich, was durch meine träge Blödheit zustande kam, mich nicht dafür anbrüllte oder beleidigt sondern einfach besorgt war - es schien noch Wunder in dieser Welt zu geben, von denen ich bisher nichts geahnt hatte. Was war das Leben schön, auch mit Curry-Hosse nass und blutender Hand, ich konnte noch nicht glauben, dass dies gerade mir passierte, der eher das Gegenteil zur genüge kannte.
Nun war ich in der wunderbaren Position mich nicht verteidigen oder kämpfen zu müssen, sondern konnte ihr ganz großzügig und wie gerne alles vergeben. Meinte, sei ja nicht schlimm, die Hose käme in die Wäsche und dann sei alles gut. Aber sie ließ nicht locker, sie wollte die Finger ordentlich reinigen und die Wunde verarzten. Ich solle mit zu ihr kommen, mit der Hose könnte ich ja nicht Rad fahren, die würde ja steif frieren.
Bei diesen Worten sahen wir uns an, dachten beide das gleiche, mussten plötzlich furchtbar lachen und ich dachte nur noch, entweder ich renne jetzt ganz schnell hier weg oder ich bin in einem halben Jahr verheiratet. Es war einer dieser Blicke, die du nie wieder im Leben vergisst, es schien alles klar, sie hatte noch als Ärztin meine Hand genommen und hielt sie nun als Frau und eigentlich wollte ich sie küssen, müsste ich nicht so furchtbar lachen.
Bin nicht weggerannt und habe mich nicht geirrt. Sie hat meine Sachen gleich gewaschen und dann konnte ich ja nicht weg. Nun sitze ich hier, schaue aus dem Fenster, gerade ist sie einkaufen, auf dem Rückweg aus der Klinik, sie ist Chefärztin und eine große Nummer in der Forschung und die Kinder waren von ihrer Schwester, sie war irgendwie noch nicht dazu gekommen bisher, Beruf und Forschung hatten immer Vorrang. Männer hatten sie nie interessiert. Bevor es jetzt kitschig wird, hör ich lieber auf und erzähle wie ich mit der stinkenden Hose in Wirklichkeit nach Hause lief und mir alle Katzen und Hunde meines Kiezes hinterher liefen. Manchmal ist doch schade, denke ich, dass ich nicht an Märchen glaube, hätte doch so gut gepasst. Vielleicht wird ja doch noch mal ein Wunder geschehen.
jens tuengerthal 28.1.2017
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