006a Was ist schön
Was ist wirklich schön?
Oder fragte ich besser wer?
Wonach richtet sich das heute?
Im Zeitalter kosmetischer Chirurgie ist Schönheit ein machbarer Maßstab geworden. Was nicht gefällt, wird korrigiert und neu angelegt, bis es gefällt - so werden Brüste meist vergrößert, manchmal verkleinert, Nasen korrigiert, Ohren angelegt und Haare gewellt, wozu es selten eines Chirurgen bedarf, die Friseurlehre soll bei letzterem Eingriff meist genügen. Denke ich an Zonen-Gabi oder Vokuhila, fragte ich mich allerdings schon manchmal, ob nicht alle, die am Gesicht verändern, nicht einen Waffenschein bräuchten, wegen der Gefahr der Erregung öffentlichen Ärgernisses.
Waren die Schlaghose oder Hüfthosen, die jede natürliche weibliche Symmetrie völlig zerstören, jemals schön oder sind sie einfach ein Trotz der Häßlichkeit, ein Schrei nach Freiheit durch bewusste Verunstaltung wider die Natur?
Hier werde ich gewiss großen Widerspruch von den tausenden Trägerinnen der unförmigen auf den Hüften sitzenden Hosen ernten, weil ich einfach keine Ahnung von Mode hätte. Werde darum lieber gleich gestehen, von Mode verstehe ich nichts, bin ein völliger Langweiler, kleide mich meist schwarz, mit Rolli und Jeans. Aber von weiblicher Schönheit und ihren natürlichen Formen verstehe ich was, bilde ich mir ein, zumindest habe ich da einen Geschmack, von dem ich überzeugt bin und der sich lieber an der Natur als an ihrer Verschiebung erfreut.
Was finde ich dabei noch ok und wo hört es für mich auf?
Silikonbrüste überschreiten bei mir die Grenze des tolerablen. Mehrfach live erlebt und berührt, gruselig, möchte ich nie wieder erleben, es sei denn, diese sind schlicht ein nötiges Holzbein. Der Busen kann für mich so klein sein, wie er will, alles ist schöner als unecht.
Lange Fingernägel finde ich auch eher peinlich und zu viel Schminke ohnehin immer eher entstellend als verschönernd. Mag Frau lieber, wie sie ist, als zu sehr aufgedonnert. Aber blasse ungeschminkte Öko-Mäuschen übersehe ich auch eher, denke ich und frage mich, ob es für mein Gefallen einen goldenen Schnitt gibt.
Was findet Frau umgekehrt schön - die letzte große Liebe hasste Bart an mir, wie Bart überhaupt, wobei unklar blieb aus welchen vielleicht traumatischen Gründen. Andere, eher die Mehrheit, finden es steht mir und so passt sich die Faulheit nun gerne wieder ein wenig der Mode an, ohne zu wissen, was mich schöner macht oder wirklich schön ist. Es sprießt nach Lust und Laune.
Ist die gerade Bartmode eine Huldigung der ursprünglichen Männlichkeit, geht sie zurück zu den Wurzeln und gibt uns längst politisch korrekten Sitzpinklern den Anschein wilder Männlichkeit?
Wäre es so, könnte es als ein zurück zur Natur gesehen werden, dabei würde es doch dem sich kultiviert gebenden Großstädter viel besser stehen, wenn er zeigte, wie gut er sich auch im Gesicht pflegt - doch Frau funktioniert in vielem anders, zumindest, wenn es gerade so Mode ist und Mann will ja auch gefallen. Die Leidenschaft für mit oder ohne Bart hat nach meiner Erfahrung nichts mit der sexuellen Leidenschaft der Frauen, die das eine oder andere bevorzugen zu tun. Im Gegenteil liebte gerade die Bart am Mann am meisten, die eine meiner leidenschaftslosesten Liebhaberinnen war.
Interessant ist auch die Umkehrung der Behaarungsmoden im Verhältnis im Laufe der letzen 50 Jahre. Desto mehr wilden Bart trägt, desto kahler wurden die Frauen, bis sie heute teilweise als völlige Nacktschnecken durch die Betten schleimen, was eine zugegeben etwas bissige ästhetische Bewertung dieser in meinen Augen kranken Mode ist, die der Pädophilie ästhetischen Vorschub leistet.
Umgekehrt sind nicht alle Frauen, die schöne Unterwäsche oder bei jedem Wetter Strings tragen, zugleich leidenschaftliche Liebhaberinnen. Auch der Grad des eigenen Stylings gibt selten Auskunft über die eigene Bedürftigkeit in sexueller Hinsicht. So hat sich, was die Natur wohl zur Erhöhung der Attraktivität bei der Begattung erfand, inzwischen verselbständigt und Mann nimmt es so hin, wenn auch manchmal etwas verwirrt, ob der eigentlichen Absichten.
Sollen Männer überhaupt schön sein, frage ich mich und es scheint mir, als hätten wir verschiedene Maßstäbe zur Beurteilung je nach Geschlecht. Frauen sagen häufig, Männer sollten attraktiv und Frauen schön sein. Es käme mir auch seltsam vor, meinte eine Frau zu mir, zufällig verliebt, ich sei schön, was ich ihr vorm ersten mal vermutlich mehr als einmal versichert haben dürfte. Ganz abgesehen von dem objektiven Fehlurteil in diesem Fall, wäre das kaum der Maßstab, an dem ich gemessen werden wollte.
Der Maßstab dessen, was wir schön finden, unserer je sexuellen Orientierung entsprechend, unterscheidet sich also und doch gibt es Anblicke, bei denen sich eine große Mehrheit einig sein würden, dies sei schön. Von Michelangelos David bis zu vielen antiken Figuren und auch bestimmte Schauspieler oder Modelle findet eine Mehrheit attraktiv. Jedoch ist in der Schönheit nichts ohne Ausnahme.
Frage mich, wie authentisch diese ästhetische Bewertung dann noch ist. Gefällt es uns wirklich oder passen wir uns nur dem Empfinden der Mehrheit an?
Es gibt viele Theorien über den Goldenen Schnitt, unser Harmonie Empfinden und die kleine Abweichung, die eine sonst perfekte Schönheit erst wirklich schön macht. Gerade das Marketing, das bestmöglich Waren an die größte Menge verschachern will, möchte wissen, was die Mehrheit schön findet.
Teilweise wird unser ästhetisches Empfinden auch von der Werbung geleitet und verändert, damit wir schön finden, was uns vorher unattraktiv erschien oder nicht aufgefallen war. So relativiert sich der Begriff der Schönheit zwar im Urteil des einzelnen immer und doch gibt es diese Suche nach dem heiligen Gral der Schönheit.
Frage ich mich, wo ich frei empfinde und wo meine Meinung gelenkt ist, kann ich es nicht genau sagen, weil die Einflüsse, die zu meiner Ästhetik führten, so vielfältig sind. Von Geburt an, sind wir mit Dingen konfrontiert und finden sie mehr oder weniger schön, mögen sie oder nicht. Ist es noch das natürliche ästhetische Empfinden, das uns zu diesem oder jenen Kuscheltier greifen lässt oder liegt das schon mehr am Duft, den es, von wem auch immer trägt.
Eine Freundin von mir, hatte einen Teddy, den sie seit Kindertagen liebte und der sie immer ins Bett begleitete. Sobald sie vertraute, brachte sie ihn mit und er wohnte mit in unserem Bett, wurde zur Nacht geküsst und zugedeckt, wenn wir Sex hatten, damit er sich nicht erschrecke. Ohne ergründen zu wollen, was ein solches Verhalten über die Psyche einer Frau Ende vierzig verrät, fand es seltsam, aber was niemandem schadet, ist gut, solange es gefällt, könnte ich nach dem ästhetischen Maßstab fragen, der dieses Kuscheltier noch aus DDR-Zeiten so liebenswert für sie machte und käme wohl auf nichts als die reine Dauer der Beziehung, der diesen für sie zum besten Bären der Welt machte.
So ging es mir auch mit meinem Teddy, bis irgendwann die Frauen ihn ersetzten und ich es nicht mehr attraktiv fand, diesen im Bett zu haben, ohne ihn einzuschlafen lernte, ihn irgendwann ganz vergaß, er nun an mir gerade unbekannten Ort sein lebloses Dasein fristet. Habe ihn als Kind geliebt und innig mit ihm gekuschelt und geschmust, seine Pfötchen so intensiv immer wieder zwischen meinen Fingern geliebt, dass meine Mutter ihm mehrfach neue Lederkappen am Ende der Arme annähen musste, was meine Liebe nicht minderte.
Eine Liebe von mir hatte als Kind einen Unfall erlitten und hatte am Körper schlimme Verbrennungen erlitten, die ihre Haut unter dem Busen bis weit über die Schenkel, wenn ich mich richtig erinnere, im Stile von Niki Lauda entstellte. Als ich das zum ersten mal bei Tageslicht bewusst sah, erschrak ich und sie tat mir leid. Fragte mich, wie sehr sie wohl darunter litt. Später, in dem Maß in dem das Gefühl für sie zunahm, sah ich es überhaupt nicht mehr und fand ihr Lachen und ihre Augen, wenn sie glücklich war, so schön, dass sie mir attraktiver als all meine Modell-Freundinnen erschien. Sie ist für mich auch heute noch, mit mehr auch realem Abstand, eine wunderschöne Frau, fast scheint es, als würde der Makel der Narben ihre Schönheit für mich noch betonen.
Bezweifle, ob dieses oder irgendeines meiner ästhetischen Urteile dem Geschmack der Allgemeinheit oder einer Mehrheit genügte, was aber auch unwichtig für mich ist inzwischen. Gerade in der Pubertät war das noch anders. Da war mir das Urteil der anderen wichtig und ich gab mehr auf das, was die Mehrheit schön fand, weil ich ja auch dieser gefallen wollte, als ich zugab.
In meiner Punkphase hatte ich ein etwas anderes ästhetisches Empfinden. Da ging es darum mit dem Äußeren zu provozieren, sich hässlich zu machen und dennoch war diese Bewegung, der ich nie wirklich nahe kam, nur ein wenig mit Freunden mitschwamm, auch nur eine Mode, die streng ihren eigenen vermeintlich anarchischen Regeln folgte. Es ging um ein Auffallen mit Hässlichkeit und ein Schwimmen gegen den Strom, der aber intern wieder ein eigener Fluss mit eigenen Regeln war, die für alle galten, die dort anerkannt und geachtet werden wollten. Insofern glich der Punk allen Jugendbewegungen, die Wert auf Äußerlichkeiten legen und damit auffallen wollen, auch wenn sie sich gerne dabe noch ein spezielles Image der Aussteiger umhängten.
Es gab in meiner Stufe damals ein Mädchen, die sich zu der den Punks nahen anarchischen Skinhead-Bewegung hingezogen fühlte und sich entsprechend kleidete. Keine Rechte, sondern das Gegenteil, was du aber nur sahst, wenn du sie genau anschautest und den Code dieser Splittergruppe kanntest, der etwa an der Farbe der Schnürsenkel sichtbar wurde. Sie verkleidete sich denen ähnlich, die sie ablehnte und deren Ästhetik sie verurteilte, um für das Gegenteil mit ähnlichem Aussehen zu stehen. Weiß nicht mehr genau, wie sich diese Bewegung nannte und halte es auch für zu unwichtig, nach dem Namen zu suchen, erzähle nur davon, weil diese zarte junge Dame eigentlich wunderschön war. Ebenmäßige Züge, klare Augen, eine schlanke, zierliche Figur und dennoch irgendwie entstellt wirkte und ich lange brauchte, bis ich bemerkte, wie schön sie eigentlich ist.
Es entsprach eben nicht dem Muster, was wir als schön zu sehen, gewohnt sind. Kannte aus meiner Arbeit im Krankenhaus genug Frauen ohne Haare und wusste, wie schön diese dennoch sein konnten. Bei ihr war es anders, weil sie keine Patientin war, sondern eine von uns, die nicht schön sein wollte und es dennoch war, aber viel tat, dieses unsichtbar zu machen, meinen beschränkt spießigen Geschmack, der vermutlich nur langweilig bürgerlichen Idealen seit Generationen genügen wollte, vor den Kopf stieß. Sie wurde später ein Kumpel und als ich sie Jahre später wieder sah, inzwischen sehr weiblich und mit Haaren zumindest auf dem Kopf, den Rest sah ich nicht, dachte ich, wie schade, dass ich damals diese schöne Frau in ihr nicht wahrnahm, weil ich vermutlich in zu konventionellen Schranken lebte.
Auch bei der Betrachtung von Kunst wandelte sich das ästhetische Empfinden bei mir. Um so mehr ich sah und wusste, desto mehr gefiel mir. Dennoch blieben Dürer und viele Werke des Impressionismus, die ich schon immer schön fand, auch ohne den Hauch einer Ahnung, für mich die Spitze der Schönheit. Aber manches wandelt sich auch wieder zurück. Eine Zeit fand ich Spitzweg und die Bilder der Romantik nur kitschig, spießig, den Inbegriff von kleinbürgerlicher Ästhetik, weil eben alle, die schick waren, darüber eher die Nase rümpften. Dabei fand ich sie als Kind großartig wie Wimmelbilder und betrachte sie heute mit anderen Augen wieder fast wie als Kind und freue mich einfach an dieser Art der Betrachtung.
Bemerke mit zunehmendem Alter Konstanten in meinem Geschmack und in dem, was mir gefällt. Die Mode der 70er und späten 60er fand ich als Kind schon schrecklich und finde es heute im Revival noch genauso, auch wenn ich mein orangenes Bonanzarad liebte. Fand schon immer den englischen Stil attraktiv, dezent ländlich. Ob im Wohnen, bei Autos, Mode oder für Frauen und so wie ich den Wind in den Weiden schon als Kinderbuch sehr liebte, ähnelt mein ästhetisches Empfinden immer noch sehr dem meiner Kindheit.
Frage ich mich, woher dieser Geschmack kommt, kann ich viele äußere Einflüsse genau benennen, vom Elternhaus und der Großmutter, den Werten, die sie vertraten und deren Zeit in England. Urlauben in der Kindheit dort. Eine meiner Ex-Verlobten, über die meine Tochter gleich urteilte, sie sei langweilig, habe ich für etwas wohl auch geliebt, was ich erst lange nach der Trennung entdeckte, als ich zum 90. Geburtstag der Queen mir Jugendbilder von Elisabeth II. ansah. Sie glichen sich geradezu unglaublich, stellte sich fest und überlegte lange, ob ich dieser nicht das Foto der Königin mit einem Kompliment schicken sollte, was dem nicht so schönen Ende eine gute Wendung gäbe, doch sah ich lieber davon ab, da die Queen nicht als das Ideal weiblicher Schönheit unbedingt gilt und ich nicht in das nächste Fettnäpfchen treten wollte. Welche Frau in den 40ern möchte schon mit einer gerade neunzigjährigen Lady verglichen werden?
Für mich adelte dieser Vergleich sie und bei allem, was mich an ihr störte oder langweilte, passte es doch und hatte sie, auch wenn sie das Besteck nicht richtig halten konnte und gerne Cluburlaub machte, etwas von einer Königin für mich, aber da ich das nicht vernünftig erklären konnte und sie nicht verletzen wollte, sah ich davon ab, ihr dies für sie vielleicht zweifelhafte Kompliment zu machen, auch wenn es von Herzen kam und auf eine gewisse Art auch tiefe Bewunderung ausdrückte.
Doch zeigt dies Beispiel wie unterschiedlich und sensibel ästhetisches Empfinden ist und wie, was ich als Kompliment mit gefühlter Liebe meine, von einer anderen als Kränkung wahrgenommen werden könnte, die nicht die Geschichten meiner Großmutter kennen, die als junge Frau mit der kleinen Elisabeth im Garten nebenan spielte und die Teil meiner Geschichte sind, meine ästhetische Wahrnehmung prägten. Dachte lange, ich hätte mich in die gemeinsame Weimarliebe bei uns verliebt, bis mir klar wurde, es war ihre Ähnlichkeit mit der jungen Elisabeth bei gleichzeitiger irgendwie Schüchternheit, die ich so attraktiv fand.
Liebe macht schön, denke ich und lasse mit liebenden Auge meine Lieben vor meinem inneren Auge flanieren und möchte keine bereuen, denn Liebe macht auch die Welt schöner und lässt dich das immer Chaos liebevoll genießen. Vielleicht führt die Betrachtung des liebenden Auges auch zum Begriff der Schönheit.
So ist meine Tochter sicher eine sehr attraktive, junge Frau aber mehr noch ist sie für mich die Schönste unter all ihren Klassenkameradinnen und Mädchen ihre Alters, scheint sie mir eine natürliche Schönheit und ich frage mich, ob ich da nur als verliebter Vater schaue oder diesem Urteil auch die objektivierbaren Anteile meiner sonst Erfahrung zugrunde liegen.
Wir sprechen vom Schönheitsempfinden und loben doch einen guten Geschmack, wenn sich eine Schönheit im allgemeinen Konsens bewegt. Ist also das Gefühl, als etwas höchst individuelles wichtiger für das, was schön ist, oder die Anpassung an den ästhetischen Konsens?
Manchmal fragten mich Freunde hinterher, was ich denn an der letzten gefunden hätte, die einen fanden diese zu fett, jene zu dünn, meinten die eine hätte einen zu großen Kopf, die andere einen zu kleinen Busen oder einen zu fetten Arsch - was eben so normative Maßstäbe sind, durch die jeder an irgendeinem Punkt immer fallen kann. Habe sie geliebt und fand sie darum wunderschön und wenn ich nun zurückschaue, mehr als drei später, kann ich sagen, ich finde noch jede meiner Lieben schön und möchte nichts bereuen, sondern mich immer daran freuen, im Licht der Liebe einfach schön zu finden und das zu genießen.
Der liebende Blick macht die Welt schöner und darum liebe ich so gern, weil es das Leben lustvoll schöner macht, so durch die Welt zu gehen. Einige werden nun einwenden, Verliebte schauten nur durch eine rosarote Brille, wären nicht zu einem objektiven Urteil fähig und verträumten das Leben. Und ich denke mir, natürlich tun sie das, darum scheint die Welt ja auch so schön und was wäre der Gewinn, es anders zu tun, vor allem aber, was soll überhaupt ein objektives Urteil in ästhetischen Fragen sein, das nur einen Durchschnitt normieren könnte und ich war noch nie gern durchschnittlich.
Es gibt wohl Bestandteile der Schönheit, in denen wir Menschen uns ähneln und die wir alle relativ attraktiv finden. Eine globalisierte Welt mit einem vereinheitlichten Geschmack rund um den Globus, macht dies noch einfacher. Auch da bestätigen die Ausnahmen wieder die Regel und lässt das Gefühl jede Abweichung liebend gern zu.
Der Kult der Fangirls um ihre Stars könnte auch zum ästhetischen Empfinden gezählt werden. Auch wenn dieser Wahn jedem Außenstehenden eher unverständlich ist, gibt die bloße Menge einen Anschein von Objektivität, so blöd oder häßlich der Betreffende nach klassischen Maßstäben auch gerade sein mag. Frage ich mich etwa, welche Maßstäbe eines Gentleman oder Ritters ein Typ wie Justin Bieber erfüllt, fiele mir nichts ein und auch seine Attraktivität scheint sich hauptsächlich der schamhaarlosen ersten Reihe in seinen Konzerten zu erschließen - in vielem ist der vorbestrafte Teeniestar das Gegenbild eines attraktiven Mannes oder was sich Väter für ihre Töchter wünschten, sehen wir von seinem dick gefüllten Bankkonto einmal ab und so liegt vielleicht gerade im Bruch mit der Tradition bei gleichzeitig totaler Konventionalität, die kein eigenes Denken erforderlich macht, dessen Attraktivität, mit der ich nie konkurrieren wollte.
Inwieweit es uns bei der Schönheit eigentlich nur um unsere natürlichen Triebe geht, die auf Begattung drängen und sich nach Liebe sehnen, scheint mir fraglich, insofern ja unser liebendes Auge auch eigentlich vielleicht unattraktive Kandidaten in Venus oder Adonis verwandeln können, damit wir voller Lust genießen.
Sobald ich eine Frau nicht mehr verliebt ansehe, bemerke ich die Grenzen ihrer Attraktivität und wenn ich diese in meiner Erinnerung zu vergleichen beginne, ist dies eigentlich nur Ausdruck dafür, dass sich das große Gefühl wohl erledigt hat, auch wenn es manchmal Jahre dauern kann, bis ich es merke. Erstaunlicherweise, passiert mir das sehr selten und auch die gedankliche Abschweifung beim Sex, die in vielen Beziehungen normal ist, vor allem, wenn sie länger dauern, war mir meist eher fremd, weil ich den Zauber genießen will, der aus dem Gefühl wachsen kann und habe mich darum oft länger noch an Beziehungen festgehalten, als vernünftig war.
Schönheit wird in unserem Alltag an ganz vielen Stellen normiert, vom goldenen Schnitt der DIN Blattformen, bis zu den Linien des Design, der Höhe unserer Häuser und der Form unserer Zimmer, der Möbel und Bilder in ihnen und am Ende ganz nah, von der Unterhose bis zu den Strümpfen. Wir empfinden das als harmonisch und sind es so gewohnt. Abweichungen irritieren uns.
Das Empfinden für Schönheit wird teilweise durch diese Normen und den langweiligen Durchschnitt beeinflusst und ragt doch in manchem wieder völlig aus diesen Fragen heraus. Dann folgt der Sinn für Schönheit ganz dem Gefühl und die wir lieben, scheinen uns die schönsten Menschen der Welt zu sein. Da es keine tauglichen Normen gibt und der Durchschnitt nur dem Marketing dient, habe ich beschlossen mein Gefühl als objektiviert zu betrachten und sage mir nun zurückgelehnt, was habe ich für ein tolles Leben gehabt, nur die schönsten Frauen der Welt geliebt und von mancher sogar geliebt und begehrt worden - schöner kann es nicht mehr werden, freue ich mich und denke, so gesehen hatte ich schon alles Schöne im Leben dank der wunderbaren Frauen, denen ich begegnen durfte und kann mich nun in Ruhe an der Erinnerung freuen und die schönste Tochter der Welt habe ich sowieso.
So verschwimmen in Fragen der Schönheit manchmal Zukunft und Vergangenheit zum schönsten Gefühl der Erinnerung in der Gegenwart, die sonst ohne Zeit immer ist.
jens tuengerthal 4.1.2017
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen